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Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hau­se! Geschätztes junges Publikum, das auf der Galerie ganz interessiert zuhört, ohne dass ein Einziger ein Handy in den Händen hält!

Familie ist ein offenes System – immer im Wandel, abhängig von den aktuellen Le­bensbedingungen. Diese sich wandelnden aktuellen Lebensbedingungen sind oft der Grund dafür, dass es eine Familie im Alltag nicht schafft. In diesen Fällen übernimmt der Staat bis dato die Verantwortung, wobei die Kinder- und Jugendhilfe zuständig ist, wie wir heute schon öfter gehört haben.

In welchem Ausmaß das der Fall ist, wird deutlich, wenn man sich die Zahlen an­schaut: 2016 wurden 52 838 sogenannte Erziehungshilfen an Familien gewährt, davon waren drei Viertel Unterstützung in Erziehung, Beratung und anderes und ein Viertel, also der Rest, volle Erziehung. Im Vergleich zu 2015 stieg 2016 die Anzahl um 3 Pro­zent, und das ist auch in den Jahren danach nicht wirklich besser geworden.

Die Kinder- und Jugendhilfe sorgt für Unterstützung, und zwar genau so, wie es die Fa­milien brauchen, damit eine Gefahrenabwendung und der Verbleib des Kindes in der Familie möglich ist. Das Ziel ist die Stärkung.

Bisher war die Grundsatzgesetzgebung beim Bund und die Ausgestaltung der Ausfüh­rungsgesetze sowie die Vollziehung der zugehörigen Verordnungen lagen – und liegen noch immer – beim Land.

Herr Kollege Stögmüller hat sich so über die Unterschiedlichkeiten und die verschiede­nen Möglichkeiten echauffiert, die sich dann im negativen Sinne ergeben würden. Man muss aber ganz sachlich feststellen, dass sich die Unterschiedlichkeiten bereits jetzt wie ein roter Faden durch alle Bundesländer ziehen. (Bundesrat Stögmüller: Des­halb ... eine Evaluierung geben!) Man hat es auch bei der Umsetzung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 nicht geschafft, eine Vereinbarung des Bundes mit den Ländern zustande zu bringen. (Bundesrat Stögmüller: Deswegen gibt es eine Evaluie­rung, die nicht ...!) Es ist zudem so, dass die Zuständigkeiten in den Bundesländern in unterschiedlichen Ressorts liegen, zum Beispiel in Oberösterreich im Sozialressort.

Ich denke, alle Kolleginnen und Kollegen hier im Saal werden es wissen, aber die jungen Damen und Herren auf der Galerie überlegen nun vielleicht, wie es das denn geben kann, dass es da so verschiedene Zuständigkeiten gibt und der Bund mit den Ländern quasi in Konkurrenz steht: Wir sprechen in Österreich von einem förderalisti­schen System, von einem Förderalismus, das heißt, der Bund und die Länder (Bundes­rat Schennach: Fö! Fö!) – deralismus, ja – teilen sich eben manches in der Verwal­tung, und die Länder haben in der Verwaltung großen Einfluss.

Es gibt nun zwei verschiedene Möglichkeiten – Kollege Stögmüller hat festgestellt, der Bund will sich quasi das Geld sparen oder die Verantwortung abgeben –, um Verwal­tungsvereinfachungen herzustellen: Die eine Möglichkeit ist, eine neue Bundeskompe­tenz zu schaffen, die andere, den Ländern mehr Kompetenzen zu geben; dafür gibt es auch einen Begriff, den sich vielleicht manche merken könnten, nämlich kooperativer Föderalismus.

Ich denke, dass von den Möglichkeiten, die die Kinder- und Jugendhilfe auch in den einzelnen Ländern hat, dieser kooperative Föderalismus in Form einer Artikel-15a-B-VG-Vereinbarung eine gute Möglichkeit ist. Ich habe das im Vorjahr auch schon bei der Enquete genauso artikuliert. Ich habe das auch im Burgenland beim Besuch des Kin­derrechteausschusses artikuliert. Ich bin auch davon überzeugt, dass diese Vereinheit­lichung und damit eine Vereinfachung möglich ist.

Wenn man bei den Unterschiedlichkeiten bleibt: Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um sachliche Dinge. Es gibt da verschiedene Zugänge in den Bundesländern. So sind zum Beispiel in Oberösterreich von 1 000 Kindern und Jugendlichen nur sechs – und das sind schon zu viele – im Rahmen einer Erziehungshilfe untergebracht. Wenn man das mit Kärnten vergleicht: Dort sind das elf von 1 000 Kindern.

Es gibt Fälle, bei denen man als Betreuungsperson in diesem Beruf oft eine Gänsehaut bekommt, zum Beispiel wenn man hört, dass Kinder aus Wien, die wegen Gefährdung aus der Familie genommen worden sind, zur Krisenpflege ins Burgenland kommen und von dort dann in weiterer Folge für eine – hoffentlich – Dauerunterbringung nach Ober­österreich, wenn es für das Kind am besten ist.

Zum Beispiel im Jahr 2017 haben wir 45 Kinder bei angestellten Pflegeeltern gehabt, wobei 41 von diesen 45 Kindern allein vom Magistrat Wien kamen; das kann nicht sein. Ich denke, das kann nicht unser Wunsch sein. Das ist für die leiblichen Eltern und für die Kinder, aber auch für die Betreuungspersonen eine riesige Belastung. Es kann nicht sein, dass ein Bundesland nicht für seinen eigenen Bedarf – warum auch immer der gegeben ist – sorgt. Das ist mein Zugang dazu und das ist unser aller Wunsch, auch wenn wir verschiedene Zugänge zu den Lösungsmöglichkeiten haben: Wir müs­sen für den eigenen Bedarf eine Lösung finden und wir müssen gleiche Regelungen in allen Bundesländern finden.

Wenn man sich diese unterschiedlichen Landesgesetzblätter ansieht – ich habe das wirklich einmal sehr genau gemacht und hochgerechnet –, dann zeigt sich zum Bei­spiel beim durchschnittlichen Pflegekindergeld, wenn man es auf zehn Jahre berech­net, eine Differenz von 325 Euro pro Monat im Vergleich von Salzburg mit dem Bur­genland, wodurch sich da der erkleckliche Betrag von 39 000 Euro ergibt. Herr Stög­müller, so viel zum Thema: Wo ist das Kind mehr wert? – Es ist schon jetzt so.

Die Fachkräfte in den einzelnen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe sind mit sehr, sehr vielen Anforderungen konfrontiert. Dieses Hin und Her zwischen den Bundeslän­dern trägt nicht dazu bei, es zu vereinfachen.

Wenn man als Oberösterreicherin hier vorne steht, dann doch auch mit dem positiven Touch, dass wir in Oberösterreich ein sehr gutes System haben. Das Vieraugenprinzip funktioniert wirklich sehr gut. Oberösterreich war auch ein Vorreiter bei den Angeboten der frühen Hilfen, bei denen bereits für schwangere Mütter, für Familien beziehungs­weise für Elternteile eine besondere Begleitung in dieser Lebenssituation angeboten wird, was auch gut funktioniert.

Es sind in den Bundesländern verschiedene Ebenen zu schaffen – wie es eben nun im Artikel 1 steht –, „um das Auftreten, die Fortsetzung und die Folgen von Risikolagen für Kinder und Jugendliche zu verhindern“.

Es ist auch eine Tatsache, dass Länder in der Selbstverwaltung – wir sitzen hier in der Länderkammer – einfach besser auf ihre Spezifika Rücksicht nehmen können und Lö­sungen für Situationen einfach besser auf einzelne Fälle abstellen können. Trotzdem ist es wichtig, dass es Standards gibt. Die Länder haben sich auch dazu verpflichtet, diese zu suchen, zu finden und gemeinsam weiterzuentwickeln.

Ich möchte noch einmal betonen – weil es der Sektionschef in der Ausschusssitzung wirklich so gesagt hat –: Das ist eine Vereinbarung, ein rechtlicher Vertrag – keine blo­ße Willenserklärung – und damit einklagbar.

Der Bund wird die Länder weiterhin mit Statistiken und mit der Kinderschutzforschung unterstützen. Es gibt auch schon einiges, das gemacht worden ist. So gibt es zum Bei­spiel eine gute Studie aus dem Jahr 2015 vom Institut für Familienforschung.

Für mich ist auch wichtig, dass der Informationsfluss von den Krankenhäusern, von den Kinder- und Jugendwohlfahrten und den Schulen weitergegeben wird, um diesen Wechsel, diese Flucht von manchen Familien in ein anderes Bundesland – um man­chen Vorgängen zu entgehen – zu verhindern.

Mit dieser Regierungsvorlage müssen sich die Länder definitiv mit diesen angespro­chenen Bereichen beschäftigen. Wir werden bezüglich eines Expertengremiums sicher nicht der nächsten Regierung vorgreifen (Bundesrat Stögmüller: Ja, jetzt plötzlich!), denn – noch einmal, ich habe es auch bei der Enquete gesagt –: Wir sind hier in der Länderkammer. Haben wir Vertrauen in unsere Länder!

Wenn ich von Oberösterreich sprechen darf: Ich weiß, dass da sehr, sehr viele Ent­wicklungen möglich waren, wie die Vereinheitlichung der Ansprüche in den einzelnen Bezirken, da auch Bezirke autonom waren. Wir haben das vor drei Jahren, glaube ich, geschafft, dass diese Ansprüche in allen Bezirken gleichlautend umgesetzt werden. Ich denke, es gibt da vielleicht viel Struktur, die man übernehmen kann. Man kann das auch noch viel besser weiterentwickeln.

Ich bin davon überzeugt, dass unsere Länder diese Herausforderungen annehmen und damit auch positive Entwicklungen erreichen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

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