10.21

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen und Gäste auf der Galerie! Wir beschäftigen uns heute also mit drei Gesetzesmaterien: dem Familienlastenausgleichsgesetz, dem Kinderbetreuungsgeldgesetz und dem Fa­milienzeitbonusgesetz. Was steckt hinter diesen drei Themen? – Zum einen, und da­rauf möchte ich mein Hauptaugenmerk legen, geht es um Krisenpflegeeltern und die Krisenpflege von Kindern. Dazu muss man sagen, dass Krisenpflegeeltern eine sehr spezielle Gruppe von Eltern sind: Sie kommen nämlich dann zum Einsatz und über­nehmen Betreuung, Pflege und Erziehung von Kindern, wenn die Herkunftsfamilie – aus welchen Gründen auch immer, da möchte ich überhaupt nicht urteilen oder wer­ten – ausfällt, also wenn es eine Krise gibt.

Das ist dramatisch, besonders für die betroffenen Kinder. Man muss sich das einfach einmal kurz vorstellen: Zu Hause passiert etwas – ob das Gewalt oder Verwahrlosung ist oder ob ein Elternteil erkrankt –, und plötzlich kommt man in eine ganz neue Fami­lie. Dann ist sehr unklar, ob man wieder in die Herkunftsfamilie zurückkann, und vor al­lem auch, wann dieser Zeitpunkt sein wird und ob man dann dauerhaft wieder in die ei­gene Familie kommt oder nur vorübergehend.

Das sind schon unvorstellbare Ereignisse, die so ein Kind da durchmacht; doch zum Glück gibt es Menschen, die es zu ihrer Berufung und damit auch zu ihrem Job ge­macht haben, genau diese Kinder aufzufangen. Auch sie wissen zu Beginn, wenn sie dieses Kind übernehmen, meistens nicht, wie lange dieses Kind bei ihnen zu Hause sein wird – aber egal, sie kümmern sich um das Kind und geben diesem Stabilität und Sicherheit, und das ist etwas wirklich Großartiges.

Ich durfte vorgestern, am Dienstagabend, ein langes Telefonat mit einem Krisenpflege­papa führen – er ist einer der wenigen Krisenpflegepapas, wie er mir gesagt hat, Män­ner sind da anscheinend etwas sehr Rares –, und sein Engagement und seine Be­schreibung haben mich sehr, sehr berührt. Er hat geschildert, dass die größte Heraus­forderung gar nicht der Umgang mit den Kindern selbst ist. Das muss man sich einmal vorstellen: Diese Kinder bringen natürlich alle einen Rucksack an Erfahrungen und Er­lebnissen mit, aber er sagt, das ist noch das Allerwenigste. Die wesentlich größeren Herausforderungen sind zum Beispiel die leiblichen Eltern dieser Kinder, die natürlich die neuen Eltern, die vorübergehenden Eltern, die Krisenpflegeeltern, als Konkurrenz und als neue Bezugspersonen sehen. Da sind natürlich Emotionen im Spiel, die schwer aus­zuhalten sind.

Er sagt aber auch: Was noch schwierig ist, ist oft das Umfeld, sind die Blicke der Men­schen im Ort oder dort, wo sie auf Ausflug hinfahren, wenn eine Familie mit Kindern unterschiedlichster Hautfarbe auftaucht, vielleicht auch ein behindertes Kind dabeihat. Er erzählt, wie oft man da angegafft wird und auch Sprüche hören muss, die schwer auszuhalten sind.

Eine dritte Herausforderung, sagt er, sind durchaus die Strukturen und die Rahmenbe­dingungen für diese Familie. Das sind die Behördenkontakte und die Bürokratie, die dahintersteckt, aber oft auch unsichere Situationen und Personen in der Kinder- und Jugendhilfe, die oft nicht erreicht werden können. Man fühlt sich also alleingelassen.

Auch die finanzielle Absicherung ist durchaus ein großes Thema, sagt dieser Krisen­pflegepapa. Er ist auch noch Handwerker, nämlich Tischler, und er sagt, er macht die­sen Job bewusst noch zusätzlich nebenbei, um sich finanziell sozusagen absichern zu können. Das finde ich in gewisser Weise schon verrückt, dass er zusätzlich arbeiten muss, damit er sich diesen Job als Krisenpflegepapa leisten kann.

Diese Krisenpflegeeltern sind ja ab dem Tag eins, aber der Stunde eins im Einsatz und müssen Aufwendungen für diese Kinder erbringen. Die Kinder kommen oft, wie er sagt, nur mit dem, was sie am Leibe haben, weil sie oft aus der Einrichtung abgeholt wer­den, also muss man sie mit allem ausstatten. Die Krisenpflegeeltern wissen ja nicht, wie lange dieses Kind bleibt, also muss man eine gewisse Grundausstattung an­schaffen. Man möchte ja auch, dass für diese Kinder möglichst schnell wieder klare Verhältnisse geschaffen werden – das wollen sie und das will auch die Jugendhilfe, aber trotzdem ist das nicht immer so leicht. Alle wollen, dass das Kind möglichst schnell wieder von der Krisenpflegefamilie in stabile Verhältnisse kommt, und trotzdem wird die Krisenpflegefamilie dafür bestraft, wenn das schnell gelingt. Das ist eigentlich ein Dilemma, weil das eine doch spezielle Situation ist.

Es liegt für mich einfach auf der Hand, dass diese Familien sehr, sehr besonders sind und mit anderen Familien nicht gleichgesetzt werden können. Da ist jetzt immer die Ar­gumentation, man müsste Gleichheit zwischen den Familien herstellen und keine Fa­milienform bevorzugen, aber das ist nun einmal eine sehr spezielle Situation. Es braucht deshalb, finde ich, da auch rechtliche Ansprüche und eine gute Ausstattung für diese Familien, sonst geht sich das nicht aus. Wir als SPÖ fordern daher, dass es die­ses Kinderbetreuungsgeld ab dem Tag eins geben muss. Eine neue Regelung ist not­wendig, denn diese Krisenpflegeeltern brauchen und verdienen das. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ess.)

Eine Nebenbemerkung des Krisenpflegepapas war noch: Er hat derzeit ausnahmswei­se ein Krisenpflegekind mit einer Behinderung, mit Downsyndrom, und er sagt, für die­ses Kind bekommt er zum Beispiel keine erhöhten Aufwendungen, die eigentlich nor­mal wären. Das erstaunt ihn einfach, weil er sich fragt, warum ihm das nicht zusteht.

Jetzt denke ich mir: Ganz ehrlich, um wie viel Geld kann es da insgesamt gehen? – Wir haben im Ausschuss gehört, dass es im Ministerium keine genauen Statistiken darüber gibt, aber es geht österreichweit größenordnungsmäßig um 200 Krisenpflegefamilien. Diese fair zu entlohnen, denke ich mir, kostet hochgerechnet wirklich nicht die Welt: ein paar Inserate weniger, vielleicht einen Generalsekretär eingespart, und man könnte dieses Geld in die Kinder investieren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: So wie das der Faymann gemacht hat oder wie?)

Die Frau Ministerin hat ja auch mehrfach versprochen, dass die Krisenpflegeeltern Kin­derbetreuungsgeld bekommen würden. Darauf haben diese Krisenpflegeeltern gebaut, und dieses Versprechen wurde nicht gehalten. Noch dazu gibt es seit dem Sommer, seit diese Gesetzwerdung in Vorbereitung ist, für diese Familien gar kein Kinderbetreu­ungsgeld, auch wenn es sich um mehr als 91 Tage handelt. Das ist wirklich existenz­bedrohend für diese Familien, und ich finde, das ist eine Geringschätzung.

Dieser Krisenpflegepapa hat mir noch gesagt, was ein Idealfall wäre: wenn es eine ordentliche Anstellung für diese Krisenpflegeeltern gäbe, wie es zum Beispiel in Wien der Fall ist. Das würde einfach vieles entspannen, und das würde er sich wünschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt ist dieses Thema aus meiner Sicht ein Puzzleteil von etwas, das System hat und mich mittlerweile wirklich aufregt: Seit diese Regierung im Amt ist, wird immer bei jenen Kindern eingespart und wird für jene Kinder kein Geld hergegeben, die es am aller­schwierigsten im Leben haben. Die gestern verkündete Änderung der Mindestsiche­rung ist schon wieder eine Bestätigung dafür; diese trifft arme Kinder besonders hart. Nachhilfeprojekte, die benötigt werden, werden eingespart, Mädchenberatungsstellen werden eingespart und auch der Familienbonus ist für genau diese Familien nicht ge­dacht, denn genau diese armen Familien profitieren von dieser Regelung nicht. Da fra­ge ich mich: Warum möchte man diesen Kindern keine ordentliche Ausstattung, keine ordentlichen Lebensumstände ermöglichen? Was hat man gegen diese Kinder? (Vize­präsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann das einfach nicht nachvollziehen, und darum bleibe ich dabei: Wir, die SPÖ, fordern das Kinderbetreuungsgeld für Krisenpflegeeltern ab dem ersten Tag, wir for­dern da eine neue Lösung.

Das Lämpchen am Rednerpult leuchtet schon – den Papamonat wird hoffentlich einer meiner Kollegen ein bisschen später ansprechen. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.31

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck. Ich er­teile es ihr.