14.09

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­te Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir BundesrätInnen der Grünen werden heute als Einzige im Parlament dieser 15a-Vereinbarung nicht zustimmen. Ich kann das auch ganz einfach begründen beziehungsweise versuche ich, das für Sie zu begründen: Wir tun das, weil wir einfach die leidige Symbolpolitik dieser Regierung schon satthaben – ganz ehrlich!

Die Regierung setzt ganz bewusst die Bundesländer unter Druck, denn die Bundeslän­der sind auf diese Gelder für die Kinderbetreuung, die nun einmal mit der 15a-Ver­einbarung verhandelt werden, finanziell angewiesen. Das weiß die Bundesregierung und nützt es für die eigenen populistischen Einzelmaßnahmen aus.

Das kann man gerade hier im Bundesrat nicht akzeptieren beziehungsweise guthei­ßen. Entweder schluckt es oder sterbt ums Geld – das ist keine Vorgehensweise ge­genüber den Ländern, die wir irgendwie gutheißen können.

Ich ganz persönlich bin auch kein Freund der Zurschaustellung von religiösen Symbo­len. Ich kann dem also etwas abgewinnen, wenn wir sagen, wir wollen keine Kopf­tücher aus religiösen Gründen für Kinder. Ja, das kann ich ganz bewusst, aber disku­tieren wir dann bitte ganz ehrlich auch über Kreuze, Kippas, Kopfbedeckungen für Sikhs, über Ikonen in Kindergärten und Schulen. Diskutieren wir darüber! Dazu würde ich gerne einladen, darüber zu diskutieren. Das wäre eine spannende Diskussion. (Bundesrat Steiner: Das ist Freiheitseinschränkung!)

In Frankreich haben sie diese Diskussion geführt. Die haben mittlerweile schon seit bald 15 Jahren alle religiösen Symbole wie die muslimischen Kopftücher, die jüdische Kippa oder das christliche Kreuz aus Kindergärten, Grundschulen und allen weiterfüh­renden Schulen verbannt. Nicht, dass ich das jetzt gleich befürworten würde, aber wir sollen uns trauen, darüber zu diskutieren, und nicht nur für eine einzige Religion ein Verbot aussprechen. (Bundesrat Steiner: Es gibt nur eine Religion, die Frauen unter­drückt!)

Ich bin gegen Verbote, dafür aber für mehr Aufklärung, für eine Stärkung der jungen Menschen, dass sie Glauben und Religion auch hinterfragen – das wäre notwendig! –, dass sie eigenständige und kritische Menschen werden, dass sie eigene Entscheidun­gen fällen können, dass Mädchen so stark und selbstbestimmt werden und so selbst­bestimmt das Bildungssystem verlassen, dass das Kopftuch keine Ausgrenzung be­wirkt, dass man sie feministisch stark macht. Unser Bildungssystem braucht Unterstüt­zung, Entwicklung durch Jugendarbeit, Sozialarbeit, feministische Arbeit, PsychologIn­nen und SchulärztInnen, nicht nur auf Abruf, sondern ständig an den Schulen. Damit die Anforderungen an die Schulen nicht völlig ausufern, ist es Aufgabe und Heraus­forderung für die ganze Gesellschaft, dabei mitzuwirken und zu helfen.

Zur Debatte um das Kopftuchverbot: Bei der konkreten Vorlage geht es nun einmal um die unter Sechsjährigen. Da gibt es in keinem einzigen Bundesland in öffentlichen be­ziehungsweise städtischen Kindergärten Probleme mit der Kopfbedeckung. Die gibt es nicht, und wenn doch, dann nur ganz vereinzelt irgendwo vielleicht eines oder zwei. Eine solche Frage nur mit Ja oder Nein zu beantworten, wie das die Bundesregierung macht, ist einfach nur unseriös, und das ist das Problem. Damit soll einfach nur da­rüber hinweggetäuscht werden, dass wir noch viel gröbere Probleme mit der Versor­gungsqualität von Kindern unter sechs Jahren haben.

Frau Ministerin! Sie wissen als zuständige Ministerin, dass wir die Barcelonaziele für die unter Dreijährigen noch immer nicht erreicht haben. Das wissen Sie! Da bewegen wir uns schon seit Jahren um die 28 Prozent herum. Das hat schon Bundesministerin Karmasin nicht geschafft, obwohl wir das schon seit Jahren erreichen sollten, seit Jah­ren schon endlich die 33 Prozent schaffen sollten. Mir ist schon klar, dass die FPÖ das ideologisch nicht unbedingt will. Das war schon ein Versagen der alten Regierung, bis jetzt gibt es noch immer keine Verbesserung, und ich befürchte sogar, dass sich die Prozentwerte aufgrund der ideologischen Sicht einer Regierungspartei nicht verbes­sern, sondern sogar noch verschlechtern werden.

Wenn wir schon darüber reden, reden wir doch endlich auch über ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr! Reden wir darüber, dass es endlich eine Zusammenführung der Ausbildung von Kindergarten- und VolksschulpädagogInnen braucht! Reden wir über bundeseinheitliche Qualitätsstandards für Krippen und Kindergärten! Reden wir gerade hier im Bundesrat und auch an die Bundesländer gerichtet über kleinere Grup­pengrößen und einen besseren Betreuungsschlüssel! Ich weiß, da hat es Probleme in den Bundesländern gegeben, also: Reden wir darüber! Das müssen wir angreifen! In dem Bereich erwarte ich mir von dieser Regierung endlich mehr als leere Ankündi­gungen und nicht wieder in gewohnter Manier ein Verschieben auf die nächste 15a-Ver­einbarung. Das haben wir schon viel zu oft von den Regierungsparteien gehört.

Frau Bundesministerin! Als Bundesrat aus Oberösterreich würde mich auch einmal Fol­gendes interessieren: Was ist eigentlich aus dem Pilotprojekt Bildungskompass Ober­österreich geworden? Vielleicht können Sie uns dazu etwas erzählen, denn die alte Regierung beziehungsweise Bundesministerin Karmasin hat ja damals einen Paradig­menwechsel durch den Bildungskompass beschworen und eine bundesweite Ausrol­lung angekündigt. Vielleicht können Sie uns heute etwas mehr dazu sagen; es würde uns interessieren.

Frau Ministerin! Abschließend möchte ich noch einmal an Sie appellieren: Gehen Sie die vielen anderen, die vielen wichtigeren Baustellen, wie die mangelnde Ausbildung der PädagogInnen, die fehlenden Kindergarten- und Krippenplätze, die fehlenden ös­terreichweiten Qualitätsstandards, die fehlende Finanzierung des Ausbaus des Ange­bots an Kindergartenplätzen, an! Da kann ich Ihnen Quoten zur Ganztagesbetreuung am Land zeigen. Schauen Sie sich das an! Das fehlt. Ich könnte da auch auf Ober­österreich hinweisen, aber das will ich jetzt gar nicht. Die bräuchten jetzt endlich Auf­merksamkeit. Schaffen wir ein durchgängiges Bildungssystem von den Kleinsten bis zu den älteren Schülerinnen und Schülern, damit unsere Kinder – und das ist meiner Ansicht nach das Wichtigste und dort müssten wir ansetzen – dieses Bildungssystem als kritische, emanzipierte und intelligente junge Erwachsene wieder verlassen. Das wäre notwendig – und nicht irgendeine Symbolpolitik, die diese Bundesregierung tag­täglich produziert. – Danke schön. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bun­desrätin Dziedzic.)

14.15

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mar­tina Ess. – Bitte.