12.40
Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer auf der Besuchergalerie und via Livestream! Ja, es gibt unterschiedliche Zugänge zu diesem wichtigen Thema, und ja, es wurden auch schon viele wichtige Dinge angesprochen, denen ich mich großteils auch inhaltlich anschließen kann.
Fakt ist, einem Kind, welches die Unterrichtssprache nicht kann und dem Unterricht nicht folgen kann, kann auch sehr schwer Wissen vermittelt werden. Ich bin mittlerweile selbst seit 20 Jahren im Bildungssektor tätig und habe zwei Kinder im Volksschulalter. Ich weiß, wie wichtig entsprechende Förderung und Kommunikation für den weiteren Bildungsverlauf eines Kindes ist. Bei einer Tagung, die vor Kurzem in Krems stattgefunden hat, hatte ich die Gelegenheit, mit etlichen Direktoren und Direktorinnen, Lehrern und Lehrerinnen aus ganz Niederösterreich zu sprechen. Ich habe ergänzend auch einige Schulen in Niederösterreich besucht und daraus ein Resümee gezogen. Es waren sich alle Pädagoginnen und Pädagogen einig, dass es sehr wichtig ist, dass die Regierung dieses wichtige Thema aufgegriffen und sofort Inhalte zum Wohle für unsere Kinder umgesetzt hat. In den Gesprächen hat sich gezeigt, dass der Bedarf für diese neue Maßnahme wirklich sehr, sehr groß ist. Was ich auch gesehen habe, ist, dass dieses neue System in den einzelnen Schulen derzeit aber sehr unterschiedlich gelebt wird.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel, was ich in Niederösterreich beobachtet habe. Ich habe dort eine öffentliche Volksschule besucht: 85 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund. Sie stammen aus 20 verschiedenen Nationen. Viele dieser Kinder beginnen in dieser Schule ohne ausreichende Deutschkenntnisse, und fast die Hälfte der Mütter dieser Kinder sind Analphabeten und sprechen kein Deutsch; sie können daher ihre Kinder beim Lernerfolg nur mangelhaft unterstützen. Sie alle haben aber etwas gemeinsam, und zwar: Sie sind allesamt glücklich, dass dieses Problem endlich aufgegriffen und nicht mehr gewartet wurde.
Dazu möchte ich einen Gedanken mit Ihnen teilen, den ich gelesen habe: Konfuzius wurde einmal gefragt, was er als erstes machen würde, wenn er ein Land zu regieren hätte: Ich würde vor allem die Sprache verbessern. Wenn die Sprache nicht einwandfrei ist, sagt man nicht, was man meint. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau darum geht es. Es kann durchaus sein, dass das neue System vielleicht noch nicht das Optimum darstellt. Entscheidend aber ist, dass die Regierung und allen voran Sie, Herr Bundesminister Faßmann, gehandelt haben. Daher gebe ich zu bedenken, dass wir diesen Versuch nicht gleich aufgrund irgendwelcher politischer Ideologien von Anfang an schlechtreden sollten, sondern dass wir diesen Kindern eine Chance geben sollten – eine Chance für eine bessere Zukunft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Fakt ist nämlich auch: Wenn die Deutschförderklassen und -kurse nicht gekommen wären, könnten jetzt noch weniger Kinder Deutsch. Das heißt, die Investitionen in die Deutschförderklassen lohnen sich, und wenn bereits nach einem Semester, nach einem halben Schuljahr, im Durchschnitt 16 Prozent der Schüler und Schülerinnen vom außerordentlichen Status in den ordentlichen Status übergeführt werden können, dann – ich bin der Ansicht – ist das definitiv ein Erfolg.
In meinen Gesprächen, die ich in den letzten Tagen und Wochen geführt habe, haben sich für mich drei Kernthemen herauskristallisiert, an denen wir künftig weiterarbeiten sollten. Erstens: Wir haben bis dato kein Standardmesssystem, um die Sprachkompetenz zu messen. Das heißt, was wir brauchen, ist ein Messsystem, das valide ist und somit österreichweit vergleichbare Ergebnisse liefert. Das Wichtigste ist, dass es für unsere Lehrer und Lehrerinnen möglichst wenig Aufwand bedeutet, weil sie aus Überzeugung hervorragende Arbeit leisten. Dafür gebührt ihnen großer Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Zweitens: Viele Kinder in sogenannten Brennpunktschulen – auch wenn ich mit diesem Terminus nicht ganz happy bin – kommen aus unterschiedlichsten Gründen während des Schuljahres nach Österreich. Das heißt, zu Beginn des Schuljahres besteht teilweise noch keine Notwendigkeit für diese Deutschförderklassen, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt. Deshalb sehe ich es als notwendig an, dass Schulen auch die Möglichkeit haben, mit einer Deutschförderklasse unterjährig, sprich im laufenden Semester zu starten, sobald die entsprechenden Anzahl der Kinder erreicht ist.
Drittens: Der für mich wichtigste Punkt sind die Eltern. Eltern müssen, so gut es geht, die Souveränität über die Kindererziehung behalten. Wir müssen die Eltern in ihre Verantwortung nehmen und dürfen die Erziehung nicht an Institutionen auslagern. Eltern sind für ihre Kinder ein Vorbild (Bundesrat Schennach: Und das bei eurer Arbeitszeitregelung ...! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), und als solches sollten wir als Eltern und Großeltern auch unsere Rolle wahrnehmen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)
Experten haben beobachtet, dass die Sprachgewandtheit unserer Kinder abnimmt. Was sind die Gründe dafür? – Es sind einerseits die neuen Medien, aber vor allem, dass man in den Familien viel weniger spricht als früher. Eine Frage an Sie alle: Wer von Ihnen hat jetzt in der Zwischenzeit ein SMS oder eine WhatsApp-Nachricht, vielleicht mit einem Smiley, einem Daumen nach oben oder sonstigen Bildzeichen verschickt? – Wenn wir nur mittels Emojis kommunizieren, dann sind wir nach jahrtausendelanger Kulturgeschichte wieder bei den Hieroglyphen angelangt. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.) Die deutsche Sprache ist Teil unserer Kultur. Sprache ist aber noch viel mehr. Sprache – wir haben es heute auch schon von einigen Kollegen gehört – ist der Schlüssel zur Integration und zum Bildungserfolg. Darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig.
Zum Schluss habe ich noch eine Buchempfehlung für uns alle. Einige von Ihnen haben dieses Buch wahrscheinlich schon gelesen: „Kulturkampf im Klassenzimmer“. Es wurde von einer Wiener Lehrerin, einer Sozialdemokratin, geschrieben. Das Buch ist durch alle Medien gegangen und hat die Situation in unseren Schulen aufgezeigt. Ich denke, wir sind es gerade diesen Kindern schuldig, weiterhin gemeinsam daran zu arbeiten, das neue System noch besser zu machen, und vor allem eines: zu reagieren.
Deshalb habe ich einen Appell an uns alle: Vertrauen wir den Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort (Ruf bei der SPÖ: Genau!) und setzen wir weiter Maßnahmen, um die Integration zum Wohle unserer Gesellschaft voranzutreiben! Ich bin überzeugt davon, dass es zielführend ist, auf diesem Weg zu bleiben. Tun wir es für unsere Kinder, tun wir es für unsere Zukunft! – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)
12.48
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile es ihm.