10.33

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Jugendliche auf der Besuchergalerie! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als Bundesregierung haben und ganz Österreich hat ein arbeitsintensives Jahr hinter sich. Vor allem das zweite Halbjahr, als wir die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen durften, war sehr intensiv, aber auch extrem bereichernd.

Besonders gefreut hat mich – das hat heute schon Erwähnung gefunden –, dass wir erstmals seit über sieben Jahren ein informelles EU-GleichstellungsministerInnen­treffen gemacht haben. Dieses wurde in Wien abgehalten. Es waren alle Ministerinnen und Minister da, und wir haben es geschafft, eine Deklaration mit folgendem Titel zu unterschreiben: Geschlechtergleichstellung als Priorität der Europäischen Union heute und in der Zukunft. Diese Deklaration wurde von 27 Mitgliedstaaten unterschrieben; außer einem Mitgliedstaat haben sich alle dazu bekannt. Derzeit ist Geschlechter­gleichstellung auf EU-Ebene ein Working Paper, das Thema hat aber leider in den letzten Jahren extrem an Priorität verloren. Mit dieser Deklaration wollen wir als EU-Länder uns jedoch ganz klar dazu bekennen, dass Geschlechtergleichstellung auch auf EU-Ebene wieder zu einer Priorität werden muss. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben aber nicht nur dieses informelle Treffen abgehalten, sondern wir hatten auch ein Frühstück der Gleichstellungsministerinnen und -minister mit den Efta-MinisterIn­nen und auch mit den MinisterInnen des Westbalkans, um einen entsprechenden Austausch zu ermöglichen, und es gab auch eine Plattform, bei der die Jugendlichen miteinbezogen wurden.

Um es noch einmal zu betonen: Ich möchte nicht nur Politik für die Jugend machen, sondern ich möchte vor allem Politik mit der Jugend machen, und wir haben es bei dieser Konferenz der GleichstellungsministerInnen sogar geschafft, das in Umsetzung zu bringen. Wir haben gehört, was sich die Jugendlichen zur Gleichstellung denken und was sie auf den Weg gebracht haben möchten.

Außerdem geht es, wie bereits erwähnt wurde, gerade um eine Richtlinie betreffend Frauen in Aufsichtsräten. Im Moment gibt es noch keine qualifizierte Mehrheit bezie­hungsweise gab es zu dem Zeitpunkt, als wir diese Konferenz hatten, noch keine qualifizierte Mehrheit. Wir sind dem Ganzen einen Schritt näher gekommen: Gleich nach der Konferenz hat sich Spanien zu dieser Richtlinie betreffend Frauen in Auf­sichtsräten bekannt, und ich glaube, das ist genau dieser informellen Gleichstellungs­ministerInnenkonferenz zu verdanken, weil wir dort die Chancen und eine ent­sprechende Plattform hatten, um unter anderem diese Richtlinie ausführlich zu disku­tieren.

Es wurde auch schon kurz die Richtlinie zur Work-Life-Balance erwähnt, die unter der Federführung von Hartinger-Klein behandelt wurde und die unter rumänischem Vorsitz bereits zu Jahresbeginn 2019 abgeschlossen werden konnte.

Derzeit noch im Laufen ist die Antidiskriminierungsrichtlinie. Außerdem gab es heuer, im April 2019 – also gerade erst vor Kurzem, und daher habe ich leider noch keine Ergebnisse – eine öffentliche Konsultation zum Thema gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, und bei dieser Konsultation wurde erhoben, ob und, wenn ja, welche weiteren Maßnahmen wir auf europäischer Ebene setzen können, um die Lohnschere weiter zu schließen.

Kollegin Grossmann, Sie haben es schon erwähnt: Die Lohnschere hat sich in den letzten Jahren in Österreich Gott sei Dank ein Stück geschlossen. Wir sind jetzt bei knapp 20 Prozent. Im EU-Vergleich sind wir leider noch immer im hinteren Drittel beheimatet. Was ich aber jetzt nicht nachvollziehen kann, ist Ihre Aussage – ich zitiere –: Der Gender Pay Gap droht wieder aufzugehen. – Ist das Panikmache? Ist das Angstmache?

Ich bin Wissenschafterin und sage: Das ist kein wissenschaftlicher Ansatz! Ich schaue mir Studien an. Sie kennen vielleicht die Studie der Princeton University und der ETH Zürich, in welcher Kleven et al. gezeigt haben, dass wir in Österreich leider – und ich möchte sagen, dass wir diesbezüglich mit Deutschland und der Schweiz in schlechter Nachbarschaft sind – nach der Geburt eines Kindes nachhaltig zehn Jahre lang um 50 Prozent weniger verdienen. Ich darf Sie auch auf eines hinweisen: Es wurde keine direkte Kausalität hinsichtlich Kinderbetreuung gefunden. Das heißt, die Studie konnte nicht nachweisen, dass das damit zusammenhängt, ob Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen oder nicht, und es konnte auch kein Stadt-Land-Gefälle in Österreich nachgewiesen werden. Wie Sie wissen, gibt es sehr viele Umfragen, die besagen, dass jene, die Teilzeit arbeiten, das zum Großteil freiwillig tun und auch mit der Stundenzahl sehr zufrieden sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Eine letzte Umfrage hat uns sogar gezeigt, dass die Menschen, ganz im Gegenteil, eher weniger arbeiten wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich möchte aber jedenfalls wissenschafts- und datenbasiert arbeiten. Warum wollen die Menschen weniger arbeiten? – Meist ist es so, dass die Väter mehr arbeiten und die Mütter in Teilzeit gehen, wenn das erste Kind kommt. Diese Teilzeitarbeit ist sicherlich ein sehr gutes Konzept für eine gewisse Lebensphase. Ich bin aber sehr darum bemüht – was man, wie ich glaube, auch an meinen gesamten medialen Berichten im letzten Jahr gesehen hat –, diesbezüglich aufzuklären und Bewusstsein zu schaffen: Teilzeit kann nämlich für eine Lebensphase sehr gut sein, man muss aber darauf achten, wie viele Stunden man Teilzeit arbeitet und vor allem wie lange man in Teilzeit arbeitet. 75 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 arbeiten Teilzeit, während nur 5 Prozent der Väter mit Kindern Teilzeit arbeiten.

Mir ist es ganz wichtig, hier für die Väterbeteiligung eine Lanze zu brechen. Kollegin Ess hat es schon gesagt: Wir müssen als Eltern zu Hause die Rollenbilder bei unseren Kindern aufbrechen, denn Gleichstellung beginnt zu Hause. Natürlich müssen wir auch den Ausbau der Kinderbetreuung forcieren, wie das mit der neuen 15a-Vereinbarung geschieht, vor allem auch mit Fokus auf unter Dreijährige. Vor allem geht es aber, wie ich glaube, darum – und daran können wir alle gemeinsam arbeiten, worum ich bitten möchte –, die tradierten gesellschaftlichen Strukturen in Österreich aufzubrechen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gewaltprävention auf EU-Ebene. Da geht es darum, die Istanbulkonvention zu ratifizieren. Das wird im Außenministerium verhandelt.

Ich habe schon gesagt, mir ist es ganz wichtig, die Jugend in die Politik mitein­zubinden. Wir hatten eine informelle und eine formelle Jugendkonferenz. Bei der for­mellen Jugendkonferenz, beim formellen Jugendrat, wurde eine Ratsentschließung für die neue EU-Jugendstrategie angenommen. Das war wirklich ein Meilenstein des österreichischen Vorsitzes. Es gibt auch ein Nachfolgeprogramm zum Europäischen Solidaritätskorps. Das Budget konnte leider noch nicht fertig ausverhandelt werden, weil das noch in der Zuständigkeit des Mehrjährigen Finanzrahmens liegt. Betreffend Erasmus+ hat, wie schon erwähnt wurde, Kollege Faßmann die Federführung.

Anschließend darf ich jetzt noch zu den Schwerpunkten der rumänischen und der finnischen Präsidentschaft kommen: Der rumänische Vorsitz – Rumänien hat derzeit den Vorsitz inne – vertritt im Bereich der Geschlechtergleichstellung die Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen und Männern. Wir wissen, dass wirt­schaftliche Abhängigkeit oft dazu führt, dass es zu Gewalt kommt und dass Frauen aus dieser Gewaltspirale nicht ausbrechen können. Deswegen ist das meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Punkt, der auch von mir in Österreich immer wieder medial transportiert wird. Es geht um die Verhütung und Bekämpfung von geschlechts­spezifischer Gewalt. Ich habe in diesem Zusammenhang auch schon den Ausbau der Beratungsstellen bei sexueller Gewalt, die derzeit in den letzten vier Bundesländern in Österreich ausgerollt werden, erwähnt. Dafür nehme ich auch frisches Geld aus dem Budget in die Hand.

Weiters geht es um die Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohnunterschiedes. Wie schon erwähnt, wird da offensichtlich gerade an vielen Schrauben gleichzeitig gedreht, was, wie ich glaube, ganz wichtig ist, denn eine Studie in Österreich hat ja gezeigt, dass 60 Prozent der Frauen, die in Unternehmen arbeiten, welche Einkom­mensberichte legen, gar nicht wissen, dass es diese Einkommensberichte gibt. Dabei sollte man diese Einkommensberichte als Chance nutzen und nicht als Belastung sehen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Im Bereich der Jugendpolitik will der rumänische Vorsitz die Ratsschlussfolgerung zum Thema young people and the future of work zu Ende bringen. Weiters geht es um die Implementierung des neuen EU-Jugenddialogs, und es gibt natürlich eine ganz enge Kopplung mit der Agenda 2030.

Ein finnischer Vorsitzschwerpunkt betreffend Geschlechtergleichstellung wird die geschlechtergerechte Wirtschaft sein. Auch diesbezüglich bin ich in Österreich, um das zu erwähnen, in sehr regem Austausch mit Unternehmen. Wir gehen da in Richtung Women’s Empowerment. Wir schauen, wie wir Frauen dazu bringen können, in Führungspositionen zu kommen. Wir stellen die Frage: Wie können wir Unternehmen davon überzeugen – und das sind ja bereits Hard Facts –, dass ein diverses Unter­nehmen mit einer diversen Führungsebene, die auch viele Frauen beinhaltet, wirt­schaftlich einfach besser abschneidet? Unternehmen machen einfach mehr Umsatz, wenn sie diverse Teams haben. – Diesbezüglich hat Österreich definitiv noch Aufhol­bedarf.

Im Hinblick auf den Beijing+25-Review wird eine Deklaration, eine Aktionsplattform und eine Schlussfolgerung des Rates angekündigt. Im Bereich der Jugendpolitik wird es eine Ratsschlussfolgerung zu den Themen Aus- und Weiterbildung von Jugend­arbei­tern und Jugendarbeiterinnen geben und natürlich – das sehe ich auch als wichtige Implementierung der Jugendstrategie – eine Ratsschlussfolgerung zur digitalen Jugend­arbeit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.45

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. Ich erteile es ihr.