12.20

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen und ZuhörerInnen hier und zu Hause! Ich muss gleich zu Beginn zwei Punkte aus der Rede des Kollegen Raggl richtigstellen. (Bundesrat Tiefnig: Ist das eine tatsächliche Berichtigung?) Nein! Ich berichtige ihn direkt in meiner Rede.

Erstens: Ich bin nicht auf alle Fälle gegen Förderungen oder – wie Sie sagen – gegen Ausgleichszahlungen, und ich verstehe vollkommen, dass Bergbauern mit Betrieben in ganz schwierigen Lagen – von solchen haben Sie vorhin gesprochen – unterstützt wer­den müssen und dass in diesem Zusammenhang größere Anstrengungen unternom­men werden müssen. Was ich aber partout nicht haben will beziehungsweise nicht un­terstütze, ist eine generelle Flächenförderung – und diese generelle Flächenförderung gibt es jetzt –, in deren Rahmen große Agrarbetriebe großflächig Ausgleichszahlungen beziehungsweise – wie ich sage – Förderungen erhalten. Das will ich nicht!

Zweitens habe ich nur einen Wirt zitiert, der mir bekannt ist und der seinen Betrieb ei­nem landwirtschaftlichen Betrieb gegenübergestellt und mir gegenüber seinen Unmut geäußert hat. Das habe ich weitergegeben. Ich habe nicht meine Meinung geäußert, sondern ich habe jemanden zitiert.

Wir sprechen hier vom Grünen Bericht; wir haben vorhin schon ansatzweise davon ge­hört. Ein paar Zahlen daraus: Es ist positiv, dass die Einkommensentwicklung durch­schnittlich bei plus 14 Prozent lag, wobei es natürlich große Unterschiede je nach Be­triebskategorie gab. Der Einkommensanstieg ist, wie der Kollege vorhin schon erörtert hat, durch den Milchverkauf, die Schweinehaltung, die gestiegenen Erzeugerpreise in der Rinderhaltung, durch verstärkten Holzeinschlag und durch die Zunahme von öffent­lichen Geldern zustande gekommen. Diese öffentlichen Gelder machen im landwirt­schaftlichen Einkommen durchschnittlich 61 Prozent aus. Dies zeigt die große Bedeu­tung von Förderungen, aber natürlich auch die Abhängigkeit unserer Land- und Forst­wirtschaft.

Der Bericht zeigt aber auch einmal mehr auf, dass die öffentlichen Gelder – wie ich vorhin schon gesagt habe – ungleich verteilt werden und große Agrarbetriebe meiner Meinung nach überdurchschnittlich von diesen Ausgleichszahlungen oder Förderungen profitieren. Das will ich jetzt mit ein paar Zahlen belegen.

Die 3,3 Prozent der Betriebe der höchsten Größenklasse mit über 50 000 Euro an Zu­wendungen erhalten 25,3 Prozent der gesamten Fördersumme. Die insgesamt 14 Pro­zent der größten Betriebe mit den höchsten Zuwendungen erhalten 48,5 Prozent des Gesamtvolumens. Daran ist schon ersichtlich, dass durch diese Flächenförderung be­ziehungsweise durch diese Ausgleichszahlungen ein kleiner Teil überproportional pro­fitiert! Ich glaube, es wäre endlich an der Zeit, auch im Sinne der bäuerlichen Fami­lienbetriebe und im Sinne der Nebenerwerbsbauern für eine ausgewogene und ge­rechte Verteilung der Fördermittel oder der sogenannten Ausgleichszahlungen zu sor­gen.

Eine Entwicklung, die sich auch aus dem Grünen Bericht ablesen lässt, ist für mich ei­nerseits sehr interessant, andererseits aber auch sehr bedenklich. Es geht um die Sta­tistik im Grünen Bericht, die sich mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Pes­tiziden auf Ackerflächen beschäftigt. Ich möchte jetzt, damit man sich ein bisschen et­was vorstellen kann, einen Vergleichszeitraum zwischen dem Jahr 2001 und dem Jahr 2017 ansprechen. In diesem Zeitraum hat die Fläche des gesamten bewirtschaf­teten Ackerlandes um über 51 000 Hektar abgenommen. Gleichzeitig wurden die Bio­ackerflächen um 150 000 Hektar erweitert. Das heißt: Die konventionell bearbei­teten Ackerflächen haben in diesem Zeitraum, also von 2001 bis 2017, um über 200 000 Hektar abgenommen.

Jetzt kommt es aber: Gleichzeitig mit der Abnahme von über 200 000 Hektar an kon­ventionell bearbeiteten Ackerflächen hat sich der Einsatz von Pestizidwirkstoffen um 531 Tonnen erhöht! Das heißt: Es gibt um über 200 000 Hektar weniger konventio­nellen Ackerbau, jedoch eine Zunahme beim Einsatz von Pestiziden um 531 Tonnen! – Wenn vorher an die Eigenverantwortung einer gewissen Berufsgruppe appelliert wur­de, dann muss ich jetzt auch an die Eigenverantwortung dieser Berufsgruppe appel­lieren!

Damit ist eindeutig erwiesen, dass im konventionellen Anbau immer größere Mengen an Pestizidwirkstoffen eingesetzt werden. Bisher gab es, egal welcher Minister vorher im Amt war, immer nur Lippenbekenntnisse. Die Agrar-Umweltprogramme haben keine nachhaltige Entwicklung beinhaltet, und ich war jetzt zwei Mal hintereinander im Agrar- oder im Landwirtschaftsausschuss und habe auch dort vermisst, Frau Bundesminis­terin, dass solche Entwicklungen von Ihnen in Gang gesetzt würden!

Ich vermisse die Programme und ich vermisse den Mut! Gerade Mut heftet sich diese Bundesregierung immer auf ihre Fahnen, ich vermisse jedoch den Mut, wenn es um die Eindämmung von Pestiziden und ein Verbot von Glyphosat und Chlorpyrifos geht! Die Bundesregierung fürchtet sich ja in manch anderen Bereichen auch nicht vor et­waigen Vertragsverletzungsverfahren, wie Sie es in diesem Zusammenhang im letzten Landwirtschaftsausschuss als Ausrede benutzt haben. Aber es schaut halt wieder einmal so aus, wie wenn jemand Klientelpolitik statt nachhaltiger, gesunder, menschli­cher Landwirtschafts- und Umweltpolitik macht.

Ich will hier aber nicht nur Kritik anbringen, sondern ich will auch einen konstruktiven Vorschlag einbringen. Dabei möchte ich mich auf den Grundsatzantrag „Bio-Wende“ aus dem Burgenland beziehen, der als Dringlichkeitsantrag eingebracht und beschlos­sen worden ist. – Ich darf daraus zitieren:

„Die Burgenländische Landesregierung wird aufgefordert, durch eine Neuausrichtung der Agrarpolitik das Burgenland zum Bio-Vorzeigeland zu entwickeln. Die ‚Bio-Wende‘ soll auf breiter politischer Basis unter Einbindung von Landwirtschaftsvertretern und Experten durch folgende Maßnahmen und Zielsetzungen erreicht werden:

- schrittweise Umstellung des Fördersystems zur verstärkten Unterstützung des Um­stieges auf Biolandwirtschaft mit dem mittelfristigen Ziel, so nah wie möglich an 100 Prozent biologische Landwirtschaft im Burgenland heranzukommen

- nachhaltige Reduktion der Pestizidbelastung im Burgenland und vollständiger Gly­phosatverzicht nach dem Vorbild der landesnahen Betriebe

- Absicherung der landwirtschaftlichen Betriebe im Burgenland in ihrem Bestand

- zweckgebundener Einsatz von Landesmitteln in der Burgenländischen Landwirt­schaftskammer mit dem Ziel des Verzichtes auf Pestizide und Glyphosat sowie Forcie­rung der Bio-Landwirtschaft

- Forcierung der Regionalität und der biologischen Landwirtschaft bei der Beschaffung von Lebensmitteln im landes- und landesnahen Bereich

- beratende und begleitende Unterstützung der Gemeinden als Kindergarten- bzw. Schulerhalter zur Umsetzung des gesunden Mittagessens im Kindergarten und in der Schule

- verstärkte Information und Sensibilisierung der Konsumenten hinsichtlich des Wertes von hochqualitativen, gesunden heimischen Bio-Lebensmitteln

- Schwerpunkt Biolandbau in der landwirtschaftlichen Facharbeiter- und Meisteraus­bildung

- Erarbeitung eines modernen und schlanken Burgenländischen Landwirtschaftskam­mergesetzes unter Einbeziehung aller im Landtag vertretenen Parteien und der Bur­genländischen Landwirtschaftskammer“.

Außerdem wird die Burgenländische Landesregierung im zitierten Antrag aufgefordert, „an die Bundesregierung heranzutreten, diese möge

- die Stärkung und Weiterentwicklung der Bio-Landwirtschaft mit dem Ziel einer Neu­ausrichtung der österreichischen Agrar- und Förderpolitik umsetzen

- umgehend nationale Verbotsschritte hinsichtlich Glyphosat einleiten und eine ‚Exit-Strategie‘ für ein komplettes Aus in Österreich bis spätestens 2020 festlegen

- eine eindeutige Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln und deren Inhalts­stoffen zur Information der Konsumenten umsetzen

- auf EU-Ebene darauf hinwirken,

+ dass eine Förderkulisse für den Neuein-/Umstieg in die Bio-Landwirtschaft nach 2018 geschaffen wird

+ bei der Erarbeitung künftiger Förderprogramme die 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik auf Biolandwirtschaft auszurichten

+ die Berücksichtigung des Förderstatus ‚Übergangsregion‘ in der gemeinsamen Agrarpolitik 2020 zu verankern, um eine Verschlechterung der Förderkulisse für die Landwirtschaft zu verhindern“.

Das war der Antrag, und es gab natürlich auch eine Abstimmung: Es war zu erwarten, dass die SPÖ und die Grünen diesem Antrag zustimmen, es haben aber auch die Liste Burgenland und die FPÖ diesem Antrag zugestimmt. (Bundesrat Schuster: Im Bur­genland seid ihr ja in Koalition mit der FPÖ!) – Ja, aber ihr könnt das Gleiche mit uns hier machen! – Nur die ÖVP war als einzige Partei natürlich dagegen.

Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen – insbesondere der FPÖ, die ich ge­rade angesprochen habe! Wir im Burgenland verfolgen in diesem Bereich ein sehr ambitioniertes Ziel. Wir verfolgen dieses auch mit unserem Koalitionspartner im Bur­genland, mit der FPÖ, und das wird gemeinsam umgesetzt. Sie können mit Ihrem Koa­litionspartner in Zukunft auch hier eine andere Linie verfolgen. Ich lade auch die ÖVP ein, umzudenken und in diesem Bereich endlich einmal auch eine zukunftsorientierte und nachhaltige - -

Vizepräsident Ewald Lindinger: Bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege!

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (fortsetzend): Ich bin gleich fertig.

Ich lade alle ein, hier eine nachhaltige Wende herbeizuführen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.32

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile ihm dieses.