11.25

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin etwas ratlos, muss ich ehrlich sagen, und in den letzten Wochen einfach auch nicht draufgekommen, warum man einer einfachen Verlängerung einer bisher schon gültigen Regelung, einer Rettung von über 40 Biomasseanlagen, einer aufgrund von einer eingetretenen Notsituation erforderlichen Rettung diese Mehrheit im Parlament nicht geben kann.

Warum die größte Oppositionspartei als einzige Partei dieser Rettung nicht zugestimmt hat, ist mir immer noch schleierhaft. Inhaltliche Gründe können es nicht gewesen sein, zumindest wurden keine artikuliert. (Bundesrat Novak: Aber jetzt haben wir drei Monate später!) Diese fünf Punkte, Kollege Novak, die sind relativ kurzfristig, einen Tag vor der Abstimmung, präsentiert worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da ist unter anderem die Entlastung für sozial schwach gestellte Personen dabei – die wird beschlossen, die war übrigens damals schon im Gesetzesvorschlag, das weißt du genau –, auch die Öffentlichmachung; das ist ja schon alles passiert, das findet ja schon statt, da muss man sich nur die Gesetzesnovellen der letzten Jahre anschauen. Inhaltliche Gründe können es also nicht gewesen sein.

Dann habe ich mir gedacht, vielleicht will die SPÖ die Verfassung hochhalten und hat deswegen eine verfassungsrechtliche Lösung abgelehnt, weil das Energierecht ja eine Artikel-12-Materie – also Grundsatzgesetzgebung Bund, Ausführungsgesetzgebung Länder – ist, was wir heute ja so vorschlagen. Da habe ich mir gedacht, vielleicht ist das der Grund, warum ihr damals nicht zugestimmt habt und heute zustimmen werdet, dass sozusagen der Geist Kelsens durch eure Klubräume gleitet und durch das Parlament weht – aber leider ist es das ja nun anscheinend auch nicht.

Die jetzigen Ausführungen des von mir sonst wirklich sehr geschätzten Kollegen Novak haben mich und wahrscheinlich, glaube ich, die meisten in dieser Republik auch nicht wirklich weitergebracht.

Das ist halt leider wieder einmal der Beweis für so ein prinzipielles Nein, für so ein parteipolitisch motiviertes Nein. Wir sehen auch wieder einmal: Der Standort bestimmt den Standpunkt. Wir haben 2017 eine Biogasrettung beschlossen. Das war genau dieselbe Situation. Damals habt ihr der Rettung noch ohne Weiteres zugestimmt: anderer Standort, dadurch auch anderer Standpunkt. Ihr wart aber natürlich damals auch in der Regierungsverantwortung. Dieser einzigen Möglichkeit zur Rettung der Bio­masseanlagen stimmen Sie heute nicht zu, das schaut schon sehr nach einer partei­politischen und prinzipiellen Haltung aus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bitte bedenkt heute auch, wo wir hier sind. Das ist eine Länderkammer. Das ist keine Parteipolitikkammer, sondern das ist eine Länderkammer. Gerade heute könnte man die Interessen der Bundesländer gut vertreten, man könnte sich überlegen, was für das jeweilige Bundesland gut ist, ob es gut für das Bundesland ist, wenn Anlagen zusperren müssen, Wertschöpfung und Arbeitsplätze vernichtet werden. Das alles kann man sich heute bei der Abstimmung überlegen.

Diese Regelung ist einerseits energiepolitisch wichtig, wenn man mehr Ökostrom im System haben will – wir wollen jede Kilowattstunde aus Ökostrom haben, die möglich ist –, und sie ist zweitens für die regionale Wertschöpfung und für die Arbeitsplätze (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), die in den Regionen gesichert werden, ein wichtiger Beschluss. Es handelt sich um eine Notfallsituation, deswegen musste auch schnell gehandelt werden. Diese Kurzfristigkeit, die du angesprochen hast, hat natür­lich auch einen Grund gehabt: eine massive Notsituation. (Bundesrätin Schumann: Monatelang ...!) Windwürfe in Kärnten, Borkenkäfer in Niederösterreich und Ober­österreich, das sind Notsituationen, und das Holz muss entsprechend verarbeitet werden können.

Natürlich haben Sie mit Ihrer Kritik recht, dass es ein etwas komplexer Weg ist, den wir heute beschreiten müssen, um die Biomasseanlagen zu retten. Es ist eigentlich, wenn man ehrlich ist, ein Zurückgehen in das Jahr 2002, als es im Ökostrombereich noch keine bundeseinheitlichen Lösungen gegeben hat. Ich muss es halt noch einmal sagen: Warum müssen wir diesen Weg beschreiten? (Bundesrat Weber: Weil ihr nicht mit uns geredet habt!) – Weil es zu einem Verfassungsgesetz zur Rettung der Biomasseanlagen von euch keine Zustimmung gegeben hat. Das ist der Grund, warum wir diesen Weg jetzt gehen müssen, um diese Biomasseanlagen schlussendlich hoffentlich doch noch retten zu können.

Deine Kritik, lieber Kollege Novak, an der Frau Ministerin, dass sie hier so angegriffen wird, ist eigentlich absurd, muss ich ehrlicherweise sagen. Du hast gesagt, sie hätte das Geld nach ihrem Gutdünken verteilen können. Das ist komplett absurd, denn das System, so wie es seit 2002 ist, ist keine Willkür. Es gibt klare Kriterien, die da gelten, festgelegt wurden sie übrigens im Ökostromgesetz, das ihr mitbeschlossen habt. In diesem Gesetzentwurf ist sogar ein Hinweis auf das Ökostromgesetz und auf die Kriterien des Ökostromgesetzes enthalten. Also dieses Gutdünken kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, die Regeln, die Transparenz sind ganz, ganz klar gegeben; um das zu wissen, muss man sich nur den Gesetzentwurf genau anschauen. Natürlich muss man das schon in Kombination mit dem Ökostromgesetz sehen und auf die entsprechenden Regelungen dort schauen.

Zum Thema Mehrbelastung: Es ist keine Mehrbelastung im Vergleich zum Verfas­sungsgesetz, überhaupt nicht, es kommt nur zu einer anderen Verteilung, weil die Länder jetzt die Höhe der Tarife selbst festlegen können. Natürlich wird jetzt ein Kärntner aufgrund dieser Tatsache, dass ihr das Verfassungsgesetz nicht mit beschlossen habt, ein bisschen mehr zahlen als ein Vorarlberger. Ein Vorarlberger zahlt übrigens null, also das mit Tirol hat nicht gestimmt, Vorarlberg hat nämlich keine Anlage und zahlt deshalb null. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Okay, ihr wolltet das so. Vorher wäre es sozial gerecht über ganz Österreich sozialisiert worden. Das ist jetzt nicht der Fall. Schade, schade für die Kärntner Haushalte, schade vor allem für die niederösterreichischen Haushalte.

Es sind so viele Themen, die man ansprechen könnte, ich möchte gar nicht auf alle eingehen, aber zum Thema früh eingebunden werden möchte ich noch sagen: Das stimmt ja nicht, es hat früh genug – im Dezember schon – Gespräche gegeben, das belegen ja auch SMS- und Whatsapp-Verkehre der Energiesprecher der SPÖ und der ÖVP. Die gibt es ja, die liegen ja vor. Die haben wir alle gesehen. Also, bitte, bitte hört damit auf, dass ihr nicht früh eingebunden worden seid. Es ist so früh gesprochen worden, aber es wurden halt ursprünglich andere Forderungen aufgestellt – ihr wisst auch ganz genau, was das war –, die nichts mit dem Ökostromgesetz an sich zu tun gehabt haben.

Im Wirtschaftsausschuss war ich als einziger Bundesrat als Zuhörer. Also ich habe das anders mitbekommen, ganz ehrlich gesagt, das war eine sachliche Diskussion. Natürlich hat man gesagt, dass wir diesen Weg jetzt gehen müssen, weil es keine Verfassungsmehrheit gegeben hat, ja das ist halt auch so, aber es war eine sachliche Diskussion. Die Aufregung über den Wirtschaftsausschuss, wo du, glaube ich, nicht warst, verstehe ich auch nicht.

Das Thema Köstinger-Steuer: Bitte hört auch damit auf! Das ist keine Steuer, es ist eine Belastung der Stromkonsumenten, aber es ist keine Steuer. Mit solchen Begriffen herumzuwerfen ist auch nicht gerade seriös. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte aber noch ganz kurz auf das Thema Energiearmut beziehungsweise Bekämpfung der Energiearmut eingehen. Mit dem heutigen Beschluss werden ja circa 300 000 Österreicherinnen und Österreicher von den Ökostromkosten befreit. Das wäre auch im Verfassungsgesetz schon vorgesehen gewesen. Leider ist das damals nicht gegangen, jetzt werden wir es Gott sei Dank – hoffentlich auch mit eurer Unter­stützung hinbringen.

Also abschließend: Habt keine Angst vor diesem Geist Kelsens, den ihr vielleicht herumschwirren gesehen habt, bewertet bitte die Inhalte und helft mit, diese Bio­masseanlagen zu retten, auch wenn wegen der ursprünglichen Ablehnung jetzt der Umweg über den etwas komplizierteren Weg von Grundsatzgesetz und Ausführungs­gesetzen gegangen werden muss.

Helft bitte mit, die Arbeitsplätze in den Regionen zu retten. Helft mit, die Wertschöpfung in den Regionen zu halten. Gebt euch bitte wirklich einen Ruck, denn wir wollen diese ambitionierten Ziele insgesamt auch in der #mission 2030 erreichen, und dazu brauchen wir jede Kilowattstunde Ökostrom, die es zu produzieren gibt. Bitte kommt auch wieder auf den gemeinsamen vernünftigen Weg der Energiepolitik zurück, den wir in den letzten Jahren eigentlich immer gegangen sind.

Bitte macht das jetzt und macht das auch bei den kommenden Verhandlungen zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Die nächste Generation und auch der angesprochene Geist Kelsens werden es euch danken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.34

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile ihm dieses.