16.54

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Bundeskanzler! (Bundesrat Steiner: Heute keinen Pflasterstein mit?) – Der Run­ning Gag ist mittlerweile ein wenig langweilig. Werte Kollegen und Kolleginnen! Die Verflechtungen zwischen FPÖ und rechtsradikalen Gruppen sind aus meiner Sicht die größte Hypothek dieser Regierung.

Ich glaube nicht, dass man nicht die Identität schützen kann. Ich glaube nicht, dass alle innerhalb der FPÖ rechtsradikal sind. (Bundesrat Rösch: Seit wann?) Ich glaube auch nicht, dass alle ihre Wähler und Wählerinnen rechtsextrem sind. (Bundesrat Krusche: Das ist ja großzügig! – Bundesrat Ofner: Sagt die mit dem Pflasterstein!) Nichtsdesto­trotz ist es bekannt, dass ein starker Kern innerhalb der Freiheitlichen Partei immer schon rechtsradikale Propaganda verbreitet hat, und das war auch Ihnen, Herr Bun­deskanzler, bekannt. (Bundesrat Steiner: Wo ist der? Der Kern ist schon lange weg!)

Niemand, der sich genau mit der Thematik beschäftigt, wird in Abrede stellen, dass man wahrscheinlich nur gehofft hat, dass es erstens nicht so schnell und zweitens nicht so gravierend zum Thema wird, dass es diesen Kern innerhalb der FPÖ gibt. Jetzt ist die Katze aus dem Sack, nach dieser Affäre um die Spenden an Sellner. Es wird Untersuchungen geben, ja, das stimmt auch, aber diese Abgrenzung ist tatsäch­lich nicht wirklich glaubwürdig.

Diese Hausdurchsuchungen mit 200 Polizeibeamten, bei denen niemand festgenom­men worden ist, wo vor einem Jahr ein Konzert in der steiermärkischen Pampa statt­gefunden hat und man jetzt ein paar Tätowierungen und Waffen festgestellt hat, sollen und dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit nationalen und interna­tionalen brandgefährlichen Verbindungen zu tun haben. (Unruhe im Saal.)

Jedenfalls ist es ein durchsichtiges Manöver und mit Sicherheit kein Befreiungsschlag für diese Regierung. Die Gefahr sitzt nämlich nicht irgendwo auf Konzertbänken, son­dern mitten in den Kabinetten. Das wissen Sie. Auch wenn viele jetzt die Verbindungen abstreiten, gibt es ja genug Überschneidungen, nicht nur ideologische, sondern auch personelle.

Frau Mühlwerth, es geht hier nicht um Identität, sondern es geht hier um rechtsextreme Ideologien, die Sie mit den Identitären gemeinsam haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Falsch, Frau Kollegin! Komplett falsch!) Es geht hier um Invasion, Umvolkung, Über­fremdung, Verschwörungstheorien, Kriminalisierung von Zugewanderten, Sündenbö­cke. Es sind die gleichen Argumentationsstrategien, und das werden Sie nicht abstrei­ten, das ist bestens dokumentiert.

„Der Große Austausch“ war nicht nur auf einem Transparent der Identitären zu lesen, die eine Donnerstagsdemo gestört haben, sondern war auch der Titel des Hassmani­fests des Attentäters aus Neuseeland. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Auch das wissen Sie ganz genau. Die Identitären und die FPÖ – das muss man klar sagen – sind Teile des­selben Spektrums. (Bundesrätin Mühlwerth: Wie die Linken und der Schwarze Block!)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben im Wissen um genau dieses Milieu trotzdem die Frei­heitlichen in die Regierung geholt – in eine Bundesregierung. Wir reden hier nicht über Landesregierungsbeteiligungen, sondern über Ministerien, das ist schon noch einmal ein kleiner, aber feiner Unterschied. Sie haben die FPÖ dadurch salonfähig gemacht und ihr zusätzlich auch noch das Innen-, das Verteidigungsministerium und den ge­samten Sicherheitsapparat samt den Geheimdiensten übertragen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Sie und die ÖVP tragen deshalb mit die persönli­che Verantwortung dafür, was es jetzt aufzuklären gilt.

Wenn jetzt diese Verbindungen abgestritten werden, obwohl sie bestens dokumentiert sind, möchte ich schon einige Dinge hervorstreichen: Die sogenannten Identitären sind in Österreich seit circa 2013 aktiv. Schon früh hat das Dokumentationsarchiv des ös­terreichischen Wiederstands diese Gruppierung als rechtsextrem eingestuft. Auch der Verfassungsschutz beobachtet die Identitären in Österreich schon seit Langem. Trotz dieser Fakten hat Vizekanzler Strache diese Gruppe als junge Aktivisten verteidigt, nachdem sie ein Theaterstück an der Universität Wien, an dem auch Kinder, Flücht­lingskinder beteiligt waren, gestürmt haben – auch dazu gibt es Dokumentation, falls Sie sich nicht erinnern können –; er hat sogar das Video geteilt.

Worüber reden wir hier überhaupt? – FPÖ-Landtagspräsident Kurzmann demonstriert mit Identitären gegen eine Flüchtlingsunterkunft. FPÖ-Gemeinderat Sickl ist Ordner bei einem Identitären-Aufmarsch. Der FPÖ-Vizebürgermeister der Stadt Graz ist ebenso bei einem Aufmarsch der Identitären dabei. Innenminister Kickl hält vor Identitären eine Rede auf einem rechten Kongress. FPÖ-Abgeordneter Zanger hält eine Rede bei ei­nem Identitären-Aufmarsch. Der Freiheitliche Akademikerverband macht eine Veran­staltung mit Martin Sellner.

Es gibt Inserate für FPÖ-Spitzenkandidat Vilimsky im Magazin „Info-Direkt“, das eine Plattform der Identitären ist. Es ist ein weiterer Verein in der Villa Hagen aufgetaucht, wo mittlerweile die Mietverträge gekündigt worden sind. Auch in unseren Reihen – er hat sich grade verflüchtigt – sitzt ein Bundesrat, der gemeint hat, er sei gar nicht Kas­sier von einem Verein in dieser Villa Hagen, obwohl er aber genau das amtlich unter­schreiben musste. Bitte veräppeln Sie uns also nicht – das ist alles dokumentiert! Das steht alles schwarz auf weiß, davon gibt es Dokumente und amtliche Beweise. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Eine Kurzzusammenfassung abseits dieser Verbindungen bei Aufmärschen und De­monstrationen gibt es auch noch. Ich weiß nicht, ob Sie kurzsichtig sind, aber ich könnte hier Abhilfe schaffen, wenn Sie das mit dem Konsequentsein wirklich ernst mei­nen; schauen wir uns vor allem die Ministerien an:

Insgesamt konnten bei bisher mindestens 48 Personen aus der FPÖ direkte oder indi­rekte Verflechtungs- und Berührungspunkte zu den Identitären identifiziert werden.

Zumindest vier FPÖ-geführte Ministerien und drei weitere hochrangige FPÖ-Politiker beschäftigen Personen, die mit den Identitären in direktem Kontakt sind oder Sympa­thien bekundet haben.

Zumindest zwölf aktive FPÖ-Politiker beziehungsweise FPÖ-Mitarbeiter haben an rechtsextremen und Identitären-nahen Kongressen teilgenommen.

Zumindest neun aktive Politiker und Politikerinnen der FPÖ beziehungsweise deren Mitarbeiter haben, und zwar – das wiederhole ich – nachdem der österreichische Ver­fassungsschutz diese Gruppierung als rechtsextrem eingestuft hat, an Kundgebungen dieser Identitären dokumentierterweise teilgenommen.

Zumindest neun aktive FPÖ-Politiker beziehungsweise FPÖ-Mitarbeiter waren gemein­sam mit rechtsextremen Identitären bei Stammtischen und Infotischen vertreten.

Zumindest sechs FPÖ-Politiker und Personen aus FPÖ-Vorfeldorganisationen haben die Identitären – ich wiederhole: nachdem der österreichische Verfassungsschutz diese Gruppierung als rechtsextrem eingestuft hat – öffentlich beworben, verteidigt und/oder verharmlost; darunter unser Vizekanzler Strache.

Zumindest 14 FPÖ-Politiker beziehungsweise FPÖ-Mitarbeiter sind, nachdem der ös­terreichische Verfassungsschutz die Identitären als rechtsextrem eingestuft hat, in Identitären-nahen Medien aufgetreten oder haben in diesen Medien inseriert oder sind sogar Teilhaber dieser Medien.

Jetzt kommen wir zu Ihrer Abgrenzung, zu Ihrer Glaubwürdigkeit und zu der Konse­quenz, die Sie angekündigt haben: Kein einziger FPÖ-Politiker wurde bislang allein aufgrund eines Naheverhältnisses zu den Identitären aus der Partei ausgeschlossen, kein einziger Mitarbeiter deshalb aus einem Ministerium entlassen und noch keine ein­zige Unterstützung für ein Identitären-nahes Medium wurde, seit wir diesen Skandal auf dem Tisch haben, eingestellt. Ist das konsequent? Meinen Sie das mit konse­quent? – Ich nicht! Das geht sich nicht aus! (Bundesrat Spanring: Jetzt mache ich mir datenrechtliche Sorgen! Von wo weiß die unsere Mitglieder?)

An dieser Stelle möchte ich mich für die aufwendigen Recherchen bei Stoppt die Rech­ten und SOS Mitmensch bedanken. Da sitzen nämlich Personen, die sich diese Ver­flechtungen genauestens anschauen, sodass Sie diese nicht verneinen können. (Bun­desrat Spanring: Schwachsinn! – Bundesrätin Mühlwerth: Sie haben den Schwarzen Block unterstützt!) – Lenken Sie nicht ab! Ich sage als Grüne, bei uns ist Gewaltfreiheit nicht nur ein Grundwert, sondern eine Koalition mit der FPÖ ein No-Go. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Pflasterstein ist ja auch ein Symbol der Gewaltfreiheit!) – Lenken Sie nicht permanent ab, wir reden jetzt nicht über den Schwarzen Block! Wir reden hier über etwas Brandgefährliches, über eine brandgefährliche rechtsextreme Gruppierung, mit der Sie zum Teil zusammenarbeiten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das ist ja noch nicht alles! Es gibt wirklich brisante Dokumente zu dem Ganzen. Aus einem Kampagnenplan der Identitären – kennen Sie den? – geht hervor, wie der ge­meinsame Krieg der FPÖ und der Identitären gegen den bereits erwähnten Großen Austausch aussehen soll. (Bundesrat Spanring: Das hat wahrscheinlich ein Grüner geschrieben!) Im Rahmen der Gegenöffentlichkeit, heißt es hier, werden als Kanäle FPÖ-Medien genannt, die mit Berichten gefüttert werden sollen, zum Beispiel: „Zur Zeit“ – bekannt –, „Aula“ – auch schon länger bekannt –, sogar die Facebook-Seite von Vizekanzler Strache steht in diesem Kampagnenplan drinnen, „FPÖ TV“, „Info-Direkt“. Die Umsetzung dieser Kampagne ist ebenso gut dokumentiert. Die Umsetzung dieser Kampagne stellt eine Sicherheitsgefahr dar, sonst gar nichts.

Kommen wir jetzt zu der eigentlichen Sicherheitsgefahr! Die „Washington Post“ hat ja berichtet, dass Dokumente über Sellners Kontakte zur FPÖ bei der BVT-Razzia mitge­nommen worden seien. Das ist im Moment nicht verifizierbar, aber allein der Hinweis darauf sollte wirklich bei allen Parteien die Alarmglocken läuten lassen. (Bundesrat Weber: Ablenkung!)

Wir wissen, dass gegen Sellner aktuell wegen des Verdachts auf Gründung einer oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt wird. Wir wissen und kön­nen täglich auf Twitter mitlesen, was Sellner so von sich gibt. Sie sind da zum Beispiel für einige in der FPÖ ein Weichei. Für Sellner hat die FPÖ ihn zum Beispiel verraten, und er will jetzt im EU-Wahlkampf alles veröffentlichen – was nochmals gut dokumen­tiert, wie die Verbindungen und Verflechtungen sind. Wie Sie da wieder herauskom­men, schauen wir uns dann jedenfalls gut an.

Das BVT soll weiters eine Liste von 500 Identitären in Österreich haben, auch darüber werden wir sicher noch reden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich frage mich, wo Sie das al­les herhaben! Vielleicht sollten wir darüber einmal reden!) Diese Razzia beim BVT – und das wissen Sie auch – hat ja nicht nur national, sondern eben auch international für Aufsehen gesorgt. Ich frage mich schon, wie man es schaffen kann, in eineinhalb Jahren Regierungsbeteiligung von ÖVP und FPÖ den Ruf dieser Republik derart zu zerstören, dass nicht einmal mehr die Geheimdienste Österreich vertrauen. Das ist wirklich eine Kunst! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Regierung, Ministerien, Polizei und Bundesheer werden bekanntlich von rechtsextre­mem Gedankengut unterwandert, während Sie zuschauen. Hinzu kommt auch noch, dass es innerhalb der FPÖ nicht wirklich Einigkeit gibt, wie man damit umgeht. In Ober­österreich oder in der Steiermark gab es durchaus Personen, die die Meinung von Heinz-Christian Strache, dass er sich davon abgrenzen möchte, offen torpediert haben. Wir wissen auch, dass der Identitären-Chef Sellner nicht einmal ein Hehl daraus macht, dass er vor 13 Jahren Hakenkreuze an eine Synagoge in Baden geklebt hat und einer seiner Weggefährten der verurteilte Neonazi Gottfried Küssel ist. (Bundesrätin Mühl­werth: Dafür ist er auch verurteilt worden!)

Ich habe jetzt ergänzend zu den zehn Fragen aus der Dringlichen Anfrage eine wirklich ernst gemeinte Frage an Sie, Herr Bundeskanzler. (Bundesrätin Mühlwerth: Das an­dere war nicht ernst gemeint?) Ich frage mich nämlich, wer die Bevölkerung in Öster­reich vor diesen angeblichen Verteidigern des Abendlandes verteidigt. Innenminister Kickl wird das nicht tun, er teilt nämlich deren Ideologie. Auch Verteidigungsminister Kunasek wird das nicht tun, denn er ist nicht nur mit der Umsetzung des Überwa­chungsstaates beschäftigt, sondern auch er pflegt beste Kontakte zu Wehrsportlern und Identitären, Neonazis.

Deshalb wollen wir von Ihnen wissen, wie Sie das mit der Konsequenz tatsächlich mei­nen, und bringen einen Entschließungsantrag mit folgender Begründung ein:

„Das DÖW stuft die Identitäre Bewegung als ‚rechtsextreme Jugendorganisation mit vielfältigen faschistischen Anklängen in Theorie, Ästhetik, Rhetorik und Stil’ ein. Eben­so wird im Verfassungsschutzbericht von 2017 die Identitäre Bewegung als ‚eine der wesentlichen Trägerinnen des modernisierten Rechtsextremismus’ bezeichnet und da­mit als rechtsextreme Vereinigung qualifiziert. Verteidigungsminister Mario Kunasek verkündete auf dieser Grundlage, dass Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewegung beim Bundesheer wieder in Kraft treten werden“ – wohlgemerkt, nachdem Sie interveniert haben.

Wir stellen daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber und Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewe­gung Österreich im Öffentlichen Dienst“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären innerhalb des Öffentlichen Dienstes einzuführen, da Rechtsextremismus innerhalb des Öffentlichen Dienstes nicht zu dulden ist.“

*****

Herr Bundeskanzler, seien Sie konsequent, sonst sind Sie Geschichte! – Danke. (Bei­fall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.10

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.