12.15

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es? – Ab 2019 soll ja die Familienbeihilfe einschließlich des Kinderabsetzbetrages für Kinder, die ständig in einem anderen EU- oder EWR-Staat oder auch in der Schweiz leben, an die Kaufkraft jenes Landes angepasst werden, in dem sie wohnen. Das heißt, Unionsbür­gerinnen und -bürger aus Ländern mit niedrigerem Preisniveau erhalten dann weniger, und Personen aus Ländern mit einem höheren Preisniveau sollen mehr erhalten. Das ist kurz zusammengefasst – auch für die Zuseherinnen und Zuseher via Livestream – das, worum es hier geht.

Dieses Vorhaben ist aus mehrerlei Hinsicht zu kritisieren, zum einen politisch-mora­lisch, zum anderen europapolitisch und ökonomisch sowie auch dahin gehend, dass es um die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit wichtigen Dienstleistungen geht.

Kritisch zu betrachten ist vor allem die dahinterstehende Intention, denn es geht Ihnen, den Regierungsparteien, offensichtlich darum, Menschen, die in Österreich arbeiten und hier ihre Arbeitsleistung erbringen, einfach gegeneinander auszuspielen.

Menschen werden natürlich auch gezielt angeworben, hergeholt, um Dienstleistungen, Arbeitsleistungen zu erbringen (Bundesrätin Mühlwerth: Die kriegen ja auch bezahlt für ihre Arbeit!), für die in Österreich ein dringender Bedarf besteht, aber zu wenige Ar­beitskräfte zur Verfügung stehen.

Ich möchte nur einige Beispiele nennen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die sind froh, dass sie hier einen Job kriegen!) Die Pflegekräfte, Handwerker, Handwerkerinnen, IT-Fach­kräfte leisten hochwertige und wertvolle Arbeit. Und was machen Sie? – Sie schüren Neidkomplexe, um politisches Kleingeld zu wechseln. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, Frau Grossmann wie immer voll daneben!) Liebe Frau Kollegin Mühlwerth, schauen Sie sich an, wie postwendend die Parteizentralen aktiv geworden sind, gerade Ihre! Es wurden Plakatsujets entworfen, durch die den Menschen vorgegaukelt wurde, dass die Familienbeihilfe in Länder fließe, die muslimisch geprägt seien, was absolut nicht stimmt. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das gibt’s auch!)

Ihr Parteiobmann, Vizekanzler Strache, musste sich ja auch in der „ZIB“ dahin gehend verteidigen, dass er solche Unwahrheiten plakativ verbreitet hat, er hat sich da ohnehin nicht verteidigen können. (Ruf bei der FPÖ: Das ist eine Unwahrheit! Das ist Unsinn!) Schauen Sie sich diese Sendung on-demand an, da können Sie das alles nachsehen! Er konnte das nicht rechtfertigen. Sie haben wider besseres Wissen den Menschen vorgaukeln wollen, dass die Empfänger anscheinend hauptsächlich Familien in Län­dern muslimischen Glaubens sind, und den Menschen nicht gesagt, dass hauptsäch­lich Bürgerinnen und Bürger aus den Nachbarstaaten, aus den Visegrád-Staaten hier bei uns tätig sind, um Menschen zu pflegen, um diese wichtigen Arbeiten zu erfüllen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Die bekommen ja dafür bezahlt!)

Natürlich bekommen sie dafür bezahlt, und ich sage auch: teilweise zu wenig. Gerade im Pflegebereich besteht ein großer Bedarf, die Qualitätsstandards nach oben zu jus­tieren und natürlich auch die Arbeitsbedingungen zu verbessern. (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.– Das nur am Rande bemerkt.

Sie wollen mit dieser Maßnahme offensichtlich politisch punkten, nehmen aber in Kauf, dass Österreich immenser Schaden zugefügt wird. (Rufe bei der FPÖ: Dass Steuer­geld verschenkt wird! Das ist Angstmache!)

Wir haben 50 000 PersonenbetreuerInnen und Pflegekräfte, hauptsächlich Frauen, auf selbstständiger Basis, aber auch in den Pflegeheimen als HeimbetreuerInnen in den verschiedensten Bereichen. Sie pflegen unsere Eltern und Großeltern (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), leisten großartige Arbeit, weil es auf diesem Gebiet auch zu wenige österreichische Fachkräfte gibt. In anderen Ländern besteht der Bedarf genau­so. (Ruf bei der FPÖ: Für die Missstände in Wien ist die SPÖ zuständig!) Das heißt, es ist auch damit zu rechnen, dass da eine Abwanderungsbewegung eintritt. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Abgesehen davon droht noch weiterer Schaden, denn Sie treiben Österreich sehenden Auges in ein Vertragsverletzungsverfahren. Wir haben im Ausschuss auch die europa­politischen Grundlagen diskutiert. Es liegt auf der Hand, dass ein Vertragsverletzungs­verfahren zu erwarten ist. Das hat uns auch der Experte im Ausschuss durchaus in Aussicht gestellt, natürlich mit der gebotenen Vorsicht.

Ich kann Ihnen einige Bestimmungen zitieren, die sicherlich nicht zu ignorieren sein werden, zum Beispiel Artikel 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union: Verbot jeglicher Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

Es gibt jede Menge Verordnungen, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der Union betreffen, das Beschäftigungsprinzip, oder eine wei­tere Verordnung aus dem Jahr 2004, die besagt, dass Geldleistungen nicht gekürzt werden dürfen, weil Berechtigte oder Familienangehörige in einem anderen Mitglied­staat wohnen. Hier werden also jede Menge Bestimmungen einfach ignoriert.

Ebenso gilt das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Es wurde erst jüngst wieder durch die Entsenderichtlinie bestätigt und gilt natürlich auch für Beitrags­zahlungen und Beihilfen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen in gleicher Höhe zu Steuern, Abgaben und Sozialversicherung bei, erhalten künftig aber nicht die gleichen Beiträge, nicht die gleiche Leistung. – Das ist unionswidrig!

Dies kommt von jenen Parteien, die sich immer wieder, insbesondere im Zuge der Ratspräsidentschaft, als glühende Europäer, glühende Europäerinnen in die Öffentlich­keit stellen. Die Liebe zu Europa scheint jedoch zu verglühen, wenn es um das Wech­seln politischen Kleingeldes geht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ja, Sie haben sich auch jüngst durchaus dazu bekannt. Wo ist denn da die Liebe zu Europa, zu den gemeinsamen Werten, auch zur Freizügigkeit der Menschen, dazu, dass man auch wirklich seinen Arbeitsort, seinen Wohnort innerhalb der Europäischen Union frei wählen kann? Hier wird es sehr große europapolitische Probleme geben. Dazu haben Sie nicht Stellung genommen.

Sie – also die Regierungsfraktionen beziehungsweise das Ministerium – haben ein Gutachten beauftragt, das von Professor Mazal erstellt wurde, der bisher eher im Be­reich der Sozialpolitik tätig war. Warum haben Sie zum Beispiel nicht gleich ein Eu­roparechtsinstitut beauftragt, ein Gutachten zu erstellen? Das wäre wahrscheinlich günstiger gewesen. Und noch günstiger, zum Nulltarif, hätten Sie es haben können, wenn Sie eine Anfrage direkt an die Kommission gestellt hätten.

Die Kommission, Hüterin der Verträge – Sie wissen das –, hätte Ihnen gleich authen­tisch und zum Nulltarif sagen können, wie es europarechtlich aussieht. Aber das woll­ten Sie offensichtlich gar nicht wissen, nein, Sie wollen politisches Kleingeld machen und treiben Österreich sehenden Auges in ein teures Vertragsverletzungsverfahren, das immens viel kostet. Aber das scheint Ihnen alles völlig wurscht zu sein.

Sie stellen Einsparungen in den Raum und haben überhaupt noch nicht kalkuliert, wel­cher Verwaltungsaufwand letztendlich die Folge sein wird. Man muss sich einmal vor­stellen, wie das in der Praxis abläuft; aber auch das scheint Ihnen völlig egal zu sein. Sie wollen nur Emotionen schüren. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt haben wir das eh schon sieben Mal gehört!) Sie wollen Neidkomplexe schüren, Sie wollen politisches Kleingeld schlagen, und das ist politisch-moralisch einfach zutiefst abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, aber das, was Sie machen, auch!)

12.25

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. Ich erteile ihr dieses.