17.47

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich meine, wir haben ja gemeinsam bei Podiumsdiskussionen im EU-Wahlkampf einige Boshaftigkeiten aushalten müssen. (Zwischenruf des Bundesra­tes Brunner.) – Magnus, zu dir komme ich gleich. (Ruf: Ist das eine Drohung?)

Eines muss ich schon sagen: Dieser bestellte Abänderungsantrag ist eine Boshaftigkeit der Sonderklasse. Es muss ja ein Schenkelklopfen gewesen sein in bestimmten Kam­mern, Landwirtschaftskammer, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, dass man diesen Abänderungsantrag zuerst in einer Weise gemacht hat, zu der jeder Verfas­sungsrechtler sagt, das geht ja nicht. Das Verarbeiten von personenbezogenen Da­ten – und wir haben ja erst eine Datenschutzrichtlinie beschlossen –, um eine politi­sche Meinung ersichtlich zu haben, ist strengstens verboten. Jetzt hat man das in letz­ter Sekunde abgeändert, damit das noch halbwegs hineingeht. (Zwischenruf des Bun­desrates Bader.)

Aber, Magnus Brunner, vielleicht könntest du deine Fraktion und die Frau Bundesmi­nisterin über das Verfahren Stadttunnel Feldkirch aufklären. (Bundesrat Brunner: Ger­ne!) Da wurde nämlich der Bürgerinitiative der Zugang zum Gericht verwehrt, und am 27.9.2018 ist nun ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gekommen, dass diese Diskussion vielleicht zur Makulatur macht. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Der Verwaltungsgerichtshof hält in seinem Erkenntnis nämlich fest, dass eine Bürger­initiative nach § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 einen Zusammenschluss natürlicher Personen mit einer örtlichen Nahebeziehung darstellt, daher ist eine Bürgerinitiative „als Teil der [...] Öf­fentlichkeit“ zu sehen. Damit ist sie jedenfalls verfahrensberechtigt. Das heißt, geht man nach diesem Erkenntnis vor, ist das, was hier intendiert wurde, letztlich unanwendbar. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was ich aber überhaupt nicht verstehe, ist, dass man Bürgerinitiativen, die ja zum Teil auch der ÖVP zum Beispiel nahestehen, so unfreundlich, so bösartig begegnen muss. Jetzt denke ich an das Kuratorium Wald oder an den Alpenverein oder an den WWF. Der WWF hält fest, diese Änderung des UVP-Gesetzes ist „demokratiefeindlich, rechts­widrig und verstößt gegen den Datenschutz [...].“ – Dabei ist der WWF alles andere als eine linke Speerspitze der Gesellschaft. (Bundesrat Brunner: Um das geht’s ja nicht!)

Ich habe auch bei Frau Wagners Aarhus-Rede zugehört. Da ist mir vorgekommen, für Sie sind Bürgerinitiativen oder NGOs so etwas wie Aliens oder Außerirdische. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.) Das sind vielleicht die Nichten oder Neffen oder Cou­sins oder die Nachbarn. (Bundesrat Stögmüller: Die Kinder meistens!) – Aber geh, Kinder! Kinder mit 40, Kinder mit 50? Gerhard Heilingbrunner ist kein Kind, sondern ein ziemlich erwachsener Mensch. Das heißt, es sind einfach ganz normale Menschen, die besorgt sind, die ganz viel Zeit damit verbringen, für unsere Kinder, für die Nachwelt eine saubere, lebenswerte Umwelt zu erhalten, für das einzutreten, was ein Kollege hier heute ein bisschen lächerlich gemacht hat, indem er sich für Umweltschutz mit Hausverstand und Augenmaß ausgesprochen hat. Das heißt nämlich nichts, gar nichts.

Genau da sind aber diese jungen Menschen sehr sensibilisiert. Was wir brauchen, sind ja junge Menschen, die Visionen haben, die Engagement an den Tag legen. Deswegen verstehe ich es nicht, dass man da so unfreundlich daherkommt. Die zivilgesellschaft­liche Beteiligung ist ein Wert an sich.

Ich bin als erster Österreicher 2014 zum Vorsitzenden des Monitoring-Ausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gewählt worden. Wenn wir heu­te ein Land screenen beziehungsweise monitoren in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, De­mokratieentwicklung und Menschenrechte, gibt es da immer einen wichtigen Punkt: Wie geht dieser Staat mit NGOs und mit Bürgerinitiativen um?

Interessanterweise haben alle postsowjetischen Staaten, die ja einen Wandel hin zu einer Demokratie durchmachen, das Problem, das sie nicht mit NGOs umgehen kön­nen. Diese Staaten hätten am liebsten die entsprechenden Namen und Adressen, da­mit sie repressiv vorgehen können, damit sie die NGOs behindern können. Und Ent­schuldigung, wenn ich heute Adressen von Menschen nach politischer Meinung samm­le, dann bin ich nicht mehr sehr weit davon entfernt; und wenn ich dann noch Gesetze mache, mit denen ich die NGOs zu speziellen Steuern oder was auch immer zwinge, dann komme ich dieser Politik schon sehr, sehr nahe. Dann wird meistens im Rahmen des Monitorings ein Verfahren eingeleitet, das unter Umständen zehn Jahre dauern kann.

Nachdem ich gehört habe, was Sie, Frau Zwazl, zum Thema Mängelbehebungsauftrag gesagt haben, muss ich sagen: Warum reden Sie nicht mit Ihrer Ministerin und sagen ihr, die UVP-Behörde gehört personell und fachlich ordentlich ausgestattet, damit man auf diese Mängelbehebungsaufträge nicht so lange warten muss? Warum kann man keine effiziente Verfahrensvorbereitung und -begleitung organisieren? Warum macht man nicht vorher eine strategische Umweltprüfung, damit die darauf folgende UVP ef­fizient und schneller ist?

Warum kann man zum Beispiel die zu berücksichtigenden Schutzgüter bei Materien­gesetzen nicht vorher definieren? Warum macht man keine Reform des Verfahrensma­nagements und keine verbindliche Planungskoordination? Dann erreicht man das alles, ohne in einer Gesellschaft etwas anzuzünden, ohne dass man Menschen dermaßen vor den Kopf stößt, wie das mit diesem bestellten und wirklich fragwürdigen Abände­rungsantrag hier geschehen ist.

Damit wird nämlich Parteistellung erschwert, Parteien, NGOs und Bürgerinitiativen wer­den damit in ein Eck gestellt, wo sie nicht stehen sollen. In einer Gesellschaft, wo wir immer wieder sagen: Hey, junge Menschen oder überhaupt Menschen, beteiligt euch am gesellschaftlichen Miteinander, seid interessiert an dem, was passiert, zieht euch nicht zurück!, wird genau dagegen vorgegangen.

Ich muss ehrlich sagen, Frau Bundesminister, ich hätte nicht erwartet, dass man sich so eine Boshaftigkeit bestellt. Ich bleibe bei dem Wort, das ist nur eine Boshaftigkeit. Ich nehme aber an, dass am Ende zu diesem Gesetz noch unterschiedliche Begutach­tungen notwendig sein werden, und möglicherweise wird es in dieser Form gar nicht zur Anwendung kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

17.55

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte.