10.12

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Landeshaupt­mann! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Dass Kärnten für die Zeit des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz das Motto „Gemeinsam für Österreich – Miteinander für Europa“ gewählt hat, geschah natürlich ganz bewusst. Dies gründet sich auf der Erkenntnis, dass viele Herausforde­rungen und Anliegen sowohl der Politik als auch der Bevölkerung nicht allein auf re­gionaler oder lokaler Ebene alleinverantwortlich zu bewältigen und zu lösen sind. Man muss heute eng kooperieren, man muss sich, auch wenn es unterschiedliche Meinun­gen, Gedankenansätze oder Ideologien gibt, abstimmen, die Standpunkte vorerst ab­klären, sich Verbündete suchen, um die Erfolgsaussichten im Sinne der Problemlösun­gen im Interesse der Bevölkerung, der Menschen, für die und in deren Auftrag wir Poli­tik machen und gestalten, bestmöglich zu erhöhen.

Es ist eine gemeinsame Aufgabe, aber auch eine aktuelle und zukünftige Herausforde­rung, sowohl örtlich wie regional und national, verantwortungsbewusst zu handeln und offene Fragen und Probleme gemeinsam zu lösen. Ein aktuelles Beispiel ist etwa, die Verantwortung dafür, den österreichischen solidarischen Sozialstaat zu schützen und weiterhin zu bewahren, gemeinsam zu tragen. Es darf nicht sein, dass – aus welchen Gründen auch immer – ein funktionierendes System, das im internationalen Vergleich eines der effektivsten und besten ist, aus machtpolitischen Gründen zerstört wird.

Die Regierung hebelt mit der Fusion der Krankenkassen die Selbstverwaltung aus, oh­ne Gründe dafür anzugeben, was eine solche Aktion bringen soll, was sie kostet und woher das Geld kommen soll, das zur Umsetzung erforderlich ist. (Bundesrat Schus­ter: ... Funktionäre!) Künftighin werden also Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber über die Leistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entscheiden. Ein Drittel der Bei­tragszahler unserer Gesellschaft wird aber aus jedem Entscheidungsprozess eliminiert, nämlich die Pensionistinnen und Pensionisten. Das kann nicht widerspruchslos hinge­nommen werden, es ist nämlich zu befürchten, dass nächste Schritte folgen, wie zum Beispiel die Erhöhung beziehungsweise die Einführung von Selbstbehalten, Ambulanz­gebühren, Leistungskürzungen beziehungsweise Erhöhung der Gebühren, und, und, und.

Mit der VIP-Behandlung in den Ambulanzen haben wir schon einen kleinen Vorge­schmack bekommen – die Credit Card wird künftighin also entscheidender sein als die e-card. (Hallo-Rufe bei der ÖVP.) Steuererleichterungen für Privatversicherungen wei­sen bereits einen klaren Weg: Es droht mehr Privatisierung der Gesundheit – und das soll nicht sein.

Die Länderbudgets werden durch die Sozialversicherungsreform gesprengt. Ein Bei­spiel aus Kärnten: Dort können aufgrund der Kassenreform rund 218 Millionen Euro für das Gesundheitssystem nicht gewährleistet werden; ein Viertel des Budgets kann da­her nicht garantiert beziehungsweise durch Einsparungen kompensiert werden. – So, meine Damen und Herren, sieht die Realität aus!

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Gesundheitswesen und der Pflegebereich sind doch ganz bedeutende Herausforderungen unserer Zeit. Sinnhaftigkeit und Nachhaltig­keit im Interesse auch unserer Kinder und Enkelkinder müssen doch die Grundlage für so wichtige Entscheidungen sein. Gerade im Pflegebereich ist das Bundesland Kärnten wegweisend. Die Pflege der Zukunft braucht Weitblick, die Pflege der Zukunft braucht Vision. Kärnten hat die Vision nun zur Realität gemacht und übernimmt mit der soge­nannten Pflegenahversorgung eine österreichweite Vorreiterrolle. Pflege braucht Ver­antwortung, fachliche Kompetenz und nicht zuletzt auch Herz, das bedeutet auch, für jeden Betroffenen die erforderliche Pflege in dem für ihn richtigen, gewohnten Umfeld sicherzustellen.

Die Kärntner Pflegenahversorgung ist ein Pflegemodell, bei dem die Pflege vor dem tatsächlichen Pflegebedarf einsetzt. Es ist ein aktives, ein aufsuchendes, ein voraus­schauendes, ein präventives und damit auch ein kostendämpfendes Pflegemodell. Es nutzt allen Beteiligten, und ich erwähne es hier, weil es natürlich zur Nachahmung empfohlen werden kann – und zwar im Interesse vor allem der Betroffenen, aber auch aller anderen Beteiligten.

Allein, autonom zu regieren kann in einer Demokratie nur zu Konflikten und Gegensät­zen führen, das hat die Regierung bereits in mehreren Fällen bewiesen. Man sollte Lehren daraus ziehen. Die Form der Kassenfusion und die Reduzierung der Mindestsi­cherung sind für viele Tausende Menschen ein Schlag ins Gesicht. Die Kärntner Politik trägt im Gegensatz dazu eine soziale Handschrift, Herr Kollege Ofner; seien das nun Vorschläge anderer politischen Bewegungen, seien sie im Landtag vertreten oder nicht, und auch die Sozialpartner werden gehört und in die Entscheidungen mit einge­bunden, wenn man das will. Man muss daran auch teilnehmen, insbesondere natürlich auch die FPÖ. (Beifall bei der SPÖ.)

Es freut mich ja, lieber Kollege Ofner, dass du dir so viele Sorgen um die SPÖ in Kärn­ten machst, ich bin aber davon überzeugt: Es ist eine gute Regierung – und die FPÖ hatte ja die Möglichkeit beziehungsweise hätte sie gehabt. (Bundesrat Ofner: Mit der SPÖ! – Bundesrat Weber: Wir haben eh gesehen, wie das geendet hat: mit der ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – In welcher Konstellation auch immer. Zur FPÖ: Ich möchte ja gar nicht darauf eingehen, es weiß ja die ganze Welt, was damals pas­siert ist, man muss das alles ja jetzt nicht wiederholen; man kann aber nicht nach Wien fahren und auf Kärnten schimpfen und in Kärnten doch sehr, sehr viel nicht so gemacht haben, wie es eigentlich gewünscht worden wäre.

Soziale Maßnahmen, meine Damen und Herren, und soziale Hilfe sollen dort ankom­men, wo sie gebraucht werden. Eine der Kärntner Prämissen ist es, dass der Rechts­anspruch gilt und nicht Almosen vergeben werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Weber.)

Wenn bei allen politisch Beteiligten die Gemeinsamkeit im Vordergrund steht, wenn die Gemeinsamkeit im Vordergrund des politischen Handelns steht, können viele Unter­schiedlichkeiten und Gegensätze im Vorhinein abgewendet und beseitigt werden. (Ru­fe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Weber und Samt.) Das geht aber nur dann, wenn man das Miteinander vor das Gegeneinander stellt, wenn man bereit ist, sich gemeinsam Problemen zu stellen, und auf Augenhöhe verhandelt, bevor Entschei­dungen gefallen sind.

Die Bundesregierung darf nicht die Armut forcieren und den Kapitalismus fördern. Sie muss den Wohlstand sichern, damit der Sozialstaat den Menschen eine Perspektive für die Zukunft gibt. Der Dialog, der zu pflegen wäre, meine Damen und Herren, findet heute zum Leidwesen jener Menschen, die wir zu vertreten haben, vielfach nicht statt; darüber sollte man vermehrt nachdenken. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.19

Präsident Ingo Appé: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrat Mar­tin Preineder zu Wort gemeldet. – Ich erteile es ihm.