14.15

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrem Bericht folgende neue Kategorie ein­geführt: „Erfolge der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft“. Das macht bei 62 Sei­ten einige Seiten aus. Wenn man aber in Brüssel, in Straßburg oder in anderen Mit­gliedstaaten so herumfragt, wie die österreichische Präsidentschaft war, dann be­kommt man immer diesen Zitronenbiss zu sehen – Sie wissen schon, so (die Aussage durch seine Mimik unterstreichend – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!) –, weil die öster­reichische Präsidentschaft ja vielfach als stranded investment dargestellt wurde. (Bun­desrätin Mühlwerth: Von den linken Kollegen wahrscheinlich! – Bundesrat Steiner: Von den Kommunisten und Restkommunisten in Europa!)

Gehen wir aber zu diesem Bericht zum Thema Digitalisierung zurück. Was mir da fehlt bei den österreichischen Vorhaben, sind ein paar ganz wichtige Rahmenbedingungen. Heute war Ihr Kollege Hofer hier und hat davon geschwärmt, dass wir keine Lebens­mittelsupermärkte haben werden, weil das alles digitalisiert und online passieren wird. Also ich möchte nicht in einer Stadt oder in einem Dorf leben, wo es kein Lebensmit­telgeschäft mehr gibt und wo die Menschen beim Einkaufen keine direkte Kommunika­tion haben.

Die größere Frage, die aber hinter der gesamten Frage der Digitalisierung steht, ist: Wie bereiten wir uns eigentlich vor? Wie bereiten wir uns auf diese Entwicklung vor, die den Verlust ganz, ganz vieler Arbeitsplätze bedeutet? Es werden ja wohl nicht alle Ver­käuferInnen und KassierInnen – in Lebensmittelgeschäften oder in Apotheken, die ja jetzt alle auf Robotertechnik umgemodelt werden – nachher IT-TechnologInnen wer­den.

Laut Studien wird Deutschland 49 Prozent und Österreich bis zu 47 Prozent seiner bis­herigen Arbeitsplätze verlieren. Ich weiß schon, dass da immer wieder die Diskussion über die Industrialisierung kommt, aber wir stehen vor erheblichen sozialen Verwerfun­gen. Deshalb benötigt jede Digitalisierungsstrategie auch eine arbeitsrechtliche Strate­gie. Da muss man sich mit Fragen auseinandersetzen wie: Wie groß darf denn noch eine Verkaufsfläche in der Zukunft sein?, und: Wie viel humane Arbeitskraft will ich denn da überhaupt haben?

Es gab ja schon eine Kette, die nur mit einer einzigen Person solche Geschäfte be­trieben hat. Das ist erstens unmenschlich gegenüber dieser Person, zweitens ist es eine Sicherheitsfrage, drittens ist es eine Kommunikationsfrage. Wir wollen ja eigent­lich Arbeitsplätze der Zukunft, die den Menschen nicht nur ein Einkommen ermögli­chen, sondern sie auch glücklich machen.

Übrigens ist dieses große Gemurre über die Beurteilung der österreichischen Ratsprä­sidentschaft nicht von mir, das können Sie im deutschen „Handelsblatt“ nachlesen. Dieses sehr konservative Magazin hat die österreichische Ratspräsidentschaft in zehn Bereichen derart zerfetzt! Das würde ich als Oppositionspolitiker mich hier an diesem Rednerpult nicht trauen, aber das deutsche „Handelsblatt“ ist mit der österreichischen Ratspräsidentschaft Schlitten gefahren. Das ist vielleicht eine Anregung, um das nach­zulesen. (Bundesrat Längle: Ist ja lächerlich!) – Ja, lies dein konservatives deutsches „Handelsblatt“, dann kannst du weiterreden oder auch nicht. (Bundesrat Rösch: Wer weiß, was da drinnen steht! Das Gegenteil wird wahrscheinlich der Fall sein!)

Zweitens, was für mich noch wichtiger ist, Frau Bundesministerin, ist die Vorbereitung in der Bildung. Es gab ein Viersäulenmodell der früheren Bildungsministerin bezüglich Tablets für die Schulen und so weiter, das zwischen den damaligen Koalitionspartnern akkordiert war. Aus einem sich mir nicht erschließenden Grund hat Herr Bildungsminis­ter Faßmann das alles zurückgezogen und sagt, er legt eine eigene Digitalisierungs­strategie auf. Da sehen wir noch nichts.

Was wir aber brauchen, ist, dass wir hier in einen Bereich hineinkommen, in dem wir ganz früh IT-Kompetenz vermitteln müssen – ganz, ganz früh. Jetzt kommen wir zum ersten Mal in die Situation, in der weder die Eltern noch die Lehrenden helfen können, weil sie beide, Eltern wie Lehrende, keine Digital Natives sind.

Manche haben zwar das Glück, jemanden wie Frau Hahn als Unterrichtende zu haben, aber da braucht es auch wiederum eigene Ausbildungen, Lehrgänge. Wir dürfen die Lehrenden in diesen Fragen nicht alleinlassen, denn diese Fragen werden an sie he­rangetragen. (Bundesrat Steiner: 25 Jahre alleingelassen!) Diese Fragen, vor allem betreffend IT-Technology, werden an sie herangetragen, und da brauchen die Lehren­den die entsprechende Kompetenz, denn die Eltern haben sie nicht – oder vielfach nicht – und können das nicht ersetzen.

Kommen wir noch einmal kurz zur Ratspräsidentschaft. Ja, richtig, ich meine, manche Dinge hätte man auch schneller abhandeln können. Ja, es ist richtig, Frau Bundesmi­nisterin, die Notifizierungsrichtlinie hat Österreich in seiner Ratspräsidentschaft voran­getrieben, wie das Mobile Government auch.

Das Digital Europe Programme gab es zum Teil schon. Es geht weiter, das ist sehr wichtig, aber auch für Europa stellt sich die Frage der Ausbildung, der Bildung, und dass man nicht nur versucht, über Rot-Weiß-Rot-Karten, wie zum Beispiel hier ange­dacht, jene Menschen hereinzuholen, die eine höhere Digital- und IT-Ausbildung in an­deren Staaten genossen haben, und dabei den eigenen Arbeitsmarkt und den eigenen Ausbildungsbereich übersieht.

Ich denke, hier gibt es ganz, ganz viel zu tun. Wir nehmen das zur Kenntnis, Frau Hahn hat das auch schon ausdrücklich gesagt. Das, was hier aber als österreichische Vorha­ben ausgeführt wurde, wird ohne den ganz frühen Start, ohne die IT-Reife der Schulen, auch softwaremäßig, nicht gehen, und da werden wir wirklich erhebliche Probleme ha­ben. Vergessen Sie bitte auch nicht die daraus resultierenden arbeitsrechtlichen Proble­me und Konsequenzen!  Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

14.22