12.01

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Prä­sident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, nach dieser sehr ausführlichen Einführung in die Rechtsgrundlagen des Staates, quasi dieser Rechtsvorlesung, die wir besucht haben (Bundesrätin Mühlwerth: Die ist eh nötig für euch! Die braucht ihr eh!), komme ich wieder zurück zum eigentlichen Kern des Tagesordnungspunkts, nämlich zur BBU. Die BBU, die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen im Bereich der Erstbetreuung von Flüchtlingen, hat einen leicht sperrigen Namen, der vielleicht ein bisschen mehr an positiven Aspekten mitschwingen lässt oder nahelegt, als es in Wahrheit sind. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Ja, die Schaffung dieser Agentur ist von der nunmehr ehemaligen Regierung mit Ver­einheitlichung, Effizienzsteigerung, Kostensenkung und vielem mehr begründet wor­den. Ich habe jetzt einmal die Erreichung dieser Zielsetzungen einer genauen Über­prüfung unterzogen, und ich darf auch Sie bitten, das zu tun, und zwar unter folgender Prämisse – und ich zitiere aus einer der zahlreichen Stellungnahmen, die eingegangen sind, nämlich aus der der Caritas –: „Ganz allgemein soll zunächst daran erinnert werden, dass es sich bei AsylwerberInnen um eine unterprivilegierte und vulnerable Gruppe handelt, die (zumeist) nicht rechtskundig ist, [...] oft Traumatisches erlebt hat, weshalb sie besonderen Schutz braucht.“ Ich darf Sie bitten, diese Gesetzesvorlage unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­des­rates Stögmüller.)

Nun zu unseren Kritikpunkten: In Wahrheit handelt es sich schlicht und einfach um eine Ausschaltung der NGOs, sei es die Caritas, sei es die Diakonie und viele andere mehr, die eben bis jetzt durchaus qualitativ hochwertig die Rechtsberatung und Rückkehr­beratung von Asylwerbern übernommen haben. Jetzt sollen noch dazu weisungs­ge­bundene Beamte diese Rechtsberatung übernehmen. Das ist weder unabhängig noch objektiv. Ganz im Gegenteil! Es soll weiters dann auch noch der Rechtsanspruch auf diese Rechtsberatung unter gewissen Umständen teilweise wegfallen, wie wir schon gehört haben. Dabei, und ich glaube, da sind wir uns einig, hat Rechtsberatung gerade in einem Rechtsstaat wie Österreich eine ganz wesentliche Bedeutung für einen effek­tiven Rechtsschutz. Da werden Sie mir recht geben. (Bundesrat Schennach: Das glaube ich nicht! – Bundesrätin Schumann: Doris, da sind wir uns nicht einig!)

Die Kosten muss ich an dieser Stelle nicht mehr genauer beleuchten, denn davon haben wir heute schon detailliert gehört. Nur noch einmal ganz knapp zusammen­ge­fasst: Wir sehen uns hier mit Sofortkosten von 10,9 Millionen Euro konfrontiert, und für die Jahre 2019 und 2020 noch einmal 10 Millionen Euro mehr. Also Einsparung, Effi­zienz – Fehlanzeige!

Weitere Fakten, die da noch in die Diskussion gehören: Zunächst einmal sind ganze 15 Dolmetscherinnen und Dolmetscher österreichweit dafür vorgesehen. Wenn man das hochrechnet, sind das ein bisschen mehr als eineinhalb Dolmetscher pro Bun­desland. Aus meiner Sicht ist das eine wirklich lächerliche Zahl, die man da vorge­sehen hat. Dafür hat man offensichtlich jede Menge Jobs für in dem Fall noch FPÖ-Funktionäre – wie Geschäftsführer, Aufsichtsräte und so weiter – geplant gehabt, die dann ja auch das BMI stellt. Anders kann ich mir diese Regierungsvorlage wirklich nicht erklären. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Dazu kommt noch die Tatsache, dass der künftige Innenminister oder die künftige Innenministerin die nötigen Geschäftsführer der BBU GmbH bestellt, wie wir gerade gehört haben, und sie eben nicht ausgeschrieben werden. Auch hier wird also wieder, wie so oft in der jüngeren Vergangenheit, ein System der Message Control in Rein­kultur geplant.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es im Wesentlichen nur einen Plan gegen die bisher in diesem Bereich tätigen NGOs gibt, denen die unabhängige und objektive Rechtsberatung somit eigentlich untersagt wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist unabhängig? Na geh! Die unabhängigen NGOs schaffen einfach nur Jobs für Linke!) Ich darf nochmals darauf hinweisen, dass wir bei Weitem nicht die Einzigen sind, die Kritik und Skepsis äußern. Es sind immerhin 40 Stellungnahmen im Begutachtungs­zeitraum eingelangt. (Bundesrat Weber: 44!) Fast alle davon sind sehr kritisch, negativ, beinhalten jedenfalls aber große Vorbehalte. Wer lesen kann, wer des Lesens mächtig und vor allen Dingen auch willens ist, sollte das zur Kenntnis genommen haben. Wir haben das jedenfalls getan.

Unter den 40 Stellungnahmen befinden sich zahlreiche von NGOs. Der Österreichische Verband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher beispiels­weise kritisiert zu Recht, dass sie zur Stellungnahme gar nicht erst eingeladen wurden. Das Finanzministerium hatte einiges zu bekritteln. Auch einige Länder haben Stellung genommen. Da möchte ich das Land Salzburg hervorheben, das eine ganz konkrete Kostensteigerung, und zwar ohne Verbesserung, und auch eine gewisse Unklarheit in der Umsetzung befürchtet.

Die Stadt Wien weist außerdem auf einen Aspekt hin, den wir heute noch gar nicht in Betracht gezogen haben, nämlich auf Bedenken, dass diese Gesetzesvorlage nicht auf frauendiskriminierende Auswirkungen hin geprüft wurde, zumal wir wissen, dass in den vergangenen Jahren der prozentuelle Anteil von Frauen unter den AsylwerberInnen kontinuierlich gestiegen ist.

Besonders pikant ist, dass auch die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter eine durchaus kritische Stellungnahme abgegeben hat, aber auch die öster­reichischen Rechtsanwälte in Gestalt des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags. Ich darf auch aus dieser Stellungnahme zitieren – das dürfte für Sie vielleicht nicht unspannend sein –: „Aufgrund der Nahebeziehung der Bundesagentur zum BMI hegt der ÖRAK sohin Zweifel, ob auf diese Weise tatsächlich eine unabhängige Rechts­beratung gewährleistet werden kann.“ Weiter unten heißt es: „Es wird daher angeregt, den bestehenden Gesetzesentwurf im Sinne des Vorgesagten zu überdenken“. (Beifall bei der SPÖ.)

In einer weiteren Stellungnahme sieht der SWÖ eine ganz klare Verletzung des Prin­zips der Rechtsstaatlichkeit. Aus einer Stellungnahme der Diakonie darf ich die Direk­torin der Diakonie Moser zitieren: „Ein solch grundlegender Systemumbau in einem rechts­staatlich äußerst sensiblen Bereich ist für die Zeit der Übergangsregierung jedoch nicht angezeigt“. Und weiter heißt es, dass „die Verstaatlichung der Rechts­beratung durch eine Reihe namhafter Verfassungs- und MenschenrechtsexpertInnen als Angriff auf den Rechtsstaat bezeichnet, und massiv kritisiert wurde.“ (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich schon: Schrillen da nicht gerade für Sie alle Alarmglocken? Sie als ehe­ma­liger Präsident des OGH sollten sich da, glaube ich, sehr wohl sehr kritisch dazu äußern. (Bundesrat Seeber: Der Minister hat das vorhin ja ausführlich rechtlich be­gründet!)

Man muss aber sagen, es zieht sich durch und es ist symptomatisch für die ehemalige Bundesregierung, der aus wirklich gutem Grund am vergangenen Montag vom Parlament das Vertrauen entzogen wurde: Vielfach keine Begutachtung oder ein viel zu kurzer Begutachtungszeitraum, das Nichteinbeziehen von direkt Betroffenen, kein Dialog oder nur ein Scheindialog mit der Opposition, Gesetze werden durchgepeitscht, um die eigene Macht noch weiter auszubauen. Die Prinzipien der Demokratie und des Parlamentarismus, die wir vorhin präsentiert bekommen haben, werden ausgehebelt. Das ist aus meiner Sicht immer wieder festzustellen.

Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich appelliere wirklich ein­dringlich an Sie: Nehmen wir diese wiederholt genannten Kritikpunkte ernst und gehen wir in dieser Thematik zurück an den Start! 40 negative Stellungnahmen dürfen wir (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja gar nicht!), glaube ich, im Sinne der Rechtsstaatlichkeit, die heute bereits mehrfach als so bedeutsam für Österreich erwähnt und bestätigt wurde, im Sinne der Menschenrechte – denn an den Menschenrechten darf, glaube ich, in keinster Weise gerüttelt werden – und im Sinne des Rechts auf ein faires Asylverfahren nicht ignorieren.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, noch eines: Wahlkampfreden haben hier, an dieser Stelle, in diesem Hohen Haus keinen Platz! (Bundesrat Samt: Dann hört auf damit! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Daher: Zurück an den Start! Ich bringe in diesem Sinne folgenden Antrag ein:

Antrag

der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundes­agentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B.)

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen

den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B.)

einen Einspruch zu erheben.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Heute besteht die Chance, dem Rechtsstaat wirklich alle Ehre zu geben. Nutzen wir sie! – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

12.11

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BBU-Errichtungsgesetz erlassen und das BFA-Verfahrensgesetz und weitere Gesetze geändert werden, mit der beigebrachten Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bruno Aschenbrenner. Ich erteile dieses.