13.05
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hause! Das Bild muss auf die e-card. – Gut, keine Frage, das ist keine neue Idee, es ist eine schon sehr alte Idee. Das Problem liegt aber in der Umsetzung. Das Wie – wie es organisiert wurde – ist das Problem. Wieder ist – wie schon öfter seit Antritt der Regierung – die Umsetzung an Schwachstellen nicht zu übertreffen: wieder ohne Begutachtung, ohne Debatte, ohne im Parlament einen Rückverweisungsantrag anzunehmen oder die Materie ordentlich zu verhandeln und eine sinnvolle Umsetzung zu erreichen.
Eigentlich lagen zuzeiten der Vorgängerregierung die Vorbereitungen im ersten Schritt beim Innenministerium. Dieses wäre dafür zuständig gewesen, das Foto auf die Karte zu bringen. Das wurde nicht umgesetzt. Warum das Innenministerium das damals nicht gemacht hat, wissen wir nicht. Jetzt aber wurde die Verantwortung von der Regierung auf den Hauptverband umgewälzt.
Was wird dieses neue Foto bringen? – Man kann es nicht recht erkennen, denn dieses Foto auf der e-card macht die e-card nicht zum Ausweis. Ein Ausweis ist weiterhin notwendig. Die e-card ist kein Ausweisdokument. Worin liegt also dann der Nutzen? – Schon bisher wurde kontrolliert, denn alle Ärztinnen und Ärzte in Österreich sind verpflichtet, einen Lichtbildausweis zur e-card zu verlangen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das macht aber kein Arzt ...!) Anscheinend hat man von Regierungsseite kein wirkliches Vertrauen in die Ärzteschaft, dass ordentlich kontrolliert wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Kontrollieren müssen die Ärzte weiterhin, auch mit dem Foto auf der e-card. Die Ausweise müssen vorgelegt werden. Wo, bitte, ist der Sinn der Maßnahme, jetzt abgesehen von den Kosten?
Das Missbrauchsargument ist mehr als bedenklich. Nach einer parlamentarischen Anfrage lautet die Antwort des Sozialministeriums: 812 Missbrauchsfälle im Zeitraum 2014 bis 2016. Die durchschnittliche Schadenshöhe im bestätigten Missbrauchsfall wird laut Wiener Gebietskrankenkasse mit 300 Euro beziffert. Rechnet man diese Schadenshöhe nun auf die 812 Fälle hoch, kommt man im besagten Zeitraum auf eine Schadenssumme von maximal 250 000 Euro. Selbst wenn man noch eine Dunkelziffer hinzurechnet, kommt man höchstens auf 300 000 Euro. Jeder Schadensfall ist wie jeder Missbrauchsfall beklagenswert, aber man muss immer die Relation und die Sinnhaftigkeit sehen. In dieser Hinsicht ist das Foto ein enorm hoher Preis. Der bürokratische Aufwand ist unglaublich.
Jetzt die Frage: Woher kommt denn das Foto? – Von Personen, die keinen österreichischen Reisepass, keinen Personalausweis oder Führerschein besitzen, gibt es womöglich gar kein Foto in irgendeiner Datenbank. Das sind rund 457 000 Österreicherinnen und Österreicher. Für die Beschaffung von Fotos dieser Personengruppe sind die Sozialversicherungsträger zuständig. Es können auch alte Fotos genommen werden (Bundesrat Schuster: Bei den Wiener Linien gibt es auch keine Fotos!), Passfotos abgelaufener Pässe können verwendet werden. Jetzt erklären Sie mir bitte die Sinnhaftigkeit eines alten Passfotos auf der e-card!
Aufgrund des eher schwierigen Umsetzungsschrittes wird es eine Menge Ausnahmen geben. Im Gesetz steht eine zwölfjährige Übergangsphase für gesundheitlich beeinträchtige Menschen. – Warum gerade 12 Jahre ist nicht nachvollziehbar.
Zudem gibt es 900 000 Menschen, die ebenfalls keines dieser Dokumente besitzen: EU-Bürger und -Bürgerinnen mit Wohnsitz in Österreich, GrenzgängerInnen und in Österreich erwerbstätige Drittstaatsangehörige, zum Beispiel SaisonarbeiterInnen. Sie sind verpflichtet, selbst ein Foto beizubringen. Zuständig für sie sind die Stellen der Landespolizeidirektionen. Nun werden diese Personen, wenn sie ein Foto bringen, auch einer Prüfung der Identität unterzogen, ebenso werden ihre ausländischen Reisedokumente einer Prüfung unterzogen. Für die ÖsterreicherInnen ohne Ausweis sind die Sozialversicherungsträger und für die ausländischen Personen die Landespolizeidirektionen zuständig. Es ist zusätzliche Arbeit für die Ämter und die Polizei, die ja bereits jetzt unter schwerem Personalmangel leiden.
Es entsteht ein unglaublicher Verwaltungsaufwand durch diese Regierung, die immer behauptet, sie möchte unbedingt den Verwaltungsaufwand eindämmen. Da kann man das nicht erkennen.
Diese schlecht gestaltete Placeboaktion kostet fast 33 Millionen Euro (Zwischenrufe der BundesrätInnen Mühlwerth und Schuster – Bundesrat Längle: Das stimmt ja nicht!) oder 6,6 Millionen Euro im Jahr. Die Kosten für die gesamte Selbstverwaltung in einem Jahr betragen 5,5 Millionen Euro, das Foto auf der e-card 6,6 Millionen Euro in einem Jahr. Wo ist hier die Verhältnismäßigkeit? (Beifall bei der SPÖ.)
Ich darf darauf hinweisen, dass die Krankenkassen heuer ein Defizit von 85 Millionen Euro erwarten, noch nicht eingerechnet sind die Fusionskosten für die Gebietskrankenkassen, die sehr, sehr hoch sein werden. Vergessen wir auch nicht die 14,7 Millionen Euro, die für die Privatspitäler zur Verfügung gestellt werden müssen, zusätzlich noch einmal 10 Millionen Euro für die Kosten von Arbeitsunfällen, die von der AUVA in die Gebietskrankenkassen hinübergeschichtet wurden.
Durch all diese Maßnahmen bringt die Regierung das öffentliche Gesundheitssystem finanziell immer weiter unter Druck, und am Ende stehen dann Gesundheitsvorsorge und -versorgung nicht mehr für alle Bürgerinnen und Bürger auf höchstem Niveau zur Verfügung, sondern beste Leistung steht nur zur Verfügung, wenn man die Kreditkarte zückt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber jetzt schon so! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Schuster: ... dem Herrn Stöger einmal erzählen!)
Die Sozialdemokratie lehnt eine derartige Vorgangsweise strikt ab. Alle Menschen verdienen Respekt, unabhängig davon, wie viel Geld sie besitzen, und sie verdienen die bestmögliche Gesundheitsversorgung. (Beifall bei der SPÖ.)
13.11
Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte.