14.26

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Man sollte an einem Tag zumindest ein schönes Bild betrachten, ein sinnvolles Gedicht lesen und, wenn möglich, ein paar vernünftige Worte von sich geben. – Johann Wolfgang von Goethe. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!) Ein hoher Anspruch, dem auch hier im Haus nicht alle gerecht werden. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.) – Ich werde es zumindest versuchen!

Das Leben in der Gesellschaft ist wie ein buntes Mosaik. Es gibt eine Unmenge von persönlichen und Gruppeninteressen wirtschaftlicher, sozialer und politischer Art. Es gibt Bedürfnisse, die der/die Einzelne selber oder zusammen in einer Gruppe befrie­digen kann, und es gibt solche, die nur von einer höheren Stelle erfüllt werden kön­nen. – Es braucht also eine eigene Instanz, die die vielen Interessen so koordiniert, dass möglichst alle ein menschenwürdiges Leben führen können. Diese Institution ist der Staat – da sage ich ja nichts Neues – mit seinen gewählten, verantwortungs­be­wussten Entscheidungsträgern.

Entscheidend für den Baustein Gemeinwohl ist die Einsicht, dass das Wohl aller nicht automatisch als Ergebnis von individuellen und Gruppeninteressen hervorgeht, son­dern dass dies bei aller Wahrung der Subsidiarität durch eine eigenständige Autorität angestrebt werden muss.

Mit der Gesetzesvorlage Sozialhilfe Neu wird Leistungsgerechtigkeit geschaffen. Das Gesetz, geschätzte Frau Bundesminister, ist eine Punktlandung.

Jenen, die sich selbst helfen können, die das aber nicht wollen, kann auf Dauer keine Unterstützung gewährt werden. Es liegt in unserer Verantwortung, diesem Grundsatz mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gerecht zu werden, das für alle neun Bundes­länder gilt. Die Sozialhilfe Neu – das wurde auch schon angesprochen; es ist ja klar, dass es, wenn man als achter, neunter Redner an die Reihe kommt, Wiederholungen gibt – gilt als Überbrückung. Von jenen, die arbeiten können, wird erwartet, dass sie die Arbeit auch annehmen.

Menschen mit Behinderung und Alleinerziehende werden bessergestellt, das ist auch nicht neu. Neu ist also der Bonus für alleinerziehende Menschen, und vor allem bekommen Menschen mit Behinderung, wie bereits angeführt, 160 Euro mehr. Bei einer Einzelperson ändert sich nichts. Mindestpensionisten sind von der neuen Regelung in keiner Weise betroffen. Hervorzuheben ist auch der Wiedereinstellungs­bonus. Leistungen müssen angerechnet werden. Es gibt zudem eine Härtefallregelung, die auch Spielräume für die Vollzugsbehörden wie Bezirkshauptmannschaften und Magistrate bietet.

Der bisherige Länderleistungsfleckerlteppich wird durch diesen bundeseinheitlichen Rahmen eingeschränkt, der den Ländern jedoch einen Spielraum bei der Durchführung lässt. Zum Beispiel können die Länder bei den unterschiedlichen Bedingungen am Wohnungssektor einen Wohnkostenzuschuss von bis zu 30 Prozent dazugeben.

Das Rahmengesetz sieht grundsätzlich eine Maximalsumme in der Höhe des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes vor, das sind wie angeführt 885,47 Euro für 2019 und für Paare zweimal 70 Prozent des Richtsatzes, derzeit eben 1 239,66 Euro. 300 Euro können davon abgezogen werden, und zwar dann, wenn keine Deutschkenntnisse auf Niveau B1 oder Englischkenntnisse auf Niveau C1 vorliegen. (Bundesrätin Grimling: Aha!) Es sind Grundvoraussetzungen, damit man am Arbeitsmarkt integriert werden kann und auch das Zusammenleben in unserer Gesellschaft funktioniert. Gerade durch das Erlernen der Sprache wird dem Land und dessen Bevölkerung auch eine Wertschätzung entgegengebracht.

Eine kurze Randbemerkung: Jeder von uns, der, wenn er sich ins Ausland begibt, vorher ein paar Höflichkeits- und Überlebensvokabeln wie zum Beispiel für die Nah­rungsaufnahme lernt, wird anders wahrgenommen und aufgenommen als jene, die sich nur nonverbal mit Händen und Füßen verständigen können.

Wie sozial dieses Gesetz ausgeprägt ist, zeigt auch folgender wichtiger Hinweis auf Personen, die ausgenommen sind – was auf alle Fälle auch noch einmal erwähnt gehört –: Menschen ab dem 60. beziehungsweise 65. Lebensjahr, Personen mit Betreuungspflichten für Kinder bis drei Jahre, pflegende Angehörige, Personen in Ausbildung, wegen einer Behinderung berufsunfähige Personen sowie solche, die die Pflichtschule mit Deutsch als erster Unterrichtssprache abgeschlossen haben oder die ein Erwerbseinkommen von mindestens 885 Euro pro Monat nachweisen.

Ich möchte hier aber schon eine Facette ansprechen, die gerade in der Sozialagenda ganz wichtig ist, nämlich das Generationenproblem. Diese Regierung hat dieses Prob­lem mit großer Sorgfalt und Verantwortung nicht nur aufgenommen, sondern begegnet diesem auch konsequent. Immer mehr Ältere müssen von immer mehr Jüngeren unterhalten – und ich sage bewusst nicht erhalten – werden. (Bundesrat Schabhüttl: Das stimmt ja gar nicht!) – Aber natürlich, nachlesen! (Bundesrat Schabhüttl: Die Zuschüsse sind fallend! – Bundesrätin Schumann: Aber Sie machen Pensionsreform!)

Die Pensionisten können nach der erfreulichen Tatsache, die auch in die nicht ganz unbekannte Textzeile „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ eingearbeitet wurde, auch einem verdienten Lebensgenuss frönen. Man wird älter, aber man möchte nicht als alt bezeichnet werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat der Danzer schon gesungen! Der Danzer war das!) In Amerika wird man übrigens mit 72,6 Jahren als alt bezeichnet, bei uns in Österreich ist man ab dem 18. Lebensjahr großjährig und bleibt das bis zum Lebensende – also für immer jung.

Diese erfreuliche Tatsache führt auch unweigerlich zu einer Überforderung der mittleren erwerbstätigen Generation, der sogenannten Sandwichgeneration. Diese Generation ist zwischen den Ansprüchen der Kinder und der Eltern, also der schon etwas Älteren, eingeklemmt. Sie muss für Unterhalt und Ausbildung der eigenen Kinder aufkommen – heute nicht selten bis weit ins Erwachsenenalter, weil diese vielleicht länger brauchen – und gegebenenfalls gleichzeitig für den Unterhalt, für die häusliche Pflege ihrer Eltern.

Gelebte Solidarität bezieht sich nicht nur auf die gegenwärtige Generation, sie schließt die Verantwortung für die kommenden Generationen mit ein. Die gegenwärtige Generation darf nicht auf Kosten der Kinder und Kindeskinder wirtschaften, die Res­sourcen verbrauchen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft aus­höhlen, ständig Schulden machen und die Umwelt belasten. Auch die künftigen Generationen haben das Recht, in einer intakten, gesellschaftlich und sozial geprägten Umwelt zu leben und deren Ressourcen auch in Anspruch zu nehmen.

Die neue Bundesregierung setzt mit ihrem zukunftsorientierten Handeln und Tun im Bereich der Finanz- und Sozialpolitik Maßstäbe, die den soeben aufgezählten Be­reichen für gelebte Solidarität verantwortungsbewusst entsprechen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das vorliegende Sozialhilfegesetz ist notwendig, um auch diesen ganzen Sozialtourismus in Österreich zu beenden. Es ist ein Gesetz für alle, die gerne gesellschaftlich, leistungs- und zukunftsorientiert in unserem lebens- und liebenswerten Heimatland Österreich leben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.34

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. Ich erteile dieses.