15.47

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Operatives Pro­gramm des Rates: Das von Rumänien, Finnland und Kroatien erstellte Achtzehnmo­natsprogramm des Rates umfasst den Zeitraum von 1. Jänner 2019 bis 30. Juni 2020. Die Schwerpunktsetzung liegt auf der Abwicklung des Brexits und dessen Auswirkun­gen auf eine Union für Arbeitsplätze, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Energieunion, Klimapolitik, Freiheit und Sicherheit des Rechts sowie Schutz der Bevölkerung.

Rumänien will folgende Schwerpunkte im Zuständigkeitsbereich des Rates: Beschäfti­gung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz. Das sind eben folgende Punk­te: erstens, Arbeitsmobilität beziehungsweise Arbeitskraftmobilität; zweitens, faire und sichere Arbeitsbedingungen; drittens, Förderung von Chancengleichheit und – ganz wichtig – Vereinbarkeit von Beruf und Familie; und zum Abschluss: Verabschiedung und Schlussfolgerungen zur Verringerung des geschlechterspezifischen Lohngefälles.

Das Mobilitätspaket ist wohl auch nicht gerade eine Verbesserung für das Lenkerper­sonal. Sehen wir uns in diesem Bezug einmal die Lenk- und Ruhezeiten des Transport­personals an! Die wohl einzige scheinbare Verbesserung für die Lenkerinnen und Len­ker wäre die Rückkehr zum Firmenstandort oder zu ihrem Wohnort nach spätestens vier Wochen. Die Kontrolle kann jedoch nicht gewährleistet werden. Außerdem wird die Rückkehr zum Firmenstandort als ausreichend bezeichnet und somit die Rückkehr zu Familie oder Heim in den Hintergrund gestellt. Das ist wohl eher ein Scheinfortschritt als eine wirkliche Verbesserung.

Ich möchte Ihnen am folgenden Beispiel die anstehende Problematik näherbringen. Was würde ein österreichischer Fahrer, der für ein Unternehmen in Rumänien tätig ist und nach den vier Wochen am Firmenstandort ankommt, übers Wochenende in die­sem Land machen? – Er wäre wohl lieber bei seiner Familie als am Firmenstandort.

Legen wir nun unser Augenmerk auf die Ruhezeiten. Immer wieder wird von Flexibilität gesprochen, jedoch scheint es unter diesem Deckmantel wiederum nur Vorteile für die jeweiligen Transportunternehmen zu geben. Allein die Möglichkeit, dass das Lenkper­sonal drei Wochen hintereinander eingesetzt werden kann, steht in keinem sozialen und unterstützenden Zusammenhang für das Lenkpersonal. Mit dieser Regelung gibt es in diesen drei Wochen pro Woche eine Ruhezeit von nur 48 Stunden, das heißt, zweimal 24 Stunden. Ja, die Flexibilität steigt nur für die Unternehmen, und meines Er­achtens riskiert man die Verkehrssicherheit. Auch die Möglichkeit der Ausdehnung der Lenkzeit um 1 Stunde, um den Standort des Unternehmens zu erreichen, widerspricht für mich der Zielsetzung der EU-Verordnung, der gestärkten Verkehrssicherheit.

Das neue absolute Kabinenschlafverbot ist auch nicht ganz neu, da es sich um gel­tendes Recht handelt. Dies wurde bereits vom EuGH 2018 festgelegt und ist also in Wahrheit keine Besserung. Es werden sich die unzumutbaren Zustände auf Parkplät­zen und Raststationen entlang der Autobahnen in Europa nicht ändern, was man vor allem dann erkennt, wenn man bedenkt, dass bereits im ursprünglichen Entwurf des Mobilitätspaktes von Mindestausstattung in Fahrerkabinen wie auch von einer besse­ren Infrastruktur auf Raststätten und Autobahnparkplätzen die Rede war. Am 3.12.2018 wurden im Verkehrsrat jedoch beide Regelungen, welche die Arbeits- und Sozialbedin­gungen für die Lenkerinnen und Lenker verbessert hätten, gestrichen. Somit gibt es weiter keine Mindestausstattungsvorschrift, wie zum Beispiel sanitäre Einrichtungen, Schlaf-, Verpflegungs- oder Kommunikationsmöglichkeiten.

Man könnte sagen, alle Anliegen der Fahrer wurden gestrichen. Das Nomadentum auf der Straße lebt somit weiter. Darüber hinaus werden die Kontrollen durch den Be­schluss des Verkehrsministerrates wesentlich erschwert. So gab es früher das Kran­kenstands- und Urlaubsformblatt: Es musste jede Fehlzeit, egal ob Urlaub, Kranken­stand, andere Arbeiten der Lenkerinnen und Lenker, innerhalb der letzten 28 Tage im Unternehmen auf Formularen bestätigt und den Mitarbeitern mitgegeben werden. Die­se werden aber nun abgeschafft und durch das neue System, welches noch sehr lü­ckenhaft erscheint, ersetzt.

Eine der neuen Regelungen ist es, dass nur mehr Abwesenheiten, die mindestens eine Woche andauern, in der sich der Fahrer nicht in seinem Fahrzeug befindet, aufge­zeichnet werden. Ein kleines Beispiel dazu: Hat jemand vier Tage Urlaub, muss dies nicht bestätigt werden. Somit kann es in den Aufzeichnungen Abweichungen von bis zu sieben Tagen geben. Ich würde sagen, das ist eine eindeutig inakzeptable Ver­schlechterung, da die Kontrolle der Ruhe-, Lenk- und Arbeitszeiten innerhalb der 56 Tage – dieser Zeitraum soll neu in der Bestimmung über den Fahrtenschreiber fest­gelegt werden – (Bundesrätin Mühlwerth: Bist du sicher, dass du beim richtigen Ta­gesordnungspunkt bist?! – Bundesrat Schennach: Ja, ja, das stimmt schon!) nicht mehr eindeutig gegeben ist.

Wenden wir uns dem Lohn- und Sozialdumping zu! Wenn wir uns überlegen, warum Unternehmen aus westlichen Mitgliedstaaten so viele ihrer Transportfahrzeuge in östli­chen Mitgliedstaaten ausgeflaggt haben und nur Fahrer aus jenen Ländern einstellen, brauchen wir uns nur die diesbezüglichen Bestimmungen darüber anzusehen: Die re­geln, dass sie nur die Löhne bezahlen müssen, die in diesem Land gelten.

Am folgenden Beispiel sehen Sie, was ich meine: Der gesetzliche Mindestlohn 2017 lag zum Beispiel in Bulgarien bei 250 Euro. Der Kollektivvertrag eines Lenkers in Ös­terreich lag bei 1 550 Euro. Somit wird der Grundsatz, gleicher Lohn am gleichen Ort für gleiche Dienstleistung, massiv untergraben. Leider haben dadurch österreichische Transportunternehmen im internationalen Güterverkehr massive Marktanteilsverluste, 2002 lag der Marktanteil noch bei 60 Prozent, 2017 betrug er nur mehr 18 Prozent. Die­ser Abwärtstrend konnte auch durch das Mobilitätspaket im Verkehrsrat vom 3.12.2018 nicht gestoppt werden. Der Lohndruck, welcher durch osteuropäische Frächter ausge­übt wird, konnte dadurch auch nicht beseitigt werden. Leider wird dadurch das Ausflag­gen durch heimische Unternehmen eher noch gefördert.

Wie zur Krönung verzichtet unsere Bundesregierung auf die Bewerbung um die An­siedlung der Arbeitsmarktbehörde in Wien und lässt somit eine große Chance im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping aus. Dieses Nein zur Bewerbung kam direkt aus dem Bundeskanzleramt. Es wird von der EU endlich eine Behörde ins Leben gerufen, die die Ausbeutung von Arbeitern und einen unfairen Wettbewerb gegen ös­terreichische Unternehmen verhindern soll, sodass beispielsweise die Gültigkeit von Strafbescheiden nicht an der Staatsgrenze endet.

Es wirkt so, als wären der Regierung die ehrlichen Unternehmen mit ihren Beschäftig­ten, die sich leider täglich dem unfairen Wettbewerb stellen müssen, egal, sonst gäbe es wohl kein Nein zur Bewerbung. Mir ist diese Entscheidung absolut unverständlich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.55

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Kollege Schennach.