18.31

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir kommen jetzt schon mit den Einzelfällen nicht nach, und es ist ja des Öfteren hier im Bundesrat auch Thema, wie wir mit den Identi­tären umgehen möchten. Sie tun aber noch immer so, als wären das ein paar fahnen­schwingende, klasse Burschen, die nichts mit Rechtsextremismus zu tun haben und nicht einer Ideologie nachhängen, die gerade eben eine liberale Demokratie gefährdet. (Bundesrat Schilchegger: Eine NGO!)

Ich möchte noch ein paar Punkte ansprechen, weil damit auch sichtbar wird, wie ver­netzt das Ganze ist und weswegen dieser Entschließungsantrag darauf abzielt, dass man diese Netzwerke nicht nur sichtbar macht, sondern dass man sich diese Personen zumindest in wichtigen staatsnahen Funktionen genauer anschaut.

Erstens: Die selbst ernannte Islamexpertin Laila Katharina Mirzo, die sich auf der Spenderliste der Identitären, die dem BVT vorliegt, befindet, stellt sich mit Herrn Sellner nicht nur gerne für Fotos hin, lässt sich ablichten und schreibt für den für hetzerische Beiträge bekannten „Wochenblick“, sondern sie wurde auch kürzlich zur Abschluss­veranstaltung der Reihe 100 Jahre Frauenwahlrecht ins Parlament eingeladen. (Bundesrat Rösch: Was ist daran so schlimm?) – So viel zu den ExpertInnenpools, in denen man hier wühlt.

Zweitens: Gestern – das wurde auch schon erwähnt – feierten am Abend 10 000 Per­sonen am Heldenplatz den 8. Mai als Tag der Befreiung. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass zu Mittag auf der Uni, wie jetzt schon eigentlich jeden Mittwoch, Burschen­schaftler ein Totengedenken abgehalten haben, bei dem sie im Gegensatz zum Heldenplatz eigentlich die Täter des Nationalsozialismus heroisieren. Auch da gibt es Überschneidungen zu den Identitären. Beide sind reaktionäre Männerbünde, die sich in der Tradition des völkischen Antisemitismus befinden. Es ist auch dokumentiert, dass diese ein Scharnier zum rechtsextremen Teil der FPÖ und somit auch zu einer Regie­rungspartei sind.

Drittens: Der genannte Sellner applaudierte nicht grundlos unserem Vizekanzler, als dieser sehr medienwirksam und bei vollem Bewusstsein vom „Bevölkerungsaustausch“ sprach. Ob das eine kleine Wiedergutmachung an die Identitären war, nachdem man sich davor, nach dieser Spendengeschichte des Attentäters, von diesen distanzieren musste, wissen wir natürlich nicht. Fest steht schon, „Der große Austausch“ ist nicht nur ein rechtsradikales Werk, das sowohl von den Identitären propagiert wird und auch dem Attentäter in Neuseeland als Hassmanifest diente, sondern es findet sich auch im Bücherregal von Minister Hofer. Auch das ist gut dokumentiert.

Viertens: Dieser „große Austausch“ oder der „Bevölkerungsaustausch“, wenn man das so nennt, ist ja nicht nur ein rechter politischer Kampfbegriff und Agitationsschwerpunkt der neuen, aber auch der alten Rechten, es ist auch eine von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit getragene Verschwörungstheorie. Sie werden wissen, die ursprüng­liche Vorstellung vom Bevölkerungsaustausch war schon nach dem Zweiten Weltkrieg in Nazikreisen großes Thema und erlebt jetzt so etwas wie eine Renaissance. So zu tun, als wüsste man nicht, woher das alles kommt und womit das alles zu tun hat, ist schon – sage ich einmal – zumindest naiv. Ich kaufe Ihnen nicht ganz ab, dass Ihnen das nicht bewusst ist.

Jedenfalls frage ich vor allem in Richtung ÖVP, warum Sie sich als ernst zu nehmende Parlamentarier nicht damit auseinandersetzen wollen, dass es immer schon eine immerwährende Migration gegeben hat und dass diese in Zeiten der Globalisierung natürlich auch noch verstärkt wurde, sondern genau dieser Verschwörungstheorie Ihres Regierungspartners auch noch auf den Leim gehen.

Fünftens: Sie haben heute vielleicht auch – das war auf Twitter – das Gestammel von Nationalratsabgeordnetem und AfD-Freund Gudenus gesehen, mit dem er sein „seil­seil“-Passwort bei einer russischen E-Mail-Adresse verteidigt. Die Zeit fehlt jetzt, um darauf einzugehen. Dieser Gudenus war 2010 auch beim Wahlkampfauftakt der unga­rischen rechtsextremen Jobbik präsent. Die Sympathie zum Despoten Putin – Stich­wort Russland – wurde ja seitens der FPÖ sogar mit einem Kooperationspakt be­siegelt. Auch da könnte man ewig lange auf die Netzwerke eingehen.

Sechstens: Es fehlen tatsächlich manchmal die Worte bei all diesen Vorfällen, Einzel­fällen, Verbindungen, Verurteilungen und notwendigen Sperrvermerken. Ein Gusto­stückerl oder ein Sahnehäubchen ist vielleicht noch am Ende tatsächlich etwas, auf das ich jetzt gekommen bin, eine Rede der Verlobten des eben genannten Sellner, Pettibone. Da spricht sie davon, dass Österreich ein Mafiastaat ist. Dazu wird es sicherlich auch eine Anfrage von mir geben, ob Ihnen beziehungsweise Innenminister Kickl das bekannt ist. Sie lobbyiert auch bei den Republikanern für ihren Verlobten Sellner, damit man ihn von der US-Watchlist nimmt. Ich denke mir, von ungefähr kommt man nicht auf diese Watchlist, aber auch das müssen Sie sich bitte selber anschauen.

Kollege Seeber, bei all diesen Punkten reicht jedenfalls eine neutrale Position bei Weitem nicht aus. Da braucht es Klarheit, da braucht es Konsequenz und da braucht es auch Grenzen. Diese Relativierung ist, wie ich meine, Ihrer tatsächlich nicht würdig.

Eines lässt schon ein bisschen ratlos zurück: Sie wollen ja am liebsten alle durch­leuchten und setzen zig Überwachungsmaßnahmen, aber wenn es um eine Gruppe geht, die vom Verfassungsschutz als gefährlich für die Demokratie eingestuft wird, dann relativieren Sie auf einmal. Da sagen Sie dann: Das ist autoritär, da werden dann alle durchleuchtet werden müssen!, und sehen nicht ein, dass es hier schon noch einmal um eine andere Gruppe geht als vielleicht um eben ein paar Burschen, die auf Demos skandieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Diese Burschen werden nämlich von einem angeführt, der gerne auf Synagogen Hakenkreuze klebt – auch das kann man nicht oft genug wiederholen – und mit einem bekannten Holocaustleugner, der auch verurteilt worden ist, Herrn Küssel, befreundet ist. Bitte, nochmals: Es geht hier nicht darum, dass die Identitären jetzt gänzlich ver­boten werden – darüber haben wir heute gar nicht geredet –, es geht um Sperr­vermerke für rechtsextreme, brandgefährliche, vom Verfassungsschutz als gefährlich für unser friedliches Zusammenleben und für die Demokratie titulierte Personen.

Ich würde Sie bitten – vor allem in Richtung ÖVP gesprochen –, sich das vielleicht doch noch einmal genauer anzuschauen. Diese Netzwerke sind nämlich tatsächlich brandgefährlich, machen nicht an den Grenzen halt, sondern betreffen ganz Europa. Wir werden uns irgendwann einmal vor den Konsequenzen nicht mehr retten können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

18.39

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Anton Froschauer. Ich erteile dieses.