17.11

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die aktuelle Situation gibt wirklich Anlass zur Sorge, und da geht es nicht um politische Scharmützel, sondern da gibt es wirklich Sorge, Sorge wegen der Ereignisse, die statt­gefunden haben.

Der schreckliche und verabscheuungswürdige Anschlag in Christchurch hat 50 Todes­opfer gefordert. Zurück bleiben die schmerzerfüllten Angehörigen der Opfer, die Bevöl­kerung Neuseelands, die höchst betroffen ist und die in beispielhafter Weise ihre Soli­darität mit den muslimischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen erklärt hat. Die Erhebun­gen nach dem Anschlag haben enge Verbindungen des Attentäters zur rechtsradikalen Organisation der Identitären in Österreich zutage gebracht.

Der Umstand, dass enge Vernetzungen von politisch Handelnden der FPÖ und ihrer Mitarbeiterstäbe mit dieser Gruppierung immer wieder und bereits über einen längeren Zeitraum festgestellt werden und belegt sind, ist für uns einfach ein schwerwiegendes Alarmsignal, und es sollte für Sie auch eines sein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Diese Verwebungen zeigen sich aber auch in einem weiteren Bereich besonders stark, nämlich in der Sprache. In dem rund 70-seitigen Dokument des Hasses, mit dem der Attentäter seine Tat rechtfertigt, finden sich dieselben Codes und sprachlichen Muster, wie sie von den Identitären und zum Teil leider auch von der FPÖ verwendet werden. Es ist eine Sprache, die Angst macht und Hass sät, denn es geht nicht nur um das Handeln – und ich zitiere hier den ehemaligen Nationalratspräsidenten Khol –, es geht auch um die Werthaltung.

Die Identitären handeln und äußern sich in stark demokratiefeindlicher Weise. Das ist grundsätzlich abzulehnen und zu bekämpfen. Jede Form, wirklich jede Form von Ge­walt ist abzulehnen, von welcher Seite sie auch immer kommt. Es geht aber weit über das Setzen von Gewaltakten hinaus. Auch eine extremistische, rassistische, faschisti­sche, frauenfeindliche, antisemitische, verfassungsfeindliche und antidemokratische Wert­haltung ist einfach grundsätzlich abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Wir alle hier sind Patriotinnen und Patrioten, wir lieben unsere Heimat – das bedeutet aber nicht in der Abgrenzung zu anderen, sondern in der Freude an einer weltoffenen und humanistischen Gesellschaft. Identitäre haben Gewaltakte gesetzt, antisemitische Zeichen verbreitet und Angriffe gegen rechtsstaatliche Prinzipien wie die Medienfreiheit geplant. Umso wichtiger wäre es gewesen, schon längst gegen diese Gruppierung auf­zutreten und klare Handlungen gegen sie zu setzen – vor allem in Regierungsverant­wortung.

Es bedarf einer strikten Ablehnung und bedingungslosen Abgrenzung von der Ideolo­gie und dem Auftreten der Identitären und keiner Scheinaktionen und Razzien – die längst hätten stattfinden müssen –, um das eigentliche Thema zu überdecken. Es wäre dringend notwendig, von Regierungsseite Maßnahmen zu setzen, die die Gefährdung der Menschen durch diese Gruppe verhindern. Das ist die Verantwortung des Bundes­kanzlers. Hass und Ausgrenzung dürfen in keiner Weise geduldet und gefördert wer­den, denn sie sind der Anfang vom Ende unserer Demokratie, und das wollen wir alle nicht; davon bin ich grundlegend überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.) Eine halbherzige Distanzierung kann deshalb nicht geduldet werden. Der Ruf unseres Landes darf nicht durch diese Vorkommnisse leiden. Österreich darf nicht mit der Duldung rechtsextre­mer Bewegungen in Verbindung gebracht werden. Das gebietet bitte auch unsere his­torische Verantwortung, der wir uns alle verpflichtet fühlen sollten. Das gilt in Öster­reich, aber auch auf europäischer Ebene.

Wenn wir am 26. Mai das Europäische Parlament wählen, wird die FPÖ eine Allianz eingehen, die in dieser Form vor wenigen Jahren noch nicht denkbar gewesen wäre, aber heute Realität ist. Es ist eine Allianz, die sich gegen die europäische Idee wendet und wohl alles dafür tun wird, um dieses gemeinsame Friedensprojekt zu schwächen oder sogar zum Scheitern zu bringen. Es ist eine Allianz mit Parteien wie dem franzö­sischen Front National, den Schwedendemokraten, den Wahren Finnen oder der AfD in Deutschland. Das muss dem Bundeskanzler unseres Landes bitte klar sein! Es reicht nicht, in diesem Zusammenhang zu sagen: Ich muss nicht auf jeden Inhalt einge­hen, den ich ablehne!

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Maß­nahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, den jährlichen Rechtsextremismusbericht unverzüglich wiedereinzuführen und bereits für das Berichtsjahr 2018 gemeinsam mit dem Verfassungsschutzbericht vorzulegen sowie das im Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus tätige Personal in den Organen des Verfassungsschutzes und anderer Organe des Bundes analog zu den Maßnahmen in Deutschland um 50% aufzustocken.“

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Ich ersuche Sie eindringlich, setzen Sie dieses so wichtige Zeichen und unterstützen Sie unseren Entschließungsantrag! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dzie­dzic und Stögmüller.)

Grundsätzlich sind demokratische Strukturen zu stärken, vor allen Dingen indem Sie die in unserem Land so erfolgreich erprobten Möglichkeiten zur Teilhabe nicht reduzie­ren. Die Arbeit dieser Regierung aber ist geprägt vom Außerkraftsetzen der Sozialpart­nerschaft, dem Ignorieren von zwei höchst beteiligungsstarken Volksbegehren, der Re­duktion der parlamentarischen Rechte, dem Hinterfragen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dem Wunsch, die ArbeitnehmerInnenvertretung möglichst zu schwächen, und einem beschämenden Umgang mit den Ärmsten der Bevölkerung. Sie müssen sich bewusst sein: Alle diese Handlungen und Vorgangsweisen schwächen unsere De­mokratie und gefährden den sozialen Frieden.

Die Grundlagen für ein friedvolles, hassfreies, respektvolles und tolerantes Miteinander der Menschen in diesem Land zu schaffen sollte für uns – und ich bin mir sicher, darin sind wir uns einig – die Maxime unseres politischen Handelns sein. Ich ersuche auch Sie, Herr Bundeskanzler (ein Zeichen der Wahrnehmung von Bundeskanzler Kurz ab­wartend – Zwischenrufe bei der SPÖ – Heiterkeit der Rednerin und bei BundesrätInnen der SPÖ – Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz) – Gratulation, wunderbar! –, unsere Forderung nach einer demokratischen Haltung auf allen Ebenen zu unterstüt­zen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten Martin Weber, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist David Stögmüller. Ich erteile es ihm.