9.49

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Jugendliche auf der Galerie und zu Hause! Was wäre unser Land ohne unsere Jugendlichen, ohne unsere jungen Menschen! Auf die können wir stolz sein. Sie sind kreativ und bereichern unser Leben in vielerlei Hinsicht. Doch politisch, so scheint es mir, werden sie seit Jahren vernachlässigt. Sie sind eine Gruppe, die leider ver­nachlässigt wurde – ich empfinde das so. Es ist aber schön, zu hören, dass sich das jetzt ändern wird.

Welche speziellen Freizeitangebote, welche Orte, welche Möglichkeiten der Selbst­verwirklichung gibt es im 21. Jahrhundert für unsere Jugendlichen? Jugendliche wer­den heute viel früher reif als vor 20 Jahren. Sie haben früher Sex, und auch die körperliche Entwicklung verläuft schneller. Viele wohnen jedoch auch noch nach der Ausbildung im Hotel Mama. Es gibt da also sehr unterschiedliche Zugänge. Von Flüchtlingen wird erwartet, dass sie mit spätestens 18 Jahren allein und ohne Betreuung zurechtkommen. Wie schnell sollten Jugendliche auf sich allein gestellt sein? – All diese Faktoren machen Jugendpolitik komplex, und umso wichtiger ist es, dass sich die Politik für die Jugendlichen interessiert. Nur wenn wir wissen, was sie beschäftigt, können wir auch gute Jugendpolitik machen.

Wenn wir über Kinderarmut sprechen, denken wir in erster Linie an kleine Kinder. Zwölf- bis 14-Jährige leiden aber ebenso sehr, wenn Geld für eine neue Jeans, neue Turnschuhe oder auch für das geliebte neue Smartphone fehlt. Im Zentrum der Österreichischen Jugendstrategie stehen Personen zwischen 14 und 24 Jahren, un­sere Jugend, unsere Zukunft, Personen, die in absehbarer Zeit in unserem Land die Kultur und die Gesellschaft prägen werden.

Die Übergangszeit von der Kindheit ins Erwachsenenalter ist nicht nur eine schöne, eine erwartungsvolle, sondern auch eine anstrengende und schwierige Zeit für alle Beteiligten. Auf diesen Personen lasten unsere Wünsche als Erziehungsberechtigte und Angehörige. Auch der Staat setzt große Hoffnungen in unsere Jugend. Das erzeugt einen enormen Druck, dem nicht alle Jugendlichen gewachsen sind. Die Jugendpolitik hat die Aufgabe, die jungen Menschen in dieser Phase des Übergangs ins Erwachsenenalter bestmöglich zu unterstützen.

Eines der heuer sehr prägenden Themen in der medialen Berichterstattung ist ein sehr trauriges, nämlich die häusliche Gewalt. Betroffen sind vor allem Frauen und deren Kinder beziehungsweise Jugendliche. Ich erinnere an Schlagzeilen wie: 16-Jährige im Park gewürgt, 21-Jähriger tötet seine Schwester, und so weiter – ein furchtbares Thema. Im Regierungsprogramm ist unter dem Punkt „Gewaltprävention und Inte­gration von Frauen“ als eines der Ziele die „Evaluierung und gegebenenfalls Weiter­entwicklung der Gewaltschutzzentren“ angekündigt. Frau Ministerin! Beim Wort gege­benenfalls läuft es mir schon ein bisschen kalt über den Rücken, weil ich denke, dass die Medienberichte eine andere Realität zeigen. Umso weniger verstehe ich, dass man trotz der massiven Zunahme von Gewaltverbrechen an Frauen Frauenhäuser schließt oder finanziell aushungert und auch Frauenberatungsstellen einspart. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein ebenso wichtiges Thema ist die Gesundheit unserer Jugendlichen. Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen müssen oft Monate auf Behandlungen warten oder bekommen gar keinen geeigneten Platz. Die medizinische Versorgung ist in keinem Bereich schlechter als in der Kinderpsychiatrie. Studien der medizinischen Universität Wien belegen, dass 170 000 Minderjährige in Österreich, also ein Viertel der Zehn- bis 18-Jährigen, an einer psychischen Krankheit leiden. Es handelt sich vor allem um Angst-, Entwicklungs- und Essstörungen, Depressionen und Suchterkran­kungen.

Aus persönlicher Erfahrung mit einem Gewaltdelikt in meiner unmittelbaren Umgebung: Eine junge Frau wurde krankenhausreif geschlagen und musste Todesängste durch­leben. Sie hat nach dem Abklingen der körperlichen Beschwerden dringend um eine Akutpsychotherapie angesucht. Es war fast ein Spießrutenlauf, überhaupt einen geeigneten Platz in einem der psychiatrischen Krankenhäuser zu finden. Schluss­endlich wurde sie im Landesklinikum Mauer in Amstetten aufgenommen und nach sechswöchiger Behandlung entlassen. Die junge Frau war jedoch nicht in der Lage, ihren Job, ihr Leben ohne Psychotherapie, ohne begleitende Psychotherapie zu meis­tern. Die Anzahl der auf Krankenschein erhältlichen Therapieplätze ist beschämend niedrig, eine Ausweitung ist unbedingt erforderlich.

Ich ersuche die Ministerin, weil das ja ressortübergreifend ist, sich bitte auch schützend vor diese jungen Menschen zu stellen. Es darf nicht sein, dass unsere Jugendlichen auf der Strecke bleiben, weil Zuständigkeiten zwischen Ministerien, Versicherungen und anderen hin- und hergeschoben werden. Laut OECD-Bericht liegt Österreich im Bereich Kindergesundheit an einer der hinteren Plätze. Offensichtlich ist es uns mit diesem Thema noch nicht ernst genug. Bitte nehmen wir es ernster, das muss sich ändern!

Beim Nachlesen konnte ich im Regierungsprogramm zum Thema „Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen“ keine Zieldefinition finden. Vielleicht können Sie mir dazu eine Erklärung abgeben, Frau Ministerin! Ich ersuche daher, diesem dringend umzu­setzenden, ressortübergreifenden Handlungsbedarf zu entsprechen.

Ich möchte nun schließen: „Das ist das Wunderbare an dieser Jugend in meinen Augen, daß sie mit dieser Welt, die wir ihr präsentieren, nicht zufrieden ist.“ Dieses Zitat stammt vom österreichischen Arzt und Vertreter der Individualpsychologie Dr. Erwin Ringel. – Sehr geehrte Frau Ministerin! Machen wir in Österreich unsere Jugendlichen ein wenig zufriedener, erarbeiten wir nicht nur für die Jugend, sondern mit der Jugend die Neuausrichtung der Österreichischen Jugendstrategie und heben wir vor allem deren Lebensqualität! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.55

Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.