10.25

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Ministerin! Der Kassenumbau soll vollzogen werden – trotz aller Warnungen, der vernichtenden Kritik des Rechnungshofes und der mehr als 70 Einsprüche und Stellungnahmen, die es dazu gibt. Eine gut funktionierende Gesundheitsversorgung wird hier aufs Spiel gesetzt, zu hohen Kosten und bei keinem ersichtlichen Nutzen für die, die es betrifft, nämlich die Patientinnen und die Patienten.

Die Regierung hat ihre Gesetzesvorhaben eiskalt durchgezogen, im Alleingang. (Bundesrätin Mühlwerth: Und das schmerzt!) Niemand von den Betroffenen wurde dazu befragt oder auch zurate gezogen; sogar die Gebietskrankenkassen haben die Nachricht über ihre Auflassung aus den Medien erfahren. – So viel zum Stil der Regierung und zur Durchsetzung ihrer autonom getroffenen Entscheidungen und, Frau Ministerin, natürlich auch zur Frage der sozialen Kälte. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Seeber.)

Worum geht es der Regierung? – Nun, das liegt auf der Hand: Durch die Zerschlagung der Selbstverwaltung erhalten Wirtschaft und Arbeitgeber mehr Macht und Einfluss. Sie werden künftighin bestimmen, welche Leistungen es für die Patienten geben wird. Zu befürchten sind weitere Schritte wie zum Beispiel die Erhöhung beziehungsweise Einführung von Selbstbehalten, von Ambulanzgebühren, Leistungskürzungen, Priva­ti­sie­rungen im Gesundheitswesen et cetera, et cetera. (Bundesrat Steiner: Hätti wari wäri!)

Ein Hohn ist die geplante Einführung von VIP-Bereichen für Reiche und eine Son­derklasse für Ambulanzbereiche; das wurde auch im Nationalrat bereits ausführlich diskutiert. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Ecker: Das wurde im Ausschuss zurück­gewiesen! – Bundesrat Schuster: ... hat sich dafür eingesetzt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Gerade die ÖVP, die sich als Familienpartei bezeichnet, tritt dafür ein, dass die Mutter mit dem kranken Kind warten muss und der Herr Generaldirektor durchmarschiert, weil er es sich leisten kann. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ma bitte!) Das, liebe Freunde, ist unfassbar. In diesem Fall regiert die Kreditkarte und nicht die e-card. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sozialdemokratie setzt sich dafür ein und kämpft dafür, dass es eine gute und gerechte Gesundheitsversorgung für alle gibt, ohne Unterschied aufgrund der Größe der Brieftasche oder der sozialen Stellung, ohne Privilegien und Sonderklassen für Reiche.

Beim Umbau der Sozialversicherung geht es sichtlich um Geld und um parteipolitische Macht (Heiterkeit bei Bundesräten der FPÖ – Bundesrat Steiner: Der Parteigünstling der SPÖ Kärnten!), daher werden Strukturveränderungen mit der Zielsetzung vorge­nom­men: mehr Geld für die Großkonzerne und weniger Geld für die Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zur Durchsetzung ihrer Ziele braucht die Wirtschaft eine Mehrheit in den Ent­schei­dungsgremien der Kassen. Über die Gesundheitsversorgung entscheidet nicht mehr der Versicherte, der Beitragszahler, sondern der Dienstgeber. Das soll mit der Parität in den Organen erreicht werden. Das verstößt gegen verfassungsrechtliche Grund­sätze der Selbstverwaltung. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Es ist erstaunlich und außerordentlich bedenklich, dass man beim Umbau der Struktur eine Gruppe aber vollkommen eliminiert und sie aus den Entscheidungsgremien, Be­ratungsgremien entfernt hat, nämlich die Pensionistinnen und Pensionisten. Wir, die Pensionistinnen und Pensionisten, werden in keinerlei Entscheidungen mehr eingebunden, mit uns werden keine Gespräche geführt, wir werden nicht einmal angehört. Wir, die Pensionistinnen und Pensionisten, die unmittelbar Betroffenen, die Pensionistinnen und Pensionisten, eine Gesellschaftsgruppe in der Größenordnung eines Drittels der österreichischen Bevölkerung, wir, die Pensionistinnen und Pen­sionisten, ein Drittel der Beitragszahler, die ältere Generation, die ihre Lebensleistung erbracht hat, die mit ihren Leistungen und ihrem Einsatz die Grundlage und das Fundament für die Jugend, die nachfolgende Generation geschaffen hat, auf die erfolgreich aufgebaut werden kann, wir werden einfach beiseitegeschoben und überhaupt nicht mehr beachtet.

Dass das in der Zukunft nicht so ganz möglich sein wird, liegt auf der Hand. Da ist kräftiger Einspruch angesagt und die älteren Menschen sind zu aktivieren, sich ein solches Vorgehen nicht gefallen zu lassen! (Beifall bei der SPÖ.) Eine Klage beim Verfassungsgerichtshof kann dabei nur ein erster Schritt sein, und so werden beispielsweise die beiden Präsidenten des Seniorenrates, Dr. Peter Kostelka und Ingrid Korosec, als betroffene Privatpersonen einen solchen Schritt gemeinsam setzen – das wurde auch einstimmig im Österreichischen Seniorenrat beschlossen. Es gibt im Seniorenrat auch eine einstimmige Forderung nach Sitz und Stimme von Pen­sionistenvertretern in der Sozialversicherung beziehungsweise im künftigen Verwaltungsrat.

Die Eliminierung der Beiräte in den Bundesländern ist ebenso traurig wie unver­ständlich. Damit werden wesentliche Informanten und Imageträger im Gesundheits­wesen ersatzlos gestrichen – ein unverständliches Vorgehen, das geradezu dazu herausfordert, Maßnahmen zu setzen, um ein solches Gremium wiedereinzuführen und die Informationstransparenz wechselseitig zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Mit großer Sorge ist zu erkennen, dass die Regie­rungsvertreter betreffend die Themen finanzielle Auswirkungen der Umstrukturierung und Risikoabschätzung keine nachvollziehbaren Informationen und Planungen vorge­legt haben. Dies haben nicht nur die Sozialversicherungen, sondern auch der Rech­nungshof und der parlamentarische Budgetdienst festgestellt. Eine Abschätzung, wie sich die geplante Reform finanziell auswirkt, fehlt völlig. Auch der zuständige Fach­beamte im Ausschuss hat diesbezüglich keine Fragen beantworten können.

Sowohl von der Frau Bundesministerin wie auch vom ÖAAB-Obmann wurde noch im November erklärt, dass die Sozialversicherungsreform keine Auswirkungen auf die Länderbudgets haben werde – aber natürlich gibt es massive Auswirkungen auf die Länderbudgets. In Kärnten beispielsweise können aufgrund der Kassenreform 218 Mil­lionen Euro für das Gesundheitswesen nicht gewährleistet werden, und das stellt Kärnten vor ungeheure Herausforderungen, da Kärnten bundesweit den höchsten Anteil an Ausgleichszulagenbeziehern hat und beim Anteil der Pensionisten an zweiter Stelle liegt.

Fest steht, dass Kosten verschoben und als Einsparungen verkauft werden. Durch die geplante Sozialversicherungsreform geht die Budget-, die Vertragspartner- und die Personalhoheit nach Wien. Wichtige regionale Entscheidungen können nicht mehr in Kärnten getroffen werden, diese werden alle in der Zentrale der Österreichischen Gesundheitskasse getroffen. Eine gut funktionierende und versichertennahe Kran­kenversicherung durch eigenständige Träger wird zugunsten eines zentralistischen Systems aufgegeben. Die Folgen für die Kärntner Versicherten, die Kärntner Gebiets­krankenkasse und die Auswirkungen für unser Bundesland sind gravierend.

Abschließend sei noch festgestellt, dass nur mehr die Dienstgeber das Sagen haben werden, aber kein einziger Dienstgeber bei der Österreichischen Gesundheitskasse versichert sein wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bun­desrates Seeber.)

10.32

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Herr Bundesrat Bernhard Rösch zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.