16.25

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über das Brexit-Begleitgesetz und den Brexit, aber wir alle wissen, dass es um viel mehr geht, nämlich um nichts Geringeres als die Zukunft Europas.

Wir wissen auch – und auch wenn es pathetisch klingen mag, so stimmt es –, dass unsere Eltern und Großeltern auf den Trümmern eines Krieges diesen Kontinent des Wohlstands und des Friedens aufgebaut haben. Wir haben nicht nur nach 1945, son­dern auch nach 1989 – das ist jetzt genau 30 Jahre her –, seit dem Fall der Berliner Mauer, unter Beweis gestellt, dass wir trotz unterschiedlicher Herangehensweisen und Perspektiven die Fähigkeit haben, an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. – So weit, so gut.

Was aber passiert jetzt? – Wir suchen nicht nach diesen gemeinsamen Lösungen, im Gegenteil, wir streben nach Macht, zumindest wenn man sich die Diskussionen rund um den Brexit anschaut. Tatsache ist nämlich, dass im Zuge dieses Referendums fal­sche Versprechungen gemacht worden sind und die Bevölkerung im Nachhinein fest­stellen musste, dass das, was versprochen worden ist, nicht eintritt. Nationalistische Propagandisten mit null Plan und null Lösung haben sich durchgesetzt. Sie haben gezündelt, sie haben das Haus in Brand gesetzt und sind dann feig davongerannt. Die Briten stecken – und da werden wir uns alle parteiübergreifend einig sein – seit gerau­mer Zeit in einer selbstverschuldeten Sackgasse. Und ja, es stimmt, es wird Zeit für einen Weg hinaus, wenn es kein Zurück mehr gibt und sich eine weitere Abstimmung nicht mehr abzeichnet. Wir, die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ha­ben es aber natürlich auch zu verantworten, dass es so weit kommen konnte.

Die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs war heute schon kurz Thema. Ja, auch ich bin der Meinung, man hätte diese Monate entsprechend nutzen können, um dem entge­genzuwirken, um Maßnahmen zu setzen und für Aufklärung zu sorgen, anstatt tatenlos zuzuschauen, wie der Wagen an die Wand gefahren wird. Jetzt stehen wir in Öster­reich vor der Herausforderung, die Bevölkerung insofern zu schützen, als es Klarheit geben soll, was nach diesem Brexit passieren wird. So, wie dieses Begleitgesetz nun vorliegt, ist es aus unserer Sicht nicht nur unvollständig, es enthält auch Dinge, die not­wendig werden, auch das ist klar, auch wenn es natürlich noch einiges braucht.

Tatsache ist aber – und das werden Sie sich jetzt auch gefallen lassen und Sie werden wenig überrascht sein –, dass ich nicht das Gefühl habe, dass zumindest die eine Hälfte der österreichischen Regierung großes Interesse daran hat, an konkreten Lö­sungen zu arbeiten; im Gegenteil, man wird das Gefühl nicht los, dass es darum geht, den Öxit oder weitere Austritte tatsächlich vorzubereiten. Auch wenn Sie immer wieder verneinen, dass Ihr Vizekanzler oder Ihr Spitzenkandidat für die EU-Wahl Viliminsky den Öxit in den Raum stellen, wissen Sie ganz genau, dass diese Dinge gut dokumen­tiert sind. Herr Strache hat zum Beispiel das Referendum in England 2016 als einen demokratischen Akt bezeichnet. (Bundesrat Schuster: Das ist der Grund, warum Sie abgewählt worden sind! – Weitere Rufe bei der FPÖ: Ja, genau! – Na, was war’s denn?! – Haltlose Unterstellung!) Das spricht für sich.

Viliminsky beruft sich bis heute darauf, dass es natürlich notwendig und wichtig ist, die Bevölkerung zu befragen. Auch wenn Sie sich jetzt aufregen, dass es anders verstan­den werden kann, Sie wissen wohl, dass das Alternativen-in-den-Raum-Stellen unter­schiedliche Perspektiven bietet. Man kann sagen, es ist ein demokratischer Akt, darü­ber abzustimmen, wie es weitergeht, und das mit Lösungen zu verbinden, die Europa dienlich sind, oder etwas wie den Öxit in Aussicht stellen, wohl wissend, was das für Österreich und Europa in weiterer Folge bedeuten würde. (Bundesrätin Mühlwerth: Außer Ihnen spricht niemand von Öxit!) Verschleiern Sie also bitte nicht Ihre Haltung. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich möchte aber noch auf etwas Aktuelleres zu sprechen kommen, das nicht nur die FPÖ, sondern auch die ÖVP betrifft. Wo Sie (in Richtung FPÖ) stehen, wissen wir nämlich bereits, wo die ÖVP steht, ist noch nicht so ganz klar. Tajani – Sie werden es gelesen haben –, Präsident des Europäischen Parlaments, hat sich heute etwas Un­fassbares geleistet – was ihm schon der Innenminister Italiens vorgemacht hat. Er fin­det lobende Worte für den Faschisten Mussolini. Aus meiner Sicht müsste er sofort zurücktreten. (Zwischenrufe der Bundesrätin Mühlwerth.) So, wie sich die ÖVP aber nicht einig ist, wie viele Grenzüberschreitungen seitens eines Orbán sie in Kauf nimmt, so ist sie sich auch nicht einig, wie mit Personen umzugehen ist, die sich auf Fa­schisten berufen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Enkeltochter von Mussolini ist übrigens im Parlament ...!) Genau das bereitet mir Sorge: nicht die Rechtspopulisten, nicht die rechten Parteien, nicht die Rechtsextremen in Europa, sondern, ja, die konservativen Parteien, die jetzt immer mehr nach rechts abdriften, die aber imstande wären, genau diese Entwicklung noch aufzuhalten. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Es geht hier natürlich auch um Verharmlosung, wenn man meint, ein Salvini oder ein Tajani sagt etwas, was historisch anders verstanden werden kann; genauso wie Ihre alternativen und demokratischen Akte, was einen Öxit anbelangt. Für mich ist das ein Dammbruch, und zwar ein verdammt gefährlicher Dammbruch, mit dem wir es hier zu tun haben. Niemand verneint, dass wir es in Europa mit sehr vielen Krisen zu tun ha­ben. Anstatt aber gemeinsam nach Lösungen zu suchen und zu versuchen, diese Kri­sen – von denen Sie wissen, dass sie kein Nationalstaat für sich alleine lösen kann; das können wir nur europäisch lösen – gemeinsam zu bewältigen, schauen Sie zu, ma­chen sich mitschuldig, verharmlosen, dulden solche Aussagen und profitieren von ge­nau diesen Spaltungen, die die Rechtsextremen in ganz Europa vorantreiben. (Zwi­schenruf bei der FPÖ.)

Die Europäische Volkspartei, der die ÖVP, die CDU, die Forza Italia oder Orbáns Fi­desz angehören, muss deshalb aus meiner Sicht wirklich dringend klären, wie viel Fa­schismus sie in ihren eigenen Reihen duldet und – auch das wiederhole ich noch­mals – ob sie relativiert, zuschaut und nur die Mandate zählt, wohl wissend, dass bei­spielsweise Orbán, wenn sie ihn aus der Europäischen Volkspartei ausschließt, sich zum Beispiel den Rechten anschließen könnte. Klar geht es da um Mandate! Es geht nicht um Lösungen, es geht nicht um Krisen, es geht nicht um gemeinsame Antworten, es geht darum, wie die Mandatsverteilung nach dem 26. Mai sein wird.

Sie wissen, Ihre Fraktion ist im Europaparlament mit 37 Mandaten (Bundesrätin Mühl­werth: Natürlich sind Mandate entscheidend, sie werden ...!) jetzt recht isoliert. Sie sind in Europa isoliert, weil Sie nie den europäischen Gedanken gepflegt haben, son­dern den nationalistischen. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie haben da überhaupt keine Ahnung von gar nichts! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Natürlich will ein Viliminsky – und das können Sie heute im „Standard“ nachlesen (Bundesrat Steiner: Der „Standard“, die Bibel der Grünen! – anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ) – ge­nau an diese Mandate heran und dort der Mehrheitsbeschaffer sein.

Was das Brexit-Begleitgesetz, über das wir heute reden, anbelangt, so kann ich nur wiederholen, dass sie natürlich nicht nur unvollständig sind, sondern auch suggerieren, es wäre alles nicht so schlimm, was dieser Brexit mit sich bringt und welche Auswir­kungen dieser Brexit auf Europa, auf Österreich – ja, auf unsere Wirtschaft ebenso – haben wird. Deswegen wird es unsere Zustimmung nicht bekommen; die Mehrheit hat es hier sowieso. Was hier fehlt, wurde schon erwähnt: Erasmus, Anerkennung, Nostri­fizierungen, Sozial- und Pensionsversicherungen. Das sind existenzielle Fragen, die hier nicht einmal berührt worden sind.

Viel schlimmer ist aber, dass nicht nur nicht alle Ministerien eingebunden worden sind, sondern dass das BMI (Zwischenruf bei der FPÖ), das Innenministerium, auch noch explizit festhält, dass es auf zukünftige, weitere Austritte vorbereitet ist. Was sagt uns das? – Dass Sie nicht daran arbeiten, dass es solche nicht gibt, sondern dass Sie die Rute schon ins Fenster stellen und davon ausgehen, dass es auch andere Mitglieds­länder treffen wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Viliminsky sprach heute auch davon (Rufe bei der FPÖ: Vilimsky, nicht Viliminsky!) – das ist Ihr Spitzenkandidat, wir reden über Europa –, dass er das Parlament aufmi­schen möchte. Ich finde, man sollte nicht das Parlament aufmischen und die Mandate mischen, sondern konkret an solchen Lösungen arbeiten. Diese Lösungen sind des­halb notwendig, weil niemand von uns, ungeachtet dessen, welcher Partei er oder sie angehört, ernsthaft zurück zum Kalten Krieg von 1989 (Bundesrat Steiner: Ach!) oder zurück zu den faschistoiden nationalistischen Gedanken möchte (Bundesrat Steiner: Jetzt reicht’s aber, du, jetzt reicht’s aber!), die dieses Europa spalten und nicht einen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Es reicht mir auch, da haben Sie vollkom­men recht, es reicht mir auch.

Ich bin 1980 in einem osteuropäischen Land (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat mit ei­ner Debatte nichts ...!), 500 Kilometer von Wien entfernt, geboren. Ich weiß, was es be­deutet, diese Grenze zu übertreten und sich darüber zu freuen, dazuzugehören, einem Friedensprojekt anzugehören. Dieses Versprechen gilt es nicht nur zu erneuern, son­dern es gilt, Sie (in Richtung FPÖ) aufzuhalten, dieses Friedensprojekt zu zerstören. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmül­ler. – Bundesrat Steiner: Hallo, aber jetzt reicht’s nachher!)

16.37

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.