12.50

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuschauer hier und zu Hause! Es geht um die Anpassung des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes und die Ermöglichung der Umsetzung des Österreichischen Strukturplan Gesundheit.

Das Thema ist in mehrere Teile aufgesplittet. Das eine ist die fachrichtungsbezogene Anpassung der Organisationsform, das andere die Festlegung von Typen und Betriebsformen in den Anstaltsambulatorien. Weiters geht es um die Verpflichtung der psychiatrischen Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie zur Dokumentation im Zusammenhang mit dem Unterbringungsgesetz. Es gibt nun auch die Möglichkeit, dass Länder in ihren Ausführungsgesetzen Ambulanzsondergebühren für Sonderklas­se­patienten einführen.

In Summe sieht die Umsetzung eine abgestufte Versorgung für Leistungsträger mit je nach Versorgungsstufe und zugeführten Aufgaben unterschiedlichen Organisations­formen vor.

Was allerdings für uns – und das wird Sie nicht verwundern – unakzeptabel ist, ist die Möglichkeit, dass Länder in ihren Ausführungsgesetzen Sondergebühren für Sonder­klas­sen einführen können. Für die Zukunft heißt dies, dass in den Ambulanzen die freie Arztwahl herrscht, dass eigene Wartebereiche – Businesslounges – eingeführt werden (Zwischenruf des Bundesrates Schuster), dass mittels Terminvereinbarung auch relativ schnell ein Termin gefunden werden kann – man könnte das auch die Über­holspur nennen.

Bisher gab es Sonderklassepatienten im stationären Bereich der Krankenhäuser; man hat das die Hotelkomponente genannt. Ein Experte, der im Ausschuss befragt wurde, meinte, dass man sich dadurch doch etwas Luxus erkaufen könnte. Jetzt frage ich mich, wer sich in dieser Gesellschaft einen solchen Luxus erkaufen kann: Die Ver­käuferin, der Straßenkehrer, der einfache Arbeiter, dem am Monatsende nichts übrig bleibt, oder eher die, die mehr Geld haben, die Reichen? (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Immer die Reichen!)

Wieder einmal ist es Politik gegen alle und für Reiche. Wir können nur sagen – und das soll auch die Botschaft sein –: Alle Menschen, die krank werden, sind gleich zu behandeln. Es kann nicht sein, dass eine Gruppe zulasten der anderen einen Vorteil hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Für ein Beispiel braucht man sich nur die Tarife der Versicherungen anzuschauen: Je nach Alter und Leistungsumfang ist der billigste Tarif 15 Euro – dazu muss man sich die Leistung anschauen –, für 20-Jährige ist es ziemlich wenig, und das geht hinauf bis über 100 Euro. Wenn man das im Schnitt anschaut, kosten Zusatzversicherungen 50 Euro pro Person und Monat. Daher stelle ich noch einmal die Frage: Wer kann sich das wirklich leisten?

Es betrifft 17,5 Millionen Ambulanzbesucher; zukünftig wird nach dem Geldbörsel be­messen werden, wie sie drankommen, wie sie behandelt werden, wenn sie krank sind. Das Ganze wird – auch das war im Ausschuss so zu hören – mit dem Wandel in der Medizin gerechtfertigt. Ich sage, das ist ein bisschen wenig und ein bisschen arm.

Nach der ersten Kritik an diesem System streiten Bundeskanzler Kurz und die Frau Sozialministerin ab, dass es dieses Vorhaben gibt. Kurz meint sogar (Zwischenrufe des Bundesrates Steiner – Bundesrat Schuster: Das ist eine Erfindung!), dass man das explizit in das Gesetz hineinschreiben wird. (Zwischenbemerkung von Bundesminis­terin Hartinger-Klein.) Strache hat Anfang Mai gesagt, die Zweiklassenmedizin werde es nicht geben. – Heute stimmen ÖVP und FPÖ dieser Zweiklassenmedizin zu. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Öffentliche Ambulanzen, Krankenhäuser werden mit Steuergeldern finanziert und dürfen nicht vorzugsweise Betuchten zur Verfügung stehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Menschen mit Krankheit müssen gleich behandelt werden. Die Gefahr, dass Menschen in den Ambulanzen nicht gleich behandelt werden, sieht man ja alleine schon am heutigen Entschließungsantrag der ÖVP, wonach das besonders einzu­halten ist. Der Experte im Ausschuss hat uns gesagt, man kann es nicht garantieren.

Frau Ministerin, Sie haben es garantiert. Der Experte sagt, es ist nicht zu garantieren, denn wenn man das macht, muss man genau hinschauen, man muss es kontrollieren und dann in das Gesetz schreiben. Meine Frage ist: Warum hat man es nicht gleich hineingeschrieben und muss jetzt mit einem Entschließungsantrag darauf reagieren? (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Minister, das Versprechen, dass es zu diesen Bevorzugungen nicht kommen wird, ist schön, hält aber nicht. (Bundesrat Steiner: Wirklich? Sie ist kein Hellseher!) Die ÖVP hat mit dem Entschließungsantrag wieder einmal einen etwas fehlerhaften Vorschlag von Ihnen korrigiert, und Ihre Partei wird da auch mitstimmen. (Bundesrat Rösch: Ihr habt leider Gottes keine Ahnung!) – Ja, das behaupten immer diejenigen, die glauben, Sie haben die Weisheit für sich gepachtet. (Ruf bei der FPÖ: Hört, hört! Zuerst lesen, dann reden! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Letzten Endes ist das, was Sie da einbringen, eine Reparatur dieses Vorschlages.

Die Sonderambulanzen finden sich ja nicht nur in den Erläuterungen, wo sie eigentlich hätten versteckt werden sollen, sondern wurden auch in den Stellungnahmen ange­sprochen. Dazu gibt es verschiedene Haltungen der Bundesländer; die einen sagen, sie wollen das, die anderen sagen, sie wollen das nicht. Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg fürchten vor allem, dass es einen Abgang von Finanzmitteln aus dem stationären Bereich in Richtung Ambulanzen im Bereich der Sonderklasse geben wird. (Ruf bei der FPÖ: Das ist eben nicht durchschaut!)

Was aber ganz spannend ist, ist der Wunschzettel der Privatversicherungen. Da hat man sich die Serviette schon fein säuberlich gebunden, das Silberbesteck auf Hoch­glanz poliert, damit man den Festbraten Zusatzversicherung konsumieren kann. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Letzten Endes ist das ein Ziel, das unter anderem dahintersteht, um Cash zu den Privaten, zu den Versicherungen, zu bringen. Noch schärfer ist da der Verband der Versicherungsunternehmen, der sogar in der Stellungnahme fordert, dass es da bauliche Maßnahmen geben soll, mit Businesslounge, Parkmöglichkeiten, Erfrischun­gen, und – mich würde es bei dieser Regierung nicht wundern – auch mit einer Raucher­lounge. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schuster: Das gibt’s nur in der SPÖ-Lounge!)

Also mit uns gibt es in den Ambulanzen keine Luxusklasse für Reiche, keine VIP-Lounges, keine bevorzugte Behandlung durch Ärzte und kein Vorbeischieben an den anderen, keine Behandlung ohne Wartezeit. Für die Krankenhäuser werden Steuer­gelder verwendet, das sind unsere Gelder. All das geschieht nur, damit Versiche­rungen den Reibach zurückbekommen, den sie bei der Wahl teilweise gespendet haben! Kranke müssen gleich behandelt werden, eben wie Kranke! Basta! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist unglaublich! Was sagt der da?! Das ist eine Unterstellung!)

12.59

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses.