21.30

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuschauer und Zuhörer! Ja, das ist wieder ein Gesetz, dem wir als SPÖ nicht zustimmen können. (Bundesrat Rösch: Oje!) Dies­mal richte ich meine Ausführungen nicht an die blaue Partei, an die FPÖ – da haben wir relativ wenig mitzuschwatzen, sowohl die FPÖ als auch die SPÖ –; es geht um die Wirtschaftskammer, die zu zwei Dritteln in schwarzer Hand ist, daher spreche ich jetzt eher in Richtung ÖVP. (Bundesrätin Mühlwerth: Bei euch ist es halt die Arbeiterkam­mer! Wo ist denn da der Unterschied?)

Wir haben da eben Sorge, dass die kleineren Unternehmer wieder ein bisschen zu kurz kommen und eher zu Beitragszahlern mutieren und die Großen wieder an die Macht kommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Wie bei der Arbeiterkammer!) Das zeigt na­türlich einerseits der wenig ambitionierte Wille zur wirklichen Reform des Wahlmodus für die nächsten Wirtschaftskammerwahlen 2020 und andererseits die Vorgangsweise, der wieder in letzter Minute im Nationalrat eingebrachte Abänderungsantrag der Re­gierungsparteien bezüglich der Machtausübung der Wirtschaftskammer als Standort­anwalt für öffentlich relevante Projekte. Sie, Frau Bundesminister, haben ausgeführt, dass sehr viele Experten einbezogen waren. Da wundert es mich dann schon, dass das sozusagen erst 5 Minuten vorher eingebracht werden kann. Aus diesem Grund müssen wir das leider ablehnen.

Ja, liebe, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die Wahlbeteiligung – und ich glaube, da stimmen Sie alle zu – bei den Wirtschaftskammerwahlen erreichte, ich glaube, es war im Jahr 2015, mit 29,2 Prozent ihren Tiefststand. Bei der Wahl 2010 waren es im­merhin noch 35,9 Prozent der Selbstständigen, die am Urnengang beteiligt waren. Das ist wirklich kein Ruhmesblatt und hat auch alle Beteiligten zum Nachdenken gebracht. (Bundesrätin Mühlwerth: 34 Prozent bei der Arbeiterkammerwahl ist auch nicht wirk­lich gut!)

Mit dieser Gesetzesänderung startet man zwar den Versuch – das muss ich ja zuge­ben –, für die kleineren Wahlgruppen Verbesserungen einzubringen, ein wirklicher Wurf ist aber nicht gelungen. Man hat schon ein bisschen den Verdacht, vielleicht zielt man gar nicht darauf ab, dass die kleinen Unternehmen, die Einpersonenunternehmen alle mit zur Wahl gehen und dass man das erleichtert, damit man sich dann sozusagen die Mehrheit ein bisschen besser beschaffen kann.

Im Nationalrat haben Kolleginnen und Kollegen Vorschläge eingebracht, ich möchte diese hier nicht wiederholen. Es hat einen Abänderungsantrag gegeben, den die Re­gierungsfraktionen aber zurückgewiesen haben.

Was lernen wir daraus? – Wir sind uns wahrscheinlich alle einig, dass die Wahlbeteili­gung steigen muss. Das ist ein demokratischer Prozess, die Vertretungswahl; aber an­scheinend tut diese geringe Wahlbeteiligung nur der Wirtschafts- und Führungselite gut. (Ruf: So wie bei der Arbeiterkammer!)

Zum Abänderungsantrag, der kurzfristig eingebracht wurde: Auf meine Frage an den Experten im Ausschuss – und da waren ja einige Kolleginnen und Kollegen vom Wirt­schaftsausschuss dabei –, und zwar den zuständigen Experten aus dem Wirtschafts­ressort, aus dem Bundesministerium für Wirtschaft, war dieser ein bisschen über­rascht, denn ich habe gefragt, was er zum Organ Standortanwalt sagt. Wir alle muss­ten über die Antwort, die gekommen ist, ein bisschen lächeln. Das Ministerium oder zu­mindest die Mitarbeiter und Vertreter des Ministeriums waren gleich überrascht wie wir, dass so ein Antrag kommt, und der Experte konnte zu diesem Thema und zu dieser Funktion wenig bis gar nichts sagen. Wer das wohl durchgesetzt hat, diese Frage stelle ich hier in den Raum.

Es kommt aber noch ein bisschen schlimmer, was unsere Vermutungen betrifft. All­gemein ist es ja so, dass über das Vorliegen einer Standortrelevanz in Zukunft vom Wirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Infrastrukturministerium innerhalb einer Frist – das haben wir heute schon bei Tagesordnungspunkt 14 gehört – von sechs Monaten auf Basis der Empfehlung eines sechsköpfigen Standortbeirats, des­sen Mitglieder von sechs Ressorts nominiert werden, bestimmt wird. Die im Abände­rungsantrag enthaltene Regelung kann aber auch dazu führen, dass künftig Sie, Frau Wirtschaftsministerin, über die weisungsgebundenen Standortanwälte direkt in die Ver­fahren der Länder als UVP-Behörden eingreifen können.

Wir wollen es ja nicht vermuten, aber das geht. Im Extremfall könnte das also dazu füh­ren, dass das Wirtschaftsministerium einen aus Ländersicht gut begründeten Ableh­nungsbescheid anfechten lassen kann, weil man dort der Meinung ist, dass dieser dem öffentlichen Interesse widerspricht. In § 19 Abs. 12 des Umweltverträglichkeitsprü­fungsgesetzes heißt es dazu nämlich – ich zitiere –: „Der Standortanwalt hat in Geneh­migungsverfahren Parteistellung und ist berechtigt, die Einhaltung von Vorschriften über öffentliche Interessen, die für die Verwirklichung des Vorhabens sprechen, gel­tend zu machen und zur Einhaltung dieser Vorschriften Beschwerde an das Bundes­verwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.“

Summa summarum kann also gesagt werden, dass dieses Gesetz wiederum Wirt­schaftsinteressen vor Umweltinteressen stellt und von uns daher abzulehnen ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.36

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile ihm dieses.