9.02

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Fernsehgeräten und via Livestream, die Sie unserer heutigen Aktuellen Stunde beiwohnen! Wir wollten und sollten uns heute in dieser Aktuellen Stunde mit Entwicklungen der Europäischen Union, mit einer Zu­kunftsperspektive, positiven Entwicklungen für die Österreicherinnen und Österreicher, mit Ordnung und mit Hausverstand auseinandersetzen.

Meine geschätzten Damen und Herren, erlauben Sie mir, aus aktuellen Gründen schon darauf hinzuweisen, dass vor nicht einmal zwei Tagen hier in diesen Räumlichkeiten des österreichischen Parlaments einem sehr erfolgreichen und beliebten Bun­des­kanzler der Republik Österreich, Sebastian Kurz, das Vertrauen von einer Mehrheit der Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat versagt wurde und er damit in die sogenannte politische Wüste geschickt worden ist –gemeinsam mit ihm eine Über­gangsregierung, die ihre Arbeit noch nicht einmal aufnehmen konnte, obwohl sie das im besten Interesse der Österreicherinnen und Österreicher und in Absprache mit dem Herrn Bundespräsidenten tun wollte.

Ich betrachte diese Vorgangsweise als ein legitimes Mittel in einer Demokratie, ich betrachte sie aber auch – und das werden Sie verstehen, meine sehr geehrten Damen und Herren der Sozialdemokratie und des freiheitlichen Klubs – als ungerecht. Warum betrachte ich das als ungerecht? – Weil es nicht Sebastian Kurz war, der auf einem Ibizavideo zu sehen war, und weil es nicht Sebastian Kurz war, der darin über Machtmissbrauch philosophiert hat, darüber, die Medien unter Kontrolle bringen zu wollen, und der darin der Korruption das Wort geredet hat. Es war Sebastian Kurz, der unmittelbar nach Auftauchen dieses Videos und in Absprache mit dem Herrn Bun­despräsidenten für stabile Verhältnisse in Österreich gesorgt hat und Österreich mit diesen stabilen Verhältnissen auch in eine gute Zukunft führen wollte.

Es war allerdings eine Mesalliance zwischen Frau Rendi-Wagner und Herrn Kickl, die letztendlich dazu geführt hat, dass aus parteitaktischem Kalkül dieser österreichischen Bundesregierung und diesem beliebten Bundeskanzler das Vertrauen versagt wurde.

Es ist nicht nur ungerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern es ist aus meiner Sicht auch falsch, und damit sind wir schon mitten im Thema unserer heutigen Aktu­ellen Stunde (Bundesrat Krusche: Na Gott sei Dank!), weil diese Entscheidung unmittelbar vor einem Europäischen Rat, der gestern am Abend in Brüssel getagt hat, stattgefunden hat und sich dieser Europäische Rat sehr intensiv mit der Zukunft Europas, jedenfalls aber auch mit personellen Weichenstellungen für diese Zukunft auseinandergesetzt hat.

Diese Entscheidung war auch deshalb falsch, weil sich Sebastian Kurz und damit Österreich nicht nur in der Welt einen Namen gemacht haben, sondern weil wir auch auf europäischer Ebene mit unseren Positionen durchaus in einer Mehrheitsmeinung sind, und diese Positionen letztendlich auch dazu führen sollen, dass sich Europa in eine positive Zukunft entwickelt. Eine positive Zukunft dient den Menschen in Öster­reich, dient natürlich den Europäerinnen und Europäern und in letzter Konsequenz der ganzen Welt, weil die Arbeit, die wir in Europa leisten, eine wertebasierte Arbeit ist. Das hat etwas mit Menschenwürde zu tun; es hat etwas mit Solidarität und mit Subsi­diarität zu tun; es hat etwas mit Rechtsstaatlichkeit zu tun; es hat etwas mit Medien­freiheit zu tun und es hat sehr, sehr viel mit Demokratie zu tun, und das wird auch durch das Spitzenpersonal auf europäischer Ebene verkörpert.

Wie wir aus den Medien, den heutigen Tageszeitungen und auch aus Fernsehen und Radio, wissen, sind die Verhandlungen auf europäischer Ebene angestoßen, und es würde Österreich guttun, mit einer starken Stimme vor Ort zu sein.

Übergangskanzler Löger hat hier gestern, glaube ich, ganz klar Position bezogen, was für Österreich wichtig ist, insbesondere auch dann, wenn es darum geht, über das Dossier, nämlich den Arbeitsbereich, des künftigen österreichischen Kommissars zu verhandeln. Wir haben da in der Historie mit Franz Fischler, Benita Ferrero-Waldner und auch Johannes Hahn Persönlichkeiten gehabt, die jeweils sehr verantwortungs­bewusst verantwortungsvolle Dossiers verwalten und gestalten konnten – für Europa, aber selbstverständlich auch für Österreich. Das soll auch in Zukunft so bleiben, und deswegen ist es gut, wenn wir da mit einer starken Stimme auftreten können. Sie haben das leider etwas minimiert, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es doch in den Griff bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht aber nicht nur um Personal, sondern es geht auch um inhaltliche Sachfragen und es geht in letzter Konsequenz auch um den Treib­stoff, um die finanziellen Mittel auf dieser europäischen Ebene. Wie Sie wissen, wurde auch während der österreichischen Ratspräsidentschaft der Mehrjährige Finanzrahmen sehr erfolgreich weiterverhandelt. Das ist auch für uns, die österreichischen Bundes­länder, ein nicht unwesentliches Faktum. Ich kann für mein Heimatbundesland, die Steiermark, berichten, dass wir seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mehr als 2,5 Milliarden Euro an europäischen Förderungsmitteln für die Steiermark ein­werben konnten, dass damit in der Steiermark seit dem Beitritt zur Europäischen Union 70 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden sind und wir zu einer der führenden Innovationsregionen in Europa geworden sind – mit einer Forschungs- und Entwick­lungsquote von über 5 Prozent sind wir am internationalen Radar. Das wird auch für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen durchaus ein spannendes Thema, wenn es darum geht, die Mittel sehr zielgerichtet den einzelnen Töpfen zuzuordnen.

Sie werden verstehen, wenn ich sage, dass die Gemeinsame Agrarpolitik natürlich ein wesentliches Thema ist, aber gleichzeitig auch die Frage: Wie fördern wir die Jugend in diesem Europa und wie können wir Forschung und Entwicklung entsprechend dotieren, damit sich auch österreichische Unternehmungen und damit österreichische Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter in diesem gemeinsamen Europa gut entwickeln können?

Wir reden heute in dieser Aktuellen Stunde mit dem Herrn Bundesminister, dem ich sehr, sehr herzlich danken möchte für die Arbeit der vergangenen Monate und für eine exzellente Zusammenarbeit mit ihm und seinem Team während der österreichischen Ratspräsidentschaft. Lieber Gernot, du kannst stolz sein darauf, was du persönlich erreicht hast und was du insgesamt für Österreich erreicht hast, und dafür gebührt dir ein Applaus. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte mir gewünscht, dass auch Sie diesem ver­dienten Bundesminister Anerkennung zollen, denn wir waren mit dem EU-Aus­schuss des österreichischen Bundesrates vor einigen Monaten in Brüssel, haben uns schlau­gemacht, auch was den Mehrjährigen Finanzrahmen betrifft, haben dann im Euro­päischen Rat auch die Gelegenheit gehabt, uns mit dem Herrn Bundesminister aus­zutauschen, und ich glaube, es haben alle gespürt, dass sich da Sachkompetenz mit Durchschlagsfähigkeit paart und dass wir gemeinsam für die Zukunft einiges in Gang bringen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war nicht nur diese Exkursion, es war beispiels­weise auch die Cosac – das ist die parlamentarische Dimension der Ratsprä­sident­schaft –, bei der der Herr Bundesminister immer wieder aufgetreten ist und die Rolle Österreichs und auch die Perspektiven, die Österreich in diese Debatte mit einbringt, klargestellt hat. Es waren auch viele andere Begegnungen, bei denen wir gemeinsam versucht haben, dieses Europa weiterzuentwickeln und dafür auch österreichische Beiträge zu leisten.

Wenn es in diesem Kontext um Ordnung geht, dann geht es darum, dass es Spiel­regeln gibt. Und wenn es Spielregeln gibt, muss gelten, dass diese Spielregeln auch eingehalten werden. Ich halte es für einen sehr klugen und fairen Ansatz, bei Spiel­regeln auch Sanktionen vorzusehen. Ich glaube, das muss sich Europa in der Zukunft auch zumuten.

Es war auch die Rede vom Hausverstand, und mit dem Hausverstand ist das so eine Sache. Ich persönlich werbe seit vielen, vielen Jahren dafür – manche von Ihnen wissen, dass ich im letzten Jahrzehnt über tausend Betriebe in meinem Heimat­bun­desland und darüber hinaus besucht habe –, insbesondere bei Fragen der Verwaltung, der Bürokratie, der Vorgaben, der Vorlagen eine entsprechende Zurückhaltung zu üben. Da hat mir der Vorschlag des Bundeskanzlers, tausend Gesetze auf euro­pä­ischer Ebene zurückzunehmen, sehr gut gefallen. Es erwarten sich auch die öster­reichischen Unternehmungen, dass Bürokratieabbau betrieben wird und dass mit Hausverstand und Vernunft an Regelungen herangegangen wird. Ich hoffe, dass sich auch die nächste Bundesregierung diesem Thema ganz besonders widmet.

Der Wohlstand ist uns, glaube ich, allen gemeinsam ein Anliegen, der Wohlstand der Österreicherinnen und Österreicher, eine Mehrung dieses Wohlstandes. Diese Wohl­standsmehrung kann aber nur dann auch wirklich erfolgen, wenn entsprechende Rah­menbedingungen gegeben sind. Daher haben wir hier im Hohen Haus des Öfteren auch über Freihandelsabkommen, über Außenwirtschaftsbeziehungen diskutiert.

Ich bin froh, dass mittlerweile auf europäischer Ebene die Entscheidung gefallen ist, dass Ceta – das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union – jetzt rechtskräftig ist und es auch der Herr Bundespräsident unterfertigt hat. Nur dieses Freihandelsabkommen beispielsweise hat uns ein Wachstum von über 24 Prozent in den Außenwirtschaftsbeziehungen gebracht. Das ist nicht nichts, son­dern das ist etwas, nämlich die Sicherung von österreichischen Arbeitsplätzen und die Schaffung neuer österreichischer Arbeitsplätze, und dafür sind auch wir mitverant­wort­lich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wahlen zum Europäischen Parlament haben für meine Gesinnungsgemeinschaft, die Österreichische Volkspartei, einen fulminanten Erfolg gebracht. Wir haben bei dieser Europawahl über 34 Prozent auf Bundesebene und wir haben über 35 Prozent auf steirischer Ebene erzielen können. Das stärkt den Kurs von Sebastian Kurz, das stärkt aber auch unsere Anliegen, wenn es darum geht, Ordnung, Wohlstandsmehrung und Hausverstand in die künftige Arbeit der Euro­päischen Union einzubringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Welt ist in Bewegung, das sehen wir jeden Tag, wenn wir den Fernseher aufdrehen. Wir spüren, dass auch die Menschen in Österreich den Wandel wahrnehmen. Wir spüren, dass es Herausforderungen gibt, vom Klima­schutz bis zur Energiewende. (Bundesrat Novak: Man muss auch einmal etwas tun zum Thema Klimaschutz, nicht nur reden!) – Ja, du musst mir halt zuhören, dann würdest du schon vernehmen (Bundesrat Weber: Das Reden haben wir gehört, allein uns fehlt der Glaube!), was diese erfolgreiche Bundesregierung unter Sebastian Kurz in den vergangenen Monaten und Jahren geleistet hat. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Die Redezeit ist aus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man diesen Wandel spürt, wenn man diese Herausforderungen spürt und wenn man diese Sensibilitäten spürt – was manchen offenkundig abhandengekommen ist –, dann spürt man aber gleichzeitig, dass sich die Menschen Stabilität erwarten, dass sich die Menschen Sicherheit erwarten und dass sie sich Wohlstand erwarten. Und dafür tragen auch wir im österreichischen Parlament, in der österreichischen Länderkammer, dem österreichischen Bundesrat, unsere Ver­antwortung, nämlich einen Kurs der Vernunft zu gehen und nicht aufzugeben. Ganz im Gegenteil, in schwierigen Zeiten können es nur die Besten, in guten Zeiten können es ohnedies alle. Wir haben herausfordernde Zeiten, in diesem Sinne: alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP.)

9.15

Präsident Ingo Appé: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Korinna Schumann zu Wort. Ich erteile ihr dieses.