15.04

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Wenn heute das ABGB abgeändert werden soll, das heißt, durch die vorliegende Präzisierung im § 1320 ergänzt werden soll (Zwischenruf bei der SPÖ), dann deswegen, damit es für Almnutzer und Dritte – sprich: Einheimische, Gäste, Erholungssuchende und Wanderer – mehr Eigenverant­wortung und klarere Spielregeln gibt und die Rechtssicherheit für die Almbewirtschafter und Eigentümer gestärkt wird.

Warum ist dies notwendig? – Ganz einfach deshalb, weil sich in der Freizeitwirtschaft in den letzten Jahren wahnsinnig viel geändert hat! Diese Entwicklung ist jedem bekannt. Erlauben Sie mir aber einen Blick in die Vergangenheit! Ich habe nämlich etwas recherchiert, um das Gesetz von damals und die heutige Notwendigkeit einer Änderung erklären zu können. Ich möchte versuchen, dies auch der SPÖ zu erklären – wir werden sehen, ob das Erfolg hat. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Die letzte Änderung des Gesetzes wurde im Jahr 1917 durchgeführt. Die Tiere wurden damals tagsüber auf Weiden und Almflächen ohne Einzäunung behirtet, um nicht Weideflächen fremder Grundbesitzer oder Nachbarn zu nutzen. Die jungen Hirten haben die Behirtung tagsüber sichergestellt. Dies war aber oft nicht ausreichend. Die jungen Hirten waren damals Buben im Alter von 13 bis 15 Jahren, die den Sommer auf der Alm verbracht haben. (Die BundesrätInnen Schennach und Grimling: Kinder­arbeit!) – Das war im Jahr 1917 beziehungsweise vor den Kriegszeiten! (Bundesrätin Grimling: Trotzdem Kinder! Das macht mich betroffen!) Mein Vater und meine Groß­väter haben mir das auch so erzählt.

Für die Einzäunung der Almen oder Weideflächen war weder Material vorhanden, noch war es zur damaligen Zeit üblich. In den Fünfzigerjahren begann man, die Almflächen großteils mit Holzzäune (Ruf bei der SPÖ: Zäunen!) oder Stacheldraht einzuzäunen. Die Weidelenkung der Tiere wurde dadurch wesentlich verbessert. Dies allein ist der Grund für die damalige einseitige Haftungsregelung für Tierhalter im Gesetz – logi­scherweise, denn es hat damals keinen anderen Einfluss auf der Alm durch andere Personen oder andere Nutzer gegeben. Ich denke, es hat wegen der Nutzungs- und Eigentumsverhältnisse Konflikte unter den Bauern gegeben. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme nun zur heutigen Situation. Durch eine naturnahe Bewirtschaftung unserer Almen durch die Almbauern bleibt uns zum einen eine reizvolle und einzigartige Kulturlandschaft erhalten – das ist in Österreich einzig­artig –, zum anderen genießen Einheimische, Gäste und vor allem die Tourismus­wirt­schaft den unbezahlbaren Erholungswert dieser wunderschönen Alm- und Bergwelt. Hinzu kommen noch viele andere Dinge wie die sportliche Nutzung mit immer neuen Sportgeräten. Diese Bilder gehen natürlich in Form von Werbung durch die ganze Welt, und das ist auch gut so, denn es stärkt die ländliche Region und gibt den land­wirtschaftlichen Betrieben die Chance, ein Nebeneinkommen zu erwirtschaften, mit dem die Weiterführung der Heim- und Almbetriebe sichergestellt werden kann.

Nun aber das große Aber: Durch die Nutzung durch so viele Menschen, die die Gefahren der freien Natur oft nicht kennen, vielleicht noch einen Hund mitführen und schlecht ausgerüstet sind, kann es zu kritischen Situationen mit Weidetieren kommen. Viele Menschen werden scharenweise mit Aufstiegshilfen auf den Berg gebracht und wissen sich dann aber nicht mehr zu helfen.

Allein die unterschiedlichen Interessen, die sich durch die Freizeitnutzung und die Almbewirtschaftung ergeben, fordern eine klare politische Entscheidung. Das sollten wir nicht unterschätzen. Der Auslöser dafür war nicht der Unfall, sondern die Stim­mungslage nach diesem Unfall bei den vielen Playern auf der Spielwiese Alm. Diese wirklich große Solidarität mit den Almbauern sowie die Angst und die Sorgen der Tourismuswirtschaft waren Auslöser für diese Situation. Ich möchte mich daher auch dafür bedanken, dass die Politik – die ehemalige Regierung – so schnell gehandelt und ein Gesetz auf den Weg gebracht hat.

Vier Punkte sind es – das ist schon erwähnt worden –, die eine wesentliche Rolle spielen. Punkt eins: der Verhaltenskodex für Wanderer, die im freien Gelände auf Weide- oder Almflächen unterwegs sind. Punkt zwei: Richtlinien für den Tierhalter, wobei wesentlich ist, dass die herkömmliche, traditionelle Weidehaltung sichergestellt ist, denn alle wollen traditionelle Almwirtschaft. Punkt drei: die Anpassung des Geset­zes, wie sie eben vorbereitet ist – ein zweiter Absatz soll zu § 1320 hinzugefügt werden. Punkt vier: die Schadloshaltung der Almbewirtschafter durch eine Versiche­rung, falls notwendig. – Kollege Raggl hat das alles bereits erwähnt, weshalb ich nicht näher darauf eingehen möchte.

Ganz wesentlich ist auch, Unfälle mit Weidevieh zu vermeiden, aber ganz verhindern wird man es nicht können, so realistisch müssen wir sein. Wichtig sind Aufklärung, Information und Prävention, was aber sicherlich zu einem Hauptteil Aufgabe der Tourismus- und Beherbergungsbetriebe sein muss. In Salzburg sind wir da mit den Tourismusverantwortlichen in sehr, sehr guter Abstimmung.

Österreichs Almwirtschaft ist innerhalb der Landwirtschaft, aber auch bei der Bevöl­kerung und den Gästen hoch angesehen und wird als überaus sympathisch empfun­den. Dies beweisen sowohl die große Unsicherheit von allen als auch die enorme Solidarität für die Almbewirtschafter, die diese nach dem Urteil in Tirol erfahren durften.

Es gibt in Österreich mehr als 8 000 bewirtschaftete Almen, wobei 25 000 Auf­triebs­betriebe die Almen mit insgesamt 500 000 Tieren bestoßen. Das hat schon eine we­sentliche Bedeutung für die Landwirtschaft, die Gesellschaft und den Tourismus. Darauf können wir alle stolz sein. Ich bin überzeugt davon, dass diese notwendigen Maßnahmen auch für Naturliebhaber und Erholungssuchende ein Vorteil sind und nicht etwa ein Nachteil für Gäste und Wanderer. Wir brauchen einfach Spielregeln, wenn nun mehr Spieler auf dem Spielfeld sind.

Mit dem Paket Sichere Almen stellen wir eine Basis für eine gute Zusammenarbeit her. Die Umsetzung erfordert aber sicherlich laufende Gespräche mit den Verantwortlichen der verschiedenen Nutzungsgruppen vor Ort.

Ich möchte mich abschließend bei allen Almbauernfamilien für ihre Arbeit und den Einsatz auf den Almen sowie auch bei den Urlaubsgästen bedanken und ihnen wun­derschöne Erlebnisse und allgemein einen unfallfreien Sommer auf den Almen wün­schen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.13