17.57

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Frauen Ministerinnen! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Ge­setzesbeschluss werden so viele verschiedene Einzelthemen abgehandelt, dass es insgesamt sehr schwierig ist, da eine Gesamtbeurteilung zu finden. Auch ich möchte versuchen, an verschiedenen Punkten unsere – eigentlich – Zustimmung und dennoch unsere generelle Ablehnung  zu argumentieren.

Es geht zum einen um diese Modernisierung der Lehrpläne an den Polytechnischen Schulen. Ich möchte meiner Vorrednerin, Kollegin Zwazl, zustimmen, dass diese Auf­wertung der Polytechnischen Schule etwas ganz, ganz Wertvolles ist und man so jungen Menschen einen sehr guten Start in die nächste Phase ihres Lebens ermög­lichen kann. Insofern sind diese Berufsorientierung und die Spezialisierung auch sehr wertvolle Überlegungen. Dennoch macht uns die wieder voranschreitende Separierung in verschiedene Gruppierungen und damit auch in Leistungsgruppen zu schaffen.

Wir SozialdemokratInnen verfolgen immer eine Idee von Bildung, in der Separierung keinen Platz hat und auch nicht notwendig ist. Meine Kollegin Doris Hahn hat das bereits ausgeführt, auch das IHS hat in seiner jüngsten Studie bestätigt, dass es um inklusiven, gemeinsamen Unterricht und gemeinsame Ausbildung geht und weniger um Separierung, weil dadurch für junge Menschen einfach Türen zugemacht werden, was nicht notwendig ist. Wir wollen, dass kein junger Mensch, kein Schüler, keine Schülerin zurückgelassen wird. (Präsident Bader übernimmt den Vorsitz.)

Ein anderes Thema, das aus unserer Sicht sehr viel Potenzial hat, ist dieses Thema der Datenweitergabe vom Kindergarten an die Volksschule, speziell im Bereich der Sprachförderung. Es gab schon im Schulrechtspaket 2016 Überlegungen dazu und es waren Möglichkeiten vorgesehen.

Es gab auch das Modell des Bildungskompasses, damals noch unter Ministerin Karmasin pilotiert, mit dem versucht wurde, den Übergang vom Kindergarten in die Volksschule zu begleiten. Das wurde nie oder vielleicht noch nicht umgesetzt. Wir aber glauben, dass genau diese Nahtstelle ein riesengroßes Potenzial hat, sehr sensibel ist und es durchaus Sinn macht, sie zu begleiten. Die Elementarpädagogin hat im Idealfall über Jahre die Möglichkeit, ein Kind zu beobachten, und weiß, wo dessen Potenzial liegt, weiß, wo dessen Unterstützungsbedarf liegt.

Bisher ist es so, dass es einen Schnitt gibt, wenn das Kind in die Schule kommt, und die Volksschulpädagogin, der Volksschulpädagoge wiederum Monate braucht, um herauszufinden, was die Elementarpädagogin schon wusste. Das muss nicht sein, diese Zeit vergehen zu lassen und die Förderung nicht gewähren zu können, weil Monate vergehen. Dieser Austausch zwischen dem Kindergarten und der Volksschule ist also etwas sehr Wertvolles – immer mit dem Fokus, dass es ressourcenorientiert und nicht stigmatisierend passiert.

Ich möchte in dem Zusammenhang, weil wir als Länderkammer ja auch immer sehr gute Beispiele von lokaler Ebene einbringen können, als Bundesrätin aus Wien ein Best-Practice-Modell aus Wien einbringen, bei dem genau diese Übergänge zwischen den verschiedenen Bildungsstufen in den Fokus genommen werden, und zwar das sogenannte Bildungsgrätzel.

Sie alle kennen wahrscheinlich das afrikanische Sprichwort: It takes a village to raise a child. Wir haben das umgewandelt in: It takes a Grätzel to raise a child, weil wir wissen, dass in diesen Grätzeln – auch im ländlichen Raum – verschiedenste Bildungs­institu­tionen vorhanden sind und im Idealfall im besten Interesse des einzelnen Kindes zusammenwirken und zusammenarbeiten und von der Musikschule über Vereine, über die NMS, über den Kindergarten kooperieren und dem Kind einfach tolle Möglichkeiten eröffnen können.

Ein Thema, bei dem wir, wie gesagt, Bauchweh und unsere Schwierigkeiten haben, ist das Thema der individuellen Kompetenzmessung. Es steht in einem Spannungsfeld zur Entwicklung der Schulstandorte. Unser Fokus liegt viel stärker auf der Entwicklung der Schulstandorte, nämlich auf der Frage, wie es einer Schule gelingt, die Bildungs­standards bei allen individuellen Herausforderungen, die jeder Schulstandort fraglos hat, zu erfüllen. Dort muss dann angesetzt werden, um diese Schulentwicklung zu betreiben. Schafft es also die Schule unter den jeweiligen Bedingungen das jeweils Beste aus ihren Schülern und Schülerinnen herauszuholen?

Das Konzept der vorherigen Regierung in den letzten Monaten war, die Verantwortung für den Lernerfolg dem einzelnen Kind, dem einzelnen Schüler, der einzelnen Schü­lerin umzuhängen und sie auch in eine jeweilige Schublade zu stecken.

Wir Österreicher sind bekannt dafür, dass wir ziemlich weit vorne liegen, wenn es darum geht, dass Bildung vererbt wird – wir wollen das eigentlich aufbrechen. Monika Mühlwerth, wenn du sagst, man muss Eltern, die es nicht schaffen, ihre Kinder gut zu begleiten, stärker in die Pflicht nehmen, dann versuche ich, mir das vorzustellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, nein, so steht es ja nicht drinnen!) Diese Familien, die ich da im Blick habe, die es offensichtlich nicht schaffen, aus welchem Grund auch immer, ihr Kind gut zu begleiten und zu fördern, woher sollen sie diese Fähigkeit be­kommen, wenn man ihnen sagt: Aber du musst das jetzt machen, sonst bekommst du eine Strafe!?

Mir geht es um das Kind. Das Kind kann nichts für seine Eltern, sondern das Kind muss aufgefangen werden und umso mehr begleitende und fördernde Angebote bekommen. Da helfen Verpflichtungen und auch Konsequenzen für die Eltern meistens sehr wenig. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber man ermutigt die Eltern damit, genau nichts zu tun! Man kann ihnen ja helfen!)

Der Direktor der OECD, Andreas Schleicher, ist da auch unserer Meinung, denn er sagt, ein gutes Bildungssystem zeichnet sich dadurch aus, dass es alle Kinder schaf­fen können. – So viel dazu.

Ich möchte noch ein Thema, das uns sehr wichtig ist, einbringen. Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass Schule auf das Leben vorbereiten soll und Kindern und Jugend­lichen auf Fragen betreffend ihr Leben auch Antworten geben soll. Dazu gehört selbst­verständlich auch das Thema der Sexualität. Seien wir ehrlich und denken wir an unsere eigene Jugend zurück: Mit wem bespricht man denn solche heiklen Dinge wie Sexualität und Fragen, die man in diesem Zusammenhang hat? – Am liebsten mit Freunden und Freundinnen. Uns als Pädagogen und Pädagoginnen muss es aber auch wichtig sein, dass ExpertInnen mit dem nötigen Fachwissen und dem nötigen Feingefühl zur Verfügung stehen, weil dieses Thema selbstverständlich etwas sehr Sensibles ist.

Wir brauchen ExpertInnen, die keine vorgefertigten Meinungen darüber haben, was denn gut und was generell schlecht ist, sondern sie sollen aufklären und ihr Wissen anbieten, und das in einem möglichst vertrauensvollen, kindgerechten, altersgerechten Setting. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!) Das ist nun einmal für manche Lehrer und Lehrerinnen ein bisschen schwierig, wenn sie wissen, in der nächsten Stunde müssen sie dieses Kind auch beurteilen und benoten und sollen eine Wertung abgeben. Da überlegt man sich auch als Kind, als Schülerin: Vertraue ich jetzt genau dieser Person meine intimsten Fragen an?

Darum sind wir der Meinung, es ist unbestritten, dass es ExpertInnen zu diesem Thema gibt und dass das die LehrerInnen entlasten würde, so wie es auch bisher war. Diese sind professionalisiert und darin geschult, mit Kindern und Jugendlichen über dieses Thema zu sprechen. Es braucht generell viel mehr externe ExpertInnen in den Schulen, denn eine Schule ist keine Insel. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist ein Pädagoge kein Experte?) Eine Schule hat ein Lebensumfeld und es gibt so viele Professionen und Menschen, die in dieses Schulsystem, in dieses Bildungssystem Kompetenzen einbringen können.

Das Wichtige für uns ist, dass die Qualität dessen, was da angeboten wird, gewähr­leistet wird. Es ist ein sensibles Thema, und die Qualität muss besonders sensibel geprüft werden.

Deshalb bringen wir einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, Daniela Gruber-Pruner, Korinna Schumann, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Sicherstellung Finanzierung qualitätsvoller sexueller Bil­dung an Schulen“

Unsere Forderung wäre:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, einen Aktionsplan zur Umsetzung und Sicher­stel­lung zeitgemäßer, flächendeckender Bildungsangebote zu den Themen Sexualität, Verhütung, sowie Schwangerschaftsabbruch in Schulen vorzulegen. Die qualitätsvolle Überprüfung im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens und die ausreichende Finan­zierung von externen Anbietern und Beratungsstellen, deren Inhalte mit dem Grund­satzerlass Sexualpädagogik übereinstimmen, ist sicherzustellen.

Das angekündigte Akkreditierungsverfahren muss in enger Abstimmung mit der Schul­aufsicht erfolgen“.

*****

Wir bitten um Ihre Zustimmung dazu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07

Präsident Karl Bader: Sehr geehrte Frau Kollegin Gruber-Pruner, ich gehe davon aus, dass Ihre Forderung als Antrag zu werten ist. – Der von den BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sicher­stellung Finanzierung qualitätsvoller sexueller Bildung an Schulen“ ist somit genügend unterstützt und steht demnach auch in Verhandlung. (Bundesrat Spanring: Danke, Herr Präsident, für Ihre Güte! Ich sage das für die SPÖ! – Bundesrätin Mühlwerth: Nicht zum ersten Mal rettest du die SPÖ!)

Die Nächste auf der Rednerliste ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.