13.20

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es geht jetzt also um das Schulunterrichtsgesetz. Es ist eines von mehreren Bildungsgesetzen, die wir in der Folge diskutieren werden. Das Kernelement des jetzt zu debattierenden Gesetzes ist das Verbot des Kopftuchs für Mädchen in der Volksschule.

Wir wissen zwar nach wie vor nicht – auch das konnte uns im Ausschuss nicht beant­wortet werden –, um wie viele Kinder es da tatsächlich geht, aber sicherheitshalber wurde es einmal zu einem Problem gemacht, und dieses Gesetz versucht, eine Lösung zu finden. Dahinter steckt offenbar der Ansatz, dass man jemanden von einer Wert­haltung, von einer Kultur überzeugen kann, wenn man Verbote und Strafen ausspricht. (Bundesrat Steiner: Kinderrechte!) Dahinter steckt offenbar die Überzeugung, dass man durch Strafen und Verbote jemanden gewinnen und überzeugen kann. Das erin­nert mich ein bisschen an schwarze Pädagogik, und die kann ich nicht vertreten. Ich glaube nicht daran, dass man mit Verboten und Strafen jemanden für etwas gewinnen kann. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Ich bin nämlich überzeugt davon, dass etwas ganz anderes gebraucht wird, wenn man bei jemandem einen Sinneswandel erwirken will. Es braucht nämlich Überzeugung, es braucht Vertrauen, und es braucht vor allem Dialog. Das eigentliche Thema ist, dass sich all diese Dinge, die wir in den Schulen bräuchten, mit den derzeitigen Ressourcen und mit der Personalausstattung meistens einfach nicht ausgehen. Um Eltern­ge­spräche zu führen, SchülerInnengespräche zu führen, Vertrauensbeziehungen aufzu­bauen, braucht man vor allem Zeit und vor allem Ressourcen, und die sind im Bil­dungssystem extrem knapp.

Wir haben aber eine Idee, ein durchgerechnetes Modell der Arbeiterkammer, auf das ich große Stücke halte und das ich hier kurz erwähnen möchte, weil es vielleicht Entlastung bringen könnte. Man könnte nämlich an Schulstandorten, an denen es besondere Herausforderungen gibt – und die gibt es tatsächlich –, vonseiten der öffentlichen Hand entsprechend mehr Zuwendungen, mehr Personal, mehr Möglich­keiten für Spezialangebote zur Verfügung stellen. In vielen Ländern hat man damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht und Erfolge erzielt, zum Beispiel in London und auch in Berlin, in tatsächlich herausfordernden Gebieten. Dieses Modell nennt sich Chancenindex. Das wäre eine Möglichkeit, einige der Herausforderungen in den Griff zu bekommen: Je höher die Herausforderungen an einem Schulstandort sind, desto mehr Ressourcen gibt es, um auf diese Herausforderungen entsprechend reagieren zu können.

Was mich im Zusammenhang mit der Kopftuchdebatte beschäftigt, ist die Frage, wie wir als Staat generell mit religiösen Symbolen in Bildungseinrichtungen umgehen. Man hat jetzt ein singuläres Symbol herausgenommen, das Kopftuch, und versucht, hier einmal auszuprobieren, was geht – so erscheint es mir. Es scheint auch kein Zufall zu sein, dass es gerade dieses Symbol aus einem muslimischen Kulturkreis ist, das vor allem Frauen betrifft, weil das speziell in rechten Kreisen ein bevorzugtes Feindbild ist. Es ist darum auch kein Wunder, dass eben gerade dieses Symbol herausgepickt wurde.

Ich würde mir wünschen, dass wir generell darüber nachdenken, wie in Bildungs­einrichtungen mit Religionen umgegangen wird, ob Bildungseinrichtungen nicht auch ein religionenfreier Raum sein können. Man kann mit Kindern und jungen Menschen sehr gut über Werte, über Kultur, über das Zusammenleben reden und braucht da eigentlich keine Religion. (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber passiert, ist, dass eine Gruppe von Mädchen zu einem Problem gemacht wird. Man signalisiert diesen jungen Mädchen – sie sind wirklich noch jung, sie sind unter zehn Jahre alt –: Ihr seid ein Problem! Die anderen mit ihren religiösen Symbolen sind offensichtlich etwas Besseres.

Wie gesagt, ich bin der Überzeugung, es bräuchte mehr LehrerInnen an den Schulen, es bräuchte mehr mobile Teams, es bräuchte SchulsozialarbeiterInnen, Beratungs­lehrerInnen, die man anfordern kann. Von der letzten Regierung wurde aber eine Maßnahme gesetzt, die Streichung des Integrationstopfes, die natürlich genau das Gegenteil von dem bewirkt, was tatsächlich gebraucht würde. Noch einmal: Wenn man möchte, dass Integration funktioniert, wird man mit bloßen Verboten und dem Fokus­sieren auf ein Defizit nicht weit kommen. Da braucht es einfach mehr.

Mit dem Finger auf eine besondere Gruppe zu zeigen – oder auf ein sogenanntes Defizit, das man herausklaubt –, ist aber wohl ein Grundprinzip Ihrer Bildungspolitik, Herr Minister. Ich möchte es an drei Beispielen festmachen:

Jemand kann nicht ausreichend Deutsch – weg in eigene Deutschförderklassen! Jemand zeigt ein unangenehmes, unangebrachtes Verhalten – weg in eigene Time-out-Klassen! Jemand trägt ein falsches Kleidungsstück – weg, denn sonst gibt es eine Strafe! – Das ist kein pädagogisch fundiertes Vorgehen und kein nachhaltiger Zugang. (Bundesrätin Mühlwerth: Euer Pädagogikkonzept ist gescheitert!) Das ist bloßes Bekämpfen eines Symptoms und keine nachhaltige Lösung; das reicht für Populismus, aber leider nicht für eine Lösung dieser Probleme. (Beifall bei der SPÖ.)

Mich hätte heute noch interessiert, Herr Minister, wie der weitere Plan ist, ob die nächste Ausbaustufe des Kopftuchverbots die Sekundarstufe I umfasst; aber diese Frage werde ich mir wahrscheinlich bis in den Herbst aufsparen müssen.

Meine Fraktion, die sozialdemokratische Fraktion, steht für eine Politik der nach­halti­gen Lösungen und der gemeinsamen, zukunftsgerichteten Lösungen (Bundesrätin Mühlwerth: Mehr Geld und mehr Lehrer! – Bundesrat Steiner: Und die Ausländer rein!), darum können wir so einem Gesetz, das reine Symbolpolitik ist, leider nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.