11.31

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Sie haben vorhin bei der Besprechung des vorherge­henden Tagesordnungspunktes gesagt, dass Sie von der Einsicht der zuständigen Mi­nisterin überzeugt sind. – Ich stimme da nicht mit Ihnen überein, das müssen Sie ver­stehen: Ich habe noch nie so wenig Sozialkompetenz in einer Bundesregierung erlebt! (Bundesrätin Zwazl: Na bitte!)

Nur ein Satz zu den Kriseneltern: Ich war selber pädagogischer Leiter des SOS-Kin­derdorfs Imst. Ich war beim Steiner im Tal mitverantwortlich für die Schließung einer der schlimmsten pädagogischen Einrichtungen, der Bubenburg. Außerdem war ich in Wien für sozial- und milieugestörte Kinder tätig.

Dort hatte ich den Fall eines sechsjährigen Christian aus Niederösterreich, der von ei­nem Wochenende zurückgekehrt ist und dessen Rücken so ausgeschaut hat wie die Typen, die sich in schlagenden Burschenschaften herumtummeln, nämlich mit Schmis­sen und Blutungen. Glauben Sie mir: Das Gespräch mit diesem Sechsjährigen war ei­ne der schwierigsten Entscheidungen meines Lebens! Es ging erstens darum, zu be­antragen, dass er von seiner Familie wegkommt, zweitens musste mit dem Familien­gericht ausgemacht werden, dass er bis zur Findung einer Pflegefamilie bei mir bleibt, weil er zu mir Vertrauen hatte, und drittens musste dem kleinen Christian klargemacht werden, dass er jetzt nicht mehr nach Hause, sondern zu einer Pflegefamilie kommt. – Das war vor vielen Jahrzehnten, aber ich denke noch immer daran! Deshalb sollte man sich nur einmal zu Gemüte führen, welch traumatisierte Kinder Kriseneltern bekommen und was Kriseneltern hier leisten! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dzie­dzic und Stögmüller.)

Zurück zur Debatte: Wir haben schon sehr viel über eine erfreuliche Entwicklung be­treffend den europäischen Justizraum, Raum der Gerechtigkeit beziehungsweise den Raum der justiziellen Zusammenarbeit gesprochen. Kollege Buchmann hat in seiner Rede bei der vorhergehenden Debatte die gute Performance der österreichischen Bun­desregierung während der Ratspräsidentschaft erwähnt. Ich klammere das jetzt einmal ein und sage: Das Justizministerium hat hier tatsächlich eine sehr gute Performance gezeigt und hat sehr viele Dinge weitergebracht.

Wir sind nun im Jahr der Wahl des Europäischen Parlaments, und es wird eine neue Kommission geben. Das heißt, wir sind in einem Jahr, in dem man relativ viel Zeit ver­liert. Aber während des Ratsvorsitzes sind durch das Bundesministerium für Justiz eini­ge Dinge im Grunde abschlussreif und könnten von der jetzigen rumänischen Ratsprä­sidentschaft eigentlich noch vor den Wahlen und vor der neuen Kommission umgesetzt werden. Darunter befinden sich zum Beispiel die strafrechtliche Bekämpfung der Geld­wäsche, das System des Strafregisteraustauschs, die E-Evidence-Verordnung und auch die Insolvenz-Richtlinie.

Herr Bundesminister! Ich bin Optimist, und ich hoffe, Sie sind auch Optimist (Bundes­minister Moser: Immer!), aber in einem Punkt können wir uns beide wohl bei einem Pessimisten-Klub eintragen, nämlich im Hinblick auf die Urheberrechtsrichtlinie. – Ich will gerade im Zusammenhang mit der digitalen Welt keine neuen Filter! Hier sind noch so viele Fragen offen. Ich denke, die Vorarbeiten, die aus Ihrem Ministerium gekom­men sind, sind gut. Aber das wird sich nicht vor 2020 in irgendeiner Weise abzeichnen.

Ganz wichtige Vorarbeiten gab es hier auch betreffend die Bekämpfung des Antisemi­tismus in Europa und bei der Umsetzung der Datenschutzsysteme. Wir brauchen, weil wir eine Datenschutz-Grundverordnung haben, auch entsprechende Schutzsysteme. In diesem Zusammenhang gibt es eine Initiative, die auch in dieser Arbeitsvorschau ent­halten ist. Sie betrifft das Datenschutzniveau. Wir hatten ja schon einmal eine Ent­scheidung betreffend das Safe-Harbor-Abkommen der USA. In diesem Zusammen­hang ist es eine berechtigte Frage, ob der Datenschutz zum Beispiel in Kanada, in den USA, aber auch in unserem Nachbarland, der Schweiz, wo es ja aufgrund der dortigen Verfassung immer wieder interessante Entwicklungen gibt, wirklich auf dem Niveau ist, dass wir Daten austauschen können.

So wichtig es ist, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Geldwäsche und auch bei der Bekämpfung von Betrug und der Fälschung von Zahlungsmitteln etwas weitergebracht zu haben: Aber auch der Datenschutz ist ein wichtiger Punkt, und deshalb erhebt sich auch die Frage: Wie kommen wir hier weiter?

Das Programm heißt zwar Jahresvorschau für 2019, aber vieles davon – seien wir uns ehrlich! – wird sich bis ins Jahr 2020 erstrecken! Sie werden noch Bundesminister sein und Sie können dann da gleich ungeschaut weitermachen, aber von einem hoffen wir, dass das jetzt schnell kommt. Der EU-Ausschuss des Bundesrates war damals noch in der Minderheit in Europa – das möchte ich nur sagen; vor deiner Zeit als Vorsitzender, Kollege Buchmann –, als er Ja gesagt hat zu einer Europäischen Staatsanwaltschaft. Damals haben noch viele andere Parlamente Nein gesagt. Aber wir wollten das, haben das mit einem gewissen Nachdruck betrieben, und jetzt ist das gekommen.

Jetzt gibt es natürlich eine ein bisschen unschöne Lage, und ich sage das hier auch ganz offen: Ich halte die Wahl des Europäischen Parlaments betreffend die ehemalige rumänische Antikorruptionschefin für eine fantastische Wahl! Ich finde, wir sollten alles tun, um uns in diesem Zusammenhang nicht von der rumänischen Regierung und der rumänischen Ratspräsidentschaft ins Bockshorn jagen zu lassen! Ich hoffe sehr, dass diese wirklich grandiose Kämpferin gegen Korruption in diese Position gehoben wird, denn sie hat unter widrigsten Umständen Fantastisches geleistet!

Betreffend etwas, was wir noch immer offen haben, sind in Österreich die Bundesre­gierung, aber auch der Bundesrat – sagen wir einmal so – misstrauisch bis ablehnend. Ich glaube, da sind wir wiederum einig, Kollege Buchmann: Es geht um den gesamten Onlinewarenhandel. Wir haben dazu, glaube ich, zwei Mitteilungen, eine begründete und eine weitere, gemacht, dass wir damit nicht einverstanden sind. Frau Kollegin Zwazl, ich glaube, du hast mir jetzt zugenickt, das heißt, du bestätigst das, was ich ge­sagt habe, denn das ist ja auch ein bisschen von dir ausgegangen.

Wenn jetzt zum Beispiel ein Unternehmen in München für den europäischen Konsu­menten etwas online anbietet, dann kann sich das Unternehmen noch einmal überle­gen, ob es das nun liefert oder nicht. Das geht doch nicht! Außerdem geht es dabei umgekehrt auch um Fragen der Garantie und der Haftung. Auch in diesem Sinn sind Regelungen getroffen worden, die so nicht funktionieren.

Ja, wir leben in einer digitalisierten Welt, wir haben die Möglichkeit, online zu bestellen, das ist bei unseren jungen Leuten gang und gäbe. (Bundesrätin Zwazl: Ja leider!) – Ja leider; ich sage ja auch, leider! Auch ich wünsche mir, dass die Geschäfte bestehen bleiben und dass wir keine leeren oder geschäftslosen Einkaufsstraßen haben, denn die Geschäfte gehören zu unseren Gemeinden und unseren Städten. Ich bin überhaupt nicht dafür, dass Lebensmittel online nach Hause kommen. Man kann sich einmal ir­gendein Biopackerl aus dem hintersten Niederösterreich nach Wien kommen lassen, aber - - (Bundesrätin Zwazl: Es kann auch aus der vordersten Steiermark kommen!) Es kann auch aus der hintersten Steiermark kommen! (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Niederösterreicher, regt euch nicht auf, das ist jetzt ganz egal! – Dazu kommt, dass es in den Straßen Zug um Zug weniger Lebensmittelgeschäfte gibt, und das geht nicht. Deshalb haben wir auch diesbezüglich unsere Bedenken angemeldet.

Für wichtig halten wir auch das Vorhaben in Bezug auf Verbandsklagen, und ich hoffe, Herr Bundesminister, Österreich steht hier wirklich ganz dahinter. Es geht um Ver­bandsklagen, wie es zum Beispiel der VKI zum Schutz und im Interesse von Konsu­menten und Konsumentinnen macht. Es geht nämlich immer wieder um die große Fra­ge der Durchsetzung von Rechten, und zwar gerade in diesem Bereich.

Ich komme zum allerletzten Punkt – das passt zu meiner Einleitung –: Ja zur Zusam­menarbeit im Familienwesen. Ich glaube, Sie alle hier – insbesondere die Steirer und Steirerinnen – können sich an dieses schreckliche familienrechtliche Drama um die Obsorge eines Kindes zwischen, ich glaube, einer steirischen Mutter und einem däni­schen Vater erinnern. (Bundesrat Samt: Umgekehrt!) Oder umgekehrt. Dänemark hat die Obsorge anerkannt, Österreich hat anders entschieden. Jedenfalls haben wir jetzt ununterbrochen Kindesentführungen. Das muss doch nicht sein!

Das heißt, wir brauchen in Familienangelegenheiten und hinsichtlich der Folgen, die sich zum Beispiel bei Trennungen aus dem Familienrecht und den Kinderrechten erge­ben, eine gegenseitige Anerkennung und eine gegenseitige Vollstreckung. Das ist doch irgendwie aus einem menschlichen Grundverständnis, aber auch aus einem juris­tischen Grundverständnis das Nonplusultra! Das brauchen wir, Herr Bundesminister, und ich hoffe, dass wir weiteren Kindern solche Schicksale wie diesem steirisch-dä­nischen Kind ersparen können! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.42

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile es ihm.