11.51

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bun­desräte! Eingangs möchte ich mich auf das Herzlichste dafür bedanken, dass von Ih­nen der Ratsvorsitz – auch seitens des Justizministeriums – sehr positiv bewertet wor­den ist. Ich möchte dabei natürlich den Dank meinen 27 Partnern weitergeben, die ich im Rahmen der EU gehabt habe, gleichzeitig insbesondere auch der Trio-Partnerschaft Estland, Bulgarien und Österreich und insbesondere meinen Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern in Wien und Brüssel, die vieles geleistet haben und an ihre Leistungsgrenzen gegangen sind.

Es wurde nicht nur heute von Ihnen, sondern auch seitens der Europäischen Kommis­sion, des Europäischen Rates und des Generalsekretariates anerkannt, dass wir die Ratspräsidentschaft dafür genutzt haben, Europa weiterzubringen, Europa den Bür­gerinnen und Bürgern näherzubringen und gleichzeitig auch den Nutzen und die Vor­teile einer konstruktiven Zusammenarbeit sichtbar zu machen.

In diesem Zusammenhang ist uns sehr viel gelungen. Wir haben insbesondere in die­sem halben Jahr 26 Legislativdossiers verhandelt und erfolgreich zum Abschluss brin­gen können. Ich glaube, das ist in diesem Bereich beispielhaft. Wir haben insgesamt fünf Veranstaltungen auf Ministerebene, eine Westbalkankonferenz und das EU-USA-Justizministertreffen abgewickelt. Wir haben im Rahmen der östlichen Partnerschaft 13 Veranstaltungen auf Beamtenebene mit insgesamt 1 200 Teilnehmern durchgeführt. Es wurden 30 Ratsarbeitsgruppen und -unterarbeitsgruppen mit über 130 Sitzungsta­gen abgewickelt. Nicht zuletzt wurden 20 Trilogverhandlungen geführt.

Diese haben dazu geführt, dass wir unsere Schwerpunkte, die wir uns für die Ratsprä­sidentschaft gesetzt haben, sehr erfolgreich zum Nutzen aller umsetzen konnten. Der erste Schwerpunkt war die Stärkung der Sicherheit in Europa auch durch die weitere Verbesserung rechtsstaatlicher Standards. Der zweite Schwerpunkt war die Stärkung des europäischen Wirtschaftsstandortes durch die Verwirklichung eines digitalen Bin­nenmarktes und der dritte die Stärkung der Stabilität in der Nachbarschaft, und zwar ganz besonders in den Ländern des Westbalkans.

Was den ersten Schwerpunkt, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit für die Bürge­rinnen und Bürger, betrifft, möchte ich darauf hinweisen – das haben Sie bereits ge­sagt, Frau Bundesrätin –, dass wir das nur dann schaffen, wenn auch tatsächlich ei­nerseits eine effiziente Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität und andererseits eine Verbesserung der grenzüberschreitenden justiziellen Zusammenar­beit bei Zivil- und Strafsachen stattfinden kann.

Unter österreichischem Vorsitz wurden Verhandlungen zur Richtlinie der strafrechtli­chen Bekämpfung von Geldwäsche abgeschlossen, wozu Bundesrat Schennach be­reits Stellung genommen hat. Ich möchte aber daran erinnern – weil das öfter so dar­gestellt wurde –: Das sind keine Gespräche, die sehr weit von Österreich stattfinden, sondern die Ergebnisse dieser Verhandlungen treffen gerade uns – jeden von uns in Österreich –, weshalb sie so wichtig sind.

Betreffend diese Richtlinie heißt das, dass es damit Kriminellen nicht mehr wie bisher möglich sein wird, unterschiedliche strafrechtliche Bestimmungen in den Mitgliedstaa­ten bei der Verschleierung der Herkunft illegal erlangter Vermögenswerte zu ihrem Vor­teil zu nutzen. Das heißt, wir leisten damit einen Beitrag zur Einschränkung der Ter­rorismusfinanzierung.

Unter dem österreichischen Vorsitz wurde auch die Verordnung über die gegenseitige Anerkennung bei der Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten for­mell angenommen und somit erfolgreich abgeschlossen. Durch diese Verordnung kön­nen in Hinkunft ausländische Sicherstellungs- und gleichzeitig Einziehungsentschei­dungen – natürlich auch österreichische – schneller und gleichzeitig einfacher voll­streckt werden, da dafür in Zukunft kein Rechtshilfeverfahren mehr notwendig ist. Zu­sammengefasst: Verbrechen sollen sich nicht auszahlen!

Unter österreichischem Vorsitz ist es aber auch gelungen, die Trilogverhandlungen zur Richtlinie zur Bekämpfung der Fälschung unbarer Zahlungsmittel und des Betruges mit unbaren Zahlungsmitteln erfolgreich abzuschließen. Durch diese Richtlinie wird es künftig einheitliche strafrechtliche Bestimmungen innerhalb der EU geben, und auch die Definition der unbaren Zahlungsmittel wird einheitlich sein. Es werden daher in Zu­kunft nicht mehr nur allein traditionelle unbare Zahlungsmittel wie Kreditkarten, sondern auch neue Zahlungsmethoden wie beispielsweise elektronische Brieftaschen, mobile Zahlungen oder virtuelle Währungen, sprich Bitcoins, erfasst werden. Damit werden auch die Betrugsbekämpfung und der Kampf gegen Fälschung unbarer Zahlungsmittel vorangetrieben.

Als weiteren Punkt konnten wir unter österreichischem Vorsitz die Verhandlungen zu Ecris-TCN – das ist das Europäische Strafregisterinformationssystem – zu einem er­folgreichen Abschluss bringen. Durch dieses System und durch diese Vorschläge wer­den Verbrecher in Zukunft ihre kriminelle Verantwortung nicht mehr durch den Umzug in einen anderen Mitgliedstaat abschütteln können. Gleichzeitig wird es durch Ecris-TCN einfacher werden, verurteilte Drittstaatsangehörige und Staatenlose eindeutig zu identifizieren.

Auch die E-Evidence wurde angesprochen. Zwei Drittel der Beweismittel haben einen grenzüberschreitenden Charakter. Das heißt, wir brauchen einen schnelleren Zugriff auf elektronische Beweismittel. Was die Verordnung dazu betrifft, ist es uns gelungen, eine allgemeine Ausrichtung zu erzielen. Unter dem derzeitigen rumänischen Vorsitz konnte in der Vorwoche eine allgemeine Ausrichtung der Richtlinie zur E-Evidence er­zielt werden, in der festgelegt wird, dass Internetanbieter in Europa auch einen Vertre­ter namhaft machen müssen, um auf sie zugreifen zu können. Mit diesen Maßnahmen können in Zukunft Kinderpornographie und Verhetzung oder Hass im Netz effizienter bekämpft werden.

Von Bundesrat Schennach ist auch die Europäische Staatsanwaltschaft angesprochen worden. Auch da haben wir Maßnahmen gesetzt: Nachbesetzungen, Ausschreibungen und Besetzung des interimistischen Direktors. Wir sind in die Richtung gegangen – wie Sie richtigerweise angesprochen haben –, dass es nun darum geht, auch den General­staatsanwalt der Eppo, sprich der Europäischen Staatsanwaltschaft, zu nominieren. Dabei bin ich ganz dem gefolgt, was Sie für richtig erachtet haben, nämlich dass Öster­reich Frau Kövesi unterstützt, die im Auswahlverfahren die Beste war und die gezeigt hat, dass sie Rückgrat hat und sicherlich in der Lage wäre, jene Erwartungen, die man an die Europäische Staatsanwaltschaft hat, im bestmöglichen Ausmaß zu erfüllen.

Ein Thema ist auch die Kindesentführung; Sie haben ein Beispiel aus Graz gebracht. Genau das, was in der Vergangenheit möglich war, nämlich Verfahren im Bereich der Kindesentführung aufgrund der grenzüberschreitenden Aktivitäten über Jahre hinzuzie­hen, ist nun weg. Wir haben ein Einvernehmen erzielt. In Zukunft werden – das ist fest­gelegt – die Verfahren innerhalb von 18 Wochen abzuschließen sein, und die Vollstre­ckung wird innerhalb von sechs Wochen zu bewerkstelligen sein.

Wir haben in diesem Bereich – weil wir schneller und effizienter werden müssen, auch für Unternehmen – die Revision der europäischen Beweisaufnahmeverordnung und der europäischen Zustellungsverordnung vorangetrieben, weil es in Zukunft möglich sein soll, direkt und nicht mehr über Behörden zuzustellen, das sehr viel Bürokratie verursacht hat.

Ein weiterer Punkt, auch in Österreich, geht in Blickrichtung Digitalisierung der Justiz. Da die österreichische Justiz im Bereich der Digitalisierung beispielgebend ist, ist es uns gelungen, die e-Justice-Strategie 2019 bis 2023 abzuschließen, und zwar auch in die Richtung, dass wir in Europa einheitliche Standards schaffen wollen. Wir haben zudem ein Programm mit 26 Punkten festgelegt, mit dem die Digitalisierung in Europa vorangetrieben wird.

Betreffend das zweite Thema Stärkung des Wirtschaftsstandortes und des digitalen Binnenmarktes haben wir es zustande gebracht, die Insolvenzrichtlinie, sprich eine zweite Chance für die Unternehmen, zum Abschluss zu bringen. Das heißt, wenn ein redliches Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten kommt, kann diesem auch inner­halb einer bestimmten Zeitspanne geholfen werden, weil damit die Arbeitsplätze si­chergestellt bleiben und das Unternehmen wieder lebensfähig sein wird.

Dass das ein Thema ist, zeigt der Umstand, dass in Europa allein pro Jahr rund 200 000 Insolvenzen Platz greifen und dadurch 1,7 Millionen Arbeitsplätze verloren ge­hen. Durch diese Maßnahme werden wir Arbeitsplätze sichern und redlichen Unterneh­men eine neue Chance geben können.

Darüber hinaus haben wir zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes erfolgreich Verhand­lungen zur Modernisierung von Urheber-, Gesellschafts- und Vertragsrecht geführt. Das ist derzeit auf der europäischen Ebene noch anhängig. Uns war es – gerade, was das Urheberrecht betrifft – wichtig, darauf zu drängen, als Honest Broker aufzutreten und im Bereich des Internets dafür Sorge zu tragen, dass auf der einen Seite geistiges Eigentum geschützt wird und auf der anderen Seite Informationen beispielsweise für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung stehen.

Ein weiterer Punkt war die Digitalisierung des EU-Gesellschaftsrechtes. In Zukunft wer­den den Unternehmen von der Gründung bis zur Auflösung digitale Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Diese Richtlinie konnten wir zu Ende bringen, genauso wie die Ver­ordnung über die Wahrung von Urheberrechten in Bezug auf bestimmte Onlineüber­tragungen von Rundfunkanstalten. Letzteres heißt, dass auch diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die sich im Ausland aufhalten, die Möglichkeit haben, auf die TVthek zuzu­greifen.

Ein weiterer Punkt, den wir angegangen sind, war die Richtlinie zur grenzüberschrei­tenden Sitzverlegung, Verschmelzung und Spaltung. Da sind wir auch sehr weit voran­geschritten, sodass das auch abgeschlossen werden kann.

Sie haben auch das Thema Onlinehandel angesprochen: Wie schaut das aus? – Wir haben zwei Richtlinien: auf der einen Seite die Warenhandelsrichtlinie und auf der an­deren Seite die Digitale-Inhalte-Richtlinie. Es ist uns da gelungen, ein Einvernehmen herzustellen und die zwei Richtlinien in solch einer Form zu verschmelzen, dass eben nicht betreffend die Gewährleistungsfrist und die Beweislastumkehr unterschiedliche Regelungen vorliegen. Das heißt, was ursprünglich beabsichtigt gewesen ist, wenn Sie ein Smartphone besitzen, wäre die Hardware der Warenhandelsrichtlinie unterlegen und die Software der Digitalen-Inhalte-Richtlinie mit anderen Gewährleistungsfristen. Das ist nun weg, das haben wir harmonisiert. Das ist ein Schritt, bei dem erstmals für die Konsumenten Gewährleistungsfristen und Haftungen im digitalen Bereich festge­legt worden sind. Das ist ein wichtiger Schritt gerade jetzt, damit die Konsumenten im Zuge der Digitalisierung nicht zu kurz kommen.

Sie haben auch den New Deal for Consumers und die Verbandsklagen angesprochen: Auch diese Verhandlungen haben wir mit Nachdruck vorangetrieben. Da die Positionen der einzelnen Länder nicht vorgelegen sind, haben wir sie zwei Mal aufgefordert, uns diese darzustellen. Bei einigen Kapiteln haben wir bereits einen Redraft gemacht, da­mit die tatsächliche Vorlage schneller fertiggestellt werden kann. Ich bin auch schriftlich an den rumänischen Amtskollegen herangetreten und habe ihn ersucht, dieser Vorlage eine besondere Wichtigkeit zu geben. Man sieht also, dass wir in diesem Bereich sehr wohl tätig gewesen sind und uns nicht zurückgelehnt haben.

Ganz kurz zum Thema Nachbarschaftspolitik – weil Herr Bundesrat Längle das ange­sprochen hat –, zu dem wir schon einiges ausgeführt haben. Gerade der Westbalkan ist mir ein großes Anliegen. Ich war vor Kurzem zum Beispiel mit der albanischen Jus­tizministerin zusammen, und wir haben ein Memorandum of Understanding unterfertigt: Es ist in Zukunft vorgesehen, dass wir ihnen mit unseren Ressourcen helfen, schneller näher an die EU herankommen zu können.

Mit Serbien habe ich vor Kurzem eine Vereinbarung getroffen, um verstärkt „Haft in der Heimat“ durchzuführen. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis Mai ausar­beiten wird, in welchen Bereichen wir verstärkt oder schneller Abschiebungen durch­führen können.

Auch mit den anderen Ländern des Westbalkans sind wir in ständigem Kontakt und versuchen, dort unser Know-how einzubringen. Warum? – Damit wir diese Länder schneller an uns heranführen und insbesondere deren Rechtsstaatlichkeit sichern kön­nen, um Probleme, die im Bereich der Sicherheit auftreten können, schneller in den Griff zu bekommen.

Ich habe nur einen Teil dessen aufgezählt, was wir gemacht haben, aber Sie sehen, dass es wichtig ist, das auch zu kommunizieren, es gerade auch für unsere Bürge­rinnen und Bürger vor der EU-Wahl sichtbar zu machen, wie wichtig es ist, in diesem Bereich zu agieren, ihnen zu zeigen, dass Europa Vorteile für jeden Einzelnen bringt und dass wir Probleme bezüglich Sicherheit, Wirtschaftsstandort und dergleichen nur lösen können, wenn wir auf Dialog setzen, wenn wir bereit sind, auf den anderen zu­zugehen. So haben wir, glaube ich, sicherlich die Möglichkeit, unseren Sozialstaat und die österreichische Demokratie weiter zu stärken.

Ich möchte mich abschließend noch einmal bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses bedanken – das ist ihre Arbeit, die da eingeflossen ist – und auch bei meinen Partnern auf europäischer Ebene. Ich glaube, es ist ein gutes Aushängeschild für Österreich, dass wir gezeigt haben: Wir haben unsere nationalen Bedürfnisse, aber auch ein gemeinsames Europa im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger vertreten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.05