18.27

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Pädagogikpaket 2018 ist eine sehr gelungene Novellierung des Schulunterrichtsgesetzes, und ich bedanke mich ausdrücklich bei unserem Bundesminister Faßmann dafür, denn damit werden die Bildungsirrtümer der letzten zehn Jahre weitgehend korrigiert.

Was meine ich mit Bildungsirrtümern? – Heute ist hier vorne schon mehrfach davon gesprochen worden, dass viele junge Menschen versuchen, sich eine Zukunft zu schaffen, vielleicht in einen Beruf zu gehen, dann aber die Lehrherren oder die mög­lichen Arbeitgeber feststellen, dass diese jungen Menschen nicht sinnerfassend lesen können, zum Teil nur schlecht schreiben und rechnen können. Glauben Sie es mir – ich bin in vielen Unternehmen unterwegs –, das ist die Hauptklage, die ich von Unter­nehmen höre, wenn sie auf der Suche nach jungen Mitarbeitern sind! Diese Lehrlinge und diese jungen Menschen von heute sind die Opfer von gestern.

Ich konzentriere mich beim Thema Pädagogikpaket jetzt auf die Volksschule, denn unsere Kinder erleben dort einen ganz, ganz wichtigen Zeitraum. Es ist notwendig, dass wir eine klare Notensystematik haben, die zwischen Sehr gut und Nicht genügend in fünf Stufen unterscheidet. Das ist eine transparente, kriterienorientierte, objektiv nachvollziehbare Leistungsbeurteilung; und die ist notwendig. Diese Transparenz braucht es, denn es geht darum, die Lernmotivation zu verbessern.

Was auch ein wesentlicher Teil ist und mit dieser Novelle verstärkt kommen wird, ist das Gespräch zwischen Kind, Eltern und Pädagogen in der Volksschule. Ich komme aus einer Stadt, wo es – wie wir wissen – sehr, sehr schwierig ist, Eltern zu erreichen, weil sie es nicht für notwendig erachten, dass sie sich an der schulischen Entwicklung ihrer Kinder tatsächlich beteiligen. Mit dieser Novellierung ist das jetzt eine Notwendig­keit geworden.

Zu den Ziffernnoten kommt – das ist ja auch der Benefit – die schriftliche Erläuterung der Leistung, das hat sich ja bewährt, das ist ja gut. Die Notentransparenz, das heißt die Möglichkeit, die Leistung knapp und allgemein zu erkennen, ist aber notwendig. Warum haben Sie Angst vor Noten? – Die Kinder von heute wachsen nicht mehr in der Schule, die wir alle erlebt haben, auf.

Noten fallen nicht vom Himmel, und wenn ein Kind ein Zeugnis erhält, in dem ein Nicht genügend steht, dann ist das auch kein Naturereignis, sondern eine Entwicklung. Noten entstehen durch Beurteilung der Mitarbeit, durch mündliche und schriftliche Tests oder durch Abfragen, die im Laufe eines Semesters erfasst werden. Wenn ein Pädagoge sich um seine Schülerinnen und Schüler bemüht, und davon gehe ich aus, dann wird er das Kind auch sehr wohl über dessen Lernentwicklung informieren, darüber, wie das Kind abschneidet und wie es im Vergleich mit anderen arbeitet.

Dieses Punktesystem hat sich bewährt, und auch für Eltern – ich bin selber Mutter von zwei Kindern und habe das intensiv erlebt – ist es eine ganz wesentliche und auf­schlussreiche Information. Noten machen die Leistungen von Kindern vergleichbar. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Mit Noten werden Leistungen beurteilt und nicht der Mensch – ich gehe davon aus, dass jeder Pädagoge das unterscheiden kann. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Noten sind eine Vorbereitung auf das Leben, denn gelebt wird im Tal und nicht in den Höhen, und auch das müssen Kinder lernen. Die kindliche Entwicklung zwischen sechs und zehn Jahren ist ganz, ganz wesentlich, und betreffend die kindliche Entwicklung möchte ich einige Punkte hervorheben – das sind keine ideologischen Überlegungen, sondern psychologische Erkenntnisse.

Das Alter zwischen sechs und zehn Jahren ist geprägt von der Wettbewerbs­orien­tierung der Kinder. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Kinder vergleichen in diesem Alter. Sie lernen ihre eigene Persönlichkeit kennen, sie wetteifern, sie sind motiviert, und wenn es nicht klappt, dann sind sie frustriert. Da ist es dann notwendig anzusetzen, dafür gibt es viele Instrumente und Möglichkeiten. In diesem Alter zwischen sechs und zehn Jahren sind die Lernfenster ganz weit offen – so weit, wie sie im weiteren Leben nie wieder offen sein werden –, deswegen heißt es, diese Zeit intensiv zu nützen.

Es geht um die Schulreife eines Kindes. Diese ist dann gegeben, wenn es selbst­ständig entscheiden kann und die Persönlichkeitsentfaltung entsteht. Grenzen ken­nen­zulernen ist eine ganz wesentliche Lebenserfahrung, die bis zum Letzten entscheidend ist. Was in dieser kindlichen Entwicklung auch dazugehört, wie alle Psychologen feststellen: Ein dosiertes Scheitern ist ein Teil, der das Durchsetzungsvermögen und die Rücksichtnahme sehr wohl schult.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Auch wenn Sie PädagogInnen sind, die sich hier zu Wort gemeldet haben, bitte vermengen Sie nicht Instrumente, Inhalte und Didaktik! (Bundesrätin Grimling: ... unterrichtet aber schon!) Wenn ich unterrichte, dann ist das ein Beruf, den ich ausübe, aber es gibt Instrumente, die man einsetzt, um Lehrinhalte zu präsentieren oder um Bewertungen auszuhalten. Die Inhalte werden durch den Lehrplan festgelegt, und Didaktik ist die Art und Weise, wie etwas vermittelt wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Vermengen Sie das bitte nicht! Denn wenn zum Beispiel Kollegin Gruber-Pruner sagt, mit dem Notensystem werden Kinder in gut und schlecht eingeteilt, dann hat sie nicht als Pädagogin gesprochen, sondern als lupenreine Sozialdemokratin. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Es ist nicht verboten, so zu argumentieren, aber es hilft unseren Kindern nicht.

Im Übrigen ist die Möglichkeit, eine Klasse zu wiederholen, eine gute Möglichkeit (Bundesrat Stögmüller: Aha?!), denn es geht nicht ums Sitzenbleiben, sondern die Kinder werden umgestuft. Wenn Sie Kinder anschauen, dann wissen Sie, ein acht­jähriges Kind kann, so wie es heute gezeigt wurde, so klein sein, dass es nicht einmal zum Pult hinaufschauen kann, oder es kann so groß sein, dass es bis an meine Schultern reicht. Die körperliche Entwicklung eines Kindes verlangt dem kleinen Menschen sehr, sehr viel ab. Die einen brauchen länger dafür, die anderen sind flotter in der Aufnahme. – Sie selber wissen, wie unterschiedlich Kinder sind, und für viele Kinder ist es, ob sie jetzt durch die körperliche Entwicklung länger brauchen oder auch durch eine Krankheit, so, dass sie damit die Möglichkeit haben, tatsächlich das nachzuholen, was sie brauchen. Eine Klasse zu wiederholen ist keine Schande, denn das ist Zeit für Entwicklung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Das Ziel ist, allen SchülerInnen die bestmögliche Förderung zu geben, und da muss ich auch die sozialdemokratische Bildungspolitik ansprechen: Sie wollen keine Leistung, aber die Kinder durchs System treiben. Das kann es ja wohl wirklich nicht sein! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

In einem differenzierten Schulsystem geht es darum, gleiche Chancen zu haben, nämlich gleiche Chancen, eine Schulbildung zu erhalten; das haben unsere Kinder in Österreich. Das Wesentliche ist aber, dass die Kinder Chancengerechtigkeit in der Ausbildung brauchen, und die müssen wir ihnen bieten. Wir dürfen nicht alle über einen Kamm scheren, sondern müssen ihnen das geben, was ihren Talenten ent­spricht, ihren Stärken entspricht.

Alle anderen Maßnahmen des Pädagogikpakets 2018 wurden mehrfach besprochen, sie sind top. Ich danke dem Herrn Minister, vor allem für die Kurskorrektur. Wir sind damit am richtigen Weg. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.35

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile dieses.