9.50

Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident, auch von uns herzliche Gratulation und viel Erfolg bei Ihren Vorhaben! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dass das Wasser die Grundlage allen Lebens ist, darüber dürften wir uns jetzt wirklich einig sein. Es ist beruhigend, parteienübergreifend Redebeiträge zu hören, die sich genau dafür stark machen. Dieser Beschluss ist natür­lich aus Sicht der Grünen ein wichtiger. Auch die Enquete hier im Bundesrat war zwecks Bewusstseinsbildung, die in der Bevölkerung bisher noch nicht so stark ausgeprägt ist, sicher ein Meilenstein der letzten Monate.

So stolz wir in Österreich auf unser Wasser sind, so weitreichend sind auf der anderen Seite die Gefahren, die genau das ins Wanken bringen. Global ist die Population von im Süßwasser lebenden Arten in weniger als 50 Jahren um 81 Prozent gesunken, um noch eine Zahl zu nennen, die einfach sichtbar macht, welchen gravierenden Gefahren wir sozusagen etwas entgegenhalten müssen. Gewässerlebensräume sind die am stärksten bedrohten Ökosysteme, auch das ist weitgehend bekannt. Um diese Lebens­räume auch in Zukunft zu sichern und das Artensterben aufzuhalten, gilt es, die Haupt­ursachen zu bekämpfen. Darauf möchte ich ein wenig näher eingehen, weil das bisher abseits der Beteuerungen untergegangen ist.

Wir wissen, dass in Österreich bereits der Grundsatz gilt, dass Grundwasser immer Trinkwasserqualität aufweisen soll, das heißt, nicht erst dieser Beschluss gibt diesbezüglich klare Kriterien vor, sondern dieser Grundsatz ist bereits geltend. Dabei ist auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie von enormer Wichtigkeit. Sie wurde heute noch nicht erwähnt, sie ist mir aber ganz, ganz wichtig. Einige von Ihnen haben es schon festgestellt: Die Auswirkungen davon, wie wir in Österreich mit Wasser um­gehen, machen nicht an den Grenzen halt, sondern das ist ein globales, ein euro­pä­isches Problem, und da haben wir es tatsächlich mit einer Bewegung zu tun, mit einem sehr stark ausgeprägten Lobbyismus, der genau diese Beteuerungen, die wir alle heute hier deponieren, gravierend konterkariert.

Das Eurobarometer aus dem Jahr 2017, also nicht mehr so aktuell, zeigt auch deutlich, dass 94 Prozent der EU-Bürger und -Bürgerinnen sagen, dass Umweltschutz für sie persönlich ein ganz, ganz wichtiges Thema ist, und, ja, sie sagen auch, dass die Kurz­sichtigkeit sowie die Profitinteressen einiger weniger nicht ausschlaggebend dafür sein dürfen, wie wir mit diesen Umweltinteressen umgehen. Dabei handelt es sich keines­falls um Zukunftsängste der Bevölkerung, sondern wir wissen, unser Wasser ist bereits jetzt in Gefahr. Österreichs Flüsse, Seen und das Grundwasser leiden immer stärker unter Verbauung und Ausbeutung. Und jetzt sollen auch noch – das haben wir aus­giebig im Bundesrat diskutiert – wichtige Umweltstandards abgebaut werden.

Wie erwähnt wollen immer mehr EU-Länder und Wirtschaftslobbys die Wasser­rahmen­richtlinie in ihrem Sinne aufweichen. Dahin gehend gibt es von Österreich leider noch nicht diese Einstimmigkeit wie beim heutigen Beschluss. Da braucht es seitens Öster­reichs dringend eine klare Position. Österreich – das wissen Sie vielleicht – zählt näm­lich zu den säumigen Ländern und lässt dieses klare Bekenntnis zur Richtlinie nach wie vor vermissen.

Der ökologische Gewässerschutz ist statt mit den geplanten 150 Millionen Euro mit 0 Euro dotiert und mehr als 5 200 Wasserkraftwerke unterbrechen hierzulande die Ge­wässer und verwandeln lebendige Flüsse in ökologisch tote Stauseen. Es drohen noch weitere Übernutzungen der Grundwasserreserven, stärkere chemische Belastungen, etwa aufgrund von Pestiziden – auch das ist ein wichtiges Thema in Österreich –, und nach jahrzehntelangen Verzögerungen benötigt es Sanierungsmaßnahmen; auch darüber redet keine Partei im Nationalrat.

Wie groß der Schutzbedarf ist, zeigt auch ein alarmierender Bericht der EU-Um­welt­agentur. Demnach sind 60 Prozent der Gewässer in Europa in keinem guten Zustand und damit eben sanierungsbedürftig. In Österreich gelten nur 15 Prozent – das ist wahrlich nicht viel – aller Flüsse als ökologisch intakt und nur 40 Prozent sind in einem ausreichend guten Zustand. Das ist alles erforscht und das sollte uns zu denken geben, und zwar abseits – ich sage es wieder – jeglicher Beteuerung, die wir heute schon zu hören bekommen haben. Im Schnitt ist bereits jeder österreichische Fluss­kilometer durch ein Querbauwerk, eine Regulierung oder eine Restwasserstrecke unterbrochen. Insgesamt gibt es 33 000 solcher Barrieren in ganz Österreich, und davon sind nicht einmal Schutzgebiete ausgenommen, da gibt es keinerlei Tabus.

Ein Report des WWF hält auch fest, dass es diese massive Angriffswelle von Indus­trieverbänden auf den Gewässerschutz in der Europäischen Union gibt, und da zeigt sich auch ganz klar, wie sich die Agrar-, Wasserkraft- und Chemielobby im Zuge der laufenden sogenannten Fitnesschecks, die vorgesehen wären, weiterhin für eine Auf­weichung dieser Richtlinie einsetzt – und das alles unter dem Vorwand des Büro­kra­tieabbaus.

Genauso wie Dürre macht auch das Wasser, egal ob als knappes Gut oder in Form von Überschwemmungen, wie ich schon gesagt habe, nicht an den Grenzen halt. Einige von Ihnen sind bereits darauf eingegangen, wie die Situation beispielsweise in Indien ist. Ich kann es nur wiederholen: Bis zum Jahr 2030 – das ist nicht weit hin – werden in Indien 40 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Trinkwasser haben. Sie kennen vielleicht von Facebook oder aus Zeitungen die erschreckenden Bilder aus Indien von Flüssen voller Dreck und Schaum. Das sind die Kinder der Textilindustrie, von der wir in Europa aber genauso profitieren.

Um vor der eigenen Haustür zu kehren und nicht immer sozusagen nur Europa oder andere Länder in die Pflicht zu nehmen, ein aktuelles, konkretes Beispiel aus Österreich, aus dem Bezirk Neunkirchen – Sie haben vielleicht auch davon gelesen –: Es gibt einen massiven Wassereinbruch im Semmeringbasistunnel. Da gibt es Rück­halte und Absetzbecken, die seit Tagen übergehen, da gibt es milchig-weiß schäu­mendes Wasser in allen umliegenden Bächen, die Fischzuchtanlage in Göstritz musste geschlossen werden und im Auebach ist dem Vernehmen nach jedes Leben erloschen.

Das wirklich Erschreckende ist aber, dass man sich das Problem, das, was dort pas­siert ist, nicht ernsthaft ansieht, sondern dass die Tunnelbetreiber diese Auswirkungen auf ein Sommergewitter schieben. Es ist, wie gesagt, nicht nur eine Farce, sondern eigentlich erschreckend, dass diese Argumentation haltbar scheint, wobei wir aber wissen, dass dort jetzt das tierische Leben erloschen ist und man aber von einem Gewitter spricht. Genauso wurden alle Fischzuchtteiche geschlossen und die wenigen Fische, die gerettet werden konnten, sind mittlerweile auch tot. Die Folgen sind nicht absehbar. Das auf ein Gewitter zu schieben, ist wirklich erschreckend.

Alle, und damit komme ich schon zum Ende, die vor diesem Projekt gewarnt haben – das werden Sie vielleicht wissen –, sind im Vorfeld entweder nicht gehört oder ausgelacht worden. Das ist für mich genau der Kern der Debatte. Heute beteuern wir alle, wie wichtig der Schutz des Wassers ist, aber auf der anderen Seite werden die Umweltstandards in Österreich weiter ausgehöhlt, die Standortpolitik verunmöglicht Umweltverträglichkeitsprüfungen und es fehlt in Österreich an jeglichen Regeln für riesige Bauprojekte, die Effekte auf das Grundwasser haben. – Das wissen wir. Es gibt in Österreich wie gesagt keinen Klimacheck und die Anforderungen an die UVP werden runtergeschraubt.

Es ist egal, ob es sich um die dritte Piste, die Waldviertler Autobahn oder den Lobau­tunnel handelt: Wir wissen, welche Effekte diese Großprojekte auch auf das Grund­wasser haben werden, und diesbezüglich haben Sie trotz dieser Beteuerungen heute leider noch immer Scheuklappen auf. Ihre Beteuerungen, wiewohl zu Papier gebracht, bleiben weitgehend wirkungslos.

Für den Fall, dass Sie das wirklich ernst meinen, hätten wir Grüne ja viele Maßnahmen vorgeschlagen, die wichtig wären, zum Beispiel eine radikale Umlenkung der umwelt­schädigenden Subventionen. Das heißt: weg vom Sponsoring von großen umwelt­schädigenden Projekten hin zu Sanktionen gegen jene, die wirklich auch hier in Öster­reich Umweltverbrechen begehen.

In diesem Sinne meine ich: Statt etwas zu beteuern, wäre es wichtig, zu begreifen, dass es nur dann um Nachhaltigkeit gehen kann, wenn wir hier nicht kurzsichtig agieren.

Ein Satz noch in Richtung FPÖ: Ich glaube, diese Debatte ist in Österreich deshalb ins Rollen gekommen, da wir beim Ibizavideo alle hören konnten, dass unser ehemaliger Vizekanzler leider sogar bereit wäre, unser österreichisches Trinkwasser an russische Oligarchen zu verscherbeln. (Bundesrat Krusche: Das war jetzt das einzige Klischee, das noch gefehlt hat! – Zwischenruf der BundesrätInnen Mühlwerth und Steiner.) In diesem Sinne ist das heute ein wichtiger erster Schritt. – Danke. (Beifall des Bundes­rates Stögmüller. – Bundesrat Rösch: Bitte!)

10.01

Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.