10.54

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuhörer auf der Galerie! Es ist schön, den Europatag hier mit einer Diskussion über Gleichstellung, Antidiskriminie­rung und die Zukunft der Jugend zu begehen! Ich finde das großartig, und ich halte das auch für wichtig, weil gerade Antidiskriminierung, Gleichstellung, Frauen und Familie Bereiche sind, wo wir Kompetenzen an die Europäische Union abgegeben haben. Das ist auch wichtig, weil die EU Tempo macht, was wir zu Hause vermissen, etwa im Hinblick auf die vorhin erwähnte Ausgewogenheit im Bereich der Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen.

Der Kommentar in dieser Vorschau, die österreichische Position, könnte nicht noch lauer sein: „Der Richtlinienvorschlag kann mitgetragen werden.“ Er kann mitgetragen werden! Es heißt nicht, dass wir erfreut sind und alles daransetzen werden, dass es zu einer gerechten Gleichstellung und ausgewogenen Vertretung kommt. Sieben von 58 österreichischen börsennotierten Unternehmen haben eine Frau in Aufsichtsrat oder Vorstand, und nur ein einziges Unternehmen, die Vienna Insurance Group, hat mehr als eine Frau im Vorstand. Das ist doch erschütternd, oder? Noch dazu ist der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen um 1,2 Prozent gesunken. Die Euro­päische Union empfiehlt den Mitgliedstaaten, diesen Anteil zu erhöhen und nicht zu senken. Er ist aber von 6 Prozent auf gegenwärtig 4,8 Prozent gesunken. Jeder vierte Aufsichtsrat erfüllt die Vorgaben in diesem Bereich nicht.

Schauen wir uns zum Beispiel Deutschland an, mit dem wir uns ja gerne vergleichen: Dort ist der Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen von 7,3 auf 8,6 Prozent gestiegen, während er in Österreich gesunken ist. – Es ist ganz einfach ein Armuts­zeugnis, dass da nichts weitergeht! Dafür braucht man eine Prioritätensetzung. Da kann man nicht in einen Bericht schreiben, dass die österreichische Position ist: „kann mitgetragen werden“. – Das heißt nämlich: Man will es nicht!

In sechs Branchen gibt es zum Beispiel keine einzige Frau in einem Aufsichtsrat oder in einem Vorstand, unter anderem in der Automobilbranche und in den Bereichen Energie, Rohstoff und Transport. Das geht nicht! Das geht einfach nicht, deshalb ist es wichtig, dass die Europäische Union an diesem Vorhaben auch in der Vorschau 2019 eisern festhält. Hoffentlich kommt das auch in der Bundesregierung an, damit aus „kann“ ein Muss wird! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Ich habe Frau Kollegin Schulz wirklich sehr genau zugehört. Ich vermute angesichts ihrer Ausführungen, dass sie bei einem späteren Tagesordnungspunkt, jenen betref­fend Mindestsicherung Neu, sprich Sozialhilfe, wahrscheinlich dagegenstimmen oder hinausgehen wird, wenn ich ihren Worten folge. In der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist der schöne und lang diskutierte Papamonat als gesetzliche Verpflichtung enthalten. Das zieht sich seit 2017! Seit 2017 fragt man sich: Wieso schaffen wir das nicht? Ein hoch bezahlter Vizekanzler kann das machen, aber warum ist das nicht ein allgemeiner Anspruch aller Väter? (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Frau Schulz hat auch über das geschlechtsspezifische Lohngefälle gesprochen. – Frau Schulz, hinter dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle stehen oft prekäre Beschäfti­gungs­verhältnisse und Teilzeitarbeit, und das wirkt doppelt negativ, und zwar das erste Mal beim Einkommen und das zweite Mal, wenn die betreffende Person irgendwann am Ende des Lebens in Pension geht; dann droht die Altersarmut. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schulz: Das habe ich gesagt! Das waren meine Worte!) – Ja, ja, ich unterstreiche das ja nur! Ich bin auch froh, dass Sie vor mir geredet haben! Ich habe mir gedacht, diese Debatte sollte nicht ganz ohne einen Mann hier auskommen, und deshalb unterstreiche ich das extra. (Heiterkeit des Bundesrates Bader.)

Wenn wir über das geschlechtsspezifische Lohngefälle sprechen, dann möchte ich noch bei Ihren Aussagen bleiben: Derzeit sind es 20,5 Prozent; Sie haben das gesagt. Unser krisengeschütteltes Nachbarland Italien schafft 5,3 Prozent, und Luxemburg, das sehr wohlhabend ist, schafft 5,5 Prozent. Da muss man also gar nicht bis in den Norden hinaufschauen. Das heißt: Andere Staaten um uns zeigen, dass es möglich ist, das ungleiche und so kritische Lohngefälle zu bekämpfen, und das müssen wir tun!

Nur zur Übersetzung: Die Istanbulkonvention ist ein Übereinkommen, das der Euro­parat zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geschlossen hat. Ja, wir sind da mit dabei, das ist wichtig. Viele sind schon dabei, aber immer wieder hat die EU bei solchen grundsätzlichen Konventionen ein Problem, als Ganzes beizutreten.

Viele beziehungsweise die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind so­wieso bei den wichtigsten Konventionen dabei. Nehmen wir zum Beispiel die Men­schenrechtskonvention: Im Lissaboner Vertrag wurde beschlossen, dass die Euro­päische Union als Gesamtes dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dieser Konvention beizutreten hat. – Gestern war ich bei einer Diskussion anlässlich 70 Jahre Europarat in der Diplomatischen Akademie; dort war auch der frühere Generalsekretär Schwimmer, und er hat gesagt: Ich hatte auch schon darum zu kämpfen – damals gab es noch keinen Lissaboner Vertrag –, und jetzt kämpfen wir weiter. Der nächste Kampf ist es, dass die Istanbulkonvention als Gesamtes von der Europäischen Union akzeptiert werden muss. Frau Kollegin Schulz hat hier auch gesagt, dass wir in einem Bereich dramatischer Spitzenreiter sind. Das heißt: Aktion ist wichtig. Der Schutz der Frauen, aber auch der Schutz vor häuslicher Gewalt sind wichtig.

An diesem Freudentag, der hoffentlich auch bald ein gesetzlicher Feiertag wird, sage ich: Kommen wir zum dritten Teil in diesem Ressort, nämlich zum Bereich der Jugend, der heute bereits viel diskutiert wurde!

Ich schaue einmal ganz kurz zu unserer Präsidentin Zwazl: Das Wichtigste in diesem Bereich ist, dass die jungen Menschen einen Job finden und dass sie von dem, wofür sie ausgebildet wurden, auch gut, selbstständig und autonom leben können. Wenn das nicht der Fall ist, dann schafft das wirkliche eine Gefahr für die Europäische Union, und in Europa liegt die Jugendarbeitslosigkeit in manchen Staaten noch immer bei über 35 Prozent. In einem Punkt verstehen wir, Frau Zwazl und ich, einander immer, und ich sage das hier noch einmal – Frau Bundesministerin, das betrifft nicht nur Ihr Ressort, das gilt aber prinzipiell –: Wir brauchen ein duales Ausbildungssystem in ganz EU-Europa. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wir brauchen in ganz EU-Europa nach dem Ende der Grundausbildung entsprechende Schulen, damit die jungen Menschen nicht im Nichtstun auf der Straße herumlungern, sondern in eine weiterführende Ausbildung und in ein Beschäftigungsverhältnis kommen. Wir haben einen dramatischen Facharbeiter- und Facharbeiterinnenmangel in Europa, und genau da kann das duale Ausbildungssystem helfen. Ich bin froh, dass die ersten tausend Lehrlinge nach Europa aufgebrochen sind, und wir diskutieren das ja öfters: Wir müssen auch in die Lehrlingsausbildung ein solches halbes Jahr wie bei Erasmus hineinbringen. Das ist wichtig! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.) Die Lehrlinge dürfen nicht zurückgelassen werden, es dürfen nicht nur die Studierenden alle Vorteile von Erasmus haben!

Ein letztes Wort: Die größte Erfolgsgeschichte der Europäischen Union neben der Sicherung des Friedens ist das Erasmusprogramm, daher sollte es uns das wert sein, alles daranzusetzen, dass dieses weiter ausgebaut wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

11.05

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Entschuldigung, Frau Präsidentin, ich habe dich fast übersehen! (Bundesrätin Zwazl: Aber nicht überhört) – Nein, das nicht!

Ich erteile dir das Wort.