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Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ich habe Ihren Ausführungen aufmerk­sam zugehört und darf mich vorerst bedanken und meinen Respekt zollen, dass sich jeder mit dieser Gesetzesmaterie sehr ausführlich auseinandergesetzt hat.

Es ist keine einfache, aber – wie hervorgehoben – eine alte Gesetzesmaterie. Es wurde mehrfach die Wiener Konsularkonvention von 1968 referiert. Die Geschichte reicht eigentlich noch sehr viel weiter zurück. Wir können ins Mittelalter, bis ins 15., 16. Jahrhundert zurückgehen: Reisetätigkeit, die Kaufleute im Osmanischen Reich, die Ursprünge des konsularischen Schutzes et cetera. Damit haben wir es mit einer sehr alten völkergewohnheitlichen Praxis zu tun. Dieses Gewohnheitsrecht wurde zu verschiedenen Zeitpunkten auch immer wieder kodifiziert. Die letzte große Kodifzie­rungsübung war in den späten 1960er Jahren. Seither hat sich die Welt noch einmal mehrfach in alle Richtungen gedreht.

Ich darf hier den französischen Politikwissenschafter Frédéric Charillon, mit dem ich vor vielen Jahren einmal zusammengearbeitet habe, zitieren. Er hat, glaube ich, vor 15, 20 Jahren schon einmal den etwas ironischen Satz geprägt, der mir in diesem Zusammenhang wieder gut einfällt. Er sagte damals: Die Bürger, egal wo, bewegen sich heute – ob als Touristen oder Terroristen – weltweit. – Es ist diese intensive indi­viduelle Mobilität, die unsere Konsulate, egal wo, vor ganz neue Herausforderungen stellt.

Zur Umsetzung dieser Richtlinie, die Sie vielleicht kritisch als eine übereifrige Übung sehen – Sie haben eben den Vorwurf des Gold Plating gebracht –: Ich darf diesen Vorwurf insofern zurückweisen, als man sehr viele technische Aspekte miteinbeziehen musste, gerade was die Refundierung von Konsulargebühren erfordert, wenn Unions­bürger von Drittstaaten betreut werden. Die Praxis gab es bereits, aber wir hatten immer wieder Probleme bei der Refundierung, wenn es um die Rückerstattung der Reise-, der Betreuungskosten, der Notdarlehen et cetera ging.

Zum Einwurf betreffend das Justizministerium hinsichtlich des Ermessensspielraums: Dieser Einwurf wurde berücksichtigt. Der Justizminister hat der neuen Version zuge­stimmt. Wir haben dazu lange verhandelt. Ich habe mich in der Schlussphase auch persönlich immer wieder eingebracht. Mein Dank geht hier an die Kollegenschaft im Völkerrechtsbüro und in der Konsularsektion, die sehr intensiv die Legistik erstellt haben.

Zur Frage zum konsularischen Schutz minderjähriger Kinder: Betreffend Angehörige von IS-Kämpfern wurde in den letzten vier Monaten sehr viel medial berichtet. Ich habe mich stark dafür verwendet, wenn es um Kinder geht, bei denen nachweislich festgestellt werden kann, dass sie österreichische Staatsbürger sind. Es handelt sich um ein-, zwei-, drei-, vierjährige Kinder. Wir haben es meistens mit dieser Altersgruppe zu tun. Sie können nichts für das, was ihre Eltern in einer völligen Verblendung angerichtet haben, die sehr wohl wider besseres Wissen aufgebrochen sind, um ein Land zu zerstören, das Syrien oder Irak heißt; die also aufgebrochen sind, um sich einer sehr gewalttätigen Ideologie anzuschließen. Die dort geborenen oder teilweise entführten, verschleppten Kinder – wir haben auch solche Fälle – können nichts dafür.

Was die Frage der Erteilung des konsularischen Schutzes im Sinne eines Ermes­sens­spielraums anbelangt, darf ich mich bei Ihnen, Frau Bundesrätin Mühlwerth, bedanken, in Erinnerung an das, was ich in der Nationalratsdebatte gesagt habe: Ja, es geht immer um die Frage der Gefahr, der sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussetzen, um diesen konsularischen Schutz wahrzunehmen. Es geht um Distanzen und persönliche Gefahr – und diese besteht heute in Syrien und in anderen Kampf­gebieten. Das andere ist die Frage der Verhältnismäßigkeit, die grundsätzlich ins Spiel kommt. Verhältnismäßigkeit, Schutz, Gefahren, Beteiligung für die Helfer sind etwas ganz Wesentliches.

Der konsularische Schutz ist mir persönlich aus verschiedensten Gründen ein sehr hohes Anliegen. Er ist ein integraler Bestandteil der Arbeit des Außenministeriums. Wir haben eine ganze Sektion, die sich damit beschäftigt. Ich habe sie auch bewusst wieder in konsularrechtliche Sektion umbenannt. Sie hieß eine Weile Servicesektion, aber für mich ist Konsularisches viel mehr noch als das Bürger- und Unternehmens­service, das Teil des Ganzen ist. Es geht um einen alten Rechtsanspruch des Staats­bürgers, der aber, wie gesagt, immer im Zusammenhang mit den Rechten und Pflich­ten, mit der Eigenverantwortung des mündigen Bürgers zu sehen ist. Es beinhaltet sowohl Reisewarnungen als auch das, was Anhängen an eine verbrecherische Ideologie bedeutet. So kann man sich da und dort in dessen Schutz begeben, diesen aber auch nicht in dem Umfang wahrnehmen, wie er grundsätzlich vom Gesetzgeber her geplant ist.

Die Materie ist komplex, aber ich freue mich, dass es mit vereinten Kräften im Zusam­menwirken mit verschiedensten Ressorts und mit den Sektionen im Außenministerium gelungen ist, diese Materie neu zu ordnen.

Wie schon mehrfach betont, es ermöglicht eine wirkliche Mobilität in einem gemein­samen Europa, die Reisenden, Studierenden und Unternehmen genauso zugute­kommt. Überall dort, wo wir in Drittstaaten nicht vertreten sind – und unser Vertre­tungsnetz ist nicht vergleichbar mit dem einiger anderer großer europäischer Staaten –, können österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sehr wohl im Falle einer Evakuierung, eines Passverlustes oder was auch immer bei einer Reise, bei einer beruflichen Auslandstätigkeit passieren kann, von diesem Schutz Gebrauch machen. Die technische Abwicklung der Refundierung ist hiermit auch geregelt und soll kein Hindernis mehr darstellen.

Ich darf mich bei all jenen, die sich mit dieser Materie so intensiv auseinandergesetzt haben, und auch für Ihre Redebeiträge bedanken. Damit schließe ich. – Vielen Dank, Herr Präsident! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

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