14.14
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind dieser Bundesregierung scheinbar gleichgültig. Die Anliegen von Minderheiten sind dieser Bundesregierung scheinbar gleichgültig. (Bundesrätin Mühlwerth: Ganz im Gegenteil!) Das ist das Bild, das für die Menschen in diesem Land im Rahmen der Karfreitagsregelung entsteht.
Uns SozialdemokratInnen sind die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch die Anliegen der Minderheiten sehr wichtig. Wir möchten, dass die ArbeitnehmerInnen in Österreich einen zusätzlichen Feiertag erhalten, daher stellen wir BundesrätInnen der SPÖ einen Antrag auf Einspruch gegen dieses Gesetz.
Ich bringe einen Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Genossinnen und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz und das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden, ein. Damit wird mit der beigegebenen Begründung Einspruch erhoben, wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung von mir in Kernpunkten erläutert wird.
Alle Handlungsschritte, die diese Regierung nach der Urteilsverkündung durch den Gerichtshof der Europäischen Union gesetzt hat, bestätigen das Bild der Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und denen von Minderheiten.
Die Diskriminierung wurde festgestellt, und für alle ArbeitnehmerInnen wäre der Karfreitag ein Feiertag geworden. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt im Interesse der ArbeitnehmerInnen gewesen. Ihnen steht ein zusätzlicher Feiertag zu, sie haben ihn sich verdient. Die Österreicherinnen und Österreicher arbeiten extrem viel und fleißig. Sie haben im Interesse der Wirtschaft die gesetzliche Verlängerung der Arbeitszeit in Kauf nehmen müssen. Dadurch hat sich die mögliche Jahresarbeitszeit um 96 Stunden verlängert. Überdies sparen sich die Unternehmen meist die sechste Urlaubswoche, die oftmals nicht erreichbar ist, da Arbeitsverhältnisse immer öfter gewechselt werden. In Österreich werden jährlich 250 000 Überstunden und Gutstunden geleistet, übrigens jede fünfte Überstunde unbezahlt.
Sie hätten nach diesem Urteil den Karfreitag als Feiertag erhalten (Zwischenruf bei der FPÖ), solange die Bundesregierung nicht gesetzlich eingriffen hätte. Und sie hat eingegriffen, und wie! Zuerst die Idee des halben Feiertags: Auch als Nichtjurist/-juristin wusste man: Das kann nicht funktionieren! Aber schon in der Halbtagsregelung war klar: Jeder Schritt der Regierung ist davon getragen, der Wirtschaft ein möglichst großes Geschenk zu machen. Es wurde eine neue Lösung gefunden: Der Feiertag wird gestrichen, gleich für alle. Das ist die schlechteste aller Möglichkeiten und eine sehr günstige für die Wirtschaft.
Ja, diese Regierung setzt die Festspiele im Interesse der Wirtschaft wirklich konsequent um, da wundert es nicht, dass der Präsident der Wirtschaftskammer im Zeitungsinterview am letzten Sonntag offen bekennt, dass diese Regierung wirtschaftsfreundlich ist! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Seeber: Das ist ja nichts Schlechtes! – Bundesrätin Zwazl: Die Wirtschaft sind wir alle!)
Die Wortmeldung des Präsidenten der Industriellenvereinigung ließ ja ahnen, wohin sich das wirtschaftsfreundliche Verhalten noch weiterentwickeln ließe: Alle Feiertage könnten ja Urlaubstage werden! Na bitte! Die Regierung hat im Ursprung noch davon gesprochen, dass bei der Neuregelung niemandem etwas weggenommen werden soll, doch sie hat sich anders entschieden. Insgesamt gibt es keinen zusätzlichen Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen, wie es der EuGH vorgezeichnet hat, sondern einer Gruppe wird er sogar weggenommen.
Das bedeutet, dass es wieder zu einer Arbeitszeitverlängerung kommt und die Regierungsparteien wieder ein Versprechen gebrochen haben. Als Ersatz für diesen Feiertag gilt ein Urlaubstag, auf den man ein Recht hat – (Bundesrat Rösch: Dafür hat ... Prozess ...!) das klingt wie Hohn! –, aber bitte nur, wenn man ihn zukünftig rechtzeitig, drei Monate vorher – bitte unbedingt, das ist wichtig –, schriftlich beantragt. Gibt einem dann der Chef doch nicht frei, so erhält man die Zuschläge.
Bitte erklären Sie das den SaisonarbeiterInnen, für die die Saison oft erst später beginnt und die die Dreimonatsfrist nicht einhalten können. Die haben Pech gehabt! All jene, die ihren Arbeitsplatz wechseln und ihn nicht drei Monate vorher ankündigen können: Pech gehabt, kein Urlaubstag!
Bei der Vermarktung des Themas zeigt sich die Schwäche des oberflächlichen Versuchs der öffentlichen Meinungsbildung. Das wäre nun ein persönlicher Feiertag?! – Das glaubt Ihnen doch wirklich niemand! Es ist und bleibt ein persönlicher Urlaubstag, den man dann einfach auf seinem Urlaubskontingent weniger hat. (Beifall bei der SPÖ.)
Frau Bundesministerin, Ihre Aussage im Nationalrat – unter dem Titel: „Wer schafft die Arbeit? – [...] Die Wirtschaft schafft die Arbeit [...]!“ – wird leider als fast unglaubliches Beispiel für eine Sozialministerin in die politische Geschichte eingehen. Eine derartige sich an die Wirtschaft andienende Aussage hat man noch von keinem Sozialminister, keiner Sozialministerin gehört, welcher Partei er oder sie auch angehört haben mögen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich soll Ihnen – das haben mir so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitgegeben – bitte Folgendes sagen: Fragen Sie sich: Wer macht die Arbeit? Die ArbeitnehmerInnen machen die Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.) Völlig unverständlich, dass man gerade eine Sozial- und Arbeitsministerin darauf hinweisen muss. (Bundesrat Rösch: Was ist Arbeit?) – Ja (erheitert), das müsste sich Kollege Rösch als Arbeiterkammervertreter wirklich selbst beantworten können.
Evangelische, altkatholische, methodistische ArbeitnehmerInnen verlieren ihren Feiertag. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) – Nein, der Karfreitag, der ist schwer zu argumentieren für die Regierungsparteien, das glaube ich ungeschaut. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Evangelische, altkatholische und methodistische ArbeitnehmerInnen verlieren ihren Feiertag. Minderheitenrechte werden ignoriert und diese Personengruppen abgekanzelt. – Es sind eh nur 4 Prozent; bei 96 Prozent verändert sich nichts, sagt der Kanzler. So geht diese Regierung mit Minderheiten um. Die Verärgerung und Bestürzung auch dieser religiösen Gruppen ist mehr als verständlich, besonders dann, wenn diese Regierung immer betont, dass sie die christlichen Werte so dermaßen hochhält.
Im Bereich des öffentlichen Dienstes herrscht große Verwirrung. Der Bund hat einen halben Tag frei, Bürgermeister und Bürgermeisterinnen geben evangelischen MitarbeiterInnen frei, kluge Unternehmer geben einen ganzen Tag frei. (Bundesrat Köck: Wer hat Ihnen das geschrieben!) – Selber! – Ein Chaos in der Umsetzung (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ), begründet durch die Tatsache, dass man auf jegliche Expertise der Sozialpartner verzichtet hat.
Der Karfreitag! Wann immer Sie mit Menschen sprechen, können Sie sicher sein, dass diese Menschen wissen, dass ihnen einfach ein Feiertag weggenommen und ein persönlicher Urlaubstag, den sie sowieso haben, aufs Auge gedrückt wurde. Die Menschen kann man nicht täuschen, die wissen schon, worum es sich handelt. (Beifall bei der SPÖ.)
Die größte Ungeheuerlichkeit, die es zu sagen gilt, ist, dass damit in den Kollektivvertrag eingegriffen wird, in eine kollektivvertragliche Einigung zwischen beiden Kollektivvertragspartnern. Das ist wirklich mehr als verfassungsrechtlich bedenklich. (Bundesrat Rösch: Dann hättet ihr das nicht betrieben!) – Gerade Sie, Herr Bundesrat Rösch, Sie müssen wissen, wie schwierig Kollektivverträge zustande kommen, wie sehr die Arbeitnehmerseite dann etwas hergeben muss. (Bundesrat Rösch: Ihr habt den eigenen Generalkollektivvertrag ausgehebelt!) Und jetzt greift die Regierung da in einen erkämpften Kollektivvertrag ein. Das ist ganz, ganz, ganz schlecht. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)
Weil wir es für wahrscheinlich verfassungswidrig halten und sich die ArbeitnehmerInnen in Österreich das nicht verdient haben, bringe ich namens der SozialdemokratInnen im Bundesrat folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Karfreitag als Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen“
eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 606/A
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der der Karfreitag für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu einem gesetzlichen Feiertag wird.“
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Werte Bundesrätinnen und Bundesräte, stimmen Sie dem Antrag auf Einspruch zu beziehungsweise stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu! Sie tragen mit Ihrem Abstimmungsverhalten die Verantwortung dafür, ob die Karfreitagsregelung im Sinne der so hart arbeitenden ArbeitnehmerInnen in Österreich oder im Sinne der Minderheit umgesetzt wird und diese einen gesetzlichen Feiertag erhalten, oder ob sie ihren eigenen Urlaubstag dafür hergeben müssen. (Beifall bei der SPÖ.)
14.24
Präsident Ingo Appé: Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen gestellte und von Bundesrätin Schumann eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben – wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung in seinen Kernpunkten von der Antragstellerin mündlich erläutert wurde –, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen gestellte und von Bundesrätin Schumann eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Karfreitag als Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile ihm dieses.