Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

896. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Juli 2019

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

896. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Juli 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Juli 2019: 9.02 – 21.32 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Rechtsbereinigungsnovelle 2019)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und Inver­kehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Wer­bung für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und den Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutz (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucher­schutzgesetz – TNRSG) geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz ge­än­dert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird und ein Gesetz über die Errichtung eines Jungfamilienfonds (Jungfamilienfondsgesetz) erlassen wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeits­ge­setz 1984 geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestellten­ge­setz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden


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12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Haftungsrecht geändert wird (Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2019 – HaftRÄG 2019)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das SE-Gesetz, das Über­nah­me­gesetz und das Unternehmensgesetzbuch geändert werden (Aktienrechts-Ände­rungsgesetz 2019 – AktRÄG 2019)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und die Juris­dik­tionsnorm geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018 geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union und das Bundesgesetz über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen erlas­sen werden sowie die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bundes­finanzgerichtsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Alternativfinanzierungsgesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Wert­papieraufsichtsgesetz 2018, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvor­sorge­gesetz, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Sanierungs- und Abwicklungs­ge­setz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, das Wirtschaftliche Eigentümer Registerge­setz, das Glücksspielgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wer­den (EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019 – EU-FinAnpG 2019)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bildungsinvestitionsgesetz geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungs­lehrgänge, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Bildungsdokumentationsgesetz geän­dert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG), BGBl. Nr. 139/1979, zu­letzt geändert mit BGBl. I Nr. 69/2018, geändert wird

24. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Bildung, der Wissenschaft und der Kultur

25. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffent­licher Urkunden von der Beglaubigung

26. Punkt: Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930; Emp­fehlung (Nr. 203) betreffend ergänzende Maßnahmen zur effektiven Beseitigung von Zwangsarbeit


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27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen des Bundes (Web-Zugänglichkeits-Gesetz – WZG) erlassen wird

28. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (19. FSG-Novelle)

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (32. StVO-Novelle)

30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird

31. Punkt: Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahn­ver­kehr (COTIF) und der Anhänge D (CUV), F (APTU) und G (ATMF) zum Überein­kommen

32. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die nichtlinienmäßige ge­werbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG) geändert wird

33. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (37. KFG-Novelle)

34. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Dr. Gerhard Leitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 100 Prozent Ökostrom bis 2030

35. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung des Climate Emergency

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 24

36. Punkt: Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung“ (268/A-BR/2019)

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Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Karl Bader ........................................................ 16

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GO-BR, den Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung“ (268/A-BR/2019) ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme .................................................................................................................  24, 24

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 249/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wei-


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ter­führung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 10. Oktober 2019 zu setzen – Ablehnung ...............  25, 211

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Ausschuss für Verkehr zur Be­richterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 262/A(E)-BR/2019 der BundesrätInnen David Stögmüller, Doris Hahn, MEd MA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „zweigleisigen Ausbau der Nordwestbahnstrecke zwischen Stockerau und Hollabrunn“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 10. Oktober 2019 zu setzen – Ablehnung ................................................................................................................................  25, 211

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Ausschuss für Verkehr zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 263/A(E)-BR/2019 der BundesrätInnen David Stögmüller, Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Rücknahme der Verordnung zu Tempo 140 auf österreichische Autobahnen“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 10. Oktober 2019 zu setzen – Ablehnung ..............................................................................................................  25, 211

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Justizausschuss zur Bericht­erstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 264/A(E)-BR/2019 der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausfinanzierung der Justiz jetzt!“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 10. Oktober 2019 zu setzen – Ablehnung ..........................  25, 211

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 16

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................. 23

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 24

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  20, 211

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­ver­fassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nach­haltig­keit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird (677 d.B. sowie 10215/BR d.B.) ............................................................................................................... 25

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ........................................................................... 25

RednerInnen:

Robert Seeber ......................................................................................................... ..... 26

Ingo Appé ................................................................................................................ ..... 28

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ..... 29

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .......................................................................................... ..... 31

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 33

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden


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Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................................. 35

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Rechts­be­reinigungsnovelle 2019) (887/A sowie 10216/BR d.B.) ............................................................................................................... 36

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .................................................................................. 36

RednerInnen:

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ..... 36

Dominik Reisinger .................................................................................................. ..... 38

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ..... 39

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ...................................................................................... ..... 40

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 41

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (18/A sowie 10191/BR d.B. und 10200/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 41

Berichterstatter: Thomas Schererbauer ...................................................................... 42

RednerInnen:

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 42

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ..... 44

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ..... 46

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 48

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 52

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und den Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutz (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucher­schutz­ge­setz – TNRSG) geändert wird (859/A sowie 10192/BR d.B. und 10201/BR d.B.) ........ 52

Berichterstatter: Günter Kovacs ................................................................................... 53

RednerInnen:

Christoph Steiner ................................................................................................... ..... 53

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ..... 56

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 58

Michael Wanner ....................................................................................................... ..... 60

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 62

Ing. Bruno Aschenbrenner .................................................................................... ..... 65

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 66

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend „Nichtraucherschutz, Maßnahmen für die be­troffenen Gastgewerbebetriebe“ – Ablehnung  57, 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 68


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Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (905/A sowie 10193/BR d.B. und 10208/BR d.B.)                68

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA ............................................................................ 68

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (695/A sowie 10209/BR d.B.)                        68

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA ............................................................................ 68

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (780/A sowie 10210/BR d.B.)                         68

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA ............................................................................ 68

RednerInnen:

Dr. Gerhard Leitner ...................................................................................................... 69

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 72

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ...................................................................................... ..... 72

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ..... 73

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ..... 75

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 76

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 78

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 78

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 78

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird und ein Gesetz über die Errichtung eines Jungfamilienfonds (Jungfamilienfondsgesetz) erlassen wird (816/A sowie 10211/BR d.B.) ....................... 78

Berichterstatter: Christoph Steiner .............................................................................. 78

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 ge­ändert werden (576/A sowie 10194/BR d.B. und 10212/BR d.B.) ............................................................................................................... 78

Berichterstatter: Christoph Steiner .............................................................................. 78

RednerInnen:

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 79

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 80

Marianne Hackl ........................................................................................................ ..... 82

Rosa Ecker, MBA .................................................................................................... ..... 83


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Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .......................................................................................... ..... 84

Günter Kovacs ........................................................................................................ ..... 86

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 88

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (338/A sowie 10195/BR d.B. und 10213/BR d.B.)                         88

Berichterstatter: Christoph Steiner .............................................................................. 88

RednerInnen:

Mag. Martina Ess .......................................................................................................... 88

Korinna Schumann ...............................................................................................  90, 94

Rosa Ecker, MBA .................................................................................................... ..... 92

Andrea Wagner ............................................................................................................. 93

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitszeitumverteilung“ – Ablehnung ...................................................................  94, 96

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 95

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Allge­meine Bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Katastro­phenfondsgesetz 1996 geändert werden (274/A sowie 10196/BR d.B. und 10214/BR d.B.) ............................................................................... 96

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA ............................................................................ 96

RednerInnen:

Klara Neurauter ....................................................................................................... ..... 96

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 97

Christoph Steiner ................................................................................................... ..... 99

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 100

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ... 101

Andrea Wagner ....................................................................................................... ... 102

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 103

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Haftungsrecht geändert wird (Haftungsrechts-Ände­rungs­gesetz 2019 – HaftRÄG 2019) (623 d.B. und 656 d.B. sowie 10217/BR d.B.) .................................................................................... 103

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................. 103

RednerInnen:

Martin Weber ........................................................................................................... ... 104

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 106

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 108

Silvester Gfrerer ..................................................................................................... ... 110


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 8

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 112

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Aktiengesetz, das SE-Gesetz, das Übernahmegesetz und das Unternehmensgesetzbuch geändert werden (Aktienrechts-Änderungs­ge­setz 2019 – AktRÄG 2019) (910/A und 658 d.B. sowie 10218/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 112

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................. 112

RednerInnen:

Robert Seeber ......................................................................................................... ... 112

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 113

MMag. Dr. Michael Schilchegger ........................................................................... ... 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 115

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren geändert wird (80/A sowie 10219/BR d.B.) ............................................................................................................. 115

Berichterstatter: MMag. Dr. Michael Schilchegger ................................................... 115

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Diszi­plinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und die Jurisdiktions­norm geändert werden (633 d.B. und 657 d.B. sowie 10220/BR d.B.) ............................................................................................................. 115

Berichterstatter: MMag. Dr. Michael Schilchegger ................................................... 115

RednerInnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ....................................................................................... 116

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 117

Michael Wanner .......................................................................................................... 118

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vor­lie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 119

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 119

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Pri­vatrecht (IPR-Gesetz) geändert wird (924/A und 659 d.B. sowie 10221/BR d.B.) .................................................................................... 119

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................ 119

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 119

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (678/A und 646 d.B. sowie 10222/BR d.B.)                         119

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 120


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RednerInnen:

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ... 120

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ... 122

Rosa Ecker, MBA .................................................................................................... ... 124

Mag. Doris Schulz ................................................................................................... ... 125

Rudolf Kaske ........................................................................................................... ... 126

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 128

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018 geändert wird (624 d.B. und 643 d.B. sowie 10223/BR d.B.) ........ 128

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................. 129

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über Verfahren zur Beilegung von Besteue­rungsstreitigkeiten in der Europäischen Union und das Bundesgesetz über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen erlas­sen werden sowie die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bun­desfinanzgerichtsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Alternativfinanzierungs­gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alter­native Investmentfonds Manager-Gesetz, das Finanzmarktaufsichts­behörden­ge­setz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selb­ständigenvorsorgegesetz, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, das Wirtschaft­liche Eigentümer Registergesetz, das Glücksspielgesetz und das Versicherungs­aufsichtsgesetz 2016 geändert werden (EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019 – EU-FinAnpG 2019) (644 d.B. sowie 10197/BR d.B. und 10224/BR d.B.) ......................... 128

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................. 129

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................ ... 129

Marianne Hackl ........................................................................................................ ... 130

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ... 131

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 133

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 133

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (626 d.B. und 645 d.B. sowie 10198/BR d.B. und 10225/BR d.B.) ............................................................................................................. 133

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 133

RednerInnen:

Günter Kovacs ........................................................................................................ ... 133

Elisabeth Mattersberger ......................................................................................... ... 136

Dominik Reisinger .................................................................................................. ... 137

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ... 138


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Gottfried Sperl ........................................................................................................ ... 139

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ... 140

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ausreichende Budgetmittel für den Arbeitsmarkt“ – Ableh­nung ........................  135, 142

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Jürgen Schabhüttl, Gottfried Sperl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bundesheer – Sicherheit ist uns auch etwas Wert“ – Annahme (E 259-BR/2019)      139, 142

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Bundesheer: Finanzielle Herausforde­run­gen bewältigen – unsere Sicherheit gewährleisten!“ – Ablehnung ............................................................................................................  141, 142

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 142

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bildungsinvestitionsgesetz geändert wird (871/A und 647 d.B. sowie 10206/BR d.B.)                     143

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ......................................................................... 143

RednerInnen:

Mag. Martina Ess ........................................................................................................ 143

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ... 145

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 148

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bildungsinvestitions­gesetz geändert wird“ – Ablehnung  147, 151

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 151

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (872/A und 648 d.B. sowie 10207/BR d.B.) .................................................... 151

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ......................................................................... 151

RednerInnen:

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ... 151

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 154

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ... 155

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 158

Klara Neurauter ....................................................................................................... ... 159

Bundesministerin Mag. Dr. Iris Rauskala ............................................................ ... 161

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung Finanzierung qualitätsvoller sexueller Bildung an Schulen“ – Ablehnung  157, 161

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 161


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23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungs­wesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG), BGBl. Nr. 139/1979, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 69/2018, geändert wird (907/A und 653 d.B. sowie 10202/BR d.B.) ............................................................................................................. 162

Berichterstatterin: Marianne Hackl .............................................................................. 162

RednerInnen:

Eva Prischl ............................................................................................................... ... 162

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ... 164

Wolfgang Beer ...................................................................................................  165, 168

Mag. Bernd Saurer ..................................................................................................... 167

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 169

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Bildung, der Wissen­schaft und der Kultur (386 d.B. sowie 10203/BR d.B.) ................ 169

Berichterstatter: Mag. Bernd Saurer .......................................................................... 170

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkun­den von der Beglaubigung (510 d.B. sowie 10204/BR d.B.)                     169

Berichterstatter: Mag. Bernd Saurer .......................................................................... 170

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930; Empfehlung (Nr. 203) betreffend ergänzende Maßnahmen zur effektiven Beseitigung von Zwangsarbeit (564 d.B. sowie 10205/BR d.B.) ................................. 169

Berichterstatter: Mag. Bernd Saurer .......................................................................... 170

RednerInnen:

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ... 171

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 172

Gottfried Sperl ........................................................................................................ ... 173

Hubert Koller, MA ................................................................................................... ... 174

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 24, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................. 175

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 25, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 175

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 26, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. gegen den vorliegenden Beschluss


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des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegenständlichen Staats­ver­trag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben .................................................... 175

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen des Bundes (Web-Zugänglichkeits-Gesetz – WZG) erlassen wird (574 d.B. und 655 d.B. sowie 10199/BR d.B.)                    176

Berichterstatterin: Andrea Wagner ............................................................................. 176

RednerInnen:

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ... 176

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 178

Peter Samt ............................................................................................................... ... 179

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Elisabeth Grimling, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beschluss über Auswirkungen der Ausnahmen gemäß § 2 Abs. 3 des Web-Zugänglichkeits-Gesetzes – WZG“ – Ablehnung ..............................................................................................  178, 180

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 180

Gemeinsame Beratung über

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (19. FSG-Novelle) (620 d.B. und 636 d.B. sowie 10226/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 180

Berichterstatter: Michael Bernard ............................................................................... 180

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (32. StVO-No­velle) (915/A und 637 d.B. sowie 10227/BR d.B.) ............................................................................................................................. 180

Berichterstatter: Michael Bernard ............................................................................... 180

RednerInnen:

Mag. Doris Schulz ................................................................................................... ... 181

Stefan Zaggl ............................................................................................................ ... 182

Christoph Steiner ................................................................................................... ... 183

Dominik Reisinger .................................................................................................. ... 184

Peter Samt ............................................................................................................... ... 184

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 28, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 186

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 29, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 186

Gemeinsame Beratung über

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (918/A und 638 d.B. sowie 10228/BR d.B.) ..... 186

Berichterstatter: Michael Bernard ............................................................................... 186

31. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und


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der Anhänge D (CUV), F (APTU) und G (ATMF) zum Übereinkommen (582 d.B. und 639 d.B. sowie 10229/BR d.B.) ................................. 186

Berichterstatter: Michael Bernard ............................................................................... 186

RednerInnen:

Silvester Gfrerer ..................................................................................................... ... 187

Günther Novak ........................................................................................................ ... 187

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 188

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 30, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 189

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 31, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 189

Gemeinsame Beratung über

32. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die nichtlinienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG) geändert wird (917/A und 640 d.B. sowie 10230/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 189

Berichterstatter: Michael Bernard ............................................................................... 189

33. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (37. KFG-Novelle) (916/A und 641 d.B. sowie 10231/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 189

Berichterstatter: Michael Bernard ............................................................................... 189

RednerInnen:

Anton Froschauer ................................................................................................... ... 190

Rudolf Kaske ........................................................................................................... ... 191

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 193

Günter Kovacs ........................................................................................................ ... 193

Peter Samt ............................................................................................................... ... 194

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 32, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 194

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 33, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 194

34. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Dr. Gerhard Leitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 100 Prozent Ökostrom bis 2030 (261/A(E)-BR/2019 sowie 10232/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 194

Berichterstatter: Dr. Gerhard Leitner ......................................................................... 195

RednerInnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ................................................................................... ... 195

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ... 196

Michael Bernard ...................................................................................................... ... 197

David Stögmüller .................................................................................................... ... 199


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 14

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller und Dr. Ewa Ernst-Dziedzic betreffend „Investitionszuschüsse für Photovoltaikanlagen und Stromspeicher“ – Unterstützungsfrage – nicht genügend unterstützt ....................................................................................................  201, 202, 202

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Dr. Magnus Brunner, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der Eigen­ver­brauchsabgabe“ – Annahme (E 262-BR/201)           201, 202

Annahme des Selbständigen Entschließungsantrages 261/A(E)-BR/2019 (E 260-BR/2019)                     202

35. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung des Climate Emergency (267/A(E)-BR/2019 sowie 10233/BR d.B.) ............................................................................................................. 203

Berichterstatter: Dr. Gerhard Leitner ......................................................................... 203

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ...................................................................................... ... 203

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 204

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .......................................................................................... ... 206

Peter Samt ............................................................................................................... ... 208

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller und Dr. Ewa Ernst-Dziedzic betreffend „Klimakatastrophe verhindern“ – Unterstützungs­frage – nicht genügend unterstützt  207, 208, 208

Annahme des Selbständigen Entschließungsantrages 267/A(E)-BR/2019 (E 261-BR/2019)                     210

36. Punkt: Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung“ (268/A-BR/2019)                  210

Annahme des Selbständigen Antrages 268A-BR/2019 .............................................. 210

Eingebracht wurden

Petition ........................................................................................................................ 211

Petition betreffend „Regulierung des Wolfes in Österreich“ (Ordnungsnummer 45) (überreicht von Bundesrat Silvester Gfrerer)

Antrag der BundesrätInnen

Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung“ (268/A-BR/2019)

Anfragen der BundesrätInnen

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend „Lipizzaner als Weltkulturerbe“ (3667/J-BR/2019)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend „Upskirting“ (3668/J-BR/2019)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesregierung be­treffend Einstufung der Identitären als eindeutig rechtsextrem durch den deutschen Verfassungsschutz (3669/J-BR/2019)


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Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Zentralanstalt für Meteorologie und Geo­dynamik (3670/J-BR/2019)

Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend EuGH-Entscheidung und die Auswirkungen auf die öster­reichischen Konsumentinnen und Konsumenten (3671/J-BR/2019)

Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend öffentliche Forderungen für konkrete Beschaffungsvorgänge samt Lieferant und Preisangabe durch den Präsidenten des Nationalrates (3672/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend der Instrumente für die Sicherstellung eines naturverträglichen Ausbaus der Wasserkraft (3673/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend der Wasserkraftnutzung und deren Förderung (3674/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend den ökologischen Zustand österreichischer Fließ­gewässer (3675/J-BR/2019)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend „Lipizzaner als Weltkulturerbe“ (3676/J-BR/2019)

Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend EuGH-Entscheidung und die Auswir­kungen auf die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten (3677/J-BR/2019)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkehrssituation im Bezirk Reutte (3378/AB-BR/2019 zu 3661/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerverkehr auf der B 179 durch den Bezirk Reutte (3379/AB-BR/2019 zu 3660/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend Asylbeschwerden beim BvWG im Jahr 2018 (3380/AB-BR/2019 zu 3649/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl 2018 (3381/AB-BR/2019 zu 3648/J-BR/2019)


 


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09.02.11Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Karl Bader, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vize­präsident Hubert Koller, MA.

09.02.13*****


Präsident Karl Bader: Schönen guten Morgen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Grüß Gott! Ich eröffne die 896. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 895. Sitzung des Bundesrates vom 4. Juli sind aufgelegen, wurden nicht beanstandet und gelten daher als ge­neh­migt.

Als verhindert gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. Ich freue mich, dass wir heute bei dieser Sitzung fast vollzählig anwesend sind.

Ich begrüße in unserer Mitte auch sehr herzlich Frau Bundesministerin Dr. Iris Rauskala in Vertretung ihrer Kollegin Bundesministerin Dipl.-Ing. Patek, die für die heutige Sitzung entschuldigt ist. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.03.00Antrittsansprache des Präsidenten


9.03.01

Präsident Karl Bader: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen zu Hause! Verehrte Gäste auf der Galerie! Vor allem liebe Besuchergruppe des Bauernbundes aus meiner Heimatgemeinde Rohrbach an der Gölsen mit Obmann Thomas Rosenbaum, begleitet von unserem Herrn Pfarrer Pater Altmann und meiner Vizebürgermeisterin Anna Klinger! (Allgemeiner Beifall.)

Am 1. Juli habe ich für mein Bundesland Niederösterreich von Kärnten den Vorsitz im Bundesrat übernommen. Ich sehe diese Aufgabe als Präsident der Länderkammer auf der einen Seite als Ehre, auf der anderen Seite natürlich auch als eine besondere Herausforderung. Vorweg möchte ich mich auch heute nochmal bei Präsident Ingo Appé sehr herzlich für die Präsidentschaft im ersten Halbjahr bedanken und meinen Dank aus der letzten Sitzung wiederholen. – Lieber Ingo, vielen, vielen herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Sehr herzlich danken darf ich auch den Mandatarinnen und Mandataren des Nieder­österreichischen Landtages, die mich als Erstgereihten der zwölf niederösterreichi­schen Bundesrätinnen und Bundesräte gewählt haben, sowie unserer Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die für den Wahlvorschlag verantwortlich war, für ihr Vertrauen. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich übernehme die Präsidentschaft im Bundesrat in bewegten politischen Zeiten; ge­rade jetzt herrscht eine kaum zu überbietende Dynamik in der Gesetzgebung. Das sogenannte freie Spiel der Kräfte hat allein letzte Woche im Nationalrat eine Unmenge an Gesetzesanträgen mit sich gebracht, über die wir heute in unserer Bundes­rats-


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 17

sitzung diskutieren und wahrscheinlich bis spät in die Nacht Abstimmungen durchfüh­ren werden.

Dem Bundesrat kommt gerade in dieser Zeit eine besondere Rolle als stabiler Faktor in der Republik Österreich zu. Wie schon Bundespräsident Alexander Van der Bellen gesagt hat, sorgt unsere elegante Verfassung dafür, dass Gesetze keine Rechtskraft entfalten können, wenn sie nicht zuvor den Bundesrat passiert haben. Unsere von der Bundesverfassung vorgegebene Aufgabe, also die Aufgabe des Bundesrates, und unsere Arbeit werden auch hier im Parlament wertgeschätzt und zunehmend auch unterstützt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass wir seit 1. Jänner auch die Möglichkeit haben, parlamentarische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Fraktionsvorsitzenden zu haben. Ich denke, dass das ein erster guter Schritt ist, um die Unterstützung unserer Arbeit und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Als Mitglied des Nutzerbeirates für den Parlamentsumbau – ich darf als Vertreter des Bundesrates in diesem Gremium sein – freue ich mich auch über die neuen Mög­lichkeiten, die uns als Bundesrat nach dem Umbau zur Verfügung stehen werden. So wird der Sitzungssaal einerseits ein weit größerer sein als bisher und zum Zweiten ist es mir auch gelungen, alle Mitglieder dieses Beirates davon zu überzeugen, dass wir auch dieselbe technische Ausstattung bekommen wie die Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat.

Aus unserer Bundesverfassung ist die Länderkammer nicht wegzudenken, sie ist ein wesentlicher Teil dieser. Es ist noch nicht lange her, dass die Vorlage für das Öko­stromgesetz im Bundesrat endgültig gekippt wurde. Egal, wie man zu diesem Thema inhaltlich stehen mag: Der Bundesrat hat damit deutlich gemacht, dass mit dem absoluten Veto ein von der Verfassung eingeräumtes Recht wahrgenommen wurde. Das ist auch in der Öffentlichkeit stark wahrgenommen worden und auf großes Inter­esse gestoßen. Ich wünsche mir, dass dieses Interesse am Bundesrat auch weiterhin anhält, und ich möchte auch meinen Beitrag dazu leisten.

Wenn der Bundesrat noch stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen und auch posi­tioniert werden soll, so braucht er meiner Meinung nach auch ein Thema, weil wir ja durch den halbjährlichen Wechsel vielleicht ein bisschen ein Handicap haben. Nieder­österreich stellt heute durch mich das Thema Masterplan ländlicher Raum vor, das auch dazu geeignet ist, in die nächsten Jahre hineinzuwirken und als Leitlinie für uns zu gelten. Es soll auch die nächsten Präsidentschaften begleiten, das habe ich mit den Kolleginnen und Kollegen, die mir am Präsidium folgen werden, erarbeitet, diskutiert und vorbereitet. Ich freue mich darauf, dass sich jedes Bundesland aus diesem Master­plan ländlicher Raum einen Schwerpunkt herausnehmen wird. Der niederösterreichi­sche Schwerpunkt in diesem Zusammenhang wird im nächsten halben Jahr das Thema Dezentralisierung sein. Das ist, wie ich meine, eine Grundvoraussetzung zur Stärkung des ländlichen Raumes.

Ich sage in diesem Zusammenhang aber auch klar und deutlich, dass mir dieses Thema sehr wichtig ist, weil ich viele, viele Jahre als Vertreter des ländlichen Raums genau miterlebt habe, mit welchen Herausforderungen dieser zu kämpfen hat. Meine politischen Wurzeln sind mir also auch in der Funktion des Präsidenten des Bun­desrates ein ganz besonderes Anliegen.

Warum Masterplan ländlicher Raum?, werden sich manche fragen. – Im ländlichen Raum leben zwei Drittel der Bevölkerung unserer Republik auf flächenmäßig fast 90 Prozent des Staatsgebiets. Daher ist der ländliche Raum es tatsächlich wert, einen


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starken Fokus auf ihn zu legen. Die Anziehungskraft der Städte ist ungebrochen und die Entwicklungschancen in Stadt und Land sind durchaus sehr, sehr unterschiedlich. Der ländliche Raum verliert jährlich mehr als 5 000 gut ausgebildete Personen allein an den Großraum Wien. Bei Fortsetzung dieser Entwicklung würde das in den nächsten zehn Jahren bedeuten, dass es einen Braindrain von rund 50 000 Menschen gibt. Die Abwanderung gerade von jungen Frauen wirkt sich auf das gesamte Sozial- und Wirtschaftsgefüge im ländlichen Raum sehr negativ aus.

Vor diesem Hintergrund sind strategische Neuorientierungen und ambitionierte politi­sche Schwerpunktsetzungen für die Zukunft des ländlichen Raums unverzichtbar. Es ist daher eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahre, mehr Fairness zu schaffen, um den ländlichen Raum zu stärken. Die Digitalisierung wird uns dabei eine gute Partnerin sein, weil sie viele Chancen und Möglichkeiten eröffnet.

Mit dem Masterplan ländlicher Raum hat Bundesminister Andrä Rupprechter 2017 infolge eines breiten Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligungsprozesses eine Arbeitsgrund­lage geschaffen, die konkrete Perspektiven und Lösungen aufzeigt. Auf Basis dieser Strategie sollen die Wirtschafts- und Lebensbedingungen am Land systematisch verbessert und die Zukunft des ländlichen Raums gesichert werden. Wer, wenn nicht wir als Bundesrat, als Länderkammer, soll sich dafür einsetzen, unsere Länder, unsere Regionen als Keimzelle des Miteinanders in Europa zu positionieren und zu prä­sentieren?

Wir sind darüber hinaus auch die Europakammer und genießen dafür in Europa ein ganz, ganz hohes Ansehen. Das engagierte Agieren des Bundesrates als Europa­kammer mit einem sehr, sehr erfolgreichen EU-Ausschuss unter dem Vorsitz von Bundesrat Christian Buchmann trägt zudem viel zum kontinuierlichen Profil des Bun­desrates in der Öffentlichkeit bei. Wir sind führend in Europa, was Subsidiaritätsprü­fungen und Stellungnahmen angeht – und dafür danke ich sehr, sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Generalthema ländlicher Raum wollen wir mehr Kontinuität generieren und natürlich auch die Aufmerksamkeit für den Bundesrat und den Wiedererkennungswert des Bundesrates stärken. Wenn auch jedes Bundes­land in den kommenden Jahren seine eigene Melodie spielt, so schaffen wir mit dem Leitmotiv das Gesamtwerk und damit auch Wiedererkennbarkeit.

An dieser Stelle ist mir aber auch eines ganz wichtig zu betonen und deutlich zu sagen: Es geht mit diesem Thema keinesfalls um einen Gegensatz zwischen Stadt und Land. Es geht um kein Gegeneinander, sondern es geht um ein Miteinander. Stadt und Land ergänzen sich; Stadt und Land brauchen einander. Keiner der beiden kann ohne den anderen existieren, und beide haben ihre eigenen Herausforderungen.

Ich möchte ein Zitat bringen: Die Dezentralisierung ist ein größerer Initiator für sozialen Wandel, als man es sich auf den ersten Blick träumen lässt. – Interessanterweise stammt dieses Zitat von keinem Europäer, sondern vom amerikanischen Prognostiker John Naisbitt. Um diesem sozialen Wandel durch Dezentralisierung Rechnung zu tragen, hat Niederösterreich die Präsidentschaft im Bundesrat und auch den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz unter das gemeinsame Motto Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“ gestellt.

Was wollen wir damit zum Ausdruck bringen? – Wir haben längst festgestellt, dass eine Menge der Agenden, die heute in der Europäischen Union oder in der Bun­des-


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hauptstadt wahrgenommen werden, in den Regionen durchaus besser aufgehoben wären. Das Subsidiaritätsprinzip soll also auch entsprechend ausgebaut werden. Erst vor wenigen Wochen forderte eine Resolution der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente und auch des Südtiroler Landtages eine stärkere Berücksichtigung der Erfahrungen der lokalen und regionalen Ebene bei der Bewertung und Überarbeitung von Unionsrecht. Es gibt also kein Argument, diese Forderung nicht auch auf das österreichische Bundesrecht herunterzubrechen.

Bürgermeister und Gemeindevertreter sind ein wichtiger Maßstab der Subsidiarität, weil bürgernahe Politik ganz einfach notwendig ist und dort auch tägliches Feedback ermöglicht wird. Für mich – ob als Lehrer, als Direktor einer Schule, als Land­tags­abgeordneter oder als Bundesrat – habe ich immer wieder festgestellt, dass in den Gemeinden jenes Engagement zu Hause ist, das Österreich so lebenswert macht. Ich bin seit vielen Jahren Bürgermeister von Rohrbach an der Gölsen und habe dort auch gelernt, dass man vor Ort am besten weiß, was für die Bürgerinnen und Bürger wichtig, notwendig und gut ist. Deshalb müssen wir mit Verwaltungsdezentralisierung und Digitalisierung dem ländlichen Raum noch mehr Chancen zur Entwicklung einräumen.

Im Gegensatz zu unseren Nachbarländern Deutschland und Schweiz wird das föderale Prinzip in Österreich noch ein bisschen stiefmütterlich behandelt. So befinden sich in Österreich laut einer Studie des Instituts für Föderalismus 65 von 68 Bundesdienst­stellen in der Bundeshauptstadt Wien. Zum Vergleich: In Deutschland sind 67 Bun­des­dienststellen auf 24 Städte in Deutschland aufgeteilt. In der Schweiz sind 47 Bundes­dienststellen in elf verschiedenen Städten angesiedelt. Die Ansiedlung von Bundes- und Landeseinrichtungen sowie ausgelagerten Organisationen in Regionen ist ganz einfach ein wirksames Instrument der Strukturpolitik. Durch Dezentralisierung der Ver­waltung wird die regionale Innovationsfähigkeit gestärkt und die wirtschaftliche Entwicklung positiv beeinflusst. Eine Verlagerung von Behörden soll die Steigerung ihrer Effizienz auch unterstützen. Eine moderne, kundenorientierte Verwaltung in den ländlichen Regionen ist Ausdruck von Bürgernähe und ein wichtiger regionaler Standortfaktor. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Damit das Land die Chancen der Digitalisierung bestmöglich nutzen kann, ist eine flächendeckende Breitbandinfrastruktur natürlich unverzichtbar. Gerade der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes Alfred Riedl hat auf diese Notwendigkeit schon vielfach hingewiesen und auch entsprechende konkrete Schritte von der Bundes­regierung eingefordert. Digitalisierung ist also ein entscheidender Standortfaktor für den ländlichen Raum, um auf der einen Seite für Unternehmen, aber auf der anderen Seite auch für Familien attraktiv sein zu können.

Wie soll nun der Schwerpunkt zum Masterplan ländlicher Raum im nächsten Halbjahr umgesetzt werden? – Ich möchte hier vier wesentliche, konkrete Vorhaben an­sprechen, die uns im nächsten Halbjahr begleiten sollen. Zum einen ist das eine Enquete zum Thema „Nah bei den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezen­tralisierung“, die wir heute hoffentlich auch auf die Tagesordnung nehmen wollen – und ich bitte dafür auch um Zustimmung.

Wir wollen mit Experten aus Frankreich, Spanien, aus den nordischen Ländern und mit unseren österreichischen Fachleuten darüber diskutieren, wie Verwaltungsde­zentrali­sie­rung und Digitalisierung dem ländlichen Raum mehr Chancen zur Entwicklung ein­räumen können. Wir werden uns dabei auch einige Anregungen holen, wie die Regio­nen gestärkt und fit für die Zukunft gemacht werden können. Ich werde zu diesem Thema auch schon Ende Juli ein Arbeitsgespräch mit der Bayerischen Landtags­prä­sidentin führen, da in Bayern das Projekt Dezentralisierung schon umgesetzt wird.


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Zusätzlich möchte ich natürlich auch mein Bundesland Niederösterreich als Beispiel­bundesland, was Dezentralisierung betrifft, präsentieren. Wir haben ein Projekt am Laufen, wonach 500 Dienstposten aus der Landeshauptstadt St. Pölten in die Regio­nen verlagert werden sollen, unter anderem auch in meinen Bezirk Lilienfeld. Bei die­ser Initiative zur Dezentralisierung werden besonders jene Regionen und Bezirke be­rück­sichtigt, wo in den letzten Jahren die Abwanderung am höchsten war. Dieser Indikator ist also ein Maßstab für diese Dezentralisierung.

Zum Zweiten habe ich vor, mir mit einer Delegation des Bundesrates in den nordischen Ländern vor Ort anzuschauen, wie dort dieses Projekt umgesetzt wurde, um Beispielen zu folgen und nicht immer das Rad neu zu erfinden.

Zum Dritten möchte ich auch gerne eine Gesetzesinitiative starten, damit zumindest dann, wenn neue Bundesdienststellen in dieser Republik geschaffen werden, verpflich­tend geprüft wird, ob sie nicht doch im ländlichen Raum besser angesiedelt wären.

Zum Vierten möchte ich einladen: Der Bundesrat soll auch stärker in die Vorsitzbun­des­länder hinausgehen; und im Zuge des Projekts Bundesrat im Bundesland wollen wir uns am 16. September in Niederösterreich, in Göttweig und am Unicampus Krems, ansehen, wie Wissenschaft und Forschung auch im ländlichen Raum möglich sind und umgesetzt werden. Wir werden uns gemeinsam vor Ort ansehen – und das ist mir besonders wichtig –, wie sich die Beschlüsse, die wir hier im Parlament fällen, in der Praxis auswirken, beispielsweise mit der Aufnahme der Donau-Uni ins Univer­sitäts­gesetz. Das Stift Göttweig ist ja seit vielen Jahren Austragungsort des Europa-Forums Wachau, und wir als Europakammer wollen uns dort auch damit beschäftigen, wie dieses Projekt läuft und welche Initiativen aus diesem Projekt heraus stattgefunden haben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um im Rahmen der von mir skizzierten Schwer­punkte des Bundesrates diesen als sehr aktive Länderkammer weiter zu präsentieren und eine selbstbewusste, innovative und kreative Kraft im Hohen Haus zu sein, lade ich euch alle ein: Ich bitte euch alle um Unterstützung, um eure Mitarbeit, um euer Engagement, um eure Ideen, um eure kritischen Stimmen, um einen offenen Diskurs zu diesem Thema, um damit das Motto der niederösterreichischen Präsidentschaft „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“ mit Leben zu erfüllen.

Ich lade auch die Medien sehr herzlich dazu ein, dieses Thema inhaltlich zu begleiten und positiv in die nächsten Präsidentschaften mitzunehmen, damit ein breiter Infor­mationsfluss für die Bevölkerung möglich ist. – Vielen Dank und Glück auf für das zweite Halbjahr! (Allgemeiner Beifall.)

9.21

09.21.31*****

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Karl Bader: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen und eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundes­kanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


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Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und de­ren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

(Anlage 1) (siehe auch S. 15)

2. Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mit­glieds­staat der Europäischen Union:

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA, am 11. und 12. Juli 2019 in Finnland (Anlage 2)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder:

Verkehrstelematikbericht 2019 (III-689-BR/2019 d.B.)

und

Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2018 (III-690-BR/2019 d.B.)

zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr

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Präsident Karl Bader: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewie­sen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tages­ordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schrift­liche Ausschussberichte erstattet.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR


Präsident Karl Bader: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Antrag zur Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung“ ein­gebracht wurde.

Hiezu wurde gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kolle­gin­nen und Kollegen, diesen Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamen­ta­rischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. – Vielen herzlichen Dank.

Der Antrag, den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforder­lichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung“ ergänzen und diesen als 36. Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Karl Bader: Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände be­ziehungsweise die Entschließungsanträge 261/A(E)-BR/2019 und 267/A(E)-BR/2019 sowie den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentra­lisie­rung“ auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wünscht zur Tagesordnung jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 5 bis 7, 8 und 9, 14 und 15, 18 und 19, 24 bis 26, 28 und 29, 30 und 31 sowie 32 und 33 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.


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Fristsetzungsanträge


Präsident Karl Bader: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich noch bekannt, dass Herr Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Kinderrechteausschuss zur Bericht­erstattung über den Entschließungsantrag 249/A(E)-BR/2018 betreffend „Weiterfüh­rung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ eine Frist bis zum 10. Oktober 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristset­zungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Ich gebe weiters vor Eingang in die Tagesordnung bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein­gebracht hat, wonach dem Ausschuss für Verkehr zur Berichterstattung über den Ent­schließungsantrag 262/A(E)-BR/2019 betreffend „zweigleisigen Ausbau der Nordwest­bahnstrecke zwischen Stockerau und Hollabrunn“ eine Frist bis zum 10. Oktober 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristset­zungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Ich gebe weiters vor Eingang in die Tagesordnung bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein­gebracht hat, wonach dem Ausschuss für Verkehr zur Berichterstattung über den Ent­schließungsantrag 263/A(E)-BR/2019 betreffend „Rücknahme der Verordnung zu Tempo 140 auf österreichische Autobahnen“ eine Frist bis zum 10. Oktober 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristset­zungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich zusätzlich bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung einge­bracht hat, wonach dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungs­antrag 264/A(E)-BR/2019 betreffend „Ausfinanzierung der Justiz jetzt!“ eine Frist bis zum 10. Oktober 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

09.27.501. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundes­verfassungs­gesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird (677 d.B. sowie 10215/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Mag.a Doris Schulz. – Ich bitte um deinen Bericht.


9.28.27

Berichterstatterin Mag. Doris Schulz: Herzlichen schönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Danke für deine einleitenden Worte, wir freuen uns schon auf deine Präsidentschaft!


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 26

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesver­fas­sungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsident Karl Bader: Ich danke sehr herzlich für den Bericht.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich erteile es.


9.29.46

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich über ein Thema sprechen darf, welches uns alle im täglichen Gebrauch persönlich betrifft, und zwar das Wasser, möchte ich am Beginn meiner Rede dir, lieber Karl, sehr herzlich zu deiner nunmehr beginnenden Prä­sidentschaft gratulieren und dir alles Gute wünschen.

Die Ideen, die du in deiner Antrittsrede bezüglich Föderalismus und Bundesrat hinaus in die Länder geschildert hast, sind, glaube ich, für das Selbstverständnis des Bundes­rates essenziell. Ich bin überzeugt, dass du quer über alle Fraktionen hinweg eine entsprechende Unterstützung für diese Themenbereiche haben wirst. In diesem Sinne wünsche ich dir auch seitens unserer Fraktion alles Gute für deine Präsidentschaft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

Hohes Präsidium! Werte Zuseher hier im Hohen Haus und auch vor den Fernseh­schirmen! Ich darf heute über ein – vordergründig betrachtet – Wohlfühlthema sprechen, aber wenn man es genauer durchleuchtet, wird man sehen, dass das Thema Wasser, welches für uns hier in Österreich selbstverständlich ist, sich eigentlich nicht so konfliktfrei darstellt, wie man glauben könnte. Für uns ist ja sauberes Wasser neben sauberer Luft eine essenzielle Lebensgrundlage. Trinkwasser in bester Qualität und auch in der entsprechenden Versorgungsqualität zu haben, ist für uns selbstver­ständ­lich. Schaut man aber ein bisschen über den Tellerrand hinaus, schaut man in andere Länder, nach Übersee, speziell nach Asien, wird man sehr schnell erkennen, dass das dort nicht so ist. Wir sind mit einem reichen Schatz gesegnet, den es zu hüten gilt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weltweit betrachtet leiden circa 3,6 Milliarden Menschen an Wasserknappheit, und bis zum Jahr 2050 werden es 5 Milliarden Menschen sein, denn der Wasserverbrauch steigt auch in den asiatischen Ländern wie Indien und China enorm.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen, ich bin auch Touristiker, und ich sehe ja selber neue Zielgruppen, die sich uns im Tourismus erschließen: die soge­nannte Mittelschicht aus Indien und China. Da reden wir von einem Potenzial, beider Länder zusammengerechnet, von fast 1 Milliarde Menschen. Dies lässt erahnen, welchen zusätzlichen Bedarf an Wasser wir durch diese neue Mittelschicht bekommen werden. Da gilt es natürlich anzusetzen. Das heißt, wir alle sind gefordert, dass wir uns


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 27

dem Thema Wasser widmen, welches übrigens der vorige Bundesratspräsident Ingo Appé in den Mittelpunkt gestellt und der auch sehr gut erläutert hat, welche Bedeutung es hat – auch in diese Richtung noch einmal ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ja wirklich einen reichen Schatz. Man kann das nicht oft genug sagen. Wir haben – ich sage es wieder als Touristiker – die paradoxe Situation, dass Menschen aus dem arabischen Bereich nach Zell am See fahren, nur weil sie einmal Regen sehen oder wissen wollen, wie das ist, wenn etwas Nasses vom Himmel kommt. Das heißt, wir haben das im Überfluss, aber nur 3 Pro­zent des verfügbaren Wassers – das muss man sich vorstellen – werden von uns ge­nutzt, 60 Prozent davon von der Industrie, und der Rest teilt sich dann in die Landwirtschaft beziehungsweise in den privaten Konsum auf.

Hier im Hohen Haus sind ja auch sehr viele Mandatare auf kommunaler Ebene aktiv, sprich als Gemeinderäte, sprich als Bürgermeister. Die wissen, wovon ich rede. Die Wasserversorgung und die Wasserentsorgung ist, wie Sie wahrscheinlich bestätigen werden, einer der größten Posten in den Gemeindebudgets, belastet die Menschen und auch die Kommunen am meisten. Ich bin der festen Überzeugung, wir müssen auch alle gemeinsam dafür sorgen, dass in Zukunft Wasser zur Verfügung steht, speziell auch zu sozial verträglichen Preisen. Wasser darf kein Luxusgut sein. Das muss allen Menschen zugänglich sein, nicht nur bei uns, sondern ich bin der festen Überzeugung, weltweit. Das sind wir den Menschen eigentlich schuldig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang darf ich auch erwähnen, dass es auch private Wasserbrunnen gibt. Diese Situation kennen Sie alle. Das wird auch mit diesem neuen Gesetz weiterhin möglich sein. Dabei hilft uns das Wasserrechtsgesetz, welches ja ganz klar regelt, was man für den eigenen Bedarf entnehmen darf, was man entnehmen kann, wie man es vertreiben kann. Da greift uns also dieses Gesetz sehr gut unter die Arme.

Kollege Preineder hat im Ausschuss eine wichtige Frage gestellt, und zwar hat er gefragt: Was ist mit den privaten Wassergenossenschaften, die es bei uns seit 50 Jah­ren gibt? Dürfen die mit dem neuen Gesetz noch bestehen? – Der Experte hat uns be­stätigt, in den Erläuterungen zum Gesetz ist ganz klar festgehalten, dass es das auch in Zukunft geben wird, und das ist gut so.

Meine Damen und Herren, mich freut es, an dieser Stelle sagen zu können, dass es ein gemeinsamer Antrag war, der eine breite Zustimmung gefunden hat, von SPÖ und auch FPÖ. Damit ist auch sichergestellt, dass die Wasserversorgung in Zukunft garantiert werden kann. Mit diesem gemeinsamen Antrag – und das freut mich immer besonders, wenn man dazu sprechen kann – ist auch sichergestellt, dass die Was­serversorgung in Zukunft in öffentlicher Hand bleiben wird, dass das eine Sache der Republik, der Länder und der Gemeinden sein wird.

Meine Damen und Herren, ich darf an dieser Stelle sagen, die Wasserversorgung wird in öffentlicher Hand bleiben. Es war ein gemeinsamer Antrag. Das ist gut so, dass sich die Republik dessen annimmt, denn es ist ein unschätzbar wertvolles Gut. Ich darf mich an dieser Stelle auch für die breite Zustimmung betreffend dieses Eigentums Öster­reichs – das Wasser – herzlichst bedanken. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.37


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile dieses.



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 28

9.37.25

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Sehr verehrte Zuse­herinnen und Zuseher hier auf der Galerie und zu Hause! Herr Präsident, ich möchte dir eingangs recht herzlich alles Gute für deine Präsidentschaft wünschen und viel Energie für die bevorstehenden Aufgaben. Ich glaube, aus Erfahrung zu sprechen, dass das zweite halbe Jahr dem ersten halben Jahr um nichts nachstehen wird – dafür viel Kraft und Energie. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

Der Bundesrat hat ja bereits in der Vergangenheit gezeigt – und du hast es bereits erwähnt –, ein stabiler Faktor in unserer Gesetzgebung zu sein. Ich bin mir sicher, dass auch dies unter deiner Führung unter Beweis gestellt wird. Ich wünsche dir dafür alles Gute. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wenn ich nunmehr auf den mit Zweidrittelmehrheit zu beschließenden Antrag aus Tagesordnungspunkt 1 eingehen darf: Es freut mich wirklich, dass der Bundesrat wieder einmal unter Beweis stellen konnte, nicht zu Unrecht als Zukunftskammer bezeichnet zu werden. Als ich vor einem halben Jahr hier im Zuge meiner Antrittsrede mein Schwerpunktthema Sicherung und Schutz des Trinkwassers vorgestellt habe, war meine Vorstellung, meine Vision, für dieses Thema hier in diesem Haus zu sensi­bilisieren und es auf Länderebene zu thematisieren, vielleicht am Ende gar eine Emp­fehlung oder Resolution an den Nationalrat zu verabschieden, sich damit näher zu beschäftigen.

Jemand hat einmal gesagt: Wer Visionen hat, benötigt einen Arzt! (Bundesrätin Mühlwerth: Das war der Helmut Schmidt!) Ich möchte dieses Zitat abändern: Wer Visionen hat, benötigt einen geschlossenen, zukunftsorientierten Bundesrat! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich glaube, wir alle zusammen können über alle Fraktionen hinweg stolz sein, dass wir heute hier gemeinsam ein Bundesverfassungsgesetz beschließen können, welches den richtigen Weg in die Zukunft weist, auch für unsere zukünftigen Generationen. Wie heißt es im Gesetzestext? – „Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zur Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge und zu ihrer Verant­wortung für die Sicherung deren Erbringung und Qualität, insbesondere dazu, das öffentliche Eigentum an der Trinkwasserversorgung und die Verfügungsgewalt darüber im Interesse von Wohl und Gesundheit der Bevölkerung in öffentlicher Hand zu er­halten.“

Damit ist der erste richtige Schritt getan, die Ressource Wasser zu sichern. Für den Schutz wird es zukünftig noch sehr vieler Maßnahmen bedürfen, geschätzte Kollegin­nen und Kollegen.

Wie sich schon in der Auftaktveranstaltung, aber auch in der parlamentarischen Enquete des Bundesrates zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“ im Mai dieses Jahres gezeigt hat, stehen wir aufgrund der Einwirkungen des Klimawandels vor großen Herausforderungen, das Wasser zu sichern und zu schützen. Mein Vor­redner, Kollege Seeber, hat bereits einiges davon angesprochen. Egal, ob in unseren Bundesländern, in Europa oder auf anderen Kontinenten, wir alle stehen vor den gleichen Problemen eines immer rascher fortschreitenden Klimawandels, der sich auch massiv auf den Wasserhaushalt unseres Planeten auswirkt. Fast täglich hören wir in den Nachrichten von katastrophalen Wetterereignissen – gestern waren es Stürme an der Adria, heute waren es verheerende Unwetter in Griechenland mit Toten und Ver­letzten.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 29

Ich konnte mich im Zuge meiner Besuche im In- und Ausland davon überzeugen, dass wir alle im selben Boot sitzen. Bei uns in Österreich gilt es zukünftig, die Konfliktfelder Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft, Tourismus, Abwasserwirtschaft und E-Wirt­schaft zu koordinieren, um diesbezüglich nachhaltig zufriedenstellende Lösungen zu finden.

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass es besonders erfreulich ist, dass die Lan­deshauptleutekonferenz einstimmig den Beschluss gefasst hat, auch auf Länderebene tätig zu werden. Salzburg und Kärnten sind bereits in der Umsetzung und andere Bundesländer haben dies in Vorbereitung.

Wir können diese Problematik jedoch nicht alleine als österreichisches Problem sehen. Es gilt, wie bereits gesagt, auch über den Tellerrand hinweg zu sehen. Im afrikani­schen Raum werden die Ressourcen zum Beispiel von internationalen Konzernen in einer Art und Weise ausgebeutet, dass es den staatlichen Institutionen nicht möglich ist, eine Daseinsvorsorge, wie wir sie haben, zu machen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die verkaufen das ja!) Diese Staaten sind auf unsere Hilfe angewiesen, um die Lebens­verhältnisse vor Ort so zu gestalten, dass kein Grund für Zukunftsängste besteht, der mit den damit verbundenen Abwanderungen aus diesen Gebieten einhergeht.

Betrachten wir den zentralasiatischen Raum: Auch von dort konnte ich durch per­sönliche Gespräche in China, Kirgistan und Kasachstan Eindrücke mitnehmen, die all das vorher Gesagte bestätigen. Durch den Klimawandel verbunden mit dem rasanten Abschmelzen der Gletscher im Himalaya werden in den nächsten 30 Jahren laut Experten 200 Millionen Menschen in Zentralasien ohne Trinkwasser sein. Die Wasser­entnahmen in den Anrainerstaaten, zum Beispiel Kasachstan, wirken sich schon heute auf das Klima, aber auch auf die Wasserversorgung des flächenmäßig neuntgrößten Staates der Erde massiv aus. Der Wasserstand des Aralsees beträgt derzeit nur mehr ein Drittel seiner ursprünglichen Höhe und er wird voraussichtlich nicht mehr zu retten sein. Die Trinkwasserversorgung in diesem Staat erfolgt zu 90 Prozent aus Ober­flächengewässern.

So könnte ich noch viele Beispiele rund um den Globus beschreiben, die die zukünf­tigen Probleme mit dem Lebenselixier Wasser nur unterstreichen. Daher nochmals: Ein herzlicher Dank an alle Parteien, die im Nationalrat – fast einstimmig – mitgegangen sind, aber vor allem an euch, liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, herzlichen Dank für eure Unterstützung! Hier im Bundesrat wurde mir die Gelegenheit gegeben, dieses Thema als Schwerpunkt zu setzen, um auch darauf folgende, zukunftsweisende Beschlüsse einleiten zu können. Selbstverständlich wird meine Fraktion diesen Be­schluss unterstützen. Wir beschließen hier gemeinsam ein wichtiges Gesetz, auf das wir alle stolz sein können. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

9.44


Präsident Karl Bader: Herr Bundesrat Thomas Schererbauer ist als Nächster zu Wort gemeldet. Ich bitte darum.


9.44.59

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuhörer! Geschätzter Herr Präsident, lieber Karl, ich darf dir im Namen der Freiheitlichen Fraktion alles Gute für deine Präsidentschaft wünschen! Ich gratuliere dir auch zu diesem wirklich wichtigen und interessanten Thema und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit im zweiten Halbjahr. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Bun­des­rätInnen der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 30

Österreich besitzt von Wasser, dem flüssigen Gold des 21. Jahrhunderts, reichlich. Es ist alles andere als selbstverständlich, den Wasserhahn aufzudrehen und qualitativ hochwertiges Wasser beziehungsweise Leitungswasser trinken zu können. Wir haben einen Niederschlag von 12 000 Kubikmeter pro Kopf pro Jahr, das ist im Vergleich zu anderen Ländern unglaublich viel. Der gesamte Wasserverbrauch beträgt nur – wie Kollege Seeber es gesagt hat – 3 Prozent dieser Gesamtmenge. Das heißt, nur 3 Prozent des in Österreich verfügbaren Wassers werden verbraucht; 60 Prozent davon gehen in die Industrie, 35 Prozent in die Trinkwasserversorgung und der Rest, 5 Pro­zent, fließt in die Landwirtschaft.

In vielen Ländern der Welt schaut die Situation jedoch völlig anders aus: 3,6 Milliarden Menschen leiden unter Wasserknappheit, bis zum Jahr 2050 werden es 5 Milliarden Menschen sein. Die Veränderung des Klimas, das Bevölkerungswachstum und der steigende Konsum in Ländern wie China und Indien steigern den Wasserverbrauch ganz enorm. Große Wasserknappheit herrscht im Nahen Osten, aber auch an der Westküste der Vereinigten Staaten von Amerika und in Teilen Afrikas, Chinas und Indiens. Es ist daher ganz besonders wichtig, das Wasser, unseren reichen Schatz, bestmöglich zu schützen.

Unser Nachbarland Slowenien hat den Zugang zu sauberem Trinkwasser als Grund­recht in die Verfassung aufgenommen. Das soll Privatisierungen verhindern und die Wasserressourcen des Landes schützen. Weltweit ist das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser derzeit in der Verfassung von nur 15 Staaten festgeschrieben. Die Vereinten Nationen erkennen das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser seit 2010 als Menschrecht an. Die Resolution ist jedoch nicht rechtlich bindend.

Auf EU-Ebene gibt es nach wie vor keine verbindliche Regelung zur Privatisierung der Wasserversorgung. Jeder Mitgliedstaat kann selbst entscheiden, ob er die Versorgung in öffentliche oder in private Hände legt. Das Geschäft mit dem Wasser, Wasserraub durch Privatisierung, der Zugriff auf die Quellen – das sind Gefahren beziehungsweise die Interessen von Großkonzernen wie Nestlé, die den Menschen das Wasser abgraben, es in Flaschen füllen und dann viel zu teuer verkaufen. Das ist eine sehr gefährliche Form der Kommerzialisierung.

Große Teile der ober- und unterirdischen Wasserreserven der Welt werden inzwischen von privaten, meist sehr mächtigen Akteuren kontrolliert. Die Kontrolle erlangen sie über großflächige Landkäufe. Mit dem Anstieg der Nahrungsmittelpreise und der Krise der Finanzmärkte wurde überall auf der Welt in den letzten Jahren massiv in landwirtschaftlich-industriell nutzbare Flächen investiert. Das entscheidende Kriterium ist dabei die ganzjährige Verfügbarkeit von Wasser.

Da sich grundwasserführende Schichten und die Einzugsgebiete von Oberflächen­gewässern weit über die erworbenen Ländereien hinaus erstrecken, gehen die Aus­wir­kungen des sogenannten Land Grabbing auch weit über diese Ländereien hinaus. In der Regel gelten in solchen Regionen traditionelle und komplexe gesellschaftliche Ver­einbarungen über die gemeinsame Nutzung von Wasser. Überall in den von Was­serknappheit betroffenen Gebieten der Welt gibt es Beispiele für nachhaltige, gemein­schaftliche Nutzungsmodelle, die verschiedenste lokale und regionale Bevölkerungs­gruppen einschließen und sowohl die räumliche und zeitliche Verfügbarkeit für die Menschen als auch ökologische Bedingungen berücksichtigen. Durch Privatisierung und Kommerzialisierung gemeinschaftlicher Wasserressourcen erhöht sich nicht nur die Gefahr ihrer Erschöpfung und Verschmutzung, immer wird auch der Zugang für die vorherigen NutzerInnen beschränkt.

Dies gilt nicht nur für ländliche Gebiete, sondern es ist auch bei der Privatisierungs­welle städtischer Wasserversorgung in den letzten Jahrzehnten festzustellen. Beson-


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 31

ders betroffen sind davon Menschen in den ärmeren Regionen der Welt. Die Existenz von Milliarden kleinbäuerlicher Familien und armer Stadtbewohner und Stadtbewoh­nerinnen in den Ländern des Südens hängt vom Zugang zu sauberem Wasser ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird keinen Ausverkauf unseres wirklich wertvollen Wassers, unseres sogenannten flüssigen Goldes geben, es bleibt öffent­liches Eigentum und somit in der Hand der Österreicherinnen und Österreicher. Das ist ein großer und wichtiger Schritt für eine positive Zukunft unseres schönen Landes. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

9.49


Präsident Karl Bader: Frau Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ist als Nächste zu Wort gemeldet. Ich erteile es.


9.50.09

Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident, auch von uns herzliche Gratulation und viel Erfolg bei Ihren Vorhaben! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dass das Wasser die Grundlage allen Lebens ist, darüber dürften wir uns jetzt wirklich einig sein. Es ist beruhigend, parteienübergreifend Redebeiträge zu hören, die sich genau dafür stark machen. Dieser Beschluss ist natür­lich aus Sicht der Grünen ein wichtiger. Auch die Enquete hier im Bundesrat war zwecks Bewusstseinsbildung, die in der Bevölkerung bisher noch nicht so stark ausgeprägt ist, sicher ein Meilenstein der letzten Monate.

So stolz wir in Österreich auf unser Wasser sind, so weitreichend sind auf der anderen Seite die Gefahren, die genau das ins Wanken bringen. Global ist die Population von im Süßwasser lebenden Arten in weniger als 50 Jahren um 81 Prozent gesunken, um noch eine Zahl zu nennen, die einfach sichtbar macht, welchen gravierenden Gefahren wir sozusagen etwas entgegenhalten müssen. Gewässerlebensräume sind die am stärksten bedrohten Ökosysteme, auch das ist weitgehend bekannt. Um diese Lebens­räume auch in Zukunft zu sichern und das Artensterben aufzuhalten, gilt es, die Haupt­ursachen zu bekämpfen. Darauf möchte ich ein wenig näher eingehen, weil das bisher abseits der Beteuerungen untergegangen ist.

Wir wissen, dass in Österreich bereits der Grundsatz gilt, dass Grundwasser immer Trinkwasserqualität aufweisen soll, das heißt, nicht erst dieser Beschluss gibt diesbezüglich klare Kriterien vor, sondern dieser Grundsatz ist bereits geltend. Dabei ist auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie von enormer Wichtigkeit. Sie wurde heute noch nicht erwähnt, sie ist mir aber ganz, ganz wichtig. Einige von Ihnen haben es schon festgestellt: Die Auswirkungen davon, wie wir in Österreich mit Wasser um­gehen, machen nicht an den Grenzen halt, sondern das ist ein globales, ein euro­pä­isches Problem, und da haben wir es tatsächlich mit einer Bewegung zu tun, mit einem sehr stark ausgeprägten Lobbyismus, der genau diese Beteuerungen, die wir alle heute hier deponieren, gravierend konterkariert.

Das Eurobarometer aus dem Jahr 2017, also nicht mehr so aktuell, zeigt auch deutlich, dass 94 Prozent der EU-Bürger und -Bürgerinnen sagen, dass Umweltschutz für sie persönlich ein ganz, ganz wichtiges Thema ist, und, ja, sie sagen auch, dass die Kurz­sichtigkeit sowie die Profitinteressen einiger weniger nicht ausschlaggebend dafür sein dürfen, wie wir mit diesen Umweltinteressen umgehen. Dabei handelt es sich keines­falls um Zukunftsängste der Bevölkerung, sondern wir wissen, unser Wasser ist bereits jetzt in Gefahr. Österreichs Flüsse, Seen und das Grundwasser leiden immer stärker unter Verbauung und Ausbeutung. Und jetzt sollen auch noch – das haben wir aus­giebig im Bundesrat diskutiert – wichtige Umweltstandards abgebaut werden.


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Wie erwähnt wollen immer mehr EU-Länder und Wirtschaftslobbys die Wasser­rahmen­richtlinie in ihrem Sinne aufweichen. Dahin gehend gibt es von Österreich leider noch nicht diese Einstimmigkeit wie beim heutigen Beschluss. Da braucht es seitens Öster­reichs dringend eine klare Position. Österreich – das wissen Sie vielleicht – zählt näm­lich zu den säumigen Ländern und lässt dieses klare Bekenntnis zur Richtlinie nach wie vor vermissen.

Der ökologische Gewässerschutz ist statt mit den geplanten 150 Millionen Euro mit 0 Euro dotiert und mehr als 5 200 Wasserkraftwerke unterbrechen hierzulande die Ge­wässer und verwandeln lebendige Flüsse in ökologisch tote Stauseen. Es drohen noch weitere Übernutzungen der Grundwasserreserven, stärkere chemische Belastungen, etwa aufgrund von Pestiziden – auch das ist ein wichtiges Thema in Österreich –, und nach jahrzehntelangen Verzögerungen benötigt es Sanierungsmaßnahmen; auch darüber redet keine Partei im Nationalrat.

Wie groß der Schutzbedarf ist, zeigt auch ein alarmierender Bericht der EU-Um­welt­agentur. Demnach sind 60 Prozent der Gewässer in Europa in keinem guten Zustand und damit eben sanierungsbedürftig. In Österreich gelten nur 15 Prozent – das ist wahrlich nicht viel – aller Flüsse als ökologisch intakt und nur 40 Prozent sind in einem ausreichend guten Zustand. Das ist alles erforscht und das sollte uns zu denken geben, und zwar abseits – ich sage es wieder – jeglicher Beteuerung, die wir heute schon zu hören bekommen haben. Im Schnitt ist bereits jeder österreichische Fluss­kilometer durch ein Querbauwerk, eine Regulierung oder eine Restwasserstrecke unterbrochen. Insgesamt gibt es 33 000 solcher Barrieren in ganz Österreich, und davon sind nicht einmal Schutzgebiete ausgenommen, da gibt es keinerlei Tabus.

Ein Report des WWF hält auch fest, dass es diese massive Angriffswelle von Indus­trieverbänden auf den Gewässerschutz in der Europäischen Union gibt, und da zeigt sich auch ganz klar, wie sich die Agrar-, Wasserkraft- und Chemielobby im Zuge der laufenden sogenannten Fitnesschecks, die vorgesehen wären, weiterhin für eine Auf­weichung dieser Richtlinie einsetzt – und das alles unter dem Vorwand des Büro­kra­tieabbaus.

Genauso wie Dürre macht auch das Wasser, egal ob als knappes Gut oder in Form von Überschwemmungen, wie ich schon gesagt habe, nicht an den Grenzen halt. Einige von Ihnen sind bereits darauf eingegangen, wie die Situation beispielsweise in Indien ist. Ich kann es nur wiederholen: Bis zum Jahr 2030 – das ist nicht weit hin – werden in Indien 40 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Trinkwasser haben. Sie kennen vielleicht von Facebook oder aus Zeitungen die erschreckenden Bilder aus Indien von Flüssen voller Dreck und Schaum. Das sind die Kinder der Textilindustrie, von der wir in Europa aber genauso profitieren.

Um vor der eigenen Haustür zu kehren und nicht immer sozusagen nur Europa oder andere Länder in die Pflicht zu nehmen, ein aktuelles, konkretes Beispiel aus Österreich, aus dem Bezirk Neunkirchen – Sie haben vielleicht auch davon gelesen –: Es gibt einen massiven Wassereinbruch im Semmeringbasistunnel. Da gibt es Rück­halte und Absetzbecken, die seit Tagen übergehen, da gibt es milchig-weiß schäu­mendes Wasser in allen umliegenden Bächen, die Fischzuchtanlage in Göstritz musste geschlossen werden und im Auebach ist dem Vernehmen nach jedes Leben erloschen.

Das wirklich Erschreckende ist aber, dass man sich das Problem, das, was dort pas­siert ist, nicht ernsthaft ansieht, sondern dass die Tunnelbetreiber diese Auswirkungen auf ein Sommergewitter schieben. Es ist, wie gesagt, nicht nur eine Farce, sondern eigentlich erschreckend, dass diese Argumentation haltbar scheint, wobei wir aber wissen, dass dort jetzt das tierische Leben erloschen ist und man aber von einem Gewitter spricht. Genauso wurden alle Fischzuchtteiche geschlossen und die wenigen


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Fische, die gerettet werden konnten, sind mittlerweile auch tot. Die Folgen sind nicht absehbar. Das auf ein Gewitter zu schieben, ist wirklich erschreckend.

Alle, und damit komme ich schon zum Ende, die vor diesem Projekt gewarnt haben – das werden Sie vielleicht wissen –, sind im Vorfeld entweder nicht gehört oder ausgelacht worden. Das ist für mich genau der Kern der Debatte. Heute beteuern wir alle, wie wichtig der Schutz des Wassers ist, aber auf der anderen Seite werden die Umweltstandards in Österreich weiter ausgehöhlt, die Standortpolitik verunmöglicht Umweltverträglichkeitsprüfungen und es fehlt in Österreich an jeglichen Regeln für riesige Bauprojekte, die Effekte auf das Grundwasser haben. – Das wissen wir. Es gibt in Österreich wie gesagt keinen Klimacheck und die Anforderungen an die UVP werden runtergeschraubt.

Es ist egal, ob es sich um die dritte Piste, die Waldviertler Autobahn oder den Lobau­tunnel handelt: Wir wissen, welche Effekte diese Großprojekte auch auf das Grund­wasser haben werden, und diesbezüglich haben Sie trotz dieser Beteuerungen heute leider noch immer Scheuklappen auf. Ihre Beteuerungen, wiewohl zu Papier gebracht, bleiben weitgehend wirkungslos.

Für den Fall, dass Sie das wirklich ernst meinen, hätten wir Grüne ja viele Maßnahmen vorgeschlagen, die wichtig wären, zum Beispiel eine radikale Umlenkung der umwelt­schädigenden Subventionen. Das heißt: weg vom Sponsoring von großen umwelt­schädigenden Projekten hin zu Sanktionen gegen jene, die wirklich auch hier in Öster­reich Umweltverbrechen begehen.

In diesem Sinne meine ich: Statt etwas zu beteuern, wäre es wichtig, zu begreifen, dass es nur dann um Nachhaltigkeit gehen kann, wenn wir hier nicht kurzsichtig agieren.

Ein Satz noch in Richtung FPÖ: Ich glaube, diese Debatte ist in Österreich deshalb ins Rollen gekommen, da wir beim Ibizavideo alle hören konnten, dass unser ehemaliger Vizekanzler leider sogar bereit wäre, unser österreichisches Trinkwasser an russische Oligarchen zu verscherbeln. (Bundesrat Krusche: Das war jetzt das einzige Klischee, das noch gefehlt hat! – Zwischenruf der BundesrätInnen Mühlwerth und Steiner.) In diesem Sinne ist das heute ein wichtiger erster Schritt. – Danke. (Beifall des Bundes­rates Stögmüller. – Bundesrat Rösch: Bitte!)

10.01


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


10.01.46

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Alles Gute für die Präsidentschaft! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren zu Hause! Frau Kollegin Dziedzic, wenn man Ihnen zuhört, ist man natürlich geneigt, zu meinen, dass Sie schon voll im Wahlkampf sind; das ist einmal sicher. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Zweitens: Der Art und Weise, wie Sie sich jetzt hier präsentiert haben, glaube ich, entnehmen zu können, dass wir auf einer Insel der Grauslichkeiten leben. Nach dem, was Sie jetzt erzählt haben, ist ja alles schlecht in Österreich, was zu diesem Thema gemacht worden ist. Wir sind ein Tourismusmillionär: Zu uns kommen Touristen, weil sie bei uns sauberes Wasser, eine saubere Umwelt und alles noch in bester Ordnung vorfinden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Sie führen das unter anderem allen Ernstes darauf zurück, dass wir die Flüsse verbaut haben. – Ja, das haben wir! Wir haben aber dafür auch saubere Energie, wir haben


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keinen Atomstrom. Da in Bezug auf den Ökostrom einmal behauptet worden ist, dass die SPÖ diesen forciert: Wir haben dafür keinen Atomstrom! Wenn man Flüsse verbaut, wo dann halt Stauseen entstehen, dann ist es halt so, wie es ist, aber wir haben saubere Energie – das muss man einmal ganz klar und deutlich feststellen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe in diesem Haus bereits mehrmals die Gelegenheit gehabt, zum Thema Wasser und vor allem über die Versorgungssicherheit zu sprechen. Es kann in Bezug auf dieses Thema nicht oft genug gesagt werden – das ist heute, glaube ich, von jeder Rednerin und von jedem Redner betont worden –, wie wichtig es ist, für eine gerechte und sichere Trinkwasserversorgung zu sorgen und Wasser nicht zur freien Handelsware werden zu lassen.

Für die Wasserversorgung des Menschen in Haushalt, Industrie, Landwirtschaft und allem, was dazugehört, stehen als Süßwasser – das sollten wir uns vielleicht einmal vergegenwärtigen! – in Form von Seen, Flüssen und Grundwasser insgesamt nur 2,5 Prozent zur Verfügung. Dieses Süßwasser ist zudem noch zu 69 Prozent in den Eiskappen der Pole gebunden, zu 30 Prozent als Grundwasser unter der Erdober­fläche und nur zu 0,3 Prozent als Oberflächengewässer vorhanden. Wasser kann zwar sozusagen nicht verbraucht werden, ist aber auch nicht vermehrbar. Es gibt global gesehen einen immer gleich bleibenden Vorrat: Das, was verbraucht ist, kommt durch Niederschlag wieder zurück. Der Kreislauf stimmt.

Es ist heute schon mehrfach erwähnt worden, und wir sollten uns das vor Augen führen, wenn wir die Zukunft betrachten: Der Wasserbedarf der Menschen ist in den letzten 300 Jahren um das 35-Fache gestiegen. Damals hatten wir eine Milliarde Einwohner, jetzt sind es an die 7,6 Milliarden plus 80 Millionen pro Jahr, und wir wissen, dass weltweit etwa 30 Länder unter Wassermangel leiden; in Zukunft werden noch etwa 40 Länder dazukommen.

Um das festzuhalten: Wasser wird als Ressource immer kostbarer und für viele immer weniger verfügbar. Es ist also kein Wunder, wenn Wasser auch zum weltweiten Spekulationsobjekt wird, mit welchem sich Konzerne große Gewinne erhoffen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, das an dieser Stelle auch sagen zu können: Es wird um Wasser auf dieser Welt noch Kriege geben. Vielleicht erleben wir das selbst nicht mehr; wenn wir uns aber die Zahlen für die Zukunft anschauen, dann sehen wir, dass das in diese Richtung führen wird. Das wird auch Flüchtlingsströme von Men­schen auslösen, die Wasser suchen, weil sie kein Wasser beziehungsweise zumindest kein sauberes Wasser mehr finden.

Die Frau Bundesministerin für Bildung ist heute bei uns. – Wir haben zum Beispiel im Nationalpark Hohe Tauern eine Wasserschule, wo wir mit Swarovski gemeinsam österreichweit und weltweit versuchen, Kinder vom Kindergarten- bis zum Schulalter mit dem Thema Wasser in Berührung zu bringen, damit sie sehen, dass diese Res­source sehr wertvoll ist. Diese Schule läuft seit über 20 Jahren und deren Bekanntheit reicht zum Beispiel bis nach China. (Beifalll bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Meine Damen und Herren! Wenn man sich anschaut, was Großbritannien, Frankreich und Deutschland im Bereich der Trinkwasserversorgung schon an Schlechtem ge­macht haben, sodass die Bevölkerung darunter leidet, weil etwa Quellen verkauft worden sind, dann kann man nur sagen: Das ist keine verantwortungsvolle Politik!

Es sind ja auch viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei uns hier im Bundesrat, und diese wissen am besten, wie die österreichische Wasserversorgung bei ihnen zu Hause gehandhabt wird: Diese wird durch Versorgungsunternehmen sichergestellt. Es


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handelt sich dabei um 1 900 kommunale Anlagen, 165 Wasserverbände und zahl­reiche kleine Wassergenossenschaften. Unsere Gemeinde Mallnitz, eine Nationalparkge­meinde, befindet sich in einem privaten nachbarschaftlichen Wasserverband, der ge­rade in den letzten Jahren wieder Millionen investiert hat, damit wir sauberes Wasser bekommen.

Ich stelle, um noch einmal zum Anfang zurückzukommen, fest: Wir können vor die Haustür gehen und, wenn wir wandern gehen, die Hände in ein Bacherl strecken und das Wasser trinken. Das ist wirklich ein herausragendes Phänomen, und die Men­schen und die Besucher aus anderen Herkunftsländern wissen, was sie daran haben.

Ich habe mir das noch einmal angeschaut: Bei uns in Mallnitz kostet der Kubikmeter Wasser einen Euro. Wissen Sie, was der Kubikmeter in Kopenhagen kostet? – 6,79 Euro! Es ist also eigentlich unvorstellbar, wie breit gefächert das Preisspektrum ist.

Ich möchte jetzt zum Schluss als Kollege aus Kärnten noch einmal Danke an Ingo Appé sagen: Auch von Kärnten ist der Gedanke ausgegangen, dieses Thema bis in die Verfassung zu bringen. Hier im Bundesrat wurde eine diesbezügliche Enquete abgehalten, wodurch Dinge, die schon gesagt wurden, natürlich verstärkt und in die richtige Richtung gebracht worden sind: Wir gemeinsam, Bund, Länder und Gemeinden, tragen die Verantwortung für die Wasserversorgung, und heute leisten wir hier unseren Beitrag, die Wasserversorgung in der Verfassung zu verankern.

Ich danke allen, die mit dabei sind, und all jenen, die zu Hause zuschauen. Gehen wir mit der Ressource Wasser für die Zukunft wirklich sorgsam um, damit sie unserer Nachwelt auch noch erhalten bleibt! (Beifalll bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

10.09

10.09.16


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfas­sungs­ge­setz und bedarf daher der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindes­tens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und der Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Einstimmigkeit.


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Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehrheit fest.

10.10.572. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Rechtsbereini­gungs­novelle 2019) (887/A sowie 10216/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Somit kommen wir zu Punkt 2 der Tagesordnung.

Berichterstatter zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.

10.11.19


Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Umwelt­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird.

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Beschluss in seiner Sitzung am 9. Juli 2019 in Verhandlung genommen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich bereits zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. Ich er­teile ihr dieses.


10.12.13

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Zunächst einmal: Es ist schön, dich heute erstmals so anzu­sprechen. Für mich als Niederösterreicherin ist es natürlich besonders schön, unter niederösterreichischem Vorsitz sprechen zu dürfen. Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Ich bin im Betrieb meiner Eltern aufgewachsen, einem Ent­sor­gungsunternehmen, in dem schon sehr früh eine Sortieranlage zum Einsatz gekom­men ist. Verpackungsmüll wurde händisch noch einmal sortiert, nach Wertstoffen ge­trennt und somit dem weiteren Recycling zugeführt. Für mich als Kind hatte das naturgemäß eine gewisse Faszination. Es hat mich allerdings damals schon ver­wundert, was alles in den Müll kommt, und ich war vor allem erstaunt, dass teilweise völlig neue Dinge unverbraucht beziehungsweise ungeöffnet weggeschmissen werden.

An etwas kann ich mich auch noch genau erinnern: Der größte Container war am Ende immer der für den Plastikmüll, für die Verpackungen. Daran hat sich bis heute leider nichts geändert. Seit den Neunzigerjahren ist die Menge an Verpackungen von 180 000 Tonnen auf heute knapp 300 000 Tonnen jährlich gestiegen. Insgesamt fallen in Österreich pro Jahr rund 900 000 Tonnen Plastikmüll an.


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Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass wir uns heute bei der Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes schwerpunktmäßig mit zwei Dingen beschäftigen: Erstens geht es um eine Rechtsbereinigung. Es geht darum, Bürokratie wegzunehmen, wo sie nicht gebraucht wird, ohne dabei – und das ist ganz wichtig – die hohen österreichi­schen Standards der Abfallwirtschaft zu gefährden. An oberster Stelle steht dabei immer die Abfallvermeidung, und zwar ganz gemäß dem Grundsatz: Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht.

Damit sind wir schon beim zweiten Teilbereich dieser Novelle, besser bekannt als das Plastiksackerlverbot: Ab dem 1. Jänner 2020 dürfen keine Kunststofftragetaschen mehr in Verkehr gebracht werden. Ausgenommen sind robuste, wiederverwertbare Taschen sowie die ultradünnen Plastiksackerln, die wir alle besser als Knotenbeutel aus den Supermärkten kennen. Diese müssen dann überwiegend aus nachwachsenden Roh­stoffen hergestellt werden und für die Heimkompostierung, also für den Kompost­haufen daheim, geeignet sein. 400 Millionen solcher Einwegplastiksackerln sind derzeit jährlich im Umlauf. Wir vermeiden also allein mit dieser einfachen Maßnahme in Öster­reich künftig 7 000 Tonnen Plastikmüll pro Jahr.

Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei der vorangegangenen Bundes­regierung, bei unserer Nachhaltigkeitsministerin Elli Köstinger bedanken, die diese Gesetzesinitiative noch auf den Weg gebracht hat, und ich möchte den Kolleginnen und Kollegen aus dem Nationalrat, die dieses Gesetz mit einer sehr, sehr breiten Mehrheit beschlossen haben, Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte jetzt an Sie appellieren, dass auch wir hier im Bundesrat das tun und damit einen ersten wichtigen Schritt setzen. Ich denke nämlich, uns allen ist klar, dass wir hier von einem dringend notwendigen ersten Schritt reden – weg von Einwegprodukten hin zu einer echten, funktionierenden Kreislaufwirtschaft, weg von der Wegwerf­gesell­schaft hin zu einem sorgsamen Umgang mit unseren Ressourcen und mit unserer Umwelt.

Dabei muss ein Punkt ganz klar sein: Plastik ist nicht gleich Plastik. Kunststoffe finden sich in allen Lebensbereichen wieder, und aufgrund ihrer besonderen technischen und chemischen Eigenschaften werden sie auch zukünftig nicht aus unserem Leben wegzudenken sein. Das Problem beginnt aber dann, wenn wir einen Stoff, der eigentlich dafür ausgelegt ist, 200 Jahre zu halten, wie etwa Einwegplastik, maximal 20 Minuten benutzen. Damit sorgen wir nämlich für steigende Müllmengen, die nicht rezyklierbar sind und die, wenn sie nicht richtig entsorgt werden, in unsere Umwelt, in unsere Meere gelangen. Beispielsweise gelangen bei Mikroplastik kleine Mikropartikel ungefiltert in unsere Umwelt und werden so zu einer echten Gefahr.

In diesem Zusammenhang hat es zuletzt auch auf europäischer Ebene unter öster­reichischem Ratsvorsitz Vorstöße gegeben, und auf solche Vorstöße müssen wir auch in Zukunft bauen. Wir in Österreich müssen Vorreiter sein und im Umwelt- und Klima­schutz ganz konsequent weiter vorangehen, indem wir beispielsweise Klimaschutz als Staatsziel in der Verfassung verankern, indem wir auf erneuerbare Energien setzen und wirklich 100 Prozent erneuerbare Energie nutzen, wie wir es in Niederösterreich tun, und indem wir Österreich CO2-neutral machen.

All das geht nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung und dann, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Die gute Nachricht dabei ist – wir haben es heute schon gehört ‑, dass das Bewusstsein für Klimaschutz in der Bevölkerung noch nie so groß wie heute war. Die schlechte Nachricht: Vom Wissen bis zur tatsächlichen Verhaltensänderung ist es oft noch ein langer Weg. Umso mehr sind wir vonseiten der Politik gefordert, einen echten Veränderungsprozess einzuläuten, Innovationen zu fördern, Nutzen zu


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stiften und Klimaschutz einfach und zu etwas Alltäglichem zu machen. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Als Beispiel, wie es uns gelingen kann, effektiv Plastik zu vermeiden, möchte ich die Sauberhaften Feste aus Niederösterreich erwähnen. Es handelt sich dabei um eine Initiative der niederösterreichischen Umweltverbände und des Landes Niederöster­reich. Über 500 Vereine und Dörfer haben ihre Feste allein im vergangenen Jahr als Sauberhafte Feste gefeiert: Sie haben Mehrweggeschirr eingesetzt, sie haben den angefallenen Müll richtig sortiert, und es ist damit gelungen, die Abfallmenge um das Achtzigfache zu verringern. In den letzten Jahren wurden damit 17 Millionen Plastik­becher alleine in Niederösterreich eingespart. – Ein großes Danke an alle, die mit­machen, die sich für die Umwelt engagieren und die vor allem den Umwelt- und Klima­schutz auf diese Weise vor die Haustüre der Menschen bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum Abschluss: Die heutige AWG-Novelle ist eine echte Chance, einen ersten Schritt zu setzen und so den Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu ebnen. Ich lade alle ein, diesen Weg mitzugehen, heute Politik für morgen zu machen und nicht zu ver­gessen: Mehrweg ist immer noch der beste Weg. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.19


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile ihm dieses.


10.19.53

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Galerie und liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Geschätzte Kollegin, etwas verwundert mich die Aussage, dass es eine gemeinsame Kraftanstrengung braucht, um die herausfordernden Klimaziele zu erreichen. Da gebe ich Ihnen recht, aber dann wundert mich, dass die ÖVP noch vor zwei Tagen im Aus­schuss gegen das Aus von Tempo 140 auf unseren Autobahnen und auch gegen ein gratis Öffiticket für Jugendliche und Studierende in Österreich war. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt aber zum eigentlichen Thema: Ja, Nachrichten über irrsinnige Mengen an Plastik­müll in den Weltmeeren, wissenschaftliche Berichte über Mikroplastik auf Glet­schern, ja sogar in Tieren und Lebensmitteln, und auch zig Tonnen an Kunststoffabfall in der österreichischen Abfallwirtschaft zeichnen eigentlich ein sehr tristes Bild der umwelt­belastenden Auswirkungen von Plastikabfällen auf unserem Planeten. Umwelt­belas­tung, das muss uns bewusst sein, heißt letztendlich auch Gesundheitsbelastung. Spät, aber hoffentlich noch nicht zu spät werden jetzt auf EU-Ebene und auch in Öster­reich erste Maßnahmen gesetzt und eingeleitet.

Mit der gegenständlichen Gesetzesnovelle des AWG wird ab dem 1.1.2020 ein Ein­wegplastiksackerlverbot verordnet. Das ist gut, dem wird die SPÖ natürlich zustimmen. Das ist aber noch nicht genug, und ich sage Ihnen auch, warum: weil es sich bei den Plastiksackerln, die rund 2 Prozent des Kunststoffabfalls ausmachen, nur um die Spitze des Eis- oder besser gesagt des Müllbergs handelt. Deshalb ist diese Maß­nahme leider kein großer Wurf, sondern lediglich ein erster bescheidener Schritt. Wenn sich die vormalige Umweltministerin Köstinger damit rühmlich schmückte, so war das eigentlich völlig unangebracht, ja nahezu grotesk. (Ruf bei der ÖVP: Also bitte!)

Das Plastiksackerlverbot geht, wie erwähnt, eben nicht weit genug; vielmehr müssen wir dem exorbitant ausgelebten Verpackungswahn einen Riegel vorschieben. Wenn heute eine Süßigkeit, ein Keks etwa, bis zu drei-, ja sogar viermal verpackt ist, dann sind eigentlich in der Verpackungsindustrie die Hebel anzusetzen. Wird neben dem


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Plastiksackerlverbot nämlich keine generelle Reduktion von Plastikverpackungen ge­setzlich normiert, besteht die begründete Gefahr, dass als Konsequenz noch mehr in Plastik eingeschweißte Produkte ihren Weg in die Supermarktregale finden und am Ende noch mehr Müll auf unseren Straßen und in unseren Sammelstellen landet.

Ich will damit einfach nur sagen, dass wir noch viel stärker und konsequenter auf Müll­vermeidung setzen müssen. Das ist ein Gebot der Stunde, um nicht zu sagen: Das wäre schon ein Gebot der Vergangenheit gewesen. Dieser Gesetzesantrag enthält leider kein allgemeines Reduktionsziel für Plastikverpackungen, deshalb hat die SPÖ im Nationalrat einen eigenen Abänderungsantrag eingebracht. Dieser sieht eine Reduktion von Plastikabfällen um 25 Prozent, also um ein Viertel, bis zum Jahr 2025 vor. Leider haben ÖVP und FPÖ diesen Antrag abgelehnt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ, ich werfe Ihnen heute nicht vor, dass sich die Ablehnung unseres Antrages auf eine Fehleinschätzung oder auf innere Überzeugung gründet; das glaube ich nicht. Vielmehr glaube ich aber, dass diese Haltung dem politischen Kniefall vor den Großkonzernen und der Verpackungs­industrie geschuldet ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, Umweltpolitik ist Gesundheits-, Sozial- und auch Klimapolitik. Viele Ampeln stehen in diesen Bereichen eigentlich auf Rot. Es bedarf einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung, die vorgegebenen Klimaziele zu erreichen. Seien wir ehrlich: Das wird eine Menge Geld kosten, viel mehr wird es uns aber kosten, wenn wir diese Klimaziele nicht erreichen und Strafzahlungen in Milliardenhöhe dro­hen.

Wir werden, wie erwähnt, diese Gesetzesänderung mitbeschließen, gleichzeitig aber im Sinne eines gebotenen Nachhaltigkeitsdenkens für die Zukunft weiter konsequen­tere und mutigere Umweltschutz- und Klimaschutzmaßnahmen einfordern. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.25


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. Ich erteile ihm dieses.


10.25.34

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuhörer! In diesem Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird, wer­den entsprechende Ziele zur Vermeidung von Plastikabfällen und Einwegplastik­pro­dukten gesetzt. Eine wichtige Maßnahme daraus ist das Verbot von Einwegkunststoff­tragetaschen, im Volksmund auch Plastiksackerl genannt. 76 solcher Plastiksackerl verbrauchen Herr und Frau Österreicher im Durchschnitt pro Jahr. Auch Einweg­plastik­artikel wie zum Beispiel Trinkhalme aus Plastik, Wattestäbchen, Plastikbecher und Plastikteller sollen bald der Vergangenheit angehören. Damit können wir in Österreich bis zu 7 000 Tonnen Plastikmüll einsparen.

Plastik muss man aber auch zu einem gewissen Teil als Rohstoff sehen; diesbezüglich ist es wichtig, dass wir Plastik in einer Kreislaufwirtschaft wieder in das System einbrin­gen. Anzudenken wäre auch ein Pfandsystem wie in Deutschland, wo Plastikflaschen zurückgegeben und über ein Pfandsystem wieder in die Kreislaufwirtschaft eingebracht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verschmutzung mit Plastik ist zu einem globalen Umweltproblem geworden: im ewigen Eis, im Essen, im Körper – Plastik ist überall. Seit seiner Erfindung hat Plastik jede Ritze unserer Erde erreicht, es treibt in riesigen Müllteppichen auf unseren Meeren, ist bis in die Antarktis vorgedrungen und


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lässt sich in Form von kleinsten Mikroplastikteilen in unserem Essen und in unseren Körpern nachweisen. In einem Artikel in der Fachzeitschrift „Forum Nachhaltig Wirt­schaften“ ist zu lesen: „Jede Minute gelangt eine LKW-Ladung an Kunststoffen in unsere Ozeane. Das sind 1.440 Müllwägen pro Tag und insgesamt 8 Milliarden Kilo Kunststoffabfälle pro Jahr.“

Die Europäische Union und deren Mitgliedstaaten wollen mit verschiedenen Maß­nahmen dem Plastikwahnsinn den Kampf ansagen, in anderen Ländern ist das schon viel früher passiert. In Ruanda zum Beispiel ist es seit 2008 verboten, Plastiksackerl zu importieren, zu produzieren, zu verkaufen oder einfach nur zu besitzen, und dieses Gesetz setzt die Regierung rigoros durch. Jeder Mensch in Ruanda kennt heute dieses Verbot, Kinder lernen bereits in der Schule, dass es mehrere Hundert Jahre dauert, bis ein Plastiksackerl verrottet. Radio und Fernsehen verbreiten Umweltschutzparolen, und die Umweltbehörde Rema ruft dazu auf, gesetzeswidriges Verhalten zu melden. All das ist Teil der nationalen Strategie. Einmal im Monat ist die Bevölkerung aufgerufen, im ganzen Land sauber zu machen und aufzuräumen, jeden noch so kleinen Fetzen Papier aufzusammeln, Straßen auszubessern oder Bäume zu pflanzen. Heute gilt die­ser Staat als der sauberste Afrikas, Plastiksackerl sind aus dem Alltag Ruandas ver­schwunden.

Zurück nach Österreich: Meine Damen und Herren, wenn man sich die Müllberge zum Beispiel nach einer Veranstaltung wie dem Nova Rock ansieht, oder wenn ich bei meinen Trainingseinheiten permanent an achtlos aus dem Auto geworfenen Dosen und Flaschen vorbeilaufe, die ich übrigens ab und zu einsammle, weil es mich fürchterlich ärgert, wenn so schlecht mit der Umwelt umgegangen wird, dann frage ich mich schon: Bitte, wer ist da das Entwicklungsland? (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich werde auch nicht müde, auf meiner Facebook-Seite solche Sachen zu posten. Das tue ich nicht deshalb, weil ich mich wichtigmachen möchte, sondern weil ich auf dieses Problem hinweisen möchte, damit die Bevölkerung sieht, wie achtlos wir mit unserer Mutter Natur umgehen. Das ist meines Erachtens ein Wahnsinn. (Beifall bei der FPÖ.)

Es muss auch ein generelles Umdenken in der Bevölkerung geben, und wir müssen uns endlich auch von einer gewissen vorhandenen, ich nenne es einmal Doppelmoral verabschieden, denn es kann nicht sein, dass auf der einen Seite zwar lobens­werter­weise gegen den fortschreitenden Klimawandel auf die Straße gegangen wird, diese dann aber so verlassen wird, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Das kann es auch nicht sein.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das Plastiksackerlverbot ist ein wichtiger und richtiger Schritt in Richtung mehr Umweltschutz in Österreich, ein Signal gegen die Wegwerfgesellschaft und hoffentlich der Anfang vom Ende des Plastikwahnsinns. – Danke schön. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.29


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. Ich erteile ihr dieses.


10.30.16

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Werte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geehrte Zuseher und Zuseherinnen auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Die vorliegende Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz ist als Plastiksackerlverbot in aller Munde.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 41

Ich möchte zuerst auf einige Aspekte eingehen, mit dieser Novelle wird nämlich eine umfassende Rechtsbereinigung durchgeführt. Es ist zum Beispiel für einen Tischler oder Gärtner äußerst umständlich, wenn er Möbel einbaut oder Sträucher schneidet, dass er dann die Altmöbel oder den Strauchschnitt nicht mitnehmen darf, weil er keine Genehmigung als Abfallsammler hat. Es müsste da ausreichen, wenn fachgerecht mit einem Nachweis entsorgt wird.

Diese Entrümpelung des Abfallrechts ist längst überfällig. Außerdem sind wir im Abfall­recht mittlerweile im Zeitalter der Digitalisierung angekommen. Die Deklarationen in den Begleitscheinen erfolgen nun im Wege eines elektronischen Registers. Das er­leichtert den Unternehmen die Dokumentation und den Behörden die Kontrolle. Ebenso ist die Zusammenfassung der Abfallarten ähnlicher Eigenschaften in einem Abfallartenpool eine Hilfestellung für die Behörden bei der Beurteilung von Maß­nahmen einer sicheren Behandlung.

Diese Ergebnisse im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung und Entbürokratisierung sind sehr zu begrüßen. Ich bedanke mich bei der Vorgängerregierung, die hierzu bereits vor einem Jahr eine Expertengruppe eingesetzt hat. Wie die jetzige Bundes­ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing.in Maria Patek bestätigt, sind die umfassenden Konsultationen und Stellungnahmen aus diesem Begutachtungs­ver­fah­ren bestmöglich eingearbeitet.

An dieser Stelle möchte ich zum Antrag der SPÖ im Nationalrat festhalten, dass sich eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus intensiv mit einer weiteren Reduktion von Plastikverpackungen befasst. Hierzu sollen Ende des Jahres Ergebnisse vorliegen, wie dies sinnvoll umgesetzt werden kann. Ich möchte darauf hinweisen, dass unter der österreichischen Ratspräsidentschaft die EU-Rah­menrichtlinie erarbeitet worden ist, mit der in Zukunft bald weitere Einwegplastikartikel wie Wattestäbchen oder Plastikgeschirr der Vergangenheit angehören.

Wir beginnen nun mit dem ersten Schritt zur Vermeidung von Plastikverpackungen. Ich bedanke mich bei Elli Köstinger und den MitarbeiterInnen ihres Ressorts für die enga­gierte und fundierte Ausformulierung dieser Novelle. Mit dem heutigen Beschluss, Wegwerfplastiksackerl ab 2020 zu verbieten, zählen wir europaweit zu den Vorreitern. Wir gehen ein Stück weiter in Richtung Kreislaufwirtschaft.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Österreich bitte ich Sie, diesen Antrag zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.33

10.33.51


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

10.34.223. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (18/A sowie 10191/BR d.B. und 10200/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 42

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. – Ich bitte um den Bericht.


10.34.44

Berichterstatter Thomas Schererbauer: Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft vom 9.7.2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile ihm dieses.


10.35.25

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Her­ren! Wir diskutieren das Pflanzenschutzmittelgesetz und dessen Änderung. Der Titel ist sehr harmlos. Dahinter steckt eine sehr emotionale Debatte. Es ist dies der Antrag auf ein Totalverbot von Glyphosat in Österreich – ein Thema, das sehr öffentlichkeits­wirk­sam ist, ein Thema, das sehr populistisch, aber auch sehr losgelöst von Zahlen und Fakten diskutiert wird, und ein Thema, das von den NGOs auch sehr stark getrieben wird.

Vielleicht zu den Zahlen und Fakten: Glyphosat ist ein Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Phosphate, nicht-selektiv, das heißt, es trennt nicht zwischen ein- und zweikeimblättrigen Pflanzen, sondern alle Pflanzen, die mit diesem Mittel in Berührung kommen, sterben ab. Das heißt, es ist im Vergleich zu anderen Herbiziden mit einer geringen Mobilität behaftet, von kurzer Lebensdauer und auch von niedrigerer Toxi­zität. Das können Sie bei Wikipedia nachlesen. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, Wiki­pedia - -! – Bundesrat Krusche: Das ist keine wissenschaftliche Quelle!)

In Österreich wird Glyphosat nicht auf Pflanzen ausgebracht, die der Nahrungsmittel­pro­duktion dienen. Das ist in Österreich nicht vorgesehen und auch nicht erlaubt. Die Landwirtschaft verwendet es zum Schutz vor Abschwemmung, vor Bodenerosion, um Böden zu stabilisieren und den Pflanzenbewuchs dort zu erhalten, um letztlich die Be­arbeitung der Böden zu reduzieren und damit auch den Humusaufbau zu verbessern.

Seit 2015 gibt es eine verschärfte Diskussion. Diese gibt es deswegen, weil die Inter­nationale Agentur für Krebsforschung publiziert hat, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist. Wahrscheinlich krebserregend ist eine Kategorie, in die auch diese Wurst fällt (eine Hartwurst in die Höhe haltend), die ist auch wahrscheinlich krebs­erregend, und Fleisch ist auch wahrscheinlich krebserregend. Da gibt es sehr, sehr viele Stoffe und eine lange Liste. (Bundesrätin Mühlwerth: Das Schnitzel! – Heiterkeit bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die Weltgesundheitsorganisation, die U.S. EPA, die Health Canada und die Europäische Chemikalienagentur haben (Bundesrat Stögmüller: ... Lobby!) – ja, ja – diesen Stoff als nicht krebserregend defi­niert. – So viel zu den Zahlen und Fakten.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 43

Die Österreichische Volkspartei hat deswegen auch einen Antrag gestellt, um einen Beitrag zur Reduktion dahin gehend zu leisten, dass Glyphosat im privaten Bereich, im Haushalt, in Gärten, auf Kinderspielplätzen, in öffentlichen Parks, in sensiblen Bereichen nicht angewendet werden soll. In der Landwirtschaft wird es von Bauern und Men­schen, die auch dafür ausgebildet wurden, angewendet.

Es gab dazu auch eine entsprechende Machbarkeitsstudie. Diese Studie wurde vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und von den österreichischen Bundesländern bei der Universität für Bodenkultur und der Agentur für Ernährungs­sicherheit in Auftrag gegeben, den beiden bedeutenden Institutionen, die sich mit die­sem Thema beschäftigen. Ich glaube, wir können diesen Institutionen auch trauen. Das Ergebnis dieser Machbarkeitsstudie betreffend Ausstieg aus Glyphosat, nämlich wie man aus der Anwendung von Glyphosat aussteigen kann, hat gezeigt, dass dieser Ausstieg zum einen unionsrechtswidrig ist, also auf rechtlicher Basis mit dem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar ist, dass es kein erhöhtes Risiko im Zusam­menhang mit diesem Wirkstoff im Vergleich zu anderen Herbiziden gibt, dass dieses nicht abgeleitet werden kann, dass damit auch keine Gefahr für die menschliche Ge­sundheit davon ausgeht, dass vieles beprobt wurde, dass 92 Prozent der Proben keine Rückstände aufgewiesen haben, und dass es auch keine Belege dafür gibt, dass Glyphosat die Artenvielfalt reduziert.

Es ist für uns als Österreichische Volkspartei enttäuschend, dass hier eben nicht fak­tenbasiert diskutiert wird – emotionale Diskussionen sind gut, aber irgendwann sollte man sich von der Emotion wieder zu den Fakten bewegen –, dass der Initiativantrag, den die Volkspartei eingebracht hat, keine Mehrheit findet. Der, den wir jetzt disku­tieren, findet eine, und es enttäuscht mich, dass dieser populistische Antrag gegen Berufskollegen innerhalb der Landwirtschaft seitens der Freiheitlichen Partei mitge­tragen wird.

Dass die SPÖ den Antrag eingebracht hat und unterstützt, verstehe ich, weil es auch ein Antrag gegen die österreichische Landwirtschaft ist. (Bundesrätin Schumann: Nein! Nein! – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Und da sind wir momentan sehr gut unterwegs, Frau Fraktionsvorsitzende: gentechnikfrei – ein Antrag der sozi­alistischen Fraktion –, Tiertransport – ein Antrag der sozialistischen Fraktion –, Tier­wohl – ein Antrag der sozialdemokratischen – weil Sie das so gerne hören – Fraktion. Das sind durchaus Anträge, die gegen eine Berufsgruppe, gegen eine Klientel gehen, und damit machen Sie negative Klientelpolitik. Das möchte ich hier auch gesagt haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wir haben eine sehr spannende Diskussion im Ausschuss geführt – (in Richtung Bun­desrat Schabhüttl) der Kollege lächelt schon –, und bei dieser Diskussion ist auch klar geworden, wie weit manchmal die fachlichen Kompetenzen reichen. Der Kollege im Nationalrat, Kollege Preiner, der auch Mitglied des Bundesrates war, hat in seiner Rede im Nationalrat gesagt: „Es gibt Alternativen in der Anwendung“ von Glyphosat, „nämlich im Bereich der mechanischen Anwendung, auch im Bereich der thermischen Anwendung, aber auch im Bereich der biologischen Möglichkeiten, Mittel, die biolo­gisch abbaubar sind und genau dieselben Wirkungen haben wie Glyphosat, aber mit dem Unterschied, dass sie nicht giftig sind, weder für Menschen noch für Tiere.“ – Ich bin seit 20 Jahren Biobauer und habe noch kein einziges solches Herbizid gefunden, das auf dem Markt wäre, und Kollege Preiner kann auch keines nennen. Das wäre so ähnlich, als würde ich wissen, dass es ein tolles Mittel gegen Krebs gibt, aber nicht sage, wie es heißt.

Ich hätte von Herrn Preiner gerne gewusst, wie das Mittel heißt, das biologisch abbau­bar ist – Name, Wirkstoff, alles das. (Bundesrat Schabhüttl: Ich habe seine Nummer, falls du sie brauchst!) Ja, da haben wir schon ganz lustige Diskussionen in dem Sinn


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geführt. (Bundesrätin Schumann: Nein, nicht lustig!) Kollege Novak hat mir erklärt, dass er Fotos kennt, wonach Pflanzen, die mit Glyphosat behandelt wurden, doppelt so hoch sind wie Pflanzen, die nicht mit Glyphosat behandelt worden sind. – Das kann ich mir bei einem Totalherbizid nicht vorstellen, das funktioniert so nicht. Darum bitte ich eben darum, die Diskussion fachlicher zu führen.

Kollege Schabhüttl, du hast, nachdem der Experte die Auskunft nicht so erteilt hat, wie du sie dir gewünscht hast, noch den Experten im Ausschuss attackiert. Ich glaube, das ist nicht so wirklich gut. Du wirst jetzt aber herauskommen und mir den Unterschied zwischen einem Herbizid und einem Pestizid erklären, und dann haben wir deine fachliche Kompetenz. (Bundesrätin Mühlwerth: Kollege Schabhüttl kennt sich auch aus!)

Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, diesen Beschluss an den Nationalrat zurückzu­ver­weisen, damit man darüber nachdenkt, ob es nicht bessere und vernünftigere Lösungen gäbe. – In diesem Sinne danke ich. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Nicht vergessen: Würstel mitnehmen!)

10.44


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. Ich erteile es ihm.


10.44.13

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Liebe Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Kollege Preineder hat ja seine Märchenstunde jetzt schon gehabt (Bundesrat Froschauer: He!), die Zahlen und Fakten von Wikipedia und offensichtlich aus dem Bauernbundjournal abgelesen (Bundesrätin Zwazl: Was ist das für eine Art?!), und schlussendlich fehlte noch irgendwo das Zitat: Bei meiner Ehr!

Ich will aber einen sachlichen Beitrag liefern. (Bundesrat Köck: Das wäre der erste von dir!) – Ja, und das horcht ihr euch dann an, denn das klingt ein bisschen anders als der Beitrag von Herrn Preineder.

Was ist Glyphosat? – Glyphosat ist das meisteingesetzte Pflanzengift der Welt, es ist ein Breitbandherbizid und tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie diesen Herbizideinsatz überlebt. Das Pestizid wirkt systemisch, das heißt, es wird über Blätter, über die Bestandteile der Pflanze, also auch über Samen und Wurzeln, aufgenommen, es lässt sich nicht abwaschen und weder durch Erhitzen noch durch Einfrieren abbauen, und die Rückstände halten sich bis zu einem Jahr lang.

Wo wird dieses Glyphosat eingesetzt? – Es wird natürlich weltweit eingesetzt: in der Landwirtschaft, im Obstbau, im Weinbau, auf Christbaumplantagen, in Parkanlagen, auf Bahngeleisen et cetera.

Birgt Glyphosat Gefahren für uns Menschen? – Da kommen viele Studien in Betracht. Es gibt natürlich negative Auswirkungen, gesundheitliche Folgen: Reizungen der Haut, der Augen, Schwindel, Kopfschmerzen, Husten, Kreislaufprobleme et cetera. Im März hat die WHO diese Studie erstellt – Sie haben da irgendeine andere Studie genannt – und Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend in die Kategorie 2A, das ist die zweithöchste Gefahrengruppe, eingestuft. (Bundesrätin Schulz: Das ist die Wurst oder der Speck!) Und das sind jetzt wirklich Fakten.

Richtet Glyphosat Schäden an der Natur an? – Sie sagen ja Nein, das ist ja förderlich für die Natur. – Die biologische Vielfalt nimmt durch den vermehrten Einsatz ab, durch Glyphosat werden zahlreiche Bodenorganismen, Bakterien, Pilze beeinträchtigt und


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vernichtet und fehlen für den Aufbau der Bodenstruktur, und somit wird die Boden­fruchtbarkeit abgebaut.

Birgt Glyphosat Gefahren für die Tiere? – Da Glyphosat alle Pflanzen tötet, die nicht dagegen resistent sind, verringert sich natürlich auch der Lebensraum vieler Tiere, weniger Wildpflanzen auf und neben Ackerflächen bedeuten natürlich weniger Lebens­raum für weniger Insekten.

Kann Glyphosat in den menschlichen Körper gelangen? – Ja, auch bei Menschen ist Glyphosat schon in vielen Bereichen festgestellt worden, auch bei jenen, die nicht bewusst mit der Chemikalie in Kontakt getreten sind.

Es gibt auch eine Studie aus dem Jahr 2013, an der 182 Stadtbewohner aus 18 ver­schiedenen europäischen Ländern teilgenommen haben. Bei 45 Prozent wurde Glyphosat im Urin nachgewiesen. Drei Jahre später (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz) – lassen Sie mich ausreden, ich bin noch nicht fertig – wurde eine noch empfindlichere Studie gemacht, eine deutsche Studie, bei der bei 2 000 Teilnehmern zu 99 Prozent Glyphosat im Urin festgestellt wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Sie sagen immer, es ist nicht krebserregend. – Wir wissen alle, dass es auch ge­richtliche Urteile gibt, es wurde gerichtlich nachgewiesen, dass Glyphosat, dass Roundup von Monsanto oder jetzt Bayer ein erheblicher Faktor bei der Entstehung einer Krebserkrankung ist. Diese Urteile wurden dementsprechend gefällt.

So, das war einmal der sachliche Beitrag. Jetzt noch ein wenig zur politischen Ge­schichte: Seitens der SPÖ gab es schon jahrelang Bestrebungen, dieses Glyphosat­verbot auf den Weg zu bringen. Die Bestrebungen, auch während der rot-schwarzen Koalition, scheiterten immer am Veto der ÖVP. (Bundesrat Köck: Na Gott sei Dank!) Der damalige Landwirtschaftsminister Berlakovich hat 2014 auf europäischer Ebene für Glyphosat gestimmt. 2017 – ich war selber im EU-Unterausschuss anwesend – haben wir gegen den Widerstand der ÖVP zusammen mit der FPÖ und den Grünen den damaligen Minister Rupprechter aufgefordert, seine Haltung in Brüssel dement­sprechend auszurichten, dass er für ein Verbot eintreten muss. Das ganze Jahr 2018 hat uns die damalige Ministerin Köstinger bei jedem Landwirtschaftsausschuss ver­tröstet, sie wolle erst Nägel mit Köpfen machen, wenn das Ergebnis einer Studie da ist, die mit Unterstützung der Bundesländer in Auftrag gegeben wurde. Das Ergebnis sollte schon Ende 2018 vorliegen, aber wir mussten bis letzte Woche auf diese Mach­barkeitsstudie – ich sage schon Köstinger-Studie dazu – warten.

Jetzt kommen die vielen Zufälle: Es kann ein Zufall sein, dass diese Studie einen Tag vor der Nationalratssitzung veröffentlicht wurde. Diese Studie wurde auch nicht vom Bundesministerium veröffentlicht, sondern von der Boku und von der Ages. Es kann ein Zufall sein, dass diese Studie ohne vorherige Kontaktaufnahme mit den Bundes­ländern, den Koauftraggebern, veröffentlicht wurde. (Bundesrat Preineder: Ja, das Ergebnis wäre nicht genehm gewesen!) Es kann ein Zufall sein, dass inhaltlich keine neuen empirischen Forschungsergebnisse für die Studie herangezogen wurden und dass keine Erkenntnisse, auch keine internationalen Expertenerkenntnisse, eingear­beitet wurden. Und es kann ein Zufall sein, dass diese Studie im Prinzip wie ein Loblied auf Glyphosat klingt. – Ganz ehrlich, geschätzte Damen und Herren, ich glaube nicht an so viele Zufälle.

Die Bevölkerung in Österreich und ich glaube in ganz Europa will keine Umweltgifte, will kein Glyphosat. Sie will eine gesunde Natur, die Tierwelt erhalten und gesunde Lebensmittel. Viele Gemeinden haben diesen Zeitgeist schon rechtzeitig erkannt und haben das über Parteigrenzen hinweg auch umgesetzt: In vielen Gemeinden gibt es kein Glyphosat mehr. Auch die Bundesländer – hier möchte ich positiv Kärnten und


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natürlich das Burgenland erwähnen – haben in ihrem Zuständigkeitsbereich Glyphosat verboten (Bundesrätin Zeidler-Beck: Zufall?) und haben dementsprechende Be­schlüs­se gefasst und sie auch umgesetzt. (Bundesrätin Zeidler-Beck: Das ist jetzt auch ein Zufall, oder?)

Jetzt kommen wir auch hier an unser Ziel. Es hat sich endlich – endlich, sage ich –, auch wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, eine parlamentarische Mehrheit gefunden, um dieses Verbot von Glyphosat und den Ausstieg aus Glyphosat zu be­schließen.

Mich persönlich wundert es eh nicht, dass wieder einmal die ÖVP bei diesem zukunfts­weisenden Beschluss nicht mit dabei ist. (Zwischenrufe der Bundesräte Köck und Preineder. – Bundesrätin Wagner: Das ist nur populistisch, sonst gar nichts! – Bun­desrat Stögmüller: Gegen die Länderinteressen stimmt ihr ab!) Sie haben einen eige­nen Antrag eingebracht, der keine Mehrheit gefunden hat, Glyphosat im öffentlichen Raum – Schulen, Kindergärten, Spielplätze et cetera – zu verbieten, ausgenommen sollte die Landwirtschaft sein. Wenn Glyphosat, so wie Sie immer sagen, nicht krebs­erregend ist und nicht gesundheitsschädlich ist (Ruf bei der ÖVP: Studien besagen das!), warum soll dann auf definierten Plätzen, so wie Sie das haben wollten, kein Glyphosat aufgebracht werden, sondern nur die großflächige Ausbringung in der Land­wirtschaft – wo, wie wir wissen, 80 bis 90 Prozent der Ausbringung von Glyphosat erfolgt – stattfinden?

Mit unserem heutigen Beschluss, Glyphosat in Österreich zu verbieten, hat Sie, ge­schätzte Damen und Herren der ÖVP, die Zukunft eingeholt, und das ist gut so. Wir können heute stolz von einem zukunftsweisenden Beschluss für unsere Bevölkerung sprechen, für unsere Kinder und deren Zukunft. Wir können stolz davon sprechen, europaweit eine Vorreiterrolle eingenommen zu haben, und ich bin mir absolut sicher, dass viele Staaten folgen werden und es nicht mehr lange dauern wird, bis dieses Pflanzengift, dieses Umweltgift auch in der EU verboten sein wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

10.53


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile dieses.


10.53.53

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Na, das war ja eine Märchenstunde, Kollege Schabhüttl! Alles, wovon du ge­redet hast, trifft nicht auf dieses Gesetz zu und nicht auf Österreich. Das ist mittlerweile unser größtes Problem in der Landwirtschaft: dass Leute mitreden und mitbestimmen, die von Landwirtschaft absolut keine Ahnung haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Haften an den Pflanzen und diese Rückstände und das alles kann es nur geben, wenn die Erntepflanze mit Glyphosat behandelt wird. Das ist in Österreich schon lange verboten, das wird nicht gemacht, aber in vielen anderen Ländern ist das nicht so. Das heißt, wenn Sie das, wovon Sie gerade gesprochen haben, verbieten wollen, müssen Sie alle Lebensmittel, die unter Einsatz von Glyphosat produziert wor­den sind, verbieten, und dann wäre es leer in den Geschäften unserer Lebensmittel­ketten. Da würden Sie diese aus Österreich rausjaucken! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe der BundesrätInnen Schabhüttl und Hahn.) Aber das wäre das einzig Wahre!

Ich werde euch erklären, wie das geht: Ihr habt leider für die Konsumenten überhaupt nichts verbessert. Es sind noch immer Produkte aus Nordamerika in den Super­märk-


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 47

ten, aus vielen anderen Ländern, aus der ganzen Welt, wo Glyphosat an den Ernte­pflanzen angewendet wird, und damit ist es in unserem Bier, ist es in den ganzen Sojaprodukten und überall. (Bundesrätin Hahn: Deswegen machen wir das in Öster­reich auch?!) – Aber dann verbietet diese Produkte und nicht das, was in Österreich gemacht wird, wo es so etwas überhaupt nicht gegeben hat! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Stögmüller: ... Mercosur-Abkommen?!) In Österreich wurde Glyphosat nur im Zwischenfruchtanbau angewendet.

Was an diesem Gesetz, wenn es kommen würde – was ja nicht der Fall sein wird –, schlecht ist, werde ich euch auch erzählen: Der Zwischenfruchtanbau ist sehr, sehr wichtig, weil wir dadurch, dass wir Pflanzen über den Winter stehen lassen, verhindern, dass Nitrat ins Grundwasser eingewaschen wird, und außerdem Humus aufbauen, der wiederum CO2 bindet. Das werden die Landwirte nur machen, wenn sie diese angebauten Zwischenfrüchte im Frühling mit Glyphosat beseitigen können. Das habt ihr verhindert, und deshalb habt ihr ausgelöst, dass mehr Nitrat ins Grundwasser gelangen und weniger CO2 im Boden gebunden wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Schaut, Kollegen von der SPÖ, ihr habt das ja in Kärnten probiert, dieses Verbot, und es ist nicht gegangen. Kollege Novak wird ja noch sprechen, er wird uns das erklären. Einen Fehler zu machen ist das eine, aber den gleichen Fehler immer wieder zu machen, das ist SPÖ. Das ist so. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte euch anhand eines Beispiels zeigen, was ein derartiges singuläres Verbot in Österreich bewirkt: Wir haben in Niederösterreich einmal einen Landesrat Bauer gehabt. Er hat sich fast nur damit beschäftigt, die einzige Nerzfarm Österreichs zu schließen, was grundsätzlich gut war, denn den Nerzen ist es nicht gut gegangen. Er hat mit dem Betreiber ausverhandelt, er zahlt ihm 4 Millionen Schilling, wenn er die Farm schließt. Der Betreiber hat das Geld genommen und hat die Farm geschlossen, hat die Nerze genommen, ist ins angrenzende Tschechien gefahren, hat 10 Kilometer Luftlinie vom alten Standort entfernt eine neue Pelzfarm errichtet, die zweieinhalbmal so groß war, und hat dort fröhlich weiterproduziert. Jetzt frage ich euch: Was hat es den Nerzen gebracht? (Bundesrat Schabhüttl: Das war einmal!) Mit 4 Millionen Schilling hat es Landesrat Bauer zustande gebracht, dass die Pelze von tschechischen Arbeitskräften produziert worden sind, dass die Wertschöpfung und die Steuerleistung in Tschechien erfolgt sind, und den Nerzen hat es absolut nichts gebracht.

Genau so etwas bewirkt ihr mit solchen Gesetzen: Ihr verlagert die Produktion, die Wertschöpfung und die Arbeitskräfte ins Ausland, und sonst nichts. (Beifall bei der ÖVP.)

Was wäre eine weitere Folge, wenn ein derartiges Gesetz wirklich greifen würde? – Wenn man den Zwischenanbau weiter machen will, dann werden die Bauern das Gleiche machen wie beim Verbot der Neonics. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Sie werden auf andere Mittel ausweichen und müssen die dreifache Menge einsetzen. Genauso ist es bei den Neonics passiert. Sie haben damals ein Pro­dukt verboten, und die Bauern verwenden jetzt dreimal so viel. Genau dasselbe wird jetzt auch passieren: Man wird andere Mittel nehmen und sie halt dreimal so stark einsetzen. Das wird eine Folge von diesem Verbot sein, wenn es tatsächlich kommen sollte.

Jetzt auch einmal in Richtung FPÖ: Wir haben erst vergangene Woche eine Be­sprechung der Bezirksbauernkammer gehabt, bei der wir auch über dieses Verbot gesprochen haben. Ich muss euch ehrlich sagen: Eure FPÖ-Funktionäre waren von euch so enttäuscht, das kann man gar nicht sagen. (Bundesrat Steiner: Sind sie bei euch Mitglieder geworden, oder?!) Ich glaube nicht, dass im nächsten Jahr von denen


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noch einer kandidieren wird. Ihr müsst nämlich wissen: Eure Bauern, das sind keine Biobauern. Das sind die Bauern, die alles, was es auf dem Markt gibt, auch wirklich anwenden. Und die habt ihr nachhaltig und schwer enttäuscht. (Bundesrat Spanring: ... Seitenhieb ...? – Bundesrätin Mühlwerth: Mach dir um uns keine Sorgen!) Das werdet ihr auch noch spüren. (Bundesrätin Mühlwerth: Mach dir keine Sorgen!) 

Dieses Gesetz wird wahrscheinlich nie umgesetzt werden, und das ist auch gut so, andernfalls müsste man – und dafür sind wir – alles verbieten, was unter Glypho­sat­einsatz produziert worden ist. Das wäre das einzig Ehrliche – und dafür sind wir. Mit diesem Gesetz werden nur Produktion, Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Steuerein­nahmen ins Ausland verlagert. Daher sind wir dagegen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.00


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


11.00.31

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vize­prä­sident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Der Pflanzenschutz ist zweifellos ein sehr emotionales Thema, und ich möchte hier noch einmal festhalten, dass unsere Landwirte mit der größtmöglichen Sorgfalt Pflanzen­schutz­mittel einsetzen und wir natürlich auch in die Wissenschaft und in die Behörden, die diese Substanzen genehmigen, Vertrauen haben.

Das Ziel der Landwirte ist es, saubere, gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu produzieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das schaffen unsere Landwirte in der konventionellen und in der biologischen Produktionsweise. Dass die von den österreichischen Landwirten produzierten Lebensmittel, was Rückstände von Pflanzen­schutzmitteln betrifft, im Vergleich sowohl mit dem europäischen als auch dem inter­nationalen Durchschnitt die saubersten auf der Welt sind, bestätigen mehrere Studien. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Daher möchte ich mich hiermit an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion bei allen Landwirten für deren großartigen Einsatz zum Wohle der Österreicher bedanken. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Zum Wirkstoff Glyphosat: Der herbizide Wirkstoff Glyphosat wurde im Jahr 1974 erst­mals als Pflanzenschutzmittel auf den Markt gebracht. Alle Pflanzenschutzmittel durch­laufen in Österreich seit dem Jahr 1948 ein Zulassungsverfahren. Dieses Zulassungs­verfahren wurde mit dem EU-Beitritt an das europäische System angeglichen. In der EU werden alle genehmigten Wirkstoffe periodisch einer Neubewertung unterzogen.

Glyphosat ist ein Totalherbizid, das heißt, es wirkt direkt sowohl auf alle einkeim­blättrigen als auch auf alle zweikeimblättrigen Pflanzen. Nutzpflanzen werden bei direk­ter Anwendung gleichermaßen eliminiert wie Zierpflanzen, Unkräuter oder Wild­pflan­zen. Die Anwendung in einem wachsenden Pflanzenbestand würde daher auch Nutz­pflanzen ausschalten.

Aufgrund dieser speziellen Wirkweise ergibt sich eine spezifische Anwendung in allen Einsatzgebieten. Man redet in der Vorsaat- oder in der Vorauflaufbehandlung zum Beispiel beim Mais von einer Fläche in der Größenordnung von 45 000 Hektar, auf der es eingesetzt wird, bei Zuckerrübe von 16 000 Hektar, bei Sojabohne von 15 000 Hek­tar, bei Sonstigem, wie zum Beispiel Kartoffeln, Ölkürbis, Sonnenblume, Feldgemüse, von einer Fläche von 13 000 Hektar, bei der Vorerntebehandlung bei Getreide, Raps, Ackerbohne sind es weniger als 500 Hektar und bei der Nacherntebehandlung, insbe­sondere nach Getreide, ist es eine Größenordnung von 25 000 Hektar, beim Reihen­anbau im Obstbau eine Fläche von 5 000 Hektar und im Weinbau eine Größenordnung


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von 25 000 Hektar. Weitere Anwendungsgebiete sind im Forst, auf Verkehrsflächen oder im Haus- und Kleingarten.

Die jährlich in Österreich in Verkehr gebrachte Menge des Wirkstoffs Glyphosat unterliegt deutlichen Schwankungen. Im zehnjährigen Durchschnitt beträgt diese Menge 329 Tonnen pro Jahr, das entspricht rund 24 Prozent der gesamten jährlich in Verkehr gebrachten Herbizidmenge. – Diese Daten entstammen dem Grünen Bericht 2018.

Etwas zur Historie: Am 3. Oktober 2017 wurde der damalige Bundesminister Rupprechter, das wurde heute schon erwähnt, vom Nationalrat aufgefordert, sich in der Euro­pä­ischen Kommission gegen die weitere Verlängerung der Zulassung dieses Produkts auszusprechen. Das war ein mehrheitlicher Beschluss. Er hat das auch am 27. November 2017 auf EU-Ebene umgesetzt, aber da gab es noch Deutschland, das sich der Stimme enthalten hat. Deswegen hat es eine weitere Verlängerung bis 2022 gegeben.

Weiters gab es am 13.12.2017 einen Entschließungsantrag im österreichischen Natio­nalrat, auf Basis dessen das Institut für Pflanzenschutz der Universität für Bodenkultur Wien in Kooperation mit dem Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und dem Institut für Rechtswissenschaften an der Boku sowie dem Institut für Nachhaltige Pflanzenproduktion der Ages im Juni 2018 vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus beauftragt wurde, eine nationale Machbarkeitsstudie zu erstellen, um die vorstellbaren Auswirkungen eines möglichen Ausstiegs oder einer weiteren Ein­schränkung der Verwendung beurteilen zu können. Auch in dieser vom Nationalrat in Auftrag gegebenen ausführlichen Studie kommt man – wie in vielen anderen Studien auch – zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Im Landwirtschaftsausschuss wurde vom Vertreter der Ages berichtet, dass die Studie nur auf Angaben, aber nicht auf konkreten Zahlen beruht und auf Interviewbasis geführt wurde. In der Studie heißt es zum Beispiel:

„Glyphosat wird als giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung eingestuft.

Aufgrund seiner Eigenschaften hat der Wirkstoff ein sehr geringes Versickerungs­poten­tial im Boden und gelangt in der Regel nicht ins Grundwasser. Daten aus dem Was­sergütebericht von 2018 bestätigen dies. Allerdings kann der Wirkstoff insbesondere durch Abdrift, unsachgemäßes Befüllen und Reinigen von Pflanzenschutzgeräten sowie unsachgemäßen Anwendung auf versiegelten Flächen in Oberflächengewässer gelangen. In mehr als 60 % der im Zuge des Wassergüteberichtes von 2018 beprobten Oberflächengewässern wurde“ – komischerweise – „Glyphosat nachgewiesen.“

Nun zum Vergleich mit dem Ausland: Werden alle Einsatzgebiete auf Ackerflächen, Vorsaat-, Vorauflauf-, Vorernte- und Nacherntebehandlungen, aufsummiert, so liegt der Anteil an konventionell bewirtschafteter Ackerfläche, auf der in Österreich glypho­sat­haltige Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, bei circa 9 Prozent. In Deutschland lag die Einsatzintensität auf Ackerflächen, der Anteil der mit glyphosathaltigen Pflan­zenschutzmitteln behandelten Fläche bei 37 Prozent. Auf die Gesamtfläche Öster­reichs umgerechnet, entspricht die Anwendungsfläche auf dem Ackerland in Österreich etwa 1,4 Prozent des gesamten Bundesgebiets.

Das Ergebnis eines Vergleichs von Rückstandsanalysen bei den unverarbeiteten Lebensmitteln von Österreich mit Ländern wie Kanada und Litauen: In Österreich wurden bei 4 026 untersuchten Getreideproben in zehn Buchweizen- und zwei Gers­tenproben Grenzwertüberschreitungen nachgewiesen, das heißt, insgesamt zwölf Grenzwertüberschreitungen konnten nachgewiesen werden. In Kanada und in Litauen war dieser Wert beim 20- bis 120-Fachen. (Bundesrat Köck: Dort müsst ihr es ...!)


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Nun zur Begründung unserer Entscheidung: Wir haben es uns nicht leicht gemacht: Auf der einen Seite steht unsere heimische Landwirtschaft, die unsere hochwertigen Lebensmittel auch in Zukunft wirtschaftlich weiterproduzieren soll, und auf der anderen Seite stehen alle Österreicher als Konsumenten, denen der maximale Schutz für gesunde Lebensmittel gebührt.

Zur Erinnerung: Wir haben gemeinsam mit der ÖVP im Regierungsübereinkommen, das ja vonseiten der ÖVP unnötigerweise aufgelöst wurde (Zwischenrufe bei der ÖVP), einen Beschluss in Form eines stufenweisen Ausstiegs aus Glyphosat bis 2022 mit Ausgleichsplanung festgeschrieben.

Nun zum Beschluss des Nationalrates, der unter folgenden Kriterien am 2.7.2019 gefasst wurde und gegen den wir keinen Einspruch erheben: Der Beschluss lautet inhaltlich: „Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Sinne des Vorsorgeprinzips verboten.“ Das Verbot tritt nur in Kraft, wenn eine dreimonatige Stillhaltefrist abgelaufen ist und von der Kommission eine ausführliche Stellungnahme nicht abgegeben wurde.

Für uns Freiheitliche steht auf jeden Fall fest: Für den Fall, dass dieses Verbot in Kraft tritt, müssen wir zum Schutz unserer Landwirte und Konsumenten gleichzeitig ein Importverbot von Lebensmitteln aus dem Ausland, welche mit glyphosathaltigen Pflan­zenschutzmitteln behandelt worden sind, umsetzen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

11.08


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


11.09.03

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundes­ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause! Es stimmt sicher nicht, dass wir uns vorwerfen lassen müssen, dass wir populistisch handeln, so wie du, Kollege Preineder, das gesagt hast. Ihr wisst, ich bin Bürgermeister in einer Nationalparkgemeinde, in der riesigen Region Nationalpark Hohe Tauern, und wenn wir nicht gemeinsam mit den Landwirten, mit den Bauern versuchen wollten, die Natur für die Zukunft und die Artenvielfalt zu schützen, dann hätten wir in dieser Hinsicht keinen Partner mehr.

Ich verstehe natürlich, dass Sie die Landwirtschaft vertreten, so wie wir halt versuchen, die Gesundheit des Menschen zu schützen, uns den Schutz des Artenreichtums und der Vielfältigkeit der Natur zur Aufgabe machen und alle Anstrengungen unternehmen, für unsere Nachwelt etwas in diese Richtung zu tun.

Kollege Preineder, du hat gesagt, dass ich gestern im Ausschuss gesagt habe, dass es doppelt so hoch ist: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe nur gesagt, es ist wesentlich höher.

Ich habe mir das noch einmal herausgesucht – weißt du das eigentlich noch?, du müsstest es besser wissen –:  „Glyphosat: Unterschätzte Phosphorschleuder. Herbizid setzt ähnlich viel Phosphor frei wie Tenside – und fördert so die Überdüngung“ und dadurch das Wachstum. Ich ziehe mir das ja nicht irgendwo heraus, ich habe das im Fernsehen gesehen. (Bundesrat Köck: Das ist sicher wahr, wenn du es im Fernsehen gesehen hast!) Es ist einfach höher gewesen. Und der Bauer hat dann gesagt: Wenn es nicht so wäre, dann wäre der Ernteerfolg nicht so, wie er sich das vorstellt.

Ich sage jetzt ganz einfach: Es geht natürlich auch in der Landwirtschaft um Wirt­schaftlichkeit – ich habe hier auf meinem Zettel zwar auch noch etwas anderes stehen,


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von manchen Interessengruppen –, die steht an erster Stelle. Wir stellen verant­wort­liches Handeln in den Vordergrund. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Wagner: Wenn ihr verantwortlich ...! – Bundesrat Köck: ... Einsatz von falschen Mitteln, das beschließt ihr!) – Frau Kollegin, du kannst gerne hierher kommen und deine Meinung dazu sagen, das ist ja alles möglich. So wie es aber ausschaut, bin ich der letzte Redner auf der Liste zu diesem Tagesordnungspunkt.

Kommen wir zu Kärnten – das hat, glaube ich, Kollege Köck angesprochen –: Wir ge­hen längst einen eigenen progressiven Weg, sonst wären wir heute vielleicht nicht in der Situation, in der wir uns befinden. Unser Landeshauptmann hat mit seinem Team versucht, teilweise natürlich auch mit der ÖVP, das in die richtige Richtung zu bringen, natürlich in dem Bewusstsein, dass wir nicht ein gesamtes Gesetz für alles machen können, weil es die EU dann wieder kippen würde. Schauen wir uns an, wie es bei diesem Gesetz sein wird. Dass das infrage gestellt ist, wissen wir auch; das wissen wir alle, die wir hier herinnen sitzen. Dieses Landesgesetz betrifft den öffentlichen Bereich beziehungsweise wurde die Zahl der zugelassenen Schutzmittel bei uns von 355 auf 14 reduziert. Auch meine Gemeinde als Nationalparkgemeinde ist glyphosatfrei.

Wir haben gestern im Ausschuss auch darüber gesprochen: Ja, wenn ich heute auf den Friedhof gehe und mir in Erinnerung rufe, wie es früher ausgesehen hat, wenn man das Glyphosat drübergespritzt hat – innerhalb von ein paar Stunden war das Unkraut weg –, muss ich jetzt sagen, man muss halt wieder das Gras zupfen und schauen, dass alles in Ordnung ist. Manchmal fragen mich die Leute: Pflegt ihr den Friedhof überhaupt nicht mehr?

Es geht in erster Linie – im größten Ausmaß, zu 90 Prozent – um die Landwirtschaft, keine Frage. Es sind heute hier schon sehr viele Studien bemüht worden und wir werden es wahrscheinlich nicht schaffen, zu wissen, was richtig und was falsch ist. Ich habe hier eine IARC-Studie, eine von der WHO und was auch immer, sie alle sagen nicht, dass es hundertprozentig ist – das stimmt, da habt ihr hundertprozentig recht –, aber sie sagen, wahrscheinlich ist es so. Und in den USA hat es ja Strafen in Millio­nenhöhe gegeben; ein Erntehelfer, der Krebs hat, bekommt dieses Geld, da ist Monsanto, glaube ich, verurteilt worden.

Kollege Schabhüttl hat ja schon sehr viel gesagt. Es ist mittlerweile leider Tatsache – das ist, glaube ich, auch klar und kann nicht geleugnet werden –, dass in vielen Lebensmitteln und in diversen Produkten bis hin zu Babywindeln Glyphosat nach­weisbar ist. Auch im Blut von Mensch und Tier ist es nachweisbar. Man weist Glypho­sat bei uns Menschen nach, Pestizide werden nachgewiesen, und gerade vorhin haben wir vom Plastik geredet – Gott sei Dank geht es dort in eine gute Richtung, denn Plastik ist nämlich mit verschiedenen Methoden auch im Blut nachweisbar. (Bundes­rätin Mühlwerth: Ja, wir sind uns eh einig!)

Die Schädlichkeit ist nicht abschätzbar, sie reicht aber vom negativen Einfluss auf den Hormonhaushalt bis hin zum dringenden Verdacht, in weiterer Folge krebserregend zu sein.

Ich frage jetzt wirklich: Bedarf es wirklich eines Toten, der nachweislich daran ge­storben ist, damit wir aufwachen? Meine Mutter hat schon vor 40 Jahren gesagt: Die Menschheit wird sich selbst vernichten. Und das hat schon ein bisschen etwas Wahres an sich.

Es darf nicht sein, dass mit dem Pflanzenkiller Glyphosat unsere in Österreich weit­gehend gesunde Umwelt nachhaltig geschädigt wird. Ganz abgesehen davon, dass sich durch diese Gifte die Artenvielfalt verändert, gelangt das Gift auch in unsere Nahrungskette – das haben wir schon beleuchtet. Und das darf von einer verantwor­tungsbewussten und unseren Kindern verpflichteten Politik nicht zugelassen werden.


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Auf den Tellern sollten gesunde Lebensmittel aus biologischer und auf Pestizide verzichtender Landwirtschaft landen.

Selbstverständlich – das hat Kollege Preineder oder Kollege Köck gesagt –, sollte das Mercosur-Abkommen geschlossen werden, werden Billigstprodukte aus Brasilien auf unsere Teller kommen, und das muss dann ebenfalls verhindert werden, nicht nur deshalb, weil dort Urwald geschlägert wird und im Klimabereich das Problem besteht, sondern auch deshalb, weil dort auch diese Pestizide beziehungsweise Glyphosat verwendet werden. Das wäre ja ein Wahnsinn: Bei uns verbieten wir es, und auf der anderen Seite holen wir es mit diesem Mercosur-Abkommen wieder herein. (Bundesrat Köck: Ist ja alles da! Ist ja schon alles da!) Da bin ich dabei und da unterstütze ich auch den Chef von Spar, Herrn Drexel, der sich in diesem Bereich sehr stark engagiert. Ich hoffe, dass wir uns da auch durchsetzen.

25 Prozent all unserer landwirtschaftlichen Flächen in Österreich sind Bioflächen, und jetzt kommen wir zu diesen 25 Prozent. Kollege Preineder hat auch gesagt, er ist ein Biobauer – ja, klar. Und diese Biobauern machen es vor, dass es auch ohne Glyphosat geht. Durch den Einsatz von Glyphosat sind aber auch die Flächen und die Bio­zertifizierungen in Gefahr. Eine Biene, die von einem Feld auf das andere fliegt, unter­scheidet auch nicht, ob das ein Glyphosatfeld ist oder nicht – wie auch immer.

Wenn wir also kein Glyphosat in unseren Lebensmitteln haben wollen, dann braucht es ein konsequentes Verbot in allen Bereichen. Entscheiden wir uns für die Zukunft ohne Umweltgift, für gesunde Lebensmittel, für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und für Lebensmittel, die das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten auch tatsächlich verdienen! Gehen wir nicht das unnötige Risiko ein, unser aller Gesundheit aufs Spiel zu setzen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

11.17

11.17.39


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich darf die inzwischen eingetroffene Gesundheitsministerin Dr. Brigitte Zarfl be­grüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Auf der Galerie sehe ich den ehemaligen Vizepräsidenten Ewald Lindinger mit Gattin. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

11.18.394. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und Inverkehrbringen von Tabak­erzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Werbung für Tabak­erzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und den Nichtraucherinnen- bzw. Nicht­raucherschutz (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG) geändert wird (859/A sowie 10192/BR d.B. und 10201/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Ich bitte um den


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Bericht.


11.19.10

Berichterstatter Günter Kovacs: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Werbung für Tabak­erzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und den Nichtraucherinnen- beziehungsweise Nichtraucherschutz (Tabak- und Nichtraucherinnen- beziehungsweise Nichtraucher­schutz­gesetz – TNRSG) geändert wird.

Der schriftliche Bericht liegt Ihnen allen vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte.


11.20.12

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kollegen Bundesräte! Liebe Zuseher hier und zu Hause! „Sperrstund is“ ist ein Lied von Seiler und Speer über unsere Wirtshauskultur in Österreich. Eine kurze Text­passage daraus: „Waunn [...] de G’miatlichkeit erlischt [...] und de woaheit mi da­wischt“, „Pock ma zaum, loss mas bleim“.

Genau dieses Schicksal wird nun vielen kleinen Beisln ums Eck, dem kleinen Gasthof im Dorf, wo sich viele zum wöchentlichen Stammtisch treffen, vielen österreichischen Wirtshäusern blühen (Rufe bei der SPÖ: A schware Partie!): Wirtshaus ab 1. Novem­ber 2019 für immer geschlossen. – Danke, SPÖ und ÖVP. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Wirtshaus ab 01. November 2019 geschlossen“, „Danke, ÖVP & SPÖ“ auf das Rednerpult. – Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Das hält nicht! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Jetzt könnt ihr hinausgehen zu den Leuten bei den Zeltfesten, bei den Wirtshäusern, in die Bars, und dann könnt ihr ihnen erklären: Dank uns, der ÖVP und der SPÖ, könnt ihr im November dann hinausgehen, könnt vor der Tür rauchen und euch dort eine Lungenentzündung holen. (Heiterkeit und Nein-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn und Stögmüller.)

Das ist euch aber alles völlig egal, es wird nun alles dem fast schon religiösen Fana­tismus untergeordnet: Wir müssen den anderen Menschen erklären, wie sie zu leben haben, denn nur wir wissen, was gut für diese Menschen ist und was nicht! – Ihr nehmt den Leuten die Freiheit weg, selbstbestimmt und ohne Zwang leben zu können. In eurem Wahn der politischen Korrektheit (Bundesrat Stögmüller: Wahn?!) nehmt ihr diesen Leuten die Freiheit mir nichts, dir nichts einfach weg. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann.)

Wir Freiheitliche haben den Zugang (Ruf: Freiheit fürs Zillertal!), dass jeder Einzelne für sich und sein Leben selbst bestimmen kann, ob und wie er leben will. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe mir das jetzt oft angeschaut, habe mir viele Debat­tenbeiträge zum Thema Rauchen angeschaut, ich habe aber noch keine einzige politische Diskussion, bei der mit so viel Propaganda und Unwahrheiten gearbeitet wurde (Bundesrat Köck: Glyphosat!), bei der plötzlich jeder zum Experten wurde (Zwischenrufe bei der SPÖ) und so auf eine Minderheit (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ), nämlich auf ein Viertel der Österreicher, eingedroschen und so herabwürdigend über sie hergezogen worden ist, erlebt. So etwas habe ich nur selten erlebt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Wanner.)


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Der Minderheitenschutz, den ja die Linken immer propagieren, um ihre Ziele zu verfolgen, dieser Minderheitenschutz gilt natürlich für die grauslichen Raucher nicht, denn das sind ja Personen zweiter Klasse, sie werden geradezu für vogelfrei erklärt.

Und was ist denn überhaupt mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs? – Der VfGH sagt Folgendes – und ich darf kurz zitieren –: „Dem Gesetzgeber ist auch nicht entgegenzutreten“, so der VfGH weiter, „wenn er Räume, in denen Speisen und Ge­tränke verabreicht werden, im Hinblick auf den Konsum von Tabakwaren anders be­handelt als öffentliche Räume, die anderen Zwecken dienen. [...] Diese Regelung“ – und jetzt lost gut zu! – „entspricht dem Anliegen, Wettbewerbsnachteile für kleine Betriebe zu vermeiden.“ (Ruf bei der ÖVP: Glyphosat!)

Auch dieses Urteil ist euch völlig wurscht. Alles wird euren Verbotszielen unterge­ord­net, müsst ihr auch noch so viele eurer Prinzipien, die ihr sonst in den Sonntagsreden immer heraufbeschwört, über Bord werfen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dies ist – und das geht jetzt an beide Parteien – an Heuchelei nicht zu überbieten! (Beifall bei der FPÖ.)

Und kommt mir hier herinnen ja nicht noch einmal auf die Idee, ein Verfassungs­ge­richtshofurteil für eure Zwecke zu missbrauchen, denn ich werde euch jedes Mal auf das Übergehen dieses Gerichtshofurteils hinweisen, da könnt ihr euch sicher sein! (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Worum geht es denn eigentlich? – Es geht um 60 000 Gastrokonzessionen. Davon sind circa 40 000 Systemgastronomien – dort gibt es den Einheitsfraß aus Amerika, da ist Rauchen sowieso verboten –, dann haben wir noch 12 000 Japaner, Chinesen und Gourmetlokale – auch dort ist das Rauchen verboten. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.) Jetzt bleiben noch circa 8 000 traditionelle Wirtshäuser und 500 Shishabars übrig, und gegen diese Betriebe läuft jetzt eine Hetzjagd, die ihresgleichen sucht. Jetzt wollt ihr uns erklären, dass, wenn diese paar Betriebe zusperren, Österreich gesund ist? – Na, dieses Märchen könnt ihr eurer Großmutter erzählen, aber sicher nicht den mündigen Bürgern da draußen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht: Was passiert denn mit den vielen kleinen regionalen Zulieferern: dem Bäcker, dem Fleischer, dem Gemüsebauern, dem Land­wirt und vielen anderen mehr? – Auch diese werden natürlich Umsatzeinbußen erlei­den, wenn das Beisl und das Wirtshaus ums Eck zusperren. Das alles sind kleine Giftpfeile, die wieder von der alten rot-schwarzen Allianz gegen die Unternehmer ge­schossen werden. Euer Ziel ist es, hier herinnen und heute die Wirtshauskultur ein für alle Mal abzuschaffen und zu zerstören.

Und wenn wir schon beim Zerstören sind: Kommen wir zu den Sozialisten! (Heiterkeit bei der FPÖ.) Habt ihr auch einmal einen Gedanken darüber verloren, wie viele Arbeitsplätze dieses Verbot nun kosten wird? Wohin gehen diese Leute denn dann arbeiten? (Bundesrat Wanner: ... beim Arzt, beim Chirurgen ...!) Gehen die etwa zu den Fastfoodketten, wo ja die Arbeitsbedingungen so gut sind und der Lohn so toll ist? – Das Beisl ums Eck stirbt, die Fastfoodkette nebenan baut aus. Über 7 000 Leute in den Shishabars sind ab 1. November arbeitslos. Wo bleibt denn da der sozialistische Arbeitnehmerschutz? Wer hat die Arbeiter wieder einmal verraten? – Es waren die Sozialdemokraten! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Was passiert denn dann mit den leer stehenden kleinen Gasthäusern im Ort? (Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn.) Sollen die nach dem sozialistischen Modell dann Flüchtlingsunterkünfte werden? Stellt ihr euch so das Bild von Österreich vor? – Ich nicht! (Bundesrat Stögmüller: Die sterben jetzt schon aus!)


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Eure sozialistische Doppelmoral (Bundesrat Schabhüttl: Deine Doppelmoral!) wird ja beim Donauinselfest auf eine verlogene Art und Weise sichtbar, die ich euch vor ein paar Jahren noch gar nicht zugetraut hätte, denn am Donauinselfest wird ja ganz nach DDR-Manier den Standlbetreibern vorgeschrieben: Ihr müsst am Donauinselfest Ziga­retten verkaufen! – Also das ist an Doppelmoral ja nicht zu überbieten, das muss ich euch schon einmal sagen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Ich tue mir aber mit der Haltung der ÖVP – was heißt Haltung? – bei diesem Thema schon auch sehr schwer, denn ein Gartenschlauch wirkt gegen euch in dieser Frage wie eine tragende Säule eines Bauwerkes, bitte. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Liebe ÖVP, ihr seid ja bitte wirklich die größten Schauspieler in dieser Republik. Euch muss ja schon ganz schwindlig sein, wie ihr euch gedreht und verbogen habt und drei Rückwärtssalti gemacht habt. (Zwischenruf des Bundesrates Raggl.) Also ein Gummiband ist neidisch auf eure Flexibilität. (Ruf bei der ÖVP: Und wie ist das bei euch? – Bundesrätin Zwazl: Aber du bist ...!)

Dass sich die kleinen Unternehmer schon längst nicht mehr von der ÖVP vertreten fühlen und sich schon längst nicht mehr auf die ÖVP verlassen können, das wissen wir eh schon längst. Die Kleinen können nämlich nicht einfach das Land verlassen, in ein billigeres Nachbarland gehen und dort ihre Produktionsstätten betreiben, nein, der Wirt ist an seinen Standort gebunden und somit zum Trottel der Nation erklärt worden. Was habt ihr denen schon alles aufgebürdet? – Zuerst musste er in abgetrennte Raucher­räume, teure Lüftungsanlagen, Barrierefreiheit investieren, dann kamen Bürokratie­wahnsinn und Allergenverordnung. Ihr habt ihnen die Registrierkassenpflicht hinauf­dividiert, und jetzt kommt noch die Pommesverordnung. Ich weiß schon, die kommt von der EU, aber auch dort schafft Schwarz-Rot an. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrätin Schumann: Zack, zack, zack!)

Zur Doppelmoral der ÖVP muss man aber schon eines auch noch sagen: Ihr versetzt jetzt den traditionellen Wirtshäusern den Todesstoß und fordert dann über die Hintertür der Wirtschaftskammer eine Entschädigungszahlung. Ihr geniert euch wirklich für nichts, das muss man euch schon einmal sagen!

Und beim Glyphosatverbot, bei dem ihr dagegenstimmt, stellt sich Bundesrat Köck heraus und meint: Wenn ihr konsequent seid, müsst ihr das Glyphosat und überhaupt alles verbieten! – Ja, seid konsequent, dann müsst ihr aber jetzt, wenn ihr gegen die Raucher stimmt, auch die Zigaretten verbieten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Köck: Macht ihr mit?) Herr Köck, seid konsequent!

Aber keine Sorge, Herr Köck, die kleinen Bauern und die kleinen Unternehmer wissen am 29. September ganz genau, wo sie ihr Kreuz machen werden (Bundesrat Köck: Ja, das tun sie!), nämlich bei uns Freiheitlichen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Wir kämpfen nämlich für unsere kleinen Unternehmen und für die kleinen Bauern, denn diese hat ja die ÖVP in ihrem – wie sagt man da? – bastianischen Größenwahn samt Heiligsprechung ihres Erlösers längst vergessen.

Zum Schluss noch ein Appell an alle zu Hause vor den Bildschirmen und auf der Ga­lerie: Wer gerne eine Zigarette raucht, wer gerne eine Zigarre raucht, wer gerne eine Pfeife raucht, um sich nach der Arbeit entspannen zu können, wer für Freiheit und Selbstbestimmung eintritt, muss am 29. September (Zwischenruf bei der SPÖ) die FPÖ stärken und sonst niemanden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.30


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl aus der Steiermark. – Bitte.



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11.30.57

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich kurz auf die Büttenrede meines talentierten Vorredners eingehen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.) Lieber Kollege, du hast ein zweites Standbein, das da eindeutig herausgekommen ist: das schauspielerische Talent. (Bundesrat Samt: Das wird aber von euch übertroffen!)

Ich möchte wieder zur Sachlichkeit, zum Thema zurückführen und Ihnen das eine oder andere etwas näherbringen. Wenn aus einem bestimmten Kamin im Vatikan weißer Rauch aufsteigt (Ruf: Ist der Papst gewählt!), weiß die ganze Welt, dass sich verant­wortungsvolle Kardinäle etwas Besonderes haben einfallen lassen (Bundesrat Samt: Das ist bei uns beim Bundespräsidenten so ähnlich, oder? – Ruf bei der FPÖ: Habemus papam!), sie haben nämlich einen Papst, wie zuletzt Franziskus, gewählt. (Ruf bei der SPÖ: Habemus papam! – Bundesrat Ofner: ... die Zigarette!)

Wenn in den österreichischen Gasträumlichkeiten ab 1. November – lieber Kollege Steiner, keine Sorge, am 1. November, zu Allerheiligen, haben die meisten Lokalitäten sicher offen – kein blauer Dunst mehr aufsteigt, wissen die Österreicherinnen und Österreicher, dass verantwortungs- und gesundheitsbewusste Politikerinnen und Politi­ker das Nichtraucherschutzgesetz, das Rauchverbot in der Gastronomie beschlossen haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Politik hat viele wichtige zukunftsorientierte Aufgaben, einige davon sind sicher, die Lebensumstände, die Lebenssituation, die Lebensqualität und vor allem die Gesund­heit der Bevölkerung zu verbessern. Als aktiver Nichtraucher seit dem Jahr 1954 sei es mir gestattet, zu diesem Thema doch etwas zu sagen.

Meine Voraussetzungen, Nichtraucher zu werden und zu bleiben, waren nicht die besten, wir hatten nämlich zu Hause eine Tabaktrafik, und ich half natürlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit in diesem Geschäft aus. Von vielen Freunden beneidet – no na, als Jugendlicher! –, war mir aber von vornherein und aufgrund der Kunden­situation und auch der immer wieder gemachten Erfahrungen klar, dass es sich um eine Sucht handelt. Diese Sucht ist natürlich eine sehr ausgeprägte; meine eigene richtete sich dann halt eher auf die Politik.

Nun zum Nichtraucherschutzgesetz: Die Entscheidung, warum das Rauchen in der Gastronomie noch länger erlaubt blieb, war darin begründet, dass es einerseits eine Wahlfreiheit für Gäste gegeben hat, die sich entscheiden konnten, ob sie in ein Nichtraucherlokal (Bundesrätin Steiner-Wieser: Richtig!) oder in ein Raucherlokal – ganz korrekt! – gehen (Bundesrat Samt: Wieso haben wir es nicht dabei belassen?), andererseits gab es ebenso eine Wahlfreiheit für die Wirte, ob sie das Rauchen ermöglichen oder nicht. (Bundesrat Samt: Das hat euch bis vor Kurzem noch gut gefallen! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Die Diskussion rund um das Thema Rauchen hat in der Öffentlichkeit klarerweise einen Diskurs ausgelöst, schließlich geht es ja um das Thema Eigenverantwortung. Die ÖVP – unsere Österreichische Volkspartei – hat auch immer gewusst, dass das Rauchen schon sehr früh in der Jugend beginnt, manchmal schon ab dem 13. oder 14. Lebensjahr. (Ruf: Genau!) Daher wurden unter der Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz Maßnahmen gesetzt, die den Jugendschutz verschärft haben, damit Jugendliche unter 18 Jahren keinen Zugang zu Tabakwaren mehr haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)


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Für Maßnahmen im Sinne der Prävention, damit man gar nicht erst zu rauchen be­ginnt, sowie für jene, die das Rauchen aufgeben wollen, ist es nie zu spät. Der Ent­schluss, damit aufzuhören, wird ja oft am Silvesterabend gefasst und am Neujahrstag wieder gebrochen.

Das Rauchverbot in der Gastronomie wirkt sich aber vor allem auf die Nichtraucher, auf die Passivraucher – das ist ja genauso gefährlich – positiv aus. Klarerweise wirkt sich das Nichtrauchen aber besonders auch auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Gastronomie positiv aus.

Vieles wurde bereits zur Schädlichkeit und zur großen Gefährlichkeit des Rauchens gesagt und geschrieben. Alle Expertinnen und Experten sind sich diesbezüglich einig: Rauchen, wo auch immer, ob in einer Lokalität oder im Freien, ist ganz einfach ein­mal – für die Betroffenen, aber natürlich auch für die Angehörigen – lebensbedrohend und gefährlich.

Allen Besserwissern empfehle ich einen Besuch in der Lungenheilanstalt Enzenbach bei Graz, einer sehr renommierten Anstalt, in der ein Großteil der Patienten ihren lang­anhaltenden stationären Aufenthalt, den die Volkswirtschaft, das heißt klarerweise wir alle, mitträgt, dem Rauchen – unter Anführungszeichen – „zu verdanken“ hat. (Bundes­rat Steiner: Ja, aber ein Raucher bleibt ja trotzdem ein Raucher!)

Kinder leiden sehr oft besonders unter der rücksichtslosen Zigarettensucht Erwach­se­ner (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... aber auch nichts in einer Bar verloren!), daher sollte auch – jetzt ein kleiner Sidestep – auf Kinderspielplätzen – eine Forderung zum Beispiel der Grazer ÖVP, der ich angehöre – ein generelles Rauchverbot ausge­sprochen werden. (Bundesrat Steiner: ... die Menschen chippen!)

Es braucht Mut, das Richtige zu tun, keine Frage. Es wird aber unterstützt durch das Fachwissen der Ärzteschaft, die auch darauf hingewiesen hat, dass Eltern, die mit ihren Kindern in Nichtraucherbereichen sitzen und glauben, dass sie dort in Sicherheit sind, sich irren: Die Wahrheit ist, dass die Feinstaubkonzentration dort höher ist als auf stark befahrenen Straßen. (Bundesrat Steiner: Nein, nein, das ist ein ...!)

Eines ist uns aber wichtig, und das ist klar: Jene Gastronomiebetriebe, die Vertrauen in die geltende Regelung gesetzt und Investitionen getätigt haben, von denen sie jetzt keinen Nutzen mehr haben, dürfen wir nicht allein im Regen stehen lassen. (Bundesrat Steiner: Aber das macht ihr jetzt!) – Eben nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das ist scheinheilig!) Bei entsprechender Fähigkeit zuzuhören, Herr Kollege (Bundesrat Steiner: Das ist scheinheilig!), würde das Ganze wahrscheinlich in die richtige Richtung gehen. (Bundesrat Samt: Das ist ein Placebo, Herr Kollege! Placebo!) Es darf der Gastronomie, den Betrieben da überhaupt kein Nachteil ent­stehen, vor allem muss verhindert werden, dass die Verantwortung für Raucher, die vor ihrer Betriebs­anlage stehen und andere in ihrer Ruhe stören, auf sie abgeschoben wird, und die Umstellung darf die Betriebe auch nicht in Bedrängnis bringen. (Rufe und Gegenrufe zwischen den BundesrätInnen Kahofer, Steiner und Steiner-Wieser.)

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nichtraucherschutz, Maßnahmen für die betroffenen Gastgewerbebetriebe“

„Mit der vorliegenden Novelle zum Tabak- und NichtraucherInnenschutzgesetz läuft die im Jahr 2018 verlängerte sogenannte Gastronomieregelung in § 13a TNRSG mit Ende Oktober 2019 aus.“


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 58

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte schlagen daher Maßnahmen für die betroffenen Gastgewerbebetriebe vor und stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesminister/innen für Digitales und Wirt­schaftsstandort, für Finanzen, für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz und für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, werden ersucht, ehest­mög­lich einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, der vorsieht:

1. eine effektive Entlastung der Gastgewerbebetriebe von rechtlicher Verantwortlichkeit für das Verhalten von Gästen außerhalb der Betriebsstätte, die sich dort im Zusam­men­hang mit Tabakkonsum aufhalten;

2. eine Änderung von § 113 Abs. 5 der Gewerbeordnung, damit das Verhalten von Gästen außerhalb der Betriebsstätte im Zusammenhang mit Tabakkonsum zu keiner Änderung der Sperrstunde führt;

3. eine Prämie in Höhe von 50% für in diesem Zusammenhang vergeblich getätigte Investitionen, die zwischen 1. März 2018 und 30. Juni 2019 vorgenommen wurden.“

*****

Ich danke für Ihre besondere Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang und bitte um Annahme unseres Entschließungsantrages. – Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei der ÖVP.)

11.39


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten Dr. Eder-Gitschthaler, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Nichtraucher­schutz, Maßnahmen für die betroffenen Gastgewerbebetriebe“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile ihm dieses.


11.40.17

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseher zu Hause vor den Bildschir­men! Diese Rede meines Vorredners aus der Steiermark hat jetzt eindrucksvoll be­wiesen, wie unwohl sich die ÖVP bei diesem Beschluss, den sie heute hier mittragen will, fühlt. In weiten Teilen deiner Rede hast du unser ursprüngliches Gesetz, das wir gemeinsam in der Regierung beschlossen haben, verteidigt, und um die Kehrtwendung jetzt abzufedern, wollt ihr einen Entschließungsantrag einbringen, auf den ich noch zu sprechen komme.

Ihr habt euch einfach getäuscht, meine Damen und Herren! Euer Kalkül ist nicht auf­gegangen. Ihr habt die Hoffnung gehabt, dass der Verfassungsgerichtshof die Rege­lung aufheben wird und ihr dann sagen könnt – so getreu nach dem Motto: wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass –: Wir können ja nichts dafür, die Gerichte haben entschieden! – Das ist aber nicht aufgegangen. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die SPÖ hat mit ihrer Klage – durch die rote Wiener Landesregierung einge­bracht – eine gehörige Niederlage eingefahren. Kollege Steiner hat es ja bereits sehr


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 59

pointiert und eindrucksvoll geschildert: Der Verfassungsgerichtshof hat genau unsere Argumentation bestätigt: Es obliegt dem Gesetzgeber, den Freiheitsgewinn gegen mögliche negative Auswirkungen – in diesem Fall auf die Gesundheit – abzuwägen. Das Abwägen von Freiheitsinteressen des einen gegen die Schutzbedürftigkeit der anderen ist also Aufgabe des Parlaments.

Ich will die gesundheitlichen Gefahren durch das Rauchen nicht in Abrede stellen. Ich selber war nie Raucher. Es gibt Studien über die Gefährlichkeit von Berufen – es geht ja in dieser Begründung sehr häufig um die Angestellten dort, um den Arbeitnehmer­schutz (Bundesrat Schennach: Richtig!) –, und die Top 5 der gefährlichsten Berufe sind: Gerüstbauer, Dachdecker, Bergleute – das betrifft mich persönlich –, Pflasterer, Fleisch- und Wurstwarenhersteller. (Bundesrätin Schumann: Pflasterer ... Arbeitszeit­er­weiterung!) Kommt deswegen irgendjemand in logischer Konsequenz eurer ver­queren Argumentation auf die Idee, Dächer zu verbieten, weil der Beruf des Dach­deckers so gefährlich ist? (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben in Österreich Gott sei Dank das Prinzip der freien Berufs- und Arbeits­platzwahl. Niemand wird gezwungen, als Barkeeper in einem Raucherlokal zu arbeiten (Bundesrat Weber: Ja, ja, die sind ja selber schuld! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), genauso wenig wie jemand gezwungen wird, einen fetten Schweinsbraten zu essen – der soll ja auch recht ungesund sein, und vom Alkohol will ich gar nicht reden. Durch den Alkohol werden Menschen, Existenzen, Familien zerstört, er ist mindestens gleich gefährlich wie das Rauchen. Ich bedanke mich beim Herrn Präsidenten – er ist momentan nicht anwesend –, der uns heute offensichtlich zu seinem Amtsantritt ein bisschen Alkohol geschenkt hat – so viel zu eurer Glaubwürdigkeit, zu eurer Argu­mentationslinie. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren, wollen diese Freiheit beschränken und die Bürger bevormunden. Von Rot und Grün sind wir das ja schon gewohnt; warum die ÖVP da jetzt plötzlich so begeistert mitmacht, ist mir etwas schleierhaft. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.)

Noch kryptischer wird das in Anbetracht der massiven wirtschaftlichen Schädigung, die die Gastronomie erleidet. Kollege Steiner hat das ja bereits wirklich sehr plastisch und drastisch geschildert. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Da herrscht in den Zeit­schriften immer ein großes Jammern und Wehklagen über das Wirtesterben, da müsse etwas dagegen unternommen werden, aber anstatt dass ihr hergeht und Entlastungs­maßnahmen für die Wirte ins Auge fasst und beschließt, Bürokratie abschafft, Vor­schriften entrümpelt und den Wirten die Arbeit erleichtert (Bundesrat Samt: Das tun wir jetzt!), versetzt ihr in geradezu genüsslicher Manier mit diesem Gesetz noch einer weiteren Vielzahl von Betrieben den Todesstoß.

Das, meine Damen und Herren, nenne ich wirklich Wirtschaftskompetenz vonseiten der ÖVP. (Bundesrat Steiner – auf Bundesrätin Zwazl weisend –: Die Präsidentin von der Wirtschaftskammer ist auch wieder da!) Euer Wirtschaftskammerpräsident Mahrer hat kurz aufgeheult und hat Entschädigungen verlangt; darum ist es bisher ruhig geblieben, bis jetzt dieser Entschließungsantrag gekommen ist, man möge doch die Wirte, die im guten Glauben auf die Gesetzeslage eine Menge Geld in Trennungen und vor allem in die teuren Entlüftungsanlagen investiert haben, aus Steuermitteln wieder entlasten.

Warum seid ihr denn da vor einer Woche im Nationalrat noch nicht draufgekommen? Warum seid ihr nicht draufgekommen, als ihr dieses Gesetz im Nationalrat beschlos­sen habt? Ich bin also schon auch grundsätzlich dafür, dass die Wirte entschädigt ge­hören, weil sie nichts dafürkönnen (Bundesrat Samt: Sie gehören von der ÖVP ent­schädigt!); ich hätte aber ein etwas anderes Modell dafür: Das soll die ÖVP bezahlen


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und nicht der Steuerzahler! (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Weber. – Rufe bei der FPÖ: Ja! Genau! – Bundesrat Steiner: Anstatt dem Familienfest!)

Das dürfte Ihnen ja ein Leichtes sein: Da die Parteispenden jetzt ohnehin nicht mehr in dem gewohnten Ausmaß möglich sind, könnt ihr vielleicht eure Gönner überreden, dass sie direkt ein bisschen was an die betroffenen Wirte überweisen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die ÖVP weiß in diesem Zusammenhang ja wirklich nicht, was sie tut. Jetzt kommt sie überfallsartig mit einem Entschließungsantrag, weil sie draufkommt, dass das vielleicht doch nicht so gut ist, vor allem in Wahlkampfzeiten. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Den Vogel bei dem Ganzen abgeschossen hat aber wohl eure Grazer Nationalrätin Martina Kaufmann, die vor einer Woche im Nationalrat diesem Gesetz ohne Wenn und Aber zugestimmt hat, und gestern liest man in einer steirischen Gratiszeitschrift, der „Woche“, dass sie Ausnahmeregelungen für die Nachtgastro­no­mie fordert. Sie befürchtet Belastungen der Anrainer, zitiert dabei das Beispiel des Grazer Univiertels. (Bundesrat Samt: Hört! Hört! – Heiterkeit des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Mühlwerth: Na geh!) Da hätte sie eigentlich früher draufkommen können, genauso wie ihr mit eurem Entschließungsantrag. Ihr hättet uns in dieser Angele­genheit nur ein bisschen mehr zuhören müssen! Dann erdreistet sich diese Frau Kolle­gin aus dem Nationalrat auch noch, zu behaupten, wir und die SPÖ würden diese Ausnahmeregelung blockieren. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Denn sie wissen nicht, was sie tun: Dieser Satz kann wohl als Synonym für die Haltung der ÖVP in dieser Frage gelten. Die Wähler werden hoffentlich wissen, was sie zu tun haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Volkspartei führt das Wort Volk in ihrem Namen, aber sie verrät weite Teile des Volkes. (Bundesrätin Wagner: Na geh!) Wir führen das Wort Freiheit in unserem Namen und wir kämpfen für die Freiheit unserer Bürger und treten für sie ein, und das werden wir auch weiterhin tun. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

11.49


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm dieses.


11.49.15

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Hohes Präsidium! Frau Ministerin, grüß Gott! Werte Kolleginnen und Kollegen und Zuhörer hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Also Kollege Krusche, wenn Sie den Wein nicht wollen, stellen Sie ihn rüber, dritte Reihe, ich nehme ihn gern! Der schaut nämlich hervor­ragend aus. (Beifall des Bundesrates Weber. – Bundesrat Krusche: Ich habe ja nicht gesagt, dass ich ihn nicht will! Aber so gesehen ist er schädlich!) – Ja, ja, war ja nur ein Angebot von mir.

Der heutige Tag hat schon etwas für sich: Mit dem Glyphosatverbot, dem Wasser in der Verfassung und jetzt dem Nichtraucherschutz ist das eigentlich ein Festtag für uns Menschen, für die Mitbürger.

Natürlich wird all das mit verschiedenen Mehrheiten beschlossen, aber man beachte, dass die SPÖ immer dabei ist, um für die Menschen zu arbeiten und für die Gesund­heit der Menschen zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Da habe ich mir einfach gedacht, vielleicht erwähle ich diesen 11.7. zu meinem per­sönlichen Feiertag, habe mir heute schon Urlaub genommen und werde das wahr­scheinlich die nächsten Jahre auch machen (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), denn da ist jetzt etwas weitergegangen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Große Freude darüber, doch leider gab es seit dem Jahr 2018, in den letzten Monaten, sehr viel Verwirrung um dieses Thema. Es war sehr viel Polemik, Büttenrednerei dabei, da kann ich eigentlich nur zustimmen – oder es war das Ringen nach Luft eines Süch­tigen, das kann es auch gewesen sein. Es war aber auf jeden Fall viel Verunsicherung und Ignoranz von Fakten und Zahlen dabei.

Fast 900 000 Mitbürgerinnen und Mitbürger haben für ein gesünderes Zusammenleben unterschrieben, für das Don’t-smoke-Volksbegehren – das wischen wir einmal so weg! (Bundesrat Steiner: Warum zittert der so? Ist der auf Entzug?) Österreich ist in der EU, was den Schutz der Raucher betrifft, Schlusslicht; das sollte uns einmal zu denken geben. Bei den Jugendlichen, bei den 15-Jährigen, sind wir – trotz aller Maßnahmen – mit 27 Prozent der 15-Jährigen, die rauchen, Letzter. Dann sagt man noch: Die Jugend ist unser wertvollstes Gut!, und wir lassen sie in Shishabars und sonst wo rauchen. – Das geht nicht! (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir ja eh nicht gemacht! Das haben wir ja eh ausgeweitet! Was willst du denn?!)

ExpertInnenmeinungen wurden vom Tisch gewischt, Appelle der Krebshilfe sind ignoriert worden, den Ärztinnen und Ärzten und der Ärztekammer wurde nicht einmal zugehört. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Österreich. Lungenkrebs hat dabei mittlerweile Brustkrebs überholt – traurig, dass das so ist! (Bundesrätin Mühlwerth: Sind aber nicht alle Raucher, die Lungenkrebs haben!)

Doch was hört man von denen, die das befürworten? – Keine gesundheitliche Maß­nahme, nein, das Einzige, was kommt, ist: Es ist der Todesstoß für die heimische Beislkultur!, und: Es ist eine Frage der Freiheit! – Nein, das ist eine Frage der Sucht, und sonst überhaupt nichts. (Bundesrat Steiner: So ein Schmarrn! So einen Schwachsinn habe ich selten gehört!) Die persönliche Freiheit hört da auf, wo sie andere schädigt oder andere einschränkt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das sieht der Verfassungsgerichtshof aber anders!)

Deswegen beschließen wir jetzt etwas anderes. Rauchen ist letztendlich – und ich bin selber ein Raucher gewesen, aber - - (Bundesrat Steiner: ... moralisch ...!) – Herr Steiner, Sie können gerne wieder herauskommen, aber: tief durchatmen, langsam bis zehn zählen, dann geht das wieder! (Bundesrat Steiner: Ich komme eh noch einmal heraus, um auf diesen Schwachsinn zu reagieren!)

Rauchen ist letztendlich doch eine Selbstschädigung, aber auch eine Fremdschä­di­gung. Wenn Sie daheim im Zimmer rauchen, ist mir das vollkommen wurscht. Schä­digen Sie sich selber! In der Öffentlichkeit aber, da, wo andere dabei sind, ist es eine Fremdschädigung, und das wollen wir nicht.

Zur Beislkultur: Bei uns stirbt immer alles! Jedes Beisl stirbt! – Italien hat das Rauch­verbot. In Großbritannien, wo es kalt ist, überall funktioniert es (Bundesrat Steiner: Stimmt ja nicht! – Bundesrat Weber: Slowenien hat’s! – Ruf bei der SPÖ: Irland!), nur die Unseren sind irgendwie ein wenig zu dumm, zu deppert dafür, das umzusetzen. – Komisch! Überall in Europa funktioniert es, nur wir schaffen es nicht. Das ist eine ko­mische Art und Weise! (Bundesrat Steiner: 18 Länder haben eine Ausnahmeregelung in Europa! Schau einmal nach! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Auch die Wirte hätten sich schon wesentlich früher eine klare Regelung gewünscht. Die haben schon umgebaut, noch bevor die Verlängerung der Gastronomieregelung gekommen ist. Da ist ebenso Schaden entstanden, und dann ist die Verlängerung durch Sie beschlossen worden. Das war ein Wischiwaschi, ein Zickzackkurs, der die Wirte genervt hat, und es hat sie letzten Endes auch unheimlich viel Geld gekostet. (Bundesrat Steiner: Da kann man sich vorstellen, wie oft die SPÖ in einem Wirtshaus ist, nämlich gar nie, weil ihr keine Ahnung habt!) – Also diesen Vorwurf können Sie mir nicht machen, weil ich glaube, dass wir das austesten können!


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Die Abtrennung von - - (Anhaltende Zwischenrufe des Bundesrates Steiner.) – Noch einmal: tief durchatmen, langsam bis zehn zählen, Herr Steiner! (Bundesrat Steiner: Das nutzt nichts, das können Sie mir noch zehnmal sagen!)

Die Abtrennung von Einrichtungen, die Neuausstattung und so weiter: Das hat gekostet. Da muss ich allerdings in Richtung ÖVP schauen: Das könnt ihr euch auf die Fahnen heften, dass das letzten Endes etwas gekostet hat, und diesen türki­sen/schwar­zen Peter kriegt ihr leider nicht weg.

Es ist aber schon auch dankenswert und anzuerkennen, dass man seine Meinung ändert, und da geht jetzt der Dank an die ÖVP: Sie hat ihre ursprünglich andere Meinung geändert und wir kommen gemeinsam zu einem guten Ergebnis. – Danke in Richtung der ÖVP!

Wie schaut es eigentlich bei uns in den Wirtshäusern aus – weil wir gerade davon geredet haben, dass wir nicht in den Wirtshäusern sind? – Wenn ich – und ich könnte sie namentlich nennen – in ein Wirtshaus hineingehe – das ist jetzt die Wahrheit –, dann gehe ich meistens durch einen Hauptraum hinein, in dem geraucht wird, oder ich muss durch einen Schankraum und einen Barraum in ein Hinterzimmer, das unattraktiv ist, gehen, damit ich in den Nichtraucherbereich komme. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Arm!) Die besten Lokale sind noch so ausgestattet, dass ich nur dann, wenn ich zum WC gehe, durch einen Raucherraum gehen muss. Das stinkt, das tut mir nicht gut, ich mag das einfach nicht. Das wollen viele Nichtraucher nicht, und auch sehr viele Raucher wollen sich nicht in einen verrauchten Raum setzen. Die Türen zwischen Nichtraucher- und Raucherbereich sind dann prinzipiell offen, weil es ja unheimlich lästig ist, sie immer auf- und zuzumachen.

Das Schlimmste an der Sache ist aber, dass die Bediensteten und das Personal 8 Stunden – jetzt 12 Stunden – am Tag, 40 Stunden – jetzt 60 Stunden – am Tag (Ruf bei der FPÖ: Pro Woche!) als Passivraucher in einem Lokal arbeiten müssen. Zahl­reiche Studien – die können Sie sich anschauen – sagen aus, dass das Passivrauchen ein wesentlich höheres Risiko ist als das Rauchen selber und dass die Belastung in einem Wirtshaus und als Passivraucher wesentlich höher ist als in einem Raucher­haushalt. Das sollte man sich auch auf der Zunge zergehen lassen.

Die Menschen haben ein Recht auf einen gesunden Arbeitsplatz. Wir schaffen für Arbeiter Sicherheitsschuhe, wir schaffen für Bürokräfte Sitzauflagen, damit man gerade und ergonomisch richtig sitzt, Schutzbrillen und so weiter, Rauchverbot in Büros, aber für Gastroarbeitskräfte tun wir nichts. Wir setzen sie Nikotin, Gestank und erhöhter Feinstaubbelastung aus.

Ich fasse zusammen: Es ist heute ein Freudentag für das Personal in den Gastro­nomie­betrieben. Es ist ein Freudentag für die Gesundheit und die Gesundheitspolitik unseres Landes, und es ist ein Freudentag für die 900 vernünftigen Menschen, die das Don’t-smoke-Volksbegehren unterschrieben haben. (Bundesrat Bader: Tausend!) – 900 000, danke für die Korrektur, 900 000! Ich wollte schon schneller wieder zurück­gehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Eder-Gitschthaler und Stögmüller.)

11.57


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrätin Mühlwerth: Das auch noch! – Bundesrat Stögmüller – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das bleibt dir nicht erspart! – Bundesrätin Mühlwerth: Bleibt mir nichts erspart!)


11.58.01

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Frau Minis­terin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren zu Hause! Da


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 63

sind wir also wieder. Seit mehr als vier Jahren diskutieren wir nun über das Nicht­raucherschutzgesetz. Begonnen hat diese wichtige Debatte schon zu Zeiten Kanzler Kerns. Ich glaube, die Initiative ging von der damaligen Gesundheitsministerin Oberhauser aus, die das immer wieder gepusht hat, damit dieses Thema im Nationalrat auch wirk­lich ankommt.

Mit der Zustimmung des damaligen SPÖ-Koalitionspartners ÖVP einigte man sich auf den Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher. Jedoch – und das ist genau der Punkt – hat die sogenannte neue Volkspartei dann das Gesetz gekippt und damit bewiesen, dass das Rückgrat der neuen Volkspartei doch etwas flexibler ist, als man geglaubt hat, und man hat mit diesem Koalitionsübereinkommen seine Glaubwürdigkeit in der Gesundheitspolitik einfach an die FPÖ verkauft.

Heute machen Sie aber wieder die berühmte Wende, diesmal in eine gescheite Rich­tung, denn der Schutz der Menschen steht über dem Schutz des Koalitionsabkommens der ÖVP. Was mich aber nach wie vor noch wundert, ist, warum die FPÖ darauf beharrt und diesem Antrag, die Menschen, die nicht rauchen, zu schützen, nicht zustimmt.

Liebe FPÖ, ist euch eigentlich nicht bewusst, was das Passivrauchen für Folgen hat? (Bundesrat Steiner: Weniger als wenn man ...!) Denkt ihr eigentlich an die Menschen, die ungewollt vom Rauchen am Nebentisch im Restaurant gestört werden oder später an den Folgen sterben können, ohne selbst überhaupt geraucht zu haben (Bundesrätin Mühlwerth: ... alles ... eine Studie!), oder an die MitarbeiterInnen und Lehrlinge, die dort drinnen, in der Gastronomie, in den Ausbildungsstätten, arbeiten? Denkt ihr an die? (Bundesrat Steiner: Die Ausbildungsstätten ...! Was redest du für einen Schwach­sinn?!) Nein, tut ihr natürlich nicht, weil ihr nur an eure Klientel denkt!

Anscheinend haben euch auch die – ich habe es mir aufgeschrieben – 881 569 Unter­schriften für das Don’t-smoke-Volksbegehren nicht gereicht. Es ist eines der größten Volksbegehren der Zweiten Republik mit einer enormen BürgerInnenbewegung und -beteiligung gewesen, und ihr habt es in einer unverschämten Weise ignoriert und somit einen politischen Mittelfinger genau an diese Menschen ausgestreckt und in diese Richtung gezeigt, das ist der Punkt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist vielleicht deine Art! Das ist eher dein Stil, den Mittelfinger zeigen!) Das ist euer Verständnis von Demokratie, und dafür solltet ihr euch schämen, liebe Frau Kollegin Mühlwerth, dafür solltet ihr euch schämen, dass ihr das ignoriert. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich schäme mich überhaupt nicht!)

Das Wirtshaussterben – der Kollege hat es schon angesprochen – ist seit Jahren bekannt, das ist nichts Neues. (Bundesrat Steiner: Und jetzt tun wir noch etwas dazu! Jetzt tun wir noch ein Schauferl dazu!) Da hat auch Ihre schwarz-blaue Regierung nichts getan. Das hat viele Gründe. Das liegt daran, dass es viel zu wenige Fachkräfte dafür gibt. (Bundesrat Steiner: Du hast keine Ahnung! Du bist ahnungslos!) Das liegt daran, dass sich auch das Konsumverhalten der Menschen verändert, oder auch daran, dass sich die Gastronomen nicht auf die aktuellen Erfordernisse einstellen und nicht neue, innovative Wege gehen. (Bundesrätin Zwazl: Unsere Gastronomiebetriebe sind super, David!)  Sind eh super, aber manche sterben, weil sie ein Problem haben, am aktuellen Markt zurechtzukommen. Es braucht Antworten auf neue Anforderungen, neue Situationen, das ist auch ein Punkt. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Ist euch eigentlich bewusst, dass laut der Weltgesundheitsorganisation, WHO, weltweit rund 600 000 Menschen an den Folgen des Passivrauchens sterben? In Österreich sind das circa 1 000 Tote im Jahr. (Bundesrat Steiner: Das stimmt ja gar nicht! Das ist deine Interpretation davon! Das ist nicht bewiesen! Das ist deine Interpretation!) – Herr


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Kollege Steiner, ich sage es Ihnen noch einmal: Tun Sie da nicht immer so gescheit! Wenn Sie etwas sagen wollen, kommen Sie heraus und reden Sie! – Das entspricht also in Österreich circa 1 000 Toten im Jahr durch Passivrauchen. Das sind in etwa zwei bis drei ÖsterreicherInnen täglich. 165 000 Tote weltweit davon sind Kinder, unschuldige Kinder, die sich dem Qualm der anderen nicht entziehen können. Das sind Kinder!

Eigentlich müssten Sie schon aus Anstand und Verantwortung gegenüber dem Kin­deswohl hier zustimmen, aber ihr tut es aufgrund von Klientelpolitik natürlich nicht. Das ist keine verantwortungsvolle Politik, was Sie machen, das ist nur Klientelpolitik! (Bun­desrätin Steiner-Wieser: Themenverfehlung! – Bundesrätin Mühlwerth: Geht es noch ein bisschen tiefer?)

Ich verstehe natürlich, dass die Situation der Wirte am kompliziertesten ist, das ver­stehen wir. (Bundesrat Steiner: Ja, weil du keine Ahnung hast!) Zuerst mussten sie mit dem Verbot des Rauchens in ihrem Lokal rechnen, durch die schwarz-blaue Regierung dann nicht mehr. (Bundesrat Steiner: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!) Und jetzt befürchten sie wieder ein Gesetz, das ihre Branche auf den Kopf stellen könnte. Und das allein deswegen – und das ist eure Schuld –, weil die ÖVP sich nicht einig sein konnte, ob Menschenleben wichtiger sind als ein Koalitionspartner, der dies als Forde­rung gestellt hat. Genau das ist das Problem.

Der zusätzlich heute eingebrachte Antrag der ÖVP zielt auch darauf ab, die Situation noch mehr zu verschärfen, denn durch eine Änderung des § 113 Abs. 5 der Gewerbe­ordnung werden die wenigen Möglichkeiten, gegen Lärm und Störung, die von Gaststätten ausgehen, als Anrainer vorgehen zu können, noch weniger. Wir sind uns sicher, dass diese Intention die Polarisierung noch mehr vorantreiben würde. Was es hier braucht, sind Lösungen und ein ganz pragmatisches Herangehen an diese Diskussion – nicht nur für die WirtInnen, sondern auch für die KundInnen sowie für die ArbeitnehmerInnen, denn: Nicht nur das Leben der KundInnen wird durch den Rauch gefährdet, sondern auch das Leben der ArbeitnehmerInnen, der Lehrlinge, die nicht nur für die Dauer der Einnahme einer Mahlzeit, sondern 8 Stunden am Tag und noch viel, viel länger im Betrieb arbeiten müssen. Jeder, der im Gastgewerbe gearbeitet hat, weiß, dass 8 Stunden eher die Ausnahme sind, dass sie viel länger im Qualm stehen müssen. Dank ÖVP und FPÖ sind ja bis zu 12 Stunden Arbeitszeit am Tag möglich.

Es braucht ArbeitnehmerInnenschutz, dieser muss die Gesundheit der Arbeitneh­merIn­nen garantieren und darf nicht zum Nachteil der Angestellten, der KellnerInnen, der WirtInnen, der Baristas führen. Diese sind am Arbeitsplatz zwangsläufig dem Rauch ausgesetzt, ob sie rauchen oder nicht.

Herr Krusche! – Er ist jetzt nicht da! (Bundesrat Krusche – vom Platz des Bericht­erstatters aus –: Ja, da bin ich! – Heiterkeit bei der FPÖ.) – Ah, da bist du, sehr gut! – Ich möchte noch sagen, dass ich hoffe, dass jede mögliche Maßnahme vonseiten der Politik, der ArbeitnehmerInnenvertreterInnen ergriffen wird, um die Arbeitsbedingungen der Dachdecker so sicher wie nur möglich zu gestalten, das hoffe ich. Genau das Gleiche machen wir heute hier auch: Wir versuchen, die Arbeitsbedingungen der Gastronomen, der KellnerInnen, der Baristas, all jener, die im Gastronomiebereich arbeiten, so sicher wie möglich zu machen. (Bundesrat Steiner: Weil du dich nicht auskennst! Du weißt nicht einmal, wer im Gastgewerbe arbeitet!) – Ich habe selbst im Gastgewerbe gearbeitet. Ob du überhaupt schon etwas gearbeitet hast, ist eine andere Frage. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Noch nie gearbeitet im Leben und - -!)

Verantwortungsvolle Politik schaut anders aus. Wir wollen, dass alle Arbeitnehme­rin­nen und Arbeitnehmer so wenig wie möglich gesundheitliche Schäden aus ihrer Er-


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werbstätigkeit haben, und genau das ist das Problem. (Bundesrat Steiner: Hast du in deinem Leben schon jemals etwas gearbeitet? Laut deiner Biografie nicht!)

Denken wir auch an jene Menschen, die durch das Passivrauchen in der Zwischenzeit gestorben sind! Bis zum heutigen Tag sind das in Österreich statistisch gesehen mehr als 1 500 Tote. Das soll euch zumindest zum Nachdenken über zukünftige Entschei­dungen bringen.

Wir Grüne sind froh, dass dieses Gesetz heute den Bundesrat passiert. Danke an die SPÖ und auch an die NEOS im Nationalrat für diese wichtige Initiative, dass wir das noch genau in dieser Phase der freien Kräfte eingebracht und umgesetzt haben. Das ist ein großartiger Erfolg für Österreich, und wir Grüne werden diesem Gesetz natürlich heute auch zustimmen. Vielen Dank dafür, dass sich das Thema endlich endgültig erledigt hat. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic. – Bundesrat Steiner: Das wird sich nie erledigt haben!)

12.06


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bruno Aschenbrenner. Ich erteile es ihm.


12.06.30

Bundesrat Ing. Bruno Aschenbrenner (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte ZuhörerInnen hier im Saal, vor den Fernsehgeräten und via Livestream! Grundsätzlich ist anzunehmen, dass der Mensch das lernfähigste Wesen auf unserem Planeten ist. Er lernt aus Fehlern und wird laut einem Sprichwort aus Schaden klug. Der eigene Selbstversuch bei mir hat aber gezeigt, dass das nicht immer so ist, und so waren es bei mir selbst zwei Versuche, um mein Laster, das Rauchen, loszuwerden.

Die gewonnene Freiheit möchte ich nicht im Geringsten missen, und dennoch hat mich der Gedanke an eine Zigarette oder einen Zigarillo auch nach Jahren noch fest im Griff. Wie schwierig es ist, aufzuhören, wissen alle, die es geschafft haben, aber wie leicht es ist, anzufangen, wissen die, die es geschafft haben, aufzuhören, und die, die noch immer rauchen. Selbst das Wissen darüber, dass Raucher nicht nur häufiger an Lungenkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, sondern auch ein höheres Risiko haben, an Krankheiten, die bislang noch nicht mit dem Konsum von Zigaretten in Verbindung gebracht worden sind, zu sterben, lässt trotzdem viele weiter rauchen.

Etwa 17 Prozent der Todesfälle unter Rauchern sind laut einer Studie, die im Fach­magazin „The New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde, auf Erkran­kungen zurückzuführen, die bis heute nicht als Folgen von Tabakkonsum anerkannt sind. Nierenversagen, Brustkrebs, Darmerkrankungen, Infektionen und diverse Atem­wegs­erkrankungen seien hier erwähnt. Es ist somit ganz klar, dass man alles daran­setzen muss, den Kontakt mit Rauch auf allen Ebenen, den Kontakt mit Tabak­pro­dukten in jeder Phase in aktiver und passiver Art und Weise zu erschweren.

Wie nun der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis klargemacht hat, ist es das Parlament, das die Aufgabe zu übernehmen hat, Entscheidungen für das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie zu fällen, und nicht er. Das heißt, es obliegt dem Gesetzgeber, die Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen und mit den öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen.

Jetzt bin ich wieder bei der Lernfähigkeit der Menschen und bei der Revision von Entscheidungen. Es war meines Erachtens – und ich betone es ganz klar: meines Erachtens – falsch, den umfassenden Nichtraucherschutz nicht bereits das letzte Mal mitgetragen zu haben – meines Erachtens! –, zum einen, weil wir der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger und vor allem unserer Jugend und somit auch unserer


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Volkswirtschaft einen Bärendienst erwiesen haben, zum anderen, weil wir unsere Gastronominnen und Gastronomen mit dieser Entscheidung teilweise zu Investitionen gezwungen haben, die mit der heutigen Entscheidung für sie nicht mehr von Nutzen sind.

Auch dürfen diese Gastronomiebetriebe nicht für jene Raucher zur Verantwortung gezogen werden, die vor ihren Betrieben ihrem Laster frönen und dabei andere in ihrer Ruhe stören. Das darf nicht auf sie abgeschoben werden.

Ich persönlich bin froh, dass wir heute diesen wichtigen gesundheitspolitischen Schritt setzen können. Ich plädiere auch dafür, unseren Entschließungsantrag betreffend „Nicht­raucherschutz, Maßnahmen für die betroffenen Gastgewerbebetriebe“ mitzutragen. Die Gastwirte sollen nicht die Zeche für Entscheidungen aus der Vergangenheit zahlen müssen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.10


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Herr Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Rösch: Die nächste Ge­sinnungspolizei!)


12.10.50

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren zu Hause und hier im Sitzungssaal! Wie Herr Kollege Wanner schon richtig gesagt hat – ich muss es einfach noch einmal wiederholen –, es sind vier sehr erfreuliche Tagesordnungspunkte: Was­ser geschützt, Plastiksackerl verboten, Glyphosat verboten und jetzt die Österreiche­rinnen und Österreicher, Kinder, ArbeitnehmerInnen, alle, vor dem Rauchen geschützt.

Eigentlich müsste ich jetzt sagen: Der Steiner ist ein Wahnsinn! (Bundesrat Steiner: Was bin ich?) – Der Steiner ist ein Wahnsinn (Bundesrat Steiner: Steinach?), denn er ist auch ein Hellseher. (Bundesrat Steiner: Was? Steinach am Brenner?) Der Steiner ist ein Wahnsinn! (Bundesrat Steiner: Ach so, ich bin ein Wahnsinn! Das weiß ich schon selber, dass ich ein Wahnsinn bin! Das weiß ich selber! Beifall bei der FPÖ.) Er ist nämlich auch ein Hellseher. Ich bin, wie es mittlerweile eh schon alle wissen, auch Bürgermeister einer Gemeinde, und wir haben einige Gasthäuser bei uns und sind seit 1. Jänner dieses Jahres in allen Lokalen rauchfrei (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja auch okay!), und zwar in einer Tourismusgemeinde – das muss man sich einmal vorstellen –, in der Gemeinde Mallnitz, einer Nationalparkgemeinde. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Also es geht ohne Gesetz auch, Herr Kollege!)

Man sollte schon feststellen, insbesondere da ich der letzte Redner bin, dass wir die einzige Partei in diesem Raum sind, die seit Langem eine gerade Linie verfolgt, indem wir uns grundsätzlich immer für ein Rauchverbot ausgesprochen haben – natürlich, die Grünen sind auch mit dabei, das möchte ich betonen. Mit Blick auf diese große Fraktion (in Richtung ÖVP), die in der Koalition war, sage ich, wir sind die einzige Partei, die immer wieder versucht hat, das Rauchverbot durchzusetzen. – So viel zum Schlauch, der ja heute schon erwähnt worden ist.

Es gibt Dinge in der Politik, die eigentlich vollkommen außer Streit stehen, da sie von Expertenseite eindeutig wissenschaftlich belegt und allgemein akzeptiert sind. Dazu gehört das Wissen um die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens. Niemand wird heute ernst zu nehmend diese Tatsache abstreiten können: Rauchen schädigt die Gesundheit (Bundesrätin Steiner-Wieser: Auch eine Themenverfehlung! Es geht um die Wahlfreiheit!) – Und dennoch gibt es in der Politik immer wieder einen Inter­pretationsspielraum, wie man mit solchen Fakten umgeht. Der Nichtraucherschutz ist ja bekanntlich – ich bin ja seit dieser Zeit mit dabei – ein Musterbeispiel dafür.


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Rauchen ist gesundheitsschädlich. Jeder mündige Bürger weiß heute um diese Tat­sache und jeder hat auch letztlich die Verantwortung dafür. Rauchen ist aber nicht nur eine höchstpersönliche Angelegenheit – auch darüber haben wir heute schon ge­sprochen –, sondern Rauchen ist immer auch Einflussnahme auf Umwelt und Mit­men­schen. Das sollten wir bedenken. Es hat negative Vorbildwirkung für unsere Jugend, und Passivrauchen stellt eine Gesundheitsgefährdung dar.

Das wird auch immer so abgetan und negiert, indem man behauptet, man kenne die Zahlen nicht genau, wisse nicht, wie viele Menschen durch Passivrauchen sterben. Die Ärzte wissen sehr wohl, worum es geht. Es sind weit über tausend Menschen im Jahr, die durch Passivrauchen sterben, es sind, glaube ich, 1 500 oder 1 600, obwohl Kollege Steiner das bezweifelt hat. Wir wissen auch, dass rund 13 000 jährlich durch Tabakgenuss sterben. (Bundesrat Rösch: Das bezweifelt ja keiner! Aber es ist die Freiheit des Menschen, selber zu wählen, oder?) – Vorhin hat er es bestritten.

Dennoch war es bis vor Kurzem nicht möglich, in diese Richtung aktiv zu werden, aufgrund des Arguments der persönlichen Freiheit und weil wir, wie du richtigerweise gesagt hast, Kollege Steiner, bei uns im Parlament auch Schläuche haben, die sich in alle Richtungen winden. Die persönliche Freiheit steht jedoch nicht über der Gesund­heit anderer. Mit der Umsetzung des generellen Rauchverbotes in der Gastronomie wird nun endlich das erhöhte gesundheitliche Risiko durch das Passivrauchen beseitigt. Das will ich einfach immer wieder erwähnen.

Jetzt möchte ich die Zahlen noch einmal auf den Punkt bringen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, bitte, endlich! Bring es auf den Punkt!) Die Menschen draußen haben nämlich sehr wohl gewusst, was sie tun, als sie das Volksbegehren unterschrieben haben. Immerhin waren das 881 692, bis zu den 900 000 haben ja nur ein paar gefehlt. (Bundesrat Samt: Was ist mit den anderen?) Hätte man die erreicht, hättet ihr nicht gewusst, was ihr tun sollt, denn dann hättet ihr in weiterer Folge eine Volksabstimmung durchführen müssen. (Bundesrat Steiner: Das wäre gescheiter gewesen, wäre besser gewesen!) – Ja, möglich, das ist aber so nicht passiert. Jetzt hat es die Regierung zerrissen und die Sache schaut ein bisschen anders aus.

Kollege Steiner, ich kann dir nur etwas vorschlagen: Initiiere ein Volksbegehren für Raucher! Ich glaube nicht, dass du 900 000 zusammenbringst. (Bundesrat Steiner: Vielleicht überlege ich es mir noch!) – Ja, das solltest du machen. Das würde mich interessieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber glauben heißt nicht wissen! – Bundesrat Steiner: Unterstütz mich ein bissel finanziell!) – Nein, das werde ich nicht tun.

Ich habe aber selbst geraucht, das gebe ich zu. Ich bin aber Gott sei Dank – wie auch mein Vorredner – davon weggekommen. Ich bin auch am 5. April an dieser Stelle gestanden (Bundesrat Steiner: Als Aprilscherz!), um im Namen der SPÖ, meiner Kolleginnen und Kollegen dafür zu appellieren, gegen das Gesetz zu stimmen. Ich bin damals ausgelacht worden, wir sind ausgelacht worden (Bundesrat Steiner: Weil es ein Aprilscherz war!), weil wir uns für einen Einspruch gegen dieses Gesetz aus­gesprochen haben. Ja, so war es. Ich sage es aber jetzt einmal so klar, wie wir das am Land eben sagen: Die FPÖ hat hier die ÖVP bei den Verhandlungen über das Re­gierungsübereinkommen über den Tisch gezogen. (Bundesrat Steiner: Richtig! Rich­tig!) So einfach ist es; das muss man auch so akzeptieren.

Was man aber nicht akzeptieren muss, ist dieses Dafür und Dagegen der ÖVP. Wenn ich in das Protokoll schaue, sehe ich, dass die ÖVP das erste Mal dagegengestimmt hat und dann hier im Bundesrat – wie im Nationalrat – 28 Leute, die vorher für die Abschaffung gestimmt haben, dagegengestimmt haben. Diese können sich sicher bei der Nase nehmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja der SPÖ noch nie passiert!) – Nein, so sicher nicht.


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Frau Ministerin Dr. Sabine Oberhauser hat für dieses Gesetz gekämpft, Pamela Rendi-Wagner – beide sind Ärztinnen – hat den Kampf, untermauert von wissenschaftlichen medizinischen Fakten, wieder aufgenommen. Wir haben nun die Chance, wirklich nachhaltig für die Gesundheit in Österreich zu entscheiden, und zwar diesmal ohne faulen Kompromiss. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

12.17

12.17.57


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Spanring – in Richtung ÖVP –: Ob das jetzt die Mehrheit war, bin ich mir nicht ganz sicher! Das war sehr zögerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Nichtraucherschutz, Maßnahmen für die betroffenen Gastgewerbebetriebe“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der Entschließung ist daher abgelehnt.

12.18.575. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (905/A sowie 10193/BR d.B. und 10208/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (695/A sowie 10209/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (780/A sowie 10210/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu den Tages­ord­nungspunkten 5 bis 7, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu all diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Bitte um den Bericht.


12.19.33

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Geschätzte Kollegen! Sehr geehrte Frau Minis­ter! Ich darf Ihnen drei Berichte bringen.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 69

Ich bringe erstens den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­men­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den dritten Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­ten­schutz, nämlich jenen über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. Ich erteile es ihm.


12.21.45

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute hier im Bundesrat ein Gesetz, das vor allem die Pensionistinnen und Pensionisten in unserem Land besserstellen wird – ein Schritt, der mehr als überfällig war und bei dem sich alle Fraktionen außer den NEOS im Nationalrat einig waren. Wir müssen dafür sorgen, dass es nicht zu Altersarmut kommt, wenn Menschen ihr Leben lang gearbeitet haben. Das ist mit diesem Gesetz auf jeden Fall gelungen.

Ich kann Ihnen daher versichern, dass meine Fraktion, die SPÖ-Fraktion, diesem Gesetz heute die Zustimmung erteilen wird – dies gilt für die Tagesordnungspunkte 5 und 6.

Zum Tagesordnungspunkt 7 betreffend die Ausweitung der Alterssicherungs­kommis­sion kann vonseiten der SPÖ-Fraktion keine Zustimmung erteilt werden. Diese Kommission hat künftighin die Aufgabe, die Ziele zu verfolgen, gemäß denen in Zukunft unsere Pensionen insgesamt zu gestalten sind, eine Tätigkeit mit weitreichender und zukunfts­orientierter Perspektive und Verantwortung, denn diesbezüglich ist sicherlich noch sehr viel zu tun. Zugleich gibt es natürlich auch Punkte, die wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in ihrer Entwicklung anders gewünscht hätten.


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Zuerst möchte ich da die Frage der Anrechnung der Kindererziehungszeiten auf die Pension ansprechen. ÖVP und FPÖ beschränken diese mit fünf Jahren, was eine wirkliche Schlechterstellung im Vergleich zum sozialdemokratischen Antrag darstellt. Wir wollten, dass Kindererziehungszeiten in vollem Ausmaß angerechnet werden und so jene Menschen, die Fürsorgepflichten in der Familie übernehmen, nicht benach­teiligt werden.

Was wir in diesem Zusammenhang auch anders regeln wollten, ist: Es darf keine Pensionistinnen und Pensionisten mit Mindestpension nachteilig treffen, wenn er oder sie durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit zum Beispiel aus dem Beruf gedrängt wird. Daher haben wir uns auch dafür starkgemacht, die Versicherungsjahre heranzuziehen und nicht die Beitragsjahre. Da haben die Kolleginnen und Kollegen von FPÖ und ÖVP offenbar einen anderen Standpunkt, der deutlich werden lässt, dass sie sich über die Realität der Arbeitswelt insbesondere in niedrig bezahlten Branchen nicht im Klaren sind. Unverschuldete Arbeitslosigkeit und längere Krankenstände, die zum Verlust des Arbeitsplatzes führen, gehören mittlerweile insbesondere im Bereich der niedrig bezahlten Branchen, aber auch in Produktionsbetrieben zu einem normalen Berufs­leben dazu. Wir stehen auf der Seite aller Menschen und wollen daher niemanden schlechterstellen.

Ein Punkt, der uns nach wie vor Sorge macht und uns möglicherweise auch noch jah­re­lang beschäftigen könnte, ist der Umstand der Exportfähigkeit des Pensions­bonus­ses in EU-Länder. Diesbezüglich wollten wir den Einwendungen des Ministeriums folgen und noch einmal prüfen, ob durch eine Exportfähigkeit des Pensionsbonusses nicht zusätzlich Kosten von rund 360 Millionen Euro drohen. Das haben Ihre Fraktionen, werte Kolleginnen und Kollegen von FPÖ und ÖVP, leider ignoriert, obwohl ein Beschluss im Herbst nach eingehender Prüfung ohne Probleme möglich gewesen wäre.

Ich bitte Sie deshalb: Ersparen Sie uns im Herbst die unwürdige Diskussion über die Schuldenbremse in der Verfassung! Machen Sie einfach verantwortungsvolle Politik, dann brauchen Sie keine Verfassung, die Sie bei Schnellschüssen in Budgetfragen bremst! Das wäre ein eigentlicher und klarer Auftrag an alle Politikerinnen und Politiker. (Beifall bei der SPÖ.)

Erinnern wir uns auch kurz, wieso wir in den vergangenen Jahren so viele Debatten über zu niedrige Pensionen führen mussten! Ich verrate es Ihnen oder wiederhole es (Bundesrat Rösch: Der Pensionsbrief war das! Der Pensionsbrief vom Vranitzky!): wegen der Regierung Wolfgang Schüssel und seiner missglückten Pensionsreform im Jahr 2003, mit der Armut im Alter gesetzlich verankert wurde. Damals hat man begonnen, die Pensionszeiten und Pensionsansprüche über die Lebensdurchrechnung zu regeln. Das hat zu einem massiven Absacken der Pensionen geführt, und dieses Absacken der Pensionen spüren all jene Menschen, die heute in Pension gehen, es ist zugleich aber auch ein Indiz dafür, dass Pensionen in Summe immer geringer werden.

Tatsache ist, dass es die Menschen jetzt bereits schmerzlich spüren, in einer Zeit, in der in diesem Land teilweise noch derselbe politische Wind weht wie in der Zeit von 2003 bis 2006, mit einem einzigen Unterschied: Wir Sozialdemokratinnen und Sozial­demokraten (Bundesrat Steiner: Sind noch schwächer!) haben der Regierung das Misstrauen ausgesprochen, als sich die Gelegenheit dazu geboten hat – ein richtiger und wichtiger Schritt, wie auch die KollegInnen zum Beispiel von FPÖ und JETZT erkannt haben.

Erinnern wir uns aber auch daran, dass in diesem Zeitraum 2003 bis 2006 die Pen­sionistinnen und Pensionisten einen effektiven Wertverlust von 21 Prozent hinnehmen mussten (Bundesrat Steiner: Das weiß er so genau, weil er selbst schon in Pension


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war!) – also fast ein Viertel weniger, und das für Menschen, die ohnehin weniger haben beziehungsweise bekommen! Und damit wir uns auch hier im Klaren sind, meine Damen und Herren: Ich spreche nicht von Pensionen in einer Höhe von 3 000, 4 000 oder 5 000 Euro oder mehr, ich meine Pensionistinnen und Pensionisten mit circa 1 000 Euro im Monat, die damit auskommen müssen, die beispielsweise Ausgleichs­zulagenbezieher sind und als solche 930 Euro erhalten, was – damit wir uns richtig verstehen – ein Einkommen ist, das unter der Armutsgrenze liegt und mit dem man kein Auskommen mehr hat.

Es klingt daher wie ein schlechter Treppenwitz und hört sich auch so an, was die ehe­malige Sozialministerin vollmundig erklärte, nämlich dass man mit 150 Euro pro Kopf pro Monat die Kosten für sein Leben bestreiten kann. (Bundesrat Rösch: Das ist ein­deutig falsch! – Bundesrat Samt – in Richtung SPÖ –: Aber ihr wisst schon, dass ihr in der Regierung wart? – Ruf bei der FPÖ: Das stimmt ja nicht! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Das ist Kärntner Polemik!) Diese Feststellung ist fernab jeder Realität (Ruf bei der FPÖ: Weil du es nicht verstanden hast! – Bundesrat Steiner: Ein Schmarrn! Ein Schmarrn! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) und an sich eine offene Beleidigung gegenüber all jenen Menschen, die derzeit mit ihrem Einkommen und ihrer Pension kaum das Auslangen finden. (Bundesrat Rösch: Das ist einfach unwahr! Das ist ein absoluter Blödsinn!)

Umso obskurer mutet es an, wenn man erfahren muss, dass gerade jene Ex-Ministerin heute, ohne eine Aufgabe zu erfüllen oder eine Leistung zu erbringen, einen Monats­bezug von 13 400 Euro erhält. (Bundesrat Weber: Da schau her! – Ruf bei der SPÖ: „Unser Geld für unsere Leut!“) Davon, meine Damen und Herren, müssen viele Pen­sionistinnen und Pensionisten ein ganzes Jahr lang leben.

Halten wir uns aber nicht so sehr mit der Vergangenheit auf, sondern blicken wir in die Zukunft! In Zukunft werden Pensionistinnen und Pensionisten mehr Geld bekommen als bisher. Das schützt vor der erwähnten Altersarmut. Durch die Anrechenbarkeit der Kindererziehungszeiten kommt es zu einer Verbesserung insbesondere für Frauen. Es ist ein gewaltiger Fortschritt (Bundesrat Rösch: Die SPÖ lebt von Unwahrheiten!), dass Einzelpersonen künftig 1 200 Euro netto und Paare 1 500 Euro netto bekommen sollen, um sich das Leben im Alltag leisten zu können. Damit stellen wir wirklich viele Menschen besser, und das ist ein guter, ein wichtiger und längst überfälliger Schritt.

Natürlich sind darüber hinaus noch Veränderungen herbeizuführen. Denken wir bei­spielsweise, und das sollte hier erwähnt sein, an die nächste Pensionsanpassung, die heransteht und die bald verhandelt wird! Denken wir dabei aber auch daran, dass die Abgeltung der Inflationsrate vor allem für die Bezieherinnen und Bezieher kleinerer Pensionen nicht ausreicht! Die offizielle Inflationsrate ist in diesem Sinne ein fiktiver Wert, denn er spiegelt nicht den echten Bedarf der Bezieherinnen und Bezieher kleine­rer Renten wider. Man bedenke die Kosten für die exorbitant steigenden Mieten, die Lebenshaltungskosten, die Betriebskosten, die Teuerungen bei den Lebensmitteln und vieles mehr.

Die Pensionistinnen und Pensionisten brauchen eine gute, eine ausreichende Anpas­sung, sind sie doch auch jene Gruppe, die wesentlich in die österreichische Wirtschaft investiert und die durch ihre Beiträge und ihre Einkäufe starke Impulse für die heimi­sche Wirtschaft setzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Hoffnung auf gute Verhandlungen liegt auf der Regierung, auf den Parteien und auch darauf, dass man den Seniorenrat als die Interessenvertretung älterer Menschen in Österreich in die Verhandlungen ernsthaft miteinbezieht und nicht so vorgeht, wie das in der Vergangenheit der Fall war: ohne Dialog und ohne Kommunikation. Das ist eine Aufgabe und eine Herausforderung, der wir gemeinsam im Interesse und zum


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Wohle aller älteren Menschen gerecht werden können und auch gerecht werden müs­sen.

Und an jene, die hier immer wieder durch ihre Zwischenrufe den Vortrag stören (Bun­desrat Steiner: Ein Vortrag wird in der Vorlesung gehalten!), vielleicht folgender Hinweis: Demokratie besteht aus Rede und Gegenrede. Da soll man zuerst nach­denken, noch einmal nachdenken und dann auch sprechen. (Bundesrat Rösch: Ich tät bei der Wahrheit bleiben! Das wär besser!) Und eines sollte man auch (Bundesrat Steiner: Bleib bei der Wahrheit!): Man sollte die Würde des Menschen auch so ehren, wie es ihm gebührt. (Bundesrat Steiner: Bleib bei der Wahrheit!) Ich bin ganz ruhig. Ich möchte nur sagen, das ist einfach störend und dieses Hauses, glaube ich, nicht würdig. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Wer Unwahr­heiten erzählt, braucht nicht ...!)

12.32


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Andreas Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.32.35

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner, Herr Bun­desrat Leitner, hat behauptet, dass die vorangegangene Sozialministerin gesagt hätte, man kann mit 150 Euro im Monat leben. – Das ist natürlich nicht richtig. Das ist aus dem Zusammenhang gerissen.

Vielmehr hat sie gesagt: Wenn man als Asylwerber eine Vollversorgung hat – sprich: man hat ein Dach über dem Kopf, man kriegt Geld fürs Essen, man ist also den Monat hindurch voll versorgt –, dann reichen 150 Euro als Taschengeld im Monat aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Viele Menschen, die lange gearbeitet haben, hätten das gerne. (Ruf bei der FPÖ: Genau!) – So schaut es aus! (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Samt – in Richtung SPÖ –: Immer bei der Wahrheit bleiben!)

12.33


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. Ich erteile es ihr.


12.33.34

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Tagesordnungs­punkte 5 bis 7 werden en bloc behandelt, und mit Tagesordnungspunkt 6 soll Rechts­sicherheit für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen geschaffen werden, die einer berufsständischen Versorgungseinrichtung angehören und dort krankenversichert sind. Sie unterliegen damit nicht der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG. Diese Bestimmung soll rückwirkend zum Tragen kommen.

Unter Tagesordnungspunkt 7 wird eine neue Struktur der Alterssicherungskommission beschlossen. Ich bin überzeugt, dass die Kommission so organisiert ist, dass sie ihre Arbeit ehestmöglich aufnehmen und effektiv ausführen kann.

Mit der Erhöhung der Mindestpensionen setzen wir eine große familien- und sozial­politische Maßnahme. Der Gesetzentwurf ist noch mit der FPÖ ausgearbeitet worden und in der mittelfristigen Haushaltsplanung bereits vorgesehen. Es ist ein Anliegen der Volkspartei, Menschen mit geringem Einkommen zu entlasten. Wir wollen, dass Men­schen mit geringem Verdienst oder Menschen, die in Teilzeit gearbeitet, aber Jahr-


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zehnte ins Pensionssystem einbezahlt haben, eine höhere Pension bekommen. Das Modell ist steuerfinanziert, das heißt an den Wohnsitz gebunden. Es ist unabhängig von der Höhe der Beiträge, setzt aber mindestens 30 Beitragsjahre voraus, wobei 5 Jahre an Kindererziehungszeiten und bis zu ein Jahr an Präsenz- oder Zivildienst­zeiten angerechnet werden.

Mit der neuen Regelung erhalten Menschen mit 40 Beitragsjahren 1 200 Euro statt bis­her 995 Euro und Paare nun 1 500 Euro statt 1 260 Euro, jeweils netto. Von der Erhö­hung der Mindestpension werden circa 40 000 Menschen in Österreich profitieren. Diese haben sich Anerkennung für ihre langjährige Arbeit verdient, und ich denke, dass wir diesem Antrag alle zustimmen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.35


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile es ihr.


12.36.00

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuhö­rer! Ich bin über die Worte von Kollegen Leitner schon immer wieder sehr erstaunt. Ich dachte, er hat nach meiner Rede vom 20. Dezember verstanden, wie die Sozialde­mokraten viele Jahre hindurch mit den Senioren, mit den Pensionisten umgegangen sind. (Bundesrat Rösch: Die gehören ja nicht dazu!)

Ich habe euch damals einen Zettel mitgebracht. 2017 habt ihr unter eurer Verant­wortung die Senioren und die Pensionisten in diesem Land mit einer Pensions­er­höhung von 0,8 Prozent abgespeist, aber auf der gleichen Seite habt ihr noch drauf­geschrieben, wie viele Hunderte Millionen Euro denn überbleiben. Ich habe mich damals gefragt, wo denn das Geld hingegangen ist. Bei den Senioren und bei den Pensionisten ist es, so scheint es, nicht gelandet.

Was die 150 Euro betrifft – Kollege Spanring hat es ja schon erläutert –, so muss ich ehrlich sagen: Ich war lange Jahre alleinerziehende Mutter und ich wäre oft froh gewesen, wenn mir jemand das Dach über dem Kopf gezahlt hätte, wenn ich das nicht hätte erarbeiten müssen, ebenso den Strom und alles Mögliche, und ich hätte mich gefreut, wenn ich ab und zu mit meinen Kindern 150 Euro einfach so zum Verschleu­dern gehabt hätte. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe mir aber alles, was ich habe, selbst erarbeitet. Ich wäre zu stolz gewesen, um da irgendwie von anderen zu leben und dann vielleicht diese Leute auch noch zu kritisieren.

Zur Tagesordnung: Wir beschließen heute unter den Tagesordnungspunkten 5 bis 7 drei Gesetze. Ich beginne mit dem Alterssicherungskommissions-Gesetz. Jedem von uns – das ist klar – ist die Sicherheit der Pensionen ein großes Anliegen, und darum war es auch gut und recht, dass diese Kommission gegründet wurde. Diese Kom­mis­sion sollte für das Pensionssystem, sowohl für die PVA – mit hartem P – als auch für die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, die BVA – mit weichem B –, ein Moni­toring durchführen. Sie sollte jährlich kurz- und mittelfristige Berichte abgeben, Gutach­ten erstellen, und alle drei Jahre einen langen Bericht abgeben. Das wären Infor­ma­tionen, die wichtig wären, um – weil ich hier auch junge Menschen sehe – auch das Pensionssystem für die zukünftigen Generationen abzusichern und um zu wissen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Die Arbeit dieser Kommission wäre also eine sehr, sehr wichtige.


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Mit dem vorliegenden Entwurf wird das Alterssicherungskommissions-Gesetz nun aktualisiert und adaptiert, und wie wir im Ausschuss gehört haben, sollte die Kom­mission eine schlankere Organisation bekommen und straffer organisiert werden.

Wenn man mir jetzt aufmerksam zugehört hat, wird man bemerkt haben, dass ich großteils im Konjunktiv gesprochen habe – denn es gibt diese Kommission zwar, aber sie hat sich noch nicht konstituiert. Darum hoffe ich – und ich richte einen dies­bezüglichen Appell an die Ministerin –, dass die Konstituierung bald stattfinden wird. Diese Kommission kann, glaube ich, wertvolle Arbeit leisten und wertvolle Informa­tionen eben für die Sicherung der Pensionen liefern, und dies speziell auch für die zukünftigen Generationen, die ihr Arbeits- und Erwerbsleben noch vor sich haben.

Im zweiten Gesetz, das wir heute beschließen – wir haben es schon von meiner Kollegin gehört –, kommt es zu einer Klarstellung betreffend die Tätigkeit von Rechts­anwälten.

Es gab ja immer wieder Diskussionen darüber, ob Rechtsanwälte Selbstständige sind oder nicht, speziell wenn sie in größeren Kanzleien oder für andere Rechtsanwälte gearbeitet haben; das sind sogenannte Substitutionsanwälte. Gelten die jetzt als Selbstständige oder gelten die nicht als Selbstständige?

Das war ein Graubereich, und da dürfte es in der Vergangenheit bei Prüfungen nach dem ASVG und bei Abgabenprüfungen zu falschen Beurteilungen gekommen sein. An und für sich gäbe es Richtlinien und klare Abgrenzungen, denn ein Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus und kann als solcher eigentlich kein Dienstnehmer sein, sondern ist ein Selbstständiger. Mit diesem Gesetz wird nun Klarheit geschaffen und es werden jegliche Missverständnisse ausgeräumt.

Beim dritten Gesetz, welches wir heute beschließen, geht mir wirklich das Herz über; es freut mich, weil es eine langjährige freiheitliche Forderung ist und auch im türkis-blauen Regierungsprogramm verankert war. Vielen Dank an diese ehemalige Regie­rung, die sehr gut gearbeitet hat! Leider hat der Kanzler sie gesprengt. Es tut mir wirklich leid, weil gute Arbeit geleistet wurde. Es handelt sich bei diesem Gesetz um einen speziellen Bonus. Das heißt, wenn jemand 40 Beitragsjahre hat, wenn jemand 40 Jahre lang gearbeitet hat, bekommt er in Form eines Bonus eine Mindestpension. Das freut mich ganz besonders, das wird uns Frauen zugutekommen, weil auch Kin­dererziehungszeiten miteingerechnet werden. Es werden aber auch – das wird die Burschen mehr interessieren – der Zivildienst und der Präsenzdienst bis zu einem Jahr auf die Pension angerechnet. (Beifall bei der FPÖ.)

In Zukunft bekommen Einzelpersonen mit 40 Beitragsjahren 1 200 Euro und Paare 1 500 Euro Mindestpension. Es ist ein weiterer Schritt, um der Altersarmut entgegen­treten zu können, und es ist ein weiterer Schritt, dass man den Menschen das Altern in Würde angedeihen lassen kann. Das freut mich wirklich riesig, speziell auch weil ich Landesobfrau des Salzburger Seniorenrings bin. Ich darf an dieser Stelle hier übers Mikrofon – das sei mir erlaubt – meine Mitglieder in Salzburg ganz herzlich grüßen. Ich werde ihnen diese Frohbotschaft dann mit nach Hause bringen können.

Wie gesagt, es wird speziell uns Frauen zugutekommen, denn es wird auch Teilzeit­arbeit als volle Arbeit angerechnet. Viele Mütter bleiben ja nach der Entbindung, nach der Geburt des Kindes, einige Zeit zu Hause. Es freut mich, dass jetzt Eltern, Mütter diese Wahlfreiheit haben, ohne Angst haben zu müssen, im Alter in eine Pensions­lücke hineinzufallen, und dass eben auch Teilzeitarbeit für die Beitragsjahre herange­zogen wird. Ich hoffe, dass das den jungen Menschen wieder mehr Mut machen wird, Kinder in die Welt zu setzen, Familien zu gründen. Ihr braucht euch nicht zu fürchten! Es ist das Schönste, was man haben kann: eine Familie zu Hause, Kinder aufziehen.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 75

Auch wenn die jungen Menschen ab und zu einmal fürchterlich nerven, ist es doch das Schönste, was man haben kann.

Des Weiteren freut es mich, dass es jetzt gegangen ist, obwohl es in den vergangenen Jahren immer geheißen hat, dass das nicht geht, als wir Freiheitliche diese Forderung nach einer Mindestpension gestellt haben. Es hat 17 Monate freiheitlicher Mitregie­rungs­zeit bedurft, damit wir das gemeinsam mit dem ehemaligen Koalitionspartner auf Schiene bringen konnten. Es ist auch budgetiert, das heißt, es ist geregelt, ohne irgendeine Mehrbelastung im Budget herbeizuführen.

Für Einzelpersonen bedeutet das eine Entlastung von circa 2 800 Euro im Jahr, für Paare bringt es eine Entlastung von 3 300 Euro im Jahr. Ich glaube, das ist ein Meilen­stein in der österreichischen Sozialpolitik. Es freut mich riesig und ich bedanke mich bei allen, die das mit auf den Weg gebracht haben. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.44


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.


12.44.20

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und Zuseher via Livestream! Ich beziehe mich jetzt hauptsächlich auf den Punkt 5, denn meine VorrednerInnen haben die anderen Punkte bereits sehr gut ausgeführt.

Ich möchte Ihnen dazu eine kleine Geschichte erzählen. In meiner Nachbarschaft gab es eine alleinstehende Frau, Jahrgang 1927, die nicht die Möglichkeit hatte, einen richtigen Beruf zu ergreifen. Sie wurde 1945 aus ihrer Heimat vertrieben, und sie hat immer gearbeitet. Sie hat geheiratet, wurde von ihrem Mann verlassen, hat in der Fabrik, dann als Reinigungskraft gearbeitet und war dann gezwungen, in der Pension mit 995 Euro auszukommen. – Diese Frau würde sich heute wirklich freuen! Als ich gehört habe, dass wir jetzt gemeinsam diesen Pensionsbonus beschließen werden, habe ich sofort an sie gedacht. Gerade für solche Menschen, die jahrzehntelang hart gearbeitet haben, ist es sicher ein Freudentag, und darum können wir heute alle gemeinsam wirklich guten Mutes zustimmen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bun­des­rätInnen Mühlwerth und Ofner.)

Ich darf noch einmal kurz wiederholen: Bei 40 Beitragsjahren gibt es für Einzelper­so­nen eine Mindestpension von 1 200 Euro netto, bei Ehepaaren sind es 1 500 Euro netto. Das bedeutet für Einzelpersonen rund 2 800 Euro mehr im Jahr und für Familien 3 300 Euro mehr im Jahr. Das ist schon einiges. Ich glaube, das ist wirklich eine große frauen- und sozialpolitische Leistung, die wir heute hier gemeinsam beschließen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätinnen Ecker und Mühlwerth.)

Dieser Bonus ist steuerfinanziert, das wurde heute bereits angesprochen. Der wichtige Punkt dabei: Er ist von der Höhe der Beitragsleistung unabhängig und zielt auf den Wohnsitz im Inland ab. Damit ist sichergestellt, dass er auch nicht exportfähig ist. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert. Das wurde auch in den erläuternden Bemer­kungen zum Gesetz angemerkt.

Wir wollen – das ist ja unsere gemeinsame Zielrichtung –, dass jene Menschen, die lange gearbeitet haben – wie die Dame, die ich eingangs erwähnt habe –, eine höhere Pension bekommen, damit sie im Alter ein würdiges Auskommen haben. Kollegin Steiner-Wieser hat das ja bereits vor mir ausgeführt.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 76

Dieser Pensionsbonus wurde noch gemeinsam in der alten Koalition Mitte Mai prä­sentiert. Er ist in der mittelfristigen Haushaltsplanung auch vorgesehen, und fünf Jahre für die Kindererziehungszeiten und die Zeiten für Zivil- und Präsenzdienst werden ein­gerechnet. Davon profitieren über 40 000 Menschen. Das ist wirklich toll. Zur Hälfte sind das Frauen, und das ist für mich als Frau natürlich auch ein ganz wichtiges Zeichen, das wir heute setzen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Schumann.)

Was wir im Ausschuss auch noch besprochen haben, ist, dass zu diesen 35 Bei­trags­jahren – also für Frauen 35 Jahre und fünf Jahre Kinderbetreuungszeiten – auch die Zeiten zählen, die man in Teilzeit erworben hat. Das war mir vorher auch nicht klar. Das heißt, auch jene Damen, die aufgrund von Geburten, von Kinderbetreuungszeiten nicht vollzeiterwerbsfähig waren, haben jetzt die Möglichkeit, eine, sagen wir, halbwegs ordentliche Pension zu bekommen. 1 200 Euro sind jetzt nicht die große Welt, aber doch etwas, womit man auskommen kann. Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung. (Bundesrat Samt: Für meine ... schon, die hat 580!)

Wir wissen ja, Frauen sind doppelt so häufig von Armut betroffen. Deshalb war und ist es unsere Pflicht, alles zu unternehmen, um Frauen zu schützen und zu schauen, dass gerade sie im Alter ein würdiges Auskommen haben. (Beifall bei der ÖVP, bei Bun­des­rätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Mühlwerth.) – Danke, Danke, KollegInnen.

Ich habe an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, und auch meine Kollegin im Na­tionalrat, die ehemalige Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß, hat es angesprochen: das Pensionssplitting. Was wir da anstreben, ist das automatische Pensionssplitting, damit wir wieder einen Schritt weiterkommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Da muss man aber aufpassen!)

Noch einen anderen Aspekt möchte ich kurz anreißen, nämlich den der Grenz­gän­gerinnen und Grenzgänger. Ich wohne ja in Salzburg. Bei uns ist es gang und gäbe, dass Menschen teilweise in Bayern arbeiten, teilweise wieder zurückkommen, dann wieder in Salzburg arbeiten. Auch diese Zeiten im Ausland werden jetzt angerechnet. Es ist wichtig, festzuhalten, dass man damit auch diese Unsicherheit beseitigt hat.

Ich kann nur nochmals sagen: Es ist heute für mich ein Freudentag! Es ist eine wichtige sozialpolitische und frauenpolitische Maßnahme, die wir gemeinsam setzen. Ich bin sehr froh, dass wir das heute gemeinsam hier im Bundesrat beschließen wer­den. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie der BundesrätInnen Schennach und Schumann.)

12.49


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


12.49.49

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geschätzte Zuseher! Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Es ist in der Tat eine Freude, dass die Politik der vorhergehenden Regierung mit diesen Gesetzen fortgeführt wird.

Es ist eine Politik, die über 60 Prozent der Bevölkerung sehr geschätzt hat – zu erwäh­nen sind etwa der Familienbonus, der eingeführt wurde, die Streichung der Arbeitneh­merbeiträge für Geringverdienende, damit dort ein paar Hundert Euro im Jahr mehr bleiben –, eine Politik, mit der für die Ärmeren und für die Mittelschicht einiges getan wurde. Natürlich war noch einiges an Vorhaben da; durch diese Regierung wird das jetzt praktisch zustande kommen, oder zumindest gibt es die Hoffnung.

Nach 40 Beitragsjahren bekommt man künftig 1 200 Euro Mindestpension, was ohne­hin, wenn man sich zum Beispiel die Wohnkosten in Wien, in den Städten, ansieht,


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 77

wenn man sich die Heizkosten und so weiter ansieht, sehr schwer zum Überleben reicht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundesrätin Mühlwerth: ... hat die SPÖ in Wien den Heizkostenzuschuss gestrichen!) Deswegen ist es aber umso wichtiger, dass sie praktisch von über 900 Euro auf 1 200 Euro erhöht worden ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Zum Januskopf der SPÖ – um ein bisschen etwas zu euch zu sagen, da der Kollege jetzt so hereinruft und mich dazu aufmuntert –, zu eurer Doppelköpfigkeit, zu den zwei Gesichtern, die ihr immer wieder habt: In Wien zum Beispiel, wo ihr den Heiz­kos­tenzuschuss für die armen Familien, für die Pensionisten, die kein Geld haben, gestrichen habt – und großartig gesagt habt, dass die sich doch neue Thermen kaufen sollen –, geben wir ein bisschen Unterstützung. (Bundesrätin Schumann: Sozialhilfe Neu!) Die konnten praktisch nicht einmal das Geld für den Selbstbehalt, den sie hätten leisten sollen, aufbringen, und so haben sie sich im Winter eine warme Jacke ange­zogen – das ist Tatsache –, haben gefroren und sich überlegt, an welchen Stunden sie die Heizung aufdrehen werden. (Bundesrätin Schumann: Sozialhilfe Neu!) So ist die Sozialdemokratie, wenn man die andere Seite des Kopfes sieht. (Bundesrätin Mühlwerth: Die soziale Kälte der SPÖ!) – Ja, die soziale Kälte der SPÖ.

Man sieht ja auch: Wenn die SPÖ da jetzt nicht mitgeht und versucht, sich da ein bisschen herauszuwinden, weil das ja doch ein großer sozialer Aspekt ist, bei dem man nicht einfach Nein sagen kann (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) – man will aber Nein sagen, man sucht sich also irgendetwas heraus –, werden es wahr­scheinlich die Jobs bei den Betriebskrankenkassen gewesen sein, die unter SPÖ-Einfluss bleiben müssen; oder sonst irgendetwas hat euch bewogen, da dann zu sagen: Nein, das wollen wir nicht aufgeben, da wollen wir dabei bleiben, das muss bei uns bleiben. (Bundesrätin Schumann: Was?)

Zu den fünf Jahren Kindererziehungszeiten: Ich habe von euch dazu in der Ver­gan­genheit nicht viel gehört. Ihr wart ja irgendwann einmal auch in der Regierung – erfolg­los, aber doch in der Regierung. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Heiterkeit der Bundes­rätin Mühlwerth.) Ich habe nie gehört, dass ihr irgendwann einmal gesagt hättet: Wir hätten gerne für die Kindererziehungszeiten zehn Jahre oder die Zeit, die eine Mutter bei den Kindern bleibt, angerechnet. Ihr habt immer gesagt, die Mütter müssen arbeiten gehen, die dürfen nicht bei den Kindern zu Hause bleiben. (Bundesrat Samt: Von der Trage bis zur Bahre! – Bundesrätin Schumann: Dürfen! – Bundesrat Weber: Dürfen und müssen ...!) Ihr habt praktisch das Zuhausebleiben – beim Herd, hinterm Herd oder vor dem Herd – immer kritisiert und gesagt: Die Kinder müssen ganz einfach in Kindergärten und in Ganztagsschulen, nicht wahlweise, sondern verpflichtend! Das war eure Ideologie. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt plötzlich wollt ihr den Eltern Freiräume geben, um bei den Kindern zu bleiben, weil ihr draufgekommen seid, dass in den Schulen manches nicht funktioniert, weil natürlich Erziehung auch von den Eltern übernommen werden muss und das nicht alleine die Lehrer machen können. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Viel­leicht kommt jetzt langsam ein Umdenken, aber dieser Januskopf ist bei euch erkenn­bar, und das nimmt man euch alles nicht ab.

Es ist toll, dass dieses Gesetz zustande kommt, denn es ist ein Schritt in Richtung Altern in Würde und nicht in totaler Armut. (In Richtung SPÖ:) Ich kann der Pinocchio-Abteilung nur sagen: Macht es nicht so durchsichtig wie Herr Kollege Leitner! (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

12.54

12.54.10


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 78

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Schennach: Rösch! Einstimmig!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.55.278. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird und ein Gesetz über die Errichtung eines Jungfamilienfonds (Jungfamilienfondsgesetz) erlassen wird (816/A sowie 10211/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (576/A sowie 10194/BR d.B. und 10212/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 8 und 9, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den beiden Punkten ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich bitte um die Berichte. (Bundesrat Schennach: Ohne Polemik Bericht erstatten! – Bundes­rätin Mühlwerth: Ist das ein Muss? – Bundesrat Schennach: Eine Bitte!)


12.56.02

Berichterstatter Christoph Steiner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird und ein Gesetz über die Errichtung eines Jungfamilienfonds (Jung­familienfondsgesetz) erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 79

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geän­dert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile es ihr.


12.57.25

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man als Unternehmerin ein Baby bekommt, freut man sich auf der einen Seite natürlich riesig, aber auf der anderen Seite überlegt man sich auch: Wie schaut das aus, wie geht das mit meinem Betrieb weiter? Als Unternehmerin – und das war bei mir auch so – steht man bis zum letzten Tag in seinem Betrieb, in seinem Geschäft, und das war auch der Grund dafür, warum wir in Niederösterreich die Betriebshilfe als Unterstützung für Unterneh­merin­nen ins Leben gerufen haben. Ich freue mich, dass es jetzt auch die Möglichkeit für Unternehmerinnen in ganz Österreich gibt, diese Betriebshilfe in Anspruch zu nehmen.

Auch das Kinderbetreuungsgeld ist natürlich für uns alle eine große Unterstützung. Wie war es denn bisher? – Das war für uns beim Einreichen schon immer ein bisschen schwierig, und es hat sehr viele Härtefälle gegeben, weil, Sie kennen das, Frau Bun­desminister, gewisse Richtlinien gegeben waren, die für uns halt ein bisschen schwie­rig waren. Bisher mussten Selbstständige binnen zwei Jahren ab Ende des Jahres, ab dem sie Kinderbetreuungsgeld bezogen haben, eine Einkommensabgrenzung vorneh­men, anderenfalls wurde bei der Berechnung des Zuverdienstes vom gesamten Jah­reseinkommen ausgegangen, und bei Fristversäumnis ist es zu hohen Rückfor­de­rungen durch die Sozialversicherungsträger gekommen. Viele Familien mussten auf­grund einer Fristversäumnis Kinderbetreuungsgeld zurückzahlen. Gerade in einer so angespannten finanziellen und familiären Situation ist es bedauerlich, dass es da keine Kulanzlösung beziehungsweise bessere Serviceorientierung durch das Ministerium gegeben hat. Mit der Schaffung des Jungfamilienfonds wird zumindest den noch be­troffenen Familien die Möglichkeit gegeben, bis 31. Dezember 2025 eine Lösung zu finden.

Der Beschluss eines Jungfamilienfonds beziehungsweise die Schaffung einer Mög­lichkeit, für Geburten zwischen Jänner 2012 und 28. Februar 2017 für den Nachweis der Zuverdienstgrenze nun einen Einkommensnachweis bis Ende 2025 vorzulegen, ist daher zu begrüßen und vollinhaltlich zu unterstreichen.

Weiters natürlich ein herzliches Dankeschön für die Anhebung der Zuverdienstgrenze auf 7 300 Euro. Es ist ja bei uns vermehrt zu Fällen gekommen, in denen die SVA im Auftrag des zuständigen Familienministeriums selbstständig Erwerbstätige aufgefordert hat, das einkommensabhängige Kindergeld zurückzuzahlen, da diese Abgrenzung des Einkommens innerhalb der Zweijahresfrist vorgenommen wurde beziehungsweise die


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Zuverdienstgrenze in der Höhe von aktuell 6 800 Euro überschritten wurde. Die Be­grün­dung dabei war eben, dass die notwendige Einkommensabgrenzung nicht inner­halb dieser gesetzlichen Zweijahresfrist vorgenommen wurde. Es hat aber auch kein ausreichendes Service vonseiten des Ministeriums gegeben. Ich denke, ein Erinne­rungsschreiben wäre da schon angebracht gewesen, damit die Betroffenen ihre Ein­künfte auch rechtzeitig abgrenzen.

Als Vertreterin der Wirtschaftskammer Niederösterreich kann ich nur sagen, dass wir das bei diesen Härtefällen übernommen haben. Unternehmerinnen und Unternehmer, bei denen das Kinderbetreuungsgeld vollständig zurückzuzahlen war, obwohl die Zu­verdienstgrenze eingehalten wurde und lediglich eine Frist zur Einkommensauf­schlüs­selung versäumt wurde, haben wir beim OGH vertreten, und wir konnten diese Fälle auch für unsere Unternehmen gewinnen.

Auch waren die Fristen bei der Rückzahlungsaufforderung sehr kurz. Die nunmehrige Regelung soll solche Ungerechtigkeiten beseitigen und den betroffenen Selbststän­digen eben die Möglichkeit geben, das Einkommen mit ausreichender Frist darzulegen.

Der Jungfamilienfonds soll den Selbstständigen die Rückforderungen ausgleichen, die alleine wegen einer solchen Fristversäumnis Kinderbetreuungsgeld zurückzahlen mussten und damit selbstverständlich in finanziell schwierige Situationen geraten sind. Die jetzige Reparaturregelung ist zu begrüßen, aber ich denke, dass es wirklich immer besser ist, wenn man sich die Lebensumstände der Betroffenen genauer anschaut, damit so eine Reparatur gar nicht notwendig ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

13.02


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile es ihr.


13.02.35

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Zwazl, meine Vorrednerin, hat es gesagt, es ist eine Reparatur, die heute hier durch dieses Jungfamilienfondsgesetz erfolgt. Es ist eine von vielen Reparaturen, die notwendig wurde und durch die abge­wählte ÖVP-FPÖ-Regierung vonnöten wurde.

Und genau dieses Jungfamilienfondsgesetz hat ja auch eine Vorgeschichte hier im Bundesrat. Sie erinnern sich vielleicht, vor etwas mehr als einem halben Jahr habe ich hier einen Antrag gestellt, weil sich eine Mutter an mich gewandt hat, die eben auch, wie so viele – die Frau Kollegin hat es auch schon zitiert –, davon betroffen war. Es waren ja sehr viele Familien von fast blitzartigen Rückzahlungsaufforderungen betrof­fen – blitzartig deshalb, weil sie eben vorher nicht darüber informiert wurden, dass sie diese geforderten Eingrenzungen des Einkommens bekannt geben müssen. Deshalb waren sie völlig überrascht, als plötzlich horrende Rückzahlungsaufforderungen herein­geschneit sind.

Wie sich herausgestellt hat, war es auch so, dass seitens des Ministeriums von der damals zuständigen Ministerin Hartinger-Klein offensichtlich eine Weisung ausgegeben wurde, dass die Familien auch gar nicht informiert werden durften. Dazu hat es auch entsprechende öffentliche Stellungnahmen von Sprechern gegeben, aus denen hervorgegangen ist, dass man da bewusst junge Familien fast ins Messer hat laufen lassen. Es hat da wirklich dramatische Fälle gegeben, zum Beispiel musste eine selbstständige Grafikerin – wir wissen, die verdienen ja jetzt nicht wirklich über alle Maßen – plötzlich 9 000 Euro zurückzahlen. Das ist natürlich ein Schock für die be­troffene Frau und für die betroffene Familie.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 81

Ich habe Sie mit diesem und anderen Fällen hier von dieser Stelle aus konfrontiert und da sind noch ganz andere Töne angeschlagen worden als heute eben von Kollegin Zwazl. Da haben KollegInnen von der ÖVP und von der FPÖ wortreich erklärt: Ja, das ist zwar bedauerlich, aber da kann man halt nichts machen, weil das rechtlich nicht anders geht! (Bundesrat Samt: Ihr wart Jahrzehnte in der Regierung und habt nichts gemacht, Frau Kollegin!) – Aber da hat es nicht diese Weisung gegeben, Herr Kollege, nämlich von Ihrer Parteikollegin Hartinger-Klein (Bundesrat Samt: Ihr habt nichts gemacht! Ihr habt nichts gemacht! Bleiben wir doch bei der Wahrheit, ihr habt nichts gemacht!), die sich jetzt über eine fürstliche Gehaltsfortzahlung freut, aber andere plötzlich mit horrenden Rückzahlungsaufforderungen konfrontiert und meint, dass man mit 150 Euro im Monat auch leben kann. Erinnern Sie sich daran?

Aus dieser Zeit stammt eben die Weisung, die Familien nicht zu informieren. (Bun­desrätin Mühlwerth: Ich frage mich wirklich, wozu wir überhaupt mit euch etwas beschließen! Das ist für die Fisch’, wirklich wahr!) Wie gesagt, es wurde dann ihrerseits erklärt: Da geht halt nichts anderes.

Jetzt wird das repariert, und ich bin froh darüber. Wir hätten es schon früher haben können, aber wenn halt etwas von der Opposition kommt, dann darf das nicht von Erfolg gekrönt werden – das war anscheinend die Strategie dahinter.

Wie auch immer, es ist wunderbar, dass das jetzt hier gelöst wird, auch durch eine sehr – würde ich einmal sagen –, sehr, sehr großzügige Lösung. Die Frist wurde jetzt auf 13 Jahre ausgedehnt – wie auch immer man zu dieser Frist kommen mag –, es gibt eine Verpflichtung, auch seitens der öffentlichen Stellen, die Informationsarbeit zu leisten. Es wird dieser Fonds eingerichtet, um die Rückzahlungsaufforderungen aus dem Zeitraum, den Sie genannt haben, Frau Kollegin, auch bedienen zu können, und – was auch erfreulich ist – die Zuverdienstgrenze wird auf 7 300 Euro angehoben.

Das ist alles sehr erfreulich, erleichtert den Betroffenen sicherlich das Leben, erzeugt aber auf der anderen Seite auch eine gewisse Schieflage zu den unselbstständig Er­werbstätigen. Daher fordere ich auch von dieser Stelle eine entsprechende Groß­zügigkeit ein. Man hat gezeigt, es geht, also sollte auch für die Unselbstständigen dieselbe Großzügigkeit an den Tag gelegt werden, wenn es um Rückzahlungs­aufforde­rungen und um konkrete Härtefälle geht.

Nächstes Thema, das heute hier zur Beschlussfassung vorgelegt wird: der Papamonat beziehungsweise Babymonat, wie es eigentlich korrekterweise heißen sollte, denn es steht ja das Kind im Zentrum. Es wird ein Rechtsanspruch geschaffen, quasi ein verbindliches Recht für Väter, einen Monat nach Geburt eines Kindes zum Zwecke der Kinderbetreuung freigestellt zu werden. Ich finde, das ist ein ganz wichtiges Signal (Beifall bei der SPÖ), schließlich geht es darum, einen partnerschaftlichen Alltag zu dritt, zu viert – oder wie viele eben in der Familie sind – zu organisieren. Die Geburt eines Kindes ist ja ein wundervolles Ereignis, ein ganz besonderes Ereignis im Leben eines Menschen, im Leben einer Familie, und ein Kind soll in einer liebevollen Um­gebung aufwachsen und Mutter und Vater sollen sich von Anfang an für das Wohl des Kindes verantwortlich fühlen. Da ist natürlich auch die Beteiligung der Väter sehr, sehr erwünscht und dringend notwendig, auch wenn es darum geht, eine Bindung, eine Vater-Kind-Bindung herzustellen, die ein ganzes Leben lang halten soll.

Die alten Rollenmuster, dass die Mutter die alleinig Versorgende und der Vater quasi der Erhalter ist, der das Geld nach Hause bringt, sollen durchbrochen und überwunden werden. Ein Beitrag dazu ist – das muss ich dazusagen –, dass wir die Rahmenbedin­gungen verbessern, denn das größte Hindernis sind sicherlich noch immer die erheb­lichen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, die es halt schwer machen, auf das höhere Einkommen zu verzichten. Das ist natürlich auch ein Faktum,


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deshalb müssen wir alles daran setzen, dass sich diese Einkommensschere endlich schließt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Was aber auch wichtig ist, das ist die Bewusstseinsbildung. Wir können viele Rahmen­bedingungen schaffen und wir verbessern stetig die Rahmenbedingungen, aber wichtig ist natürlich auch das entsprechende Bewusstsein. Ich bitte Sie alle, da auch Ihre Beiträge zu leisten. Es ist ein sehr positives Zeichen, wenn auch prominente Väter eine Familienzeit in Anspruch nehmen. Das möchte ich bei allen, die das tun, welcher Partei auch immer sie angehören, sehr, sehr lobend erwähnen; das ist eine Vorbildwirkung. Es gilt aber auch, in allen Bereichen dahin gehend bewusstseinsbildend zu wirken, dass Kinder eben ein Recht auf beide Elternteile haben und dass die Väterbeteiligung massiv gefördert und unterstützt wird. – In diesem Sinne danke für Ihre Beiträge und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

13.11


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. Ich erteile es ihr.


13.11.27

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseher vor den Bild­schirm­geräten! Ich möchte näher auf das Thema Väterkarenz eingehen.

Wir bewegen uns in unserem Land familienpolitisch gesehen auf einem sehr hohen Niveau. Die ÖVP bemüht sich seit 32 Jahren – seit 32 Jahren ist sie nämlich in der Regierung –, diesbezüglich noch weitere Entwicklungen voranzutreiben. Österreichi­sche Väter praktizieren im Einvernehmen mit den heimischen Unternehmerinnen und Unternehmern schon länger eine einmalige einmonatige Arbeitsfreistellung nach der Geburt ihres Kindes.

Wir alle wissen, wie wichtig gerade die erste Zeit mit den Babys ist. Ich werde im September zum zweiten Mal Großmutter und kann miterleben, wie innig und wichtig diese Zeit ist. Viele Männer in meinem Bekanntenkreis haben diese Arbeitsfreistellung bereits in Anspruch genommen. All die Firmen, in denen meine Freunde und Bekann­ten beschäftigt waren und sind, legten dieser kleinen Auszeit zum Wohle der Familien keine Steine in die Wege. Ich persönlich finde es wunderbar, zu sehen, wie solche Chancen auf eine engere Bindung zwischen Vater, Mutter und Kind genutzt werden. Eine stärkere Beteiligung von Vätern an der Kindererziehung und Kinderbetreuung ist auch aus frauenpolitischer Sicht eine zentrale Maßnahme, um Betreuungsarbeiten ganz im Sinne unserer gesetzlichen Bestimmung halbe-halbe partnerschaftlich aufzu­teilen.

Instrumente, um Erwerbsbeteiligungen von Frauen zu stärken, aber auch um Männern die Möglichkeit zu geben, sich in der Betreuungsarbeit und in der Zeit mit ihren Kindern ausleben zu können, halte ich für wesentlich. Vätern und Müttern ein stärkeres Aus­maß an Zeit mit ihren Kindern zu schenken, um auch mehr Zeit gemeinsam zu verbrin­gen, ist, glaube ich, auch ein Beitrag zur Stärkung unserer Gesellschaft – an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an unsere Unternehmerinnen und Unterneh­mer, die diesen Familien schon seit einiger Zeit diese Zeit problemlos genehmigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir von der ÖVP wollen das Beste für unsere Familien, deshalb wurde auch ein ent­sprechender Antrag der NEOS im Nationalrat unterstützt, der mehr Flexibilität in diesem Bereich geschaffen hätte. Leider wurde dieser abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 83

Der Antrag der SPÖ zum Papamonat ist leider nicht ganz zu Ende gedacht worden. Er ist auch verfassungsrechtlich bedenklich, außerdem ist er unflexibel, weil die Väter exakt 28 Tage Anspruch auf den Papamonat haben. Diese 28 Tage müssen innerhalb der Mutterschutzzeit nach der Geburt konsumiert werden. Die SPÖ, das wissen wir, trifft ja recht gerne einseitige Entscheidungen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Weber: Jetzt hört aber auf mit solchen Schmähs!) – Wir Unternehmerinnen und Unter­nehmer sind in unseren Betrieben ein anderes Miteinander gewohnt. Im Sinne unserer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist es bei uns üblich, Vereinbarungen zu treffen, mit denen beide Seiten leben können und mit denen vor allem auch beiden Seiten geholfen ist.

Der Kündigungsschutz im SPÖ-Antrag ist weiters völlig überzogen und zeigt eines klar: Die Belastungspartei SPÖ hat einfach keine Expertise fürs Unternehmertum. Wir be­kennen uns selbstverständlich zur Förderung von Eltern und Familien und somit auch zur Väterbeteiligung. Österreich ist ein Land, in dem es ein gutes Miteinander zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Betrieben gibt. Dies sollten wir gemeinsam fortführen.

Als Mutter und Gewerbetreibende danke ich allen eingebundenen Verhandlerinnen und Verhandlern, es ist aber zu betonen und zu erwähnen, dass diese Regelung, diese Lösung von unserer damaligen Familienministerin Juliane Bogner-Strauß auf den Weg gebracht wurde. Dafür möchte ich ihr herzlich danken. Von der SPÖ und von der FPÖ würde ich mir mehr Flexibilität wünschen, um den Umgang mit den Bedürfnissen von Eltern und Kindern zu erleichtern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.17


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile es ihr.


13.17.21

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Damen und Herren, hier im Publikum und zu Hause! Ich muss noch einmal kurz auf die SPÖ replizieren: Man fragt sich wirklich, warum wir mit euch irgendetwas beschließen – im Privaten würde man sagen: Freunde werden wir keine mehr! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Wer weiß, vielleicht wird’s ja mal eine Koalition!) Es ist eigentlich aus dem Grund so schade, weil ihr damit der ÖVP in die Hand spielt, und das ist eigentlich nicht notwendig.

Zum Thema: „Die neuen Väter sind ganz die alten, nur anders.“ – So ist eine Bro­schüre des Landes Oberösterreich für werdende Eltern tituliert, und diese Broschüre beschreibt wirklich diese neuen Väter, so wie man sie in unserer Gesellschaft jetzt auch schon erlebt. Die neuen Väter kommen mit zum Geburtsvorbereitungskurs, sie gehen mit zum Yoga, sie informieren sich über geeignete Orte für die Entbindung und die Arten von Entbindung, sie entscheiden mit beim Kauf von Gitterbett und Kin­derwagen, sie suchen ein Schmusetuch aus und überlegen, welches erste Kuscheltier im Gitterbett liegen soll. Sie haben ihr Handy immer dabei, weil sie das große Ereignis auf keinen Fall versäumen wollen, sie klären es mit ihrem Arbeitgeber ab, damit sie bei der Entbindung dabei sein können und planen Urlaub für die erste Zeit nach der Geburt ein.

Und genau da greift die Neuerung, die wir heute beschließen, denn ab 1. September dieses Jahres kann der Vater während der Zeit des Beschäftigungsverbots der Mutter – wir kennen alle den Begriff des Mutterschutzes – eine Arbeitsfreistellung von einem Monat beanspruchen; beanspruchen deshalb, weil er nun durch einen ent­sprechenden


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Kündigungsschutz abgesichert ist. Dieser Kündigungsschutz ergänzt den Familienzeit­bonus ideal, weil damit der Rechtsanspruch auf diesen Papamonat Realität wird.

Ich bin überzeugt davon, dass sehr viele Väter diese Zeit sehr gerne in Anspruch nehmen werden, denn Väter haben auch Interesse an der Entwicklung ihrer Kinder und sind familienorientiert. Sie möchten die Kinder nicht nur nachher bei der Berufstätigkeit unterstützen, sondern sie haben eindeutig Interesse daran, auch die ersten Wochen mit ihrem Kind zu verbringen, es zu betreuen; und sie genießen diese gemeinsame Familienzeit.

Für frischgebackene Eltern ist diese Familienzeit eine wichtige Zeit, denn die Geburt eines Kindes verschiebt viele Prioritäten, erfordert Umdenken, Neuorganisieren und ist auch emotional eine große Herausforderung.

Der Papamonat ist ein Geschenk an alle Eltern, Mütter und Väter, die diese Verant­wortung, ein Kind in die Welt zu setzen und aufzuziehen, annehmen und ganz beson­ders mitgestalten und intensiv erleben wollen.

Auch die Firmen werden von den Erfahrungen dieser Männer aus diesen Wochen pro­fitieren, besonders von den weichen Faktoren, von den sozialen Erfahrungen. Es finden sich auch in der Literatur gesellschaftliche Effekte, die zum Beispiel durch die Väterkarenz hervorgerufen werden, und diese werden sicher auch durch den Papa­monat gestärkt: besserer Umgang mit Konflikten, die Wahrscheinlichkeit für Gewalt­tätigkeit in der Familie sinkt, mehr Zeit für Pflege des sozialen Netzwerkes und damit höhere Lebensqualität und Zufriedenheit. Man wird künftig diesen Vätern auch die Kompetenzen zuschreiben, die wir so landläufig den Müttern zuschreiben, nämlich im Bereich der Kommunikation, der Organisation, der Konfliktlösung, des Perspektiven­wechsels, der Flexibilität, der Stressresistenz und noch vieles mehr. Wenn sich Väter mehr einbringen, profitieren die Väter, die Mütter und besonders die Kinder. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir wissen alle, dass leider noch immer viel zu wenige Väter die Möglichkeit nutzen, in Karenz zu gehen, einerseits weil es sich trotzdem finanziell nicht ausgeht, andererseits weil auch noch immer bei manchen Firmen die nötige Akzeptanz fehlt. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Firmen es schaffen, zumindest diese vier Wochen auf den Mitarbeiter zu verzichten. Sie werden nach der Rückkehr von all jenen Faktoren, die ich vorhin schon genannt habe, profitieren.

Ich freue mich, dass diese schon seit dem Jahr 2008 gestellte freiheitliche Forderung jetzt endlich umgesetzt wird und jeder Vater einen Anspruch darauf hat, einen freien Monat in den ersten Lebenswochen mit seiner Tochter oder mit seinem Sohn zu ver­bringen. Ich bin davon überzeugt, dass es ein riesiger Gewinn für die jeweilige Familie und eine Riesenchance ist, denn vielleicht finden ja in Zukunft doch mehr Väter Gefallen daran, in Karenz zu gehen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.22


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­desrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic. Ich erteile es ihr.


13.22.52

Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Ministerin! Kollegen und Kolleginnen! 100 Jahre nach Einführung des Frauen­wahlrechts haben Frauen in Österreich noch immer nicht dieselben Chancen. Sie verdienen weniger, wie Sie wissen, übernehmen den Großteil der unbezahlten Arbei­ten, schlittern als Alleinerzieherinnen oder in der Pension sehr oft in Armut und kämp­fen im Beruf nach wie vor gegen die gläserne Decke an. Das ist, kurz gefasst, in einem europäischen Staat 2019 nicht nur ein Versagen der Politik, sondern natürlich auch ein


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Auftrag an diese. Das bedeutet, geschlechtergerechte Einkommensverteilung, Maß­nah­men zugunsten existenzsichernder Arbeitsplätze und zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen Vorrang in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik haben, ge­nauso wie eine geschlechter- und sozialgerechte Steuerreform einen Beitrag dazu leis­ten kann, dass diese Ungleichheit minimiert wird.

Heute diskutieren wir einen kleinen Ausschnitt einer Reihe notwendiger Maßnahmen, die wir treffen müssten, die Anhebung der Zuverdienstgrenze beim einkommens­abhän­gigen Kinderbetreuungsgeld und die Väterkarenz. Das Kinderbetreuungsgeld vereint, wie Sie vielleicht wissen werden, wenn Sie sich näher damit auseinandergesetzt ha­ben, zwei Systeme in einem. Das Kinderbetreuungsgeld ist zum einen eine Geldleis­tung und das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ist eine sogenannte Einkom­mensersatzleistung.

Das Zweite war ja ursprünglich gar nicht vorgesehen. Wir Grünen haben uns damals Anfang der 2000er-Jahre für dieses einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld starkgemacht und gleichzeitig auf die Defizite hingewiesen, die leider nach wie vor gelten, wie zum Beispiel die Benachteiligung von nichtbiologischen Eltern oder eben auch Alleinerziehern und -erzieherinnen. 2002 wurde es schlussendlich eingeführt. (Bundesrat Steiner: Unter welcher Regierung?) Damals lag der Väteranteil bei 1,92 Prozent, das ist wahrlich nicht viel. Seitdem hat sich ein bisschen etwas getan, aber man muss auch festhalten, dass es wirklich Babyschritte gewesen sind und wir noch weit davon entfernt sind, dass Väter es als eine Selbstverständlichkeit betrachten, tatsächlich in Karenz zu gehen, tatsächlich auch zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben.

Fakt ist, die Geburt eines Kindes – das haben Sie auch schon erwähnt – bedeutet für Frauen noch immer einen massiven Einschnitt in die Erwerbsbiografie, ist mit gra­vierenden Auswirkungen betreffend ökonomische Unabhängigkeit, Wiedereinstieg ins Berufsleben, Teilzeitfalle bis hin zur Pension verbunden. (Bundesrat Steiner: Sollen jetzt wir die Kinder kriegen?) Wir haben auch deshalb immer für eine Reduktion auf ein Karenzmodell gepocht, das für alle Eltern gleich ist, aber gleichzeitig flexibel und vor allem flexibler als das aktuelle gestaltbar ist. (Bundesrat Steiner: Für das können wir jetzt nichts! Oder sollen wir die Kinder kriegen?) Das heißt, wir brauchen zum einen Einkommensabhängigkeit für alle samt Abfederung, partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit, Anreize für mehr Väterbeteiligung abseits vom Rechtsanspruch und eben Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Kinderbetreuungsplatz, der nämlich enorm wichtig ist, weil die Errichtung von Betreuungsplätzen wiederum enorme Be­schäftigungseffekte zur Folge hat.

Dabei meine ich jetzt auch nicht, wie wir aus der Statistik wissen, dass Männer, wenn sie Kinder bekommen, mehr Überstunden machen sollen. (Bundesrat Steiner: Seit wann kriegen Männer Kinder?) Das ist nämlich in Österreich tatsächlich der Fall, das kann man gut beobachten, wie sich die Verteilung der unbezahlten und bezahlten Arbeit, wenn Kinder im Haushalt sind, noch zusätzlich und sehr gravierend verschärft und verstärkt. Deshalb: Ja, Anreize sind wichtig, Rechtsanspruch ist wichtig, aber es ist auch genauso wichtig, die Hürden zu beseitigen. Diese Zuverdienstgrenze war aus unserer Sicht eben eine von diesen Hürden. Es wurde heute auch schon erwähnt, wir kennen alle Beispiele von Selbstständigen, die Tausende von Euro Kindergeld zurück­zahlen mussten. Hier gibt es zum Glück in Österreich auch mittlerweile entsprechende Urteile.

Die Grünen haben sich auch in der Wirtschaftskammer – das werden Sie vielleicht nicht wissen – deshalb dafür eingesetzt, dass die Zuverdienstgrenze für Selbstständige zur Gänze fällt – also nicht nur wie jetzt leicht angehoben wird, sondern tatsächlich


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fällt –, denn erst dann ist die Flexibilität auch garantiert und erst dann können sich die Familien das auch entsprechend flexibel ausgestalten.

Die Abrechnung selber – auch das war heute schon Thema – ist trotz dieser kleinen Anhebung nach wie vor äußerst kompliziert. Sie bleibt kompliziert, und die Fristen zu überdenken, war deshalb enorm wichtig. Sie werden wissen, es gibt nicht nur diese Härtefälle, die damit jetzt hoffentlich vermieden werden können, sondern es gibt auch schon seit zwei Jahren die Möglichkeit, beim Formular anzugeben, dass man eben eine entsprechende Erinnerung erhalten möchte.

In diesem Sinne: 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts ist die Verein­bar­keitsfrage noch immer eine Frauenfrage. Möge der Anreiz durch eben diese Anhebung der Zuverdienstgrenze genauso wie der Rechtsanspruch auf den Papamonat dazu beitragen, dass sich das ein wenig ändert. Solange aber unbezahlte und bezahlte Arbeit derart ungleich auf Frauen und Männer in Österreich verteilt ist, solange über 55 Prozent Frauen in Österreich angeben, dass sie gezwungen sind, Teilzeit zu arbei­ten, weil sie vor allem am Land nicht entsprechende Infrastruktur, Kinderbetreu­ung zur Verfügung gestellt bekommen und vorfinden, haben wir noch enorm viel zu tun.

Wir wissen auch, wie sich das dann weiter auswirkt, beispielsweise beim Wieder­ein­stieg oder eben auf den Verdienst durch die Teilzeit schlechthin. Wir bleiben dran, ich hoffe, Sie bleiben auch dran. Ich denke, die Gleichstellungsfrage sollte eine sein, die parteiübergreifend eine Selbstverständlichkeit ist. In diesem Sinne freuen wir uns über diese zwei kleinen Schritte in Richtung echter Gleichstellung. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

13.30


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm.


13.30.28

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Bevor ich zu den Tagesord­nungs­punkten 8 und 9 komme, möchte ich schon noch ein bisschen etwas zu meiner Vorrednerin Frau Rosa Ecker sagen. Sie haben das Thema, glaube ich, nicht gerade richtig eingeleitet. Sie haben zu uns gesagt: Es geht hier um Freunde oder irgend­etwas. Es geht uns hier nicht um eine Beziehung mit Ihnen als Freunde, es geht uns darum, dass wir wichtige Gesetze für die Menschen umsetzen. (Bundesrätin Ecker: Das können Sie sich sparen!) Wenn Sie heute genau aufgepasst haben: Sie waren beim Glyphosatverbot dabei, die ÖVP war beim Nichtraucherschutz dabei, und die Initiatoren sitzen hier, das ist die Sozialdemokratie in Österreich. – Danke schön. Danke. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Gratuliere! Des­halb seid ihr in den Umfragen so gut! Ihr seid echte Macher!)

Ich darf, bevor ich meine Rede zum Thema beginne, Herrn Präsidenten Bader zur Präsidentschaft gratulieren, und natürlich auch dem Vizepräsidenten, dem ersten Vize­präsidenten Hubert Koller, der wiedergewählt worden ist, und natürlich auch Magnus Brunner, der zweiter Vizepräsident geworden ist. – Herzliche Gratulation dazu! (Allge­meiner Beifall.)

Herr Präsident, mir hat das sehr gut gefallen: Sie haben heute gesagt, die Dezen­trali­sierung ist Ihnen ein ganz wichtiges Anliegen im Zusammenhang mit dem ländlichen Raum. Wir werden Sie beim Wort nehmen, denn dieses Gesetz, das Kinderbetreu­ungsgeldgesetz, hängt ja ursächlich auch mit den Gebietskrankenkassen zusammen. Die Selbstverwaltung der Gebietskrankenkassen liegt ja dann vor, wenn der Staat das jenen Personen überträgt, die unmittelbares Interesse daran haben. Das sind in die­sem Fall die Bundesländer, und wir werden uns ansehen, Herr Präsident, ob Sie diese


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Wirkung in Ihrer eigenen Fraktion haben, damit diese Selbstverwaltung in unseren Bundesländern erhalten bleibt und nicht alles verwaltungstechnisch in der Österreichi­schen Gesundheitskasse versandet.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu den Punkten 8 und 9. Was liegt uns hier vor? – Kollegin Grossmann hat schon sehr, sehr vieles darüber gesagt. Wichtig ist festzuhalten, es wird ein Rechtsanspruch auf einen Papamonat geschaffen. Die Väter erhalten ein verbindliches Recht – das war vorher nicht gegeben –, nach der Geburt einen Monat lang bei Kind und Partnerin zu Hause zu bleiben; das ist quasi eine Freistellung zum Zwecke der Kinderbetreuung. Die Bekanntgabe des endgültigen konkreten Datums erfolgt erst nach der Geburt, davor muss der Vater nur mitteilen, dass er beabsichtigt, den Papamonat in Anspruch zu nehmen. (Präsident Bader über­nimmt den Vorsitz.)

Ich möchte ein bisschen zurückblicken, was seit 2017 passiert ist. Seit dem 1.3.2017 haben nämlich all jene, die nach der Geburt des Kindes ihre Erwerbstätigkeit für einen Monat komplett unterbrechen, egal, ob Bundesbediensteter, unselbstständig Erwerbs­tätiger oder Selbstständiger, Anspruch auf eine Geldleistung, auf diesen Familienzeit­bonus von 700 Euro im Monat. Bundesbedienstete können schon heute einen unbe­zahlten Karenzmonat in Anspruch nehmen. Dieser Frühkarenzurlaub oder Babymonat, wie er richtig heißt, kann zwischen der Geburt des Kindes und dem Ende des Beschäf­tigungsverbotes der Mutter frei gewählt werden.

Im Februar 2019 gab es eine Statistik des Familienministeriums, an der wir aber schon gesehen haben, dass das halt nicht so super angekommen ist. Insgesamt waren es nur 739 Väter, die diesen Familienzeitbonus in Anspruch genommen haben, nur 6 Pro­zent der Väter von Neugeborenen bezogen 2017 diesen Familienzeitbonus.

Beim Beschluss des Familienzeitbonus ging das Familienministerium davon aus, dass rund 32 800 Väter jährlich ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen und den Familienzeit­bonus während dieser Familienzeit erhalten. Davon sind wir klarerweise weit, weit entfernt gewesen. Ein Rechtsanspruch wird diese Situation um einiges verbessern.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas auch als Vater sagen: Väter wollen sich natürlich an der Kinderbetreuung beteiligen. Daher bin ich auch sehr froh, dass es nun endlich gelungen ist, einen Rechtsanspruch auf den sogenannten Papamonat zu erlangen. Wir können alle stolz darauf sein, einen Rechtsanspruch darauf zu haben, denn auf Almosen oder Goodwill wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht angewiesen sein.

Ich möchte auch noch ein bisschen die finanzielle Situation der Väter beschreiben. Die für den Papamonat vorgesehen Abgeltung ist ja der Familienzeitbonus in der Höhe von 700 Euro monatlich, der als erster und wichtiger Schritt gesehen werden kann. Ich möchte heute aber schon auch noch sagen, dass es uns jedoch ein Anliegen sein muss, dass dieser in Zukunft ohne Anrechnung auf das Kinderbetreuungsgeld aus­bezahlt wird. Das klare Endziel kann nur voller Lohnausgleich für den Papamonat sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend darf ich auch noch zum Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeitsgesetz geändert werden, die Begründung angeben: Das Landar­beitsgesetz wurde nach den Bestimmungen über die Anrechnung der Karenzzeiten aus dem Mutterschutzgesetz ergänzt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.36

13.36.14


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird und ein Jungfamilienfondsgesetz erlassen wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz und das Land­arbeitsgesetz 1984 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.37.2810. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (338/A sowie 10195/BR d.B. und 10213/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Nun gelangen wir zu Punkt 10 der Tagesordnung.

Berichterstatter zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Ich bitte um den Bericht.


13.37.51

Berichterstatter Christoph Steiner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Ich bedanke mich sehr herzlich für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag.a Martina Ess. Ich erteile dieses.


13.38.35

Bundesrätin Mag. Martina Ess (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geehrte Zuseher zu Hause und hier im Sitzungssaal! Lieber Karl, lieber Präsident, es freut auch mich, dich heute so anzusprechen zu dürfen, und ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit – bisher hat es sehr gut funktioniert, so ganz vom Westen bis nach Niederösterreich.

Ich habe heute in den laufenden Debatten drei Kolleginnen gehört, die mir ein bisschen aus der Seele gesprochen haben, und ich werde das eine oder andere auch wieder aufgreifen. Ich möchte an dieser Stelle für die frauenpolitischen und familienpolitischen Statements meiner Kollegin Andrea Gitschthaler, Ewa Dziedzic und Frau Steiner-Wieser Danke sagen. Es hat mich sehr gefreut, dass ihr im Bereich der Frauenpolitik hier ein klares Statement gesetzt habt.


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Es ist ein Tag, an dem wir uns freuen können, es ist ein Tag für uns Frauen. Es wird sehr viel verbessert und es werden auch die Karenzzeiten mit dem heutigen Tag ver­bessert. In Zukunft werden die Zeiten der Elternkarenz bei Gehaltsvorrückungen näm­lich in vollem Umfang berücksichtigt, und das ist ein ganz wesentlicher Schritt, wenn es darum geht, die Einkommensschere zwischen Mann und Frau zu schließen. Es ist insgesamt eine Maßnahme für mehr Gerechtigkeit.

Es ist, wie gesagt, ein ganz und gar erfreulicher Tag, und doch – wir haben es zwi­schen den Zeilen schon gehört – ist es nur ein Schritt von vielen, sind es Bausteine, sind es nur Ausschnitte, die heute geregelt werden. Darüber dürfen wir uns freuen, aber wir müssen noch viele Schritte gehen, wenn es darum geht, Mann und Frau die gleichen Startbedingungen für das Leben zu schaffen, ihnen die gleichen Chancen zu ermöglichen.

Da sind wir mittendrin – ich möchte diese Gelegenheit im Zusammenhang mit den Karenzzeiten nützen, um etwas dazu zu sagen – in der Genderdebatte, wir sind auch mittendrin in der Realität. Wir in Vorarlberg, im Ländle, würden sagen: Es is scho a zähe Gschicht! – Es ist etwas, das vorangeht, aber mir geht es viel zu langsam.

Ich möchte Sie alle einladen, jetzt ein bisschen zurückzublicken, und zwar ins Jahr 1979. Vor 40 Jahren wurde es gesetzlich verboten, jemanden aufgrund seines Geschlechts in der Privatwirtschaft schlechter zu bezahlen. Heute, 2019, verdienen wir Frauen aber immer noch deutlich weniger als Männer. Da stellt sich schon die Frage: Warum ist das heute so? – Ist das deshalb so, weil wir Frauen sind, oder weil wir andere Berufe als Männer auswählen? Oder ist es so, weil wir – und das haben wir heute auch schon diskutiert; das ist und bleibt in der Natur der Sache – Kinder bekommen und dann eben länger der Arbeitswelt fernbleiben? Oder ist es deshalb so, weil wir als Mütter dann oft in Teilzeit arbeiten?

Das sind Fragen, die ich mir im 21. Jahrhundert nicht stellen möchte, die ich mir aber leider stellen muss. Eine Familie zu gründen, Kinder zu haben, das ist das, was nur unterstützt werden kann. Wir brauchen Kinder, wir brauchen Familien, Österreich braucht Familien; und wenn es um eine gemeinsame Lebensplanung geht, die man mit dem Partner, mit der Partnerin abmachen muss, dann nehme ich beide Elternteile in die Pflicht, nämlich Vater und Mutter. Gemeinsam müssen sie aus meiner Sicht über­legen, wie ihre individuelle Lebensplanung aussieht. Da darf und soll niemand vor­schreiben, wer sich wann wie und wie viel um das Kind kümmert und wer wann und wie viel arbeitet. Das ist Privatsache, das ist ureigenste Entscheidung der Eltern, und jedes Modell – das ist das, was wir von der ÖVP vertreten – muss seinen Platz finden und haben. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Was nicht sein darf, ist, dass sich Frauen aufgrund von Einkommensunterschieden, die wir bis heute haben, und erschwerter Wiedereinstiegsmöglichkeiten – auch das ist gelebte Realität – die Frage stellen: Karriere oder Kind? – Es darf auch nicht sein, dass sich Mütter aufgrund dessen, dass der Mann sowieso mehr verdient, für längere Zeit von der Arbeitswelt verabschieden.

Wir in der Politik sind gefordert, Rahmenbedingungen so gut zu gestalten, dass junge Familien gerne Kinder bekommen, dass sie wissen, dass wir gleiche Chancen für Mann und Frau haben und diese gewährleistet sind. Diese gleichwertigen Startbedin­gungen müssen wir schaffen; das muss der Bund leisten.

Etwas ist heute noch nicht gefallen, ich sage es jetzt aber: Ich appelliere auch konkret an alle Frauen zu Hause und hier im Saal: Wir sind auch aufgefordert, Eigenver­antwortung zu übernehmen. Wir müssen eigenverantwortlich, im besten Fall im Aus­tausch mit unserem Partner, überlegen, wie unsere Lebensplanung ausschauen wird. Was wird es für uns bedeuten, wenn wir zehn Jahre zu Hause bleiben? Was bedeutet


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es für uns, wenn wir auf eigenen Beinen stehen wollen? Wir sind auch gefordert, liebe Frauen, dass wir uns darüber informieren, wie wir es eben vermeiden können, in die Altersarmut oder in die Teilzeitfalle zu tappen.

Fakt ist, dass die Geburt eines Kindes – was eines der schönsten Erlebnisse ist, die man erfahren darf; jede Mutter kann das bestätigen – keine Einbußen im Gehalt mit sich bringen darf. Wenn man Elternteil wird, wenn man ein Kind bekommt, soll man keinen Nachteil haben. Deshalb ist es gut, richtig und wichtig, dass die Karenzzeit künftig wie Arbeitszeit bewertet wird.

Ich darf also abschließend alle dazu einladen, dieses Haus um weitere Bausteine zu erweitern, diese Schritte zu gehen, die vor uns liegen, um das Schließen der Ge­haltsschere zu beschleunigen. Frauen müssen gleiche Chancen haben. Wir brauchen gute Gehälter, wir Frauen müssen auch ein Wissen über unsere Frauen- und Mädchenrechte haben und wir müssen auch die Möglichkeit haben, Führungspositio­nen zu übernehmen. Ich danke allen, die diesen Antrag heute für uns Frauen unter­stützen. (Allgemeiner Beifall.)

13.45


Präsident Karl Bader: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Korinna Schumann zu Wort. Ich erteile es ihr.


13.45.19

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hause! Das mit der Frauenpolitik ist wirklich – wienerisch ge­sagt – a zache Gschicht. Darum freut man sich umso mehr – ich gebe Ihnen, Kollegin Ess, total recht –, wenn etwas gelingt. In diesem Fall kann ich gar nicht sagen, wie sehr ich mich für all die Frauen freue, für die jetzt die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten erreicht wurde. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Es ist eine jahrelange Forderung der SPÖ und es ist eine jahrelange Forderung der Gewerk­schaftsfrauen über alle Fraktionen hinweg.

Ab dem 1. August 2019 gibt es die volle Anrechnung der Karenzzeiten für jedes Kind im Ausmaß von bis zu 24 Monaten, auch bei Adoption und Pflege – endlich, wirklich endlich; man kann nur ausatmen und sich ganz toll darüber freuen.

Doch wie ist es zustande gekommen? – Die Forderung ist schon lange auf dem Tisch und uns wurde sowohl von der letzten Frauenministerin, Bogner-Strauß, als auch von Wöginger ausgerichtet: Jetzt sollen einmal die Gewerkschaften die Kollektivverträge gut verhandeln und schauen, was sie bei den Karenzzeiten zusammenbringen, und dann, wenn das nicht so ganz gelingt, machen wir ein Gesetz. (Bundesrat Stögmüller: ... Oberösterreich!) – Gut, wunderbar, die Gewerkschaften haben verhandelt und sie haben ausgezeichnet verhandelt, aber immer mit dem Wissen, dass jeder Verhand­lungserfolg in kollektivvertraglichen Verhandlungen natürlich etwas anderes zurück­stellt.

Es war ganz wichtig zu sagen: Was ist jetzt mit dem Gesetz? Wo ist die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten? – Ja leider, sie kam nicht. Wieder wurde man ver­tröstet, das wäre eine Sache der Sozialpartnerinnen und Sozialpartner. Es ist aber ein so wichtiger Schritt, wir brauchen diese gesetzliche Anrechnung. Deshalb freuen wir uns heute so sehr darüber, dass es umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Was bringt es den Frauen? – Es bringt das schnellere Vorrücken in den Gehalts­sche­mata, ein früheres Erreichen der sechsten Urlaubswoche, ein früheres Erreichen von Jubiläumsgeldern, keine Nachteile bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Verbes­serungen bei den Kündigungsfristen und Verbesserungen der lebenslangen Einkom-


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menssumme, und das ist, wie schon erwähnt, der wichtige Punkt, es geht nämlich um das Schließen der Einkommensschere.

Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen beträgt in Österreich fast 20 Prozent, da muss man doch etwas tun! Mit diesem Gesetz besteht die Chance, dass die Einkommensschere sich wahrscheinlich um 3 Prozent schließen wird. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt und darauf können wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr stolz sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wirkt sich zudem auf die Pensionshöhe aus. Das ist so wichtig, denn wir wollen nicht, dass Frauen im Alter unter Armut leiden. Die Einkommensschere bezie­hungs­weise der Einkommensunterschied ist ein Grund für Altersarmut. Darum ist es wun­derbar, dass jetzt die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten durchgesetzt wird.

Es ist aber noch viel zu tun für die Frauen in der Arbeitswelt. Der Anteil von Frauen in Niedriglohnbeschäftigung ist in Österreich relativ hoch, er liegt bei 23,1 Prozent, im EU-Durchschnitt sind es 21,1 Prozent. Der Anteil von Männern im Niedriglohnsektor liegt bei 8,7 Prozent. Frauen sind in atypischen Beschäftigungsverhältnissen wie Teilzeit, befristeten Arbeitsverhältnissen, geringfügiger Beschäftigung, Leiharbeit und Beschäfti­gungen mit freiem Dienstvertrag überrepräsentiert. Weiters haben wir in Österreich, auch das wurde schon gesagt, einen extrem hohen Teilzeitanteil, nämlich fast 50 Pro­zent. Das ist der zweithöchste Wert in der EU.

Der österreichische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Aufteilung in frauen- und männerdominierte Branchen gekennzeichnet. So arbeiteten beispielsweise 2018 rund 18 Prozent der Frauen im Handel, 19 Prozent der Frauen im öffentlichen Dienst.

Ein wichtiger Faktor für das Einkommen der Frauen und für das Schließen der Ein­kommensschere ist natürlich das kollektivvertragliche Mindestlohnniveau. Da haben die Gewerkschaften wirklich ganz toll verhandelt und ganz viel erreicht, um das Mindestlohnniveau zu heben. Das nächste Ziel in den Verhandlungen ist, schrittweise auf 1 700 Euro hinaufzugehen.

Die Reduktion geschlechterspezifischer Lohnunterschiede erfordert aber neben der guten kollektivvertraglichen Entgeltpolitik auch weitere Maßnahmen, und die gesetz­liche Karenzzeitanrechnung ist da ganz wesentlich, denn Frauen – das anzumerken ist auch noch wichtig – weisen eine geringere Dauer der Unternehmenszugehörigkeit auf und sind dadurch gefährdet, länger als Männer in den unteren Lohngruppen zu ver­harren. Darum ist es wunderbar, dass die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten kommt.

Wichtig ist aber auch der flächendeckende Ausbau von kostenloser ganztägiger Kin­derbetreuung, die die Entscheidung, ob man Vollzeit arbeiten möchte oder wie viele Stunden man arbeiten möchte, überhaupt erst möglich macht. Das ist aber auch ein wichtiger Schritt zur Regionalförderung und zur Stärkung des ländlichen Raums – das darf bitte mitgegeben werden. Wenn wir über den ländlichen Raum sprechen: Es ist wichtig, eine gute, kostenlose Kinderbetreuung flächendeckend auszubauen, damit für Eltern überhaupt erst die Möglichkeit entsteht, zu entscheiden, wie viele Stunden sie arbeiten möchten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer sehr wesentlicher Punkt für die ArbeitnehmerInnen, Frauen und Männer, ist die Frage der Arbeitszeit: Wie kann man Beruf und Familie vereinbaren? Wie kann verhindert werden, dass Arbeit krank macht? Welche Rechte haben Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer in einer immer flexibler werdenden Arbeitswelt bei der Frage der Arbeitszeit? – Dazu bringen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten heute einen Entschließungsantrag der Bundesrätin Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitszeitumverteilung“ ein.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 92

Die letzte Regierung hat den Arbeitszeitdruck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­neh­mer enorm erhöht: allgemeine 60-Stunden-Woche eingeführt, BetriebsrätIn­nen­rechte gekürzt, Ruhezeiten verringert, Sonntagsarbeit erweitert – und das mit der Erzählung von einfach mehr Flexibilität. Tatsache ist aber: Es ist eine Flexibilität, die nur den Arbeitgebern hilft. In den Kollektivverträgen ist sehr vieles gelungen, um die fatalen Auswirkungen dieses Arbeitszeitgesetzes möglichst einzudämmen.

Gestern wurden wieder Arbeitszeitübertretungen bekannt, die über ein vorstellbares Maß weit hinausgehen. Wie sich bei der Kontrolle des Arbeitsinspektorats in Vorarlberg gezeigt hat, gibt es teilweise Arbeitszeiten von mehr als 90 Stunden statt der erlaubten 60 Stunden pro Woche. 57 Hotels wurden überprüft, in 23 davon wurden Arbeitszeit­über­schreitungen festgestellt. Drei Betriebe haben das Personal ohne Ruhetag durch­arbeiten lassen.

Das ist doch kein Zustand! So schaut doch nicht die flexible neue Arbeitswelt aus! So etwas begünstigt das neue Arbeitszeitgesetz noch mehr. Das kann doch niemand wollen, das sind menschenunwürdige Arbeitsbedingungen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass die Menschen nicht wegen Arbeit krank werden oder ausbrennen. Daher ist dieser Entschließungsantrag so wichtig.

Wir fordern einen Rechtsanspruch auf einen einseitigen Verbrauch von Zeitguthaben sowie endlich den Rechtsanspruch auf die Vier-Tage-Woche, der bei der Einführung des Arbeitszeitgesetzes so großmundig versprochen wurde und den es in Wahrheit nicht gibt. (Bundesrat Köck: Es geht eh mit den 12 Stunden!) – Nein, das geht nicht. Der Rechtsanspruch besteht nicht, lieber Kollege! So ist es leider. Schwurbeln wir nicht rum, erzählen wir keine Geschichten, sondern setzen den Rechtsanspruch auf die Vier-Tage-Woche um! (Bundesrätin Hackl: Wer erzählt uns Geschichten?! Das macht ihr!)

Wir fordern gesicherte und planbare Arbeitszeiten – das ist gerade in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie so wichtig –, daher fordern wir einen Flexibilitäts­zuschlag bei Unterschreitung der 14-tägigen Ankündigungszeit. Weiters fordern wir einen Rechtsanspruch auf den Arbeitszeitwechsel bei Bedarf von Vollzeit auf Teilzeit und wieder auf Vollzeit.

Das Arbeitszeitrecht ist ein Schutzrecht und Arbeitszeitflexibilität darf nicht auf Kosten der Gesundheit und der Lebensqualität von arbeitenden Menschen gehen. Dafür wer­den wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns immer einsetzen. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

13.54


Präsident Karl Bader: Wir gehen in der Debatte weiter. Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Rosa Ecker zu Wort. Ich erteile es ihr.


13.54.40

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Dort, wo es keine Einigung bei den KV-Verhandlungen zur Anrechnung von Karenz­zeiten gab, braucht es nun endlich eine gesetzliche Regelung. Nur in einigen Kollektiv­verträgen wird diese Karenzzeit bereits über das gesetzliche Ausmaß hinaus berück­sichtigt. Als Beispiel fällt mir der KV der Sozialwirtschaft Österreich ein, der eine volle Anrechnung vorsieht.

Die Anrechnung durch die Sozialpartner und die Umsetzung in den KVs hat also offensichtlich nicht funktioniert. Wir haben bereits im Vorjahr festgehalten, dass es,


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wenn das nicht funktioniert, dazu eine gesetzliche Änderung brauchen wird. Es schaut nämlich nach der herbstlichen Kollektivvertragsrunde noch immer jede zweite Mutter durch die Finger. Etwa 45 Prozent der Frauen, die nicht im öffentlichen Dienst, im öffentlichen Sektor arbeiten, bekommen derzeit nur zehn Monate statt der vollen 24 angerechnet.

Ich freue mich auch sehr, dass dazu heute ein einhelliger Beschluss möglich ist und ab Anfang August die Karenzzeiten im vollen Ausmaß berücksichtigt werden.

Wir haben die Nachteile nun schon gehört, ich will sie aufgrund der langen Tages­ord­nung nicht alle noch einmal wiederholen, aber das alles – von Vordienstzeiten bis zu Entgeltzahlungsansprüchen – wird Berücksichtigung finden. Das wirkt sich in Folge auch auf die Löhne und Gehälter, aber auch auf die Pensionen aus. Auch der heute angesprochene Pensionsbonus trägt dazu bei. Die Anrechnung von Teilzeitarbeits­zeiten als volle Arbeitszeiten bei der Pension ist gerade für Frauen ein sehr positives Signal.

Frauen und Männer entscheiden sich für Familie. Sie entscheiden sich dafür, sich selbst darum zu kümmern, und sie dürfen dadurch keine Nachteile erfahren. Das gilt natürlich für beide Elternteile. Es ist aber noch immer so, dass hauptsächlich Frauen in Karenz gehen, und diese freie Entscheidung ist voll zu akzeptieren und verdient unsere Wertschätzung. Ich freue mich, dass Frauen in Zukunft nicht mehr darauf verzichten müssen. Wenn es nach uns gegangen wäre, Frau Kollegin, dann wäre das auch schon seit zehn Jahren möglich. Es stellt sich dann immer nur die kuriose Frage, warum es bis jetzt noch nicht möglich war, diese Gehaltsschere zu schließen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Diese Anrechnung ist auch eine Förderung der Familien. Die Familien würden sich auch freuen, wenn man das Karenzgeld und auch die Familienbeihilfe endlich einmal jährlich valorisieren würde – so wie das Pflegegeld, über das wir heute noch sprechen werden und das ab 2020 valorisiert wird. Auch das wäre eine Maßnahme, um Familien, um Frauen und Männer bei der Entscheidung für ein Kind und besonders für mehr Kinder zu unterstützen. Familien haben es auch verdient, gut leben zu können; Eltern haben es sich verdient, sich die Entscheidung für Kinder leisten zu können, und es sollen ihnen keine Nachteile daraus erwachsen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

13.57


Präsident Karl Bader: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Andrea Wagner zu Wort. Ich erteile es ihr.


13.57.53

Bundesrätin Andrea Wagner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident, ich gratuliere dir zur Übernahme des Vorsitzes! Als Niederösterreicherin und Wald­viert­lerin freue ich mich über deinen Schwerpunkt, den Masterplan ländlicher Raum umzu­setzen, die ländlichen Regionen, den ländlichen Raum in den Mittelpunkt zu stellen. – Danke dafür!

Sehr geehrte Frau Sozialministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Die volle Anrechnung von Karenz­zeiten bis zu 24 Monaten bei Gehaltsvorrückungen bewirkt eine Verringerung der Ein­kommensschere zwischen Frauen und Männern. Das ist die wichtigste Auswirkung dieser Gesetzesänderung. Dies wurde zwar schon von meinen Vorrednerinnen erwähnt, aufgrund der Wichtigkeit habe ich es aber nochmals gesagt. Die bisherige Nichtanrechnung der Karenzzeit war eben auch ein Hauptgrund für diese Einkom-


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mensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Wie schon gesagt ist das ein wichtiger Schritt, dem hoffentlich bald weitere Schritte folgen werden; es wurden ja schon etliche von meiner Kollegin Ess erwähnt.

Ich möchte kurz in das Jahr 2002 zurückblicken, damals ist nämlich ein familien­politi­scher Meilenstein gelungen. Damals wurde das Kinderbetreuungsgeld für alle einge­führt. Das war damals ein Meilenstein, vor allem auch für meine Berufsgruppe, für uns Bäuerinnen. Das wurde damals von meinen Vorgängerinnen hart erkämpft, und da hat es auch seitens, glaube ich, der SPÖ sehr viele Vorbehalte gegeben. Es ist aber gelungen, das durchzusetzen. Das war damals ein wichtiger Schritt zur sozialen Ab­sicherung und Gleichstellung von uns Frauen.

Zur Anrechnung der Karenzzeiten, Frau Kollegin Schumann, ist noch zu sagen, dass wir als Volkspartei jetzt zustimmen können, da es im Nationalrat einen Abänderungs­antrag gegeben hat. Euer ursprünglicher Antrag hätte ja rückwirkend gegolten, und dies hätte eine massive Mehrbelastung für die Unternehmerinnen und Unternehmer bedeutet. Wie hätte man das finanzieren sollen? Die jetzige Gesetzesänderung gilt für Geburten ab dem 1. August 2019.

Zu erwähnen ist auch noch, dass die Sozialpartner dem Auftrag des Nationalrates vom Herbst des Vorjahres, die Anrechnung der Karenzzeiten umzusetzen, nachgekommen sind. Es sind über 90 Prozent der Kollektivverträge entsprechend dem Modell umge­setzt worden, und die restlichen werden eben mit dieser Lösung jetzt geändert.

Die Maßnahmen, die uns Frauen zugutekommen, die eine Gleichstellung erwirken, zeigen die Wertschätzung gegenüber uns Frauen: Es wird von den Familien eine wertvolle gesellschaftspolitische Leistung erbracht.

Wie gesagt, ich freue mich über weitere Schritte, die zur Gleichstellung von Frauen und Männern beitragen. – Danke für die Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.01


Präsident Karl Bader: Nochmals zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte.


14.01.42

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Nochmals die dringende Bitte, werte Bundesrätinnen und Bundesräte, unseren Entschließungsantrag zur Arbeitszeit zu un­terstützen.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitszeitum­verteilung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, unverzüglich unter Einbindung der Sozialpartner eine Regierungsvorlage zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes zu erar­beiten und dem Nationalrat zur Beschlussfassung zuzuleiten, die die derzeit geltenden Bestimmungen über den 12-Stunden-Arbeitstag und die 60-Stunden-Arbeitswoche“ – (Bundesrat Steiner: Das gibt es nicht!) – „zurücknimmt und eine Arbeitszeit­umvertei-


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lung unter folgenden Grundsätzen ermöglicht“, die ich bereits angeführt habe: „Arbeits­zeitflexibilisierung“, „Rechtsanspruch auf Zeitautonomie“, „Planbarkeit der Arbeitszeit“.

*****

Schützen wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, geben wir ihnen die Chance, gesund lange leistungsfähig sein zu können und nicht in der Arbeit auszubrennen! Bitte unterstützen Sie diesen Entschließungsantrag! (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Karl Bader (in Richtung der das Rednerpult verlassenden Bundesrätin Schumann): Frau Kollegin Schumann, ich würde Sie bitten, den gesamten Ent­schließungsantrag vorzulesen, damit er in Verhandlung genommen werden kann.


Bundesrätin Korinna Schumann (fortsetzend): Gut. Da brennt das Herz, und es ist wichtig, dass der Form Genüge getan wird, keine Frage.

Der Text geht wie folgt weiter:

„- Arbeitszeitflexibilisierung

-        Reduktion der Wochenarbeitszeit

-        Verkürzung der Jahresarbeitszeit durch leichtere Erreichbarkeit einer 6. Ur­laubswoche für alle ArbeitnehmerInnen

-        geeignete Rahmenbedingungen für flexiblere Arbeitszeiten: eine branchen­be­zogene Veränderung der täglichen Normalarbeitszeit kann nur bei gleichzeitiger Reduktion der Wochenarbeitszeit und mit Zustimmung der Kollektivvertrags­partner erfolgen

-        Rechtsanspruch auf 4-Tage-Woche

- Rechtsanspruch auf Zeitautonomie

-        Rechtsanspruch auf einseitigen Verbrauch von Zeitguthaben

-        Wahlrecht auf Zeitguthaben oder Auszahlung von Mehr- und Überstunden

-        Rechtsanspruch auf Altersteilzeit

- Planbarkeit der Arbeitszeit

-        Gesicherte Arbeitszeiten: Flexibilitätszuschlag bei Unterschreitung der 14-tägi­gen Ankündigungszeit

-        Rechtsanspruch auf AZ-Wechsel: Vollzeit – Teilzeit – Vollzeit“

*****

Ich hoffe, der Form Genüge getan zu haben. Wichtig ist der Inhalt. Bitte unterstützen Sie den Entschließungsantrag! (Beifall bei der SPÖ.)

14.04

14.04.30


Präsident Karl Bader: Nunmehr ist der Entschließungsantrag von Frau Bundesrätin Schumann, Genossinnen und Genossen betreffend „Arbeitszeitumverteilung“ ord­nungs­gemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Gibt es noch solche? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit, der Antrag ist somit angenommen.


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Es liegt der Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Arbeitszeitumverteilung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt. (Bundesrätin Schumann: Schade, keine Vier-Tage-Woche! Bundesrat Steiner: Der Antrag hätte die Wirtschaft kaputt gemacht! Bundesrätin Schumann: Geh! Bundesrat Steiner: Du kennst dich doch nicht aus in der Wirtschaft!)

14.05.4211. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Allgemeine Bürger­liche Gesetzbuch, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Katastrophenfonds­ge­setz 1996 geändert werden (274/A sowie 10196/BR d.B. und 10214/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zu Punkt 11 der Tagesordnung.

Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich bitte um den Bericht.


14.06.04

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Be­schluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetz­buch, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.


14.07.10

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte auch ich dem Herrn Präsidenten nicht nur Glück wünschen, sondern auch für seine Worte dan­ken. Gerade die Dezentralisierung – große Dienststellen an die Peripherie – ist auch ein ganz großer Wunsch der Tiroler.

Ich komme nun zum Tagesordnungspunkt. Wie wir alle wissen, verdankt Österreich seine hohe Lebensqualität auch dem freiwilligen Einsatz vieler Menschen im Sozial­bereich, im Gesundheitsbereich, im Kultur- und Sportbereich, vor allem aber natürlich in der Katastrophenhilfe und bei den Rettungsdiensten. Knapp 50 Prozent der öster­reichischen Bevölkerung ab 15 Jahren und damit über drei Millionen Österreicher sind in irgendeiner Form unbezahlt freiwillig tätig – ein unverzichtbarer Beitrag für den so­zialen Zusammenhalt in Österreich.


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Ich möchte kurz auf die heutige „Tiroler Tageszeitung“ zu sprechen kommen – ich konnte das Blatt leider nicht ausdrucken, aber vielleicht kann man es auch auf meinem iPad (ein iPad in die Höhe haltend) sehen –: In einem Bericht über einen kleinen Ort in der Nähe von Innsbruck, Absam, wird heute ausgewiesen, wie viele Menschen in wie vielen Vereinigungen – ich kann das nicht aufzählen, das würde den Sitzungstag noch deutlich verlängern – für die Allgemeinheit tätig sind.

Zum Tagesordnungspunkt selbst möchte ich sagen: Nun ist geregelt, dass bei einem Großschadensereignis die Einsatzkräfte – Feuerwehrkameraden, Rettungsleute, zum Beispiel vom Roten Kreuz, vom Arbeiter-Samariter-Bund – vom Arbeitsplatz weg an den Ort fahren können, an dem Hilfe geleistet wird, die Entgeltfortzahlung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist gesichert, und der Dienstgeber, der Unternehmer, erhält diesbezüglich einen Bonus, und zwar in der Form, dass pro Person und Tag 200 Euro aus dem Katastrophenfonds rückvergütet werden.

Dieses Bonussystem haben die Feuerwehren selbst vorgeschlagen. Ich betone das deswegen, weil der Ursprungsantrag der SPÖ etwas anderes vorgesehen hat und mir selbst Feuerwehrleute mitgeteilt haben, dass sie kein System bekommen möchten, in dem das Ehrenamt und womöglich auch ihr Arbeitsplatz in Gefahr geraten. Im Regelfall ist es nämlich so, dass in den Orten wie zum Beispiel in Absam die kleinen Unter­nehmen, die kleinen Firmen, die im Ort ansässig sind, drankommen: Von dort werden die Einsatzkräfte gerufen, von dort sausen die Mitarbeiter zu Hilfe.

Dankenswerterweise hat es aber dann im Nationalrat einen Abänderungsantrag gegeben, wonach die Entgeltfortzahlung bei einem Großschadensereignis – das ist ein Ereignis, bei dem mehr als 100 Helfer mindestens 8 Stunden im Einsatz sein müssen – gesichert ist und ein Tagsatz festgelegt ist, wenn man mit der Zustimmung des Arbeitgebers mitwirkt. Darüber bin ich wirklich so froh, weil der andere Antrag einfach unser ehrenamtliches System aus den Fugen gerissen hätte.

Meine Damen und Herren! Jetzt liegt eine sinnvolle Lösung vor. Ich möchte mich abschließend bei all jenen bedanken, die in unseren Einsatzorganisationen tätig sind. Wir wissen, dass ohne diesen Einsatz unser Land ärmer aussehen würde. Es bleibt aber trotzdem so: Ehrenamt ist Ehrenamt.

Ich bedanke mich aber auch bei jedem Unternehmer, bei jedem Arbeit- und Dienst­geber, der seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese Einsätze im Katastrophen­fall freistellt und – das wissen wir jetzt aus Tirol – selbst auch mithilft, die Katastrophe abzuwenden oder aufzuarbeiten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

14.11


Präsident Karl Bader: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile es ihr.


14.11.53

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuseher und Zuseherin­nen, Zuhörer und Zuhörerinnen! Ich möchte mich zuallererst an den Präsidenten wen­den und ihm viel Glück und viel Erfolg in der Präsidentschaft und auch der Präsi­dentschaft unter niederösterreichischer Führung einen erfolgreichen Verlauf wünschen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte eingangs auf die Ausführungen der Kollegin Neurauter eingehen, weil auch ich aus einem ländlichen Gebiet komme. Für mich erschließt sich nicht wirklich, warum das Ehrenamt infrage gestellt worden wäre, denn gerade kleine ortsansässige Unter­nehmer – und ich nehme an, es sind nicht nur die niederösterreichischen Unternehme­rinnen und Unternehmer, die diese Größe haben – lassen ihre Mitarbeiter in den


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Katastropheneinsatz gehen, weil sie letztlich vor Ort leben, arbeiten, ihr Unternehmen dort haben und sehr froh darüber sind, wenn es Menschen gibt, die in Krisen­situ­ationen ehrenamtlich helfen.

Wie ist dieses Gesetz jetzt eigentlich zustande gekommen? Ich erinnere mich an den Juni 2018 zurück. Insbesondere im südöstlichen Niederösterreich war das ein Monat, der die Menschen ganz schön durchgerüttelt und durchgeschüttelt hat. Das war näm­lich der Monat, in dem wir mit vielen Hochwassern zu kämpfen hatten. Ob es nun in Grimmenstein war, ob es in Natschbach war, ob es in der Gegend von Gloggnitz war, es sind zahlreiche Bäche über die Ufer getreten.

Ich habe aus einem Bericht der „NÖN“ aus dem Juni 2018 ein paar Sätze heraus­ge­sucht: „An Gebäuden konnte der Schaden aufgrund des raschen Eingreifens der Ein­satzkräfte großteils abgewandt werden. Sofort wurden Sandsack und Behelfsbarrieren errichtet, um das Wasser von den Gebäuden fern zu halten.“

Leider war es nicht mit einem Hochwasser getan. Innerhalb weniger Tage hatte Niederösterreich wieder mit Wassermengen zu kämpfen, und deshalb auch der nächste Satz: „Bereits gelegte Sandsackdämme wurden von den Einsatzkräften der Feuerwehr verstärkt und erhöht. Durch dieses Eingreifen konnte eine Überflutung der Siedlungen gerade noch verhindert werden.“

Es war letztlich genau diese Situation, die Niederösterreich sehr betroffen hat, die aber auch im Rest Österreichs viel an Schaden angerichtet hat, die dazu geführt hat, dass die SPÖ danach die Forderung aufgestellt hat, diesen freiwilligen Einsatzkräften, den Helferinnen und Helfern mehr als nur ein Danke zu geben, nämlich eine reale Erleichterung. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das hat alles die SPÖ gemacht! Bundesrat Steiner: Danke, SPÖ!)

In Niederösterreich gibt es ein Sprichwort: Vom Dankeschön haben wir schon eine ganze Bucklkraxn voll. Danke zu sagen ist wichtig und richtig, aber für all diese Menschen, die in diesen Katastrophensituationen helfen, die im Einsatz sind – ich sehe sie noch vor mir, wie sie im Juni 2018 übermüdet und erschöpft nach vielen, vielen Stunden des Helfens, des Wegräumens, des Schützens, des Rettens von Hab und Gut und von Menschen waren –, kann ein Danke allein nicht genug sein.

Diese Menschen haben es sich verdient, dass sie rechtlich abgesichert eine reale Erleichterung erfahren. Diese Personen verwenden ihre Familienfreizeit für solche Einsätze, diese Menschen verwenden ihren Erholungsurlaub, diese Menschen verwen­den ihren Zeitausgleich für diese Einsätze, schon das ganze Jahr über im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit und in solchen Situationen noch in geballter Form.

Ich bin davon überzeugt, dass Unternehmerinnen und Unternehmer auch der ur­sprünglichen Regelung zugestimmt hätten, denke aber, dass wir jetzt miteinander eine sehr gute Lösung gefunden haben, nämlich in der Form, dass in Übereinstimmung mit dem Arbeitgeber, mit der Arbeitgeberin in der Situation einer Katastrophe, eines Großeinsatzes eine Freistellung und eine Entgeltfortzahlung erfolgen.

Ich halte es auch für sehr, sehr fair, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer diese 200 Euro pro Person und pro Tag als Entschädigung bekommen. Das ist auch ein sehr fairer Wert, eine faire Größenordnung, denn wenn man die 200 Euro pro Tag auf einen 8-Stunden-Tag, auf eine 40-Stunden-Woche umrechnet, dann entspricht das einem ungefähren Nettolohn von 2 200 Euro, und ich denke, das ist wohl eine Größenordnung, in der nicht alle Einsatzkräfte im Berufsleben entlohnt werden.

Es ist für mich ein Grund zur Freude, dass wir dieses Gesetz heute beschließen wer­den. Ich denke, dass es an der Zeit war, neben diesem Bucklkorb voller Dankeschön hier auch wirklich Position zu beziehen und den Freiwilligen der Blaulichtorganisa­tio-


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nen zu zeigen, was sie uns wert sind, wie wichtig sie sind und was sie beitragen. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.18


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile es ihm.


14.18.38

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Zuseher hier und zu Hause! Kollegen Bundesräte! Das ist ein großer Tag für jene 3,3 Millionen Menschen in ganz Österreich, die als Ehrenamtliche im Einsatz sind, um Mitmenschen in Notlagen zu helfen. Sie engagieren sich beim Roten Kreuz, bei der freiwilligen Feuerwehr oder bei der Bergrettung – da erbringen sie Höchstleistungen und begeben sich zum Teil sogar in lebensgefährliche Situationen. Für ihr Engagement bekommen diese freiwilligen Helferinnen und Helfer jetzt endlich die verdiente Aner­kennung.

Besonders wichtig ist diese neue Regelung für unsere Feuerwehrleute. Dazu darf ich exemplarisch ein Beispiel aus meinem Heimatbezirk Schwaz in Tirol anführen: Dort haben die 4 454 Florianijünger im vergangenen Jahr 2018 ganze 2 387 Einsätze be­wäl­tigt und über 8 700 Tätigkeiten absolviert, und dies alles in sage und schreibe 158 000 freiwilligen Stunden. An dieser Stelle ein großes Danke an alle Feuerwehr­leute, kommt stets gut heim und Gut Heil! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nun gibt es endlich Rechtssicherheit für unsere Freiwilligen im ganzen Land. Die Katastrophen halten sich ja, wie wir wissen, nicht an Tages-, Nachtzeiten oder Wochentage – da braucht es nicht nur flexible einsatzbereite Freiwillige, sondern auch jene Firmen, die diese Freiwilligkeit erst möglich machen.

Die neue Regelung stellt nun sicher, dass freiwillige Helfer nicht gezwungen sind, für ihre Einsätze Erholungsurlaub oder Zeitausgleich zu konsumieren; gleichzeitig müssen die Arbeitgeber keine Einbußen erleiden, wenn sie Arbeitnehmer für Einsätze im Inter­esse der Gesellschaft freistellen. Nun haben alle Mitglieder einer Hilfsorganisation wie der Rettung, der Katastrophenhilfsorganisationen, einer freiwilligen Feuerwehr oder der Bergrettung bei einem Großschadensereignis Rechtsanspruch auf Fortzahlung des Entgelts. Das Entgelt in der Höhe von 200 Euro soll künftig aus dem Katastrophen­fonds bereitgestellt und an die Länder ausbezahlt werden.

Heute setzen wir eine alte, wirklich alte freiheitliche Forderung um. Schon im Jahr 2008 hat die FPÖ im Tiroler Landtag diesbezüglich einen Antrag eingebracht, der eben genau auf Dienstfreistellung und Entgeltfortzahlung abzielte. Dieser Antrag war damals schon wesentlich ausgereifter als jener Antrag, den die SPÖ eingebracht hat. Ich habe ihn mir angesehen, das war ein Wischiwaschi-, ein unpraktikabler Antrag, den wir jetzt ja Gott sei Dank verbessert haben, und jetzt seid ihr auch dabei. (Bundesrat Schennach: Das muss er ja sagen!) – Sogar der Berufsfeuerwehrverband hat eurem Antrag – habt ihr euch das durchgelesen? – ein wirklich vernichtendes Urteil aus­gestellt. Also wenn sogar das Ehrenamt selber, für das der Antrag angeblich hätte sein sollen, den Antrag ablehnt, dann wissen wir schon, wie weit es mit der ehemals staats­tragenden – unter Anführungszeichen – „sozialistischen“ Partei gekommen ist. – Aber das war nur ein kurzer Ausflug zu euren Anträgen.

In Österreich ist das freiwillige Ehrenamt unverzichtbar, sollte aber nicht als Selbst­verständlichkeit betrachtet werden. Deshalb müssen wir sorgsam und vorsichtig damit umgehen. Es war daher höchst an der Zeit, dass die Einsatzbereitschaft unserer


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ehrenamtlichen Helfer auf ein rechtlich adäquates Niveau angehoben wird. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.22


Präsident Karl Bader: Frau Bundesrätin Sonja Zwazl ist als Nächste zu Wort gemel­det. Ich erteile es ihr.


14.22.41

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident – ich lobe dich heute nicht mehr, du hast schon so viel Lob aus Niederösterreich bekommen! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Am 16. Jänner dieses Jahres titelte „Die Presse“: „Am Hochkar war es wie in Sibirien“. Hotels und Häuser sind dort ganz einfach im Schnee versunken, sie waren von der Außenwelt abgeschnitten. Es haben zunächst auch nur vereinzelt Einsatzkräfte dorthin vordringen können. Neun Tage lang waren unser Bundesheer, die Feuerwehr, Polizei, Bergrettung unter wirklich schwierigsten Bedingungen im Einsatz. Es sind 16 000 Einsatzstunden geleistet wor­den, und es waren über 200 ehrenamtliche freiwillige Einsatzkräfte vor Ort, die wie immer großartige Arbeit leisteten. Das ist bei uns allen angekommen, und wir sind wirklich sehr froh und stolz darauf, dass wir diese Freiwilligen haben.

Die Freiwilligentätigkeit ist ja bei uns in Österreich eine Säule der Gesellschaft. Rund 3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher engagieren sich ehrenamtlich in den verschiedenen Organisationen, und wir alle wissen: Wenn es um Katastrophen geht –egal ob Hochwasser oder Schneemassen, wie das heuer bei uns der Fall war –, wenn es darum geht, dass die Sicherheit und das Eigentum der Bürger bedroht sind, dann sind es ganz einfach die Freiwilligen, die es braucht, um durch ihren Einsatz den Scha­den abzuwenden.

Ich denke, dieses Miteinander und das Füreinander-Einstehen sind unsere innere Haltung, da geht es ganz einfach um unsere Solidarität – aber wie bei vielen Dingen darf man die Solidarität nicht überstrapazieren. Die verpflichtende Entgeltfortzahlung, die da vorgeschlagen gewesen wäre, hätte diese Solidarität überfordert. Und ich habe mir das angesehen – als Unternehmerin muss man halt immer wieder rechnen –, da wären pro Arbeitnehmer Mehrkosten in der Höhe von durchschnittlich 1 000 Euro entstanden – und das, das weiß man schon, muss man zuerst einmal alles verdienen.

Es war auch bis jetzt so, dass wir als Arbeitgeber unseren freiwilligen Helfern, wenn es im Ort war, in der umliegenden Umgebung war, natürlich immer wieder freigegeben haben, aber diese Regelung schafft jetzt einmal Rechtssicherheit und auf der anderen Seite stärkt sie die Solidarität. Die Einsatzprämie von 200 Euro – 25 Euro in der Stunde –, dieser Bonus, wird dann fällig, wenn mindestens 100 Personen im Einsatz sind und dieser Einsatz 8 Stunden dauert. Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts hat, ist auch, dass es eine vereinbarte Dienst­freistellung ist.

Mit dieser Regelung unterstützen wir das Engagement der Freiwilligen in Österreich, das für uns unverzichtbar ist. Ich denke, dies erfolgt im beiderseitigen Einverständnis, dies ist uns beiden ein Anliegen – sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeit­neh­mern. Ich weiß, dass viele Unternehmer sehr gerne Mitarbeiter aufnehmen, von denen sie wissen, dass sie sich engagieren, dass sie bei Freiwilligenorganisationen tätig sind, weil das Menschen sind, die ruhig sind, die den Überblick bewahren, die eine soziale Kompetenz haben; das ist den Unternehmern ganz einfach wichtig.

Ich freue mich, dass diese Regelung jetzt geschaffen wurde. Sie steht für die Aner­kennung der Arbeit unserer Freiwilligen und schafft auf der anderen Seite ganz einfach Rechtssicherheit.


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Ich denke, dass wir in Österreich in einer sehr glücklichen Situation sind, weil wir wis­sen, dass wir in Katastrophenfällen von diesen Menschen, die wir haben, die sich freiwillig einbringen, die in den Organisationen arbeiten und auch die nötige Ausbildung haben, wirklich großartig unterstützt werden. – Ein Dankeschön für diese jetzige Re­gelung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.27


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. Ich erteile ihm dieses.


14.27.21

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Das ist meine Redeunterlage, meine Unterlage für meinen Redebeitrag (ein Blatt Papier mit einer vom Redner im Folgenden auch zitierten Aufschrift in die Höhe haltend): Tun wir etwas für unsere Einsatzorganisationen! (Beifall bei Bundes­rätInnen der ÖVP.) Das war die Überschrift oder der Titel des Antrages, den die SPÖ im Sozialausschuss im zweiten Quartal 2018 gestellt hat und der dort dann mehrmals vertagt wurde. Über den Antrag ist schon mehrmals gesprochen worden.

Was will ich damit aussagen? – Wichtig ist, was am Ende des Tages dabei heraus­kommt. Und wenn am Ende des Tages dabei herauskommt, dass es eine Regelung gibt, mit der wir die freiwilligen Helfer unterstützen können, dass sie jederzeit, 24 Stun­den 365 Tage im Jahr, in den Einsatz gehen und auch eine Entgeltfortzahlung für diese Einsätze bekommen können, und dadurch auch die Arbeitgeber, die sich größtenteils – das muss man auch sagen – sehr positiv gegenüber den Einsatzkräften, die bei ihnen beschäftigt sind, verhalten, einen Beitrag aus dem Katastrophenfonds bekommen, dann ist am Ende dieses Ziel erreicht worden.

Auch wenn vonseiten der FPÖ und der ÖVP dieser Antrag immer wieder ins Lächer­liche gezogen wurde, war er der Auslöser. Er ist mehrmals vertagt worden – es hat keinen Abänderungsantrag gegeben, sondern er ist immer wieder vertagt worden ‑, aber jetzt ist die Möglichkeit geschaffen worden – wahrscheinlich auch durch die jetzige politische Konstellation, in der wir uns befinden –, und das ist das Wichtige.

Ich spreche hier nicht von irgendjemandem oder von irgendetwas, sondern ich bin selber seit mehr als 20 Jahren Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, ich war 13 Jahre davon Kommandant einer Feuerwehr, ich war im Katastropheneinsatz und ich werde das wahrscheinlich irgendwann wieder einmal tun müssen: Wichtig ist, dass unsere freiwilligen Helfer, unsere Blaulichtorganisationen, die bei diesen Einsätzen mitwirken, auch eine entsprechende Entschädigung bekommen und dass natürlich auch – und das war zum Beispiel im Burgenland immer so – die Unternehmer vor den Vorhang gebeten werden, die den freiwilligen Helfern die Möglichkeit dazu auch schon vorher immer gewährt haben. Diese Unternehmer werden zum Teil als sehr feuerwehr­freund­lich et cetera ausgezeichnet, was sie auch als Image vermarkten können.

Summa summarum bin ich sehr, sehr glücklich, dass heute hier durch diese nun folgende Abstimmung, durch diesen gemeinsamen Antrag Positives für unsere Helfer und Helferinnen festgelegt wird, dass wir unser Freiwilligensystem, das wir in vielen Bereichen haben, auch weiter so aufrechterhalten können. Ich möchte mich natürlich, so wie alle anderen auch, bei allen Freiwilligenorganisationen und freiwilligen HelferIn­nen bedanken, die wirklich jederzeit für uns da sind. Ob es Umweltkatastrophen sind, ob Brände ausbrechen oder sonstige Ausnahmeerscheinungen auftreten, in Österreich ist jederzeit jemand da, der hilft; das ist nicht überall so. Und dafür will ich mich bei


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allen Freiwilligenorganisationen für ihren Einsatz recht herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

14.31


Präsident Karl Bader: Als vorerst Letzte zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Andrea Wagner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


14.31.30

Bundesrätin Andrea Wagner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! „Wenn der Freiwillige nicht will, steht Niederösterreich still!“ – Dieser Satz steht im Imagefolder des Nieder­österreichischen Landesfeuerwehrverbandes. Man kann das „Nieder“ auch weglassen und sagen: Wenn der Freiwillige nicht will, steht Österreich still! – Dieser Satz ver­deutlicht, welche wertvolle Leistung all die Freiwilligenorganisationen in unserem Land erbringen.

Der Landesfeuerwehrverband in Niederösterreich feiert heuer 150 Jahre Bestand, und die Bilanz ist beeindruckend: Fast 100 000 Feuerwehrmitglieder, davon 7 000 Feuer­wehrfrauen und 6 000 Mädchen und Burschen zwischen 10 und 15 Jahren, engagieren sich freiwillig. Rund 8 Millionen Arbeitsstunden investieren die Mitglieder jedes Jahr in Niederösterreich in ihren freiwilligen Dienst. Wenn diesen 8 Millionen Stunden ein Stundenlohn von 20 Euro zugrunde gelegt wird, dann, kann man sagen, sparen die freiwilligen Feuerwehren dem Steuerzahler jährlich 160 Millionen Euro; und das ist allein die Feuerwehr in Niederösterreich. Es ist eine unbezahlbare, unvorstellbare Leistung, die alle Freiwilligenorganisationen zusammen in Österreich erbringen.

FF steht nicht nur für freiwillige Feuerwehr, FF steht auch für Faszination Feuerwehr, hat unser Landesfeuerwehrkommandant Fahrafellner einmal gesagt. Was macht diese Faszination aus? Was ist die Motivation der Menschen, sich in den Freiwilligen­organi­sationen zu engagieren, sich ehrenamtlich zu engagieren? Was macht es aus, dass sich eine Friseurin, eine selbstständige Friseurin, zweimal im Monat in die Dienstliste bei der Ortsstelle des Roten Kreuzes einträgt? Die Bezahlung kann es ja sicherlich nicht sein, es steht also keine materielle Motivation dahinter. Ist es nicht einfach das Gefühl, etwas Sinnhaftes zu tun? Ist es nicht ein schönes Gefühl, gebraucht zu wer­den, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam einen Mehrwehrt für die gesamte Gesellschaft zu erbringen? Wenn man ein paar Geldscheine auf die Waagschale wirft, dann können diese Geldscheine diesen Mehrwert für die Gesellschaft nicht aufwiegen, niemals ausgleichen.

Meine Damen und Herren! Der ursprüngliche Antrag der SPÖ mit den fünf freien Tagen bei vollem Bezug wäre völlig kontraproduktiv gewesen. Das hätte der Ehren­amtlichkeit, der stark gelebten Ehrenamtlichkeit in unserem Land massiven Schaden zugefügt. Es ist auch schon erwähnt worden, dass das sogar die Freiwilligen­organi­sationen selbst abgelehnt haben, weil dadurch Nachteile im Job, in der Arbeit be­fürchtet worden sind.

Die Grundlage für diese Gesetzesänderung ist das Konzept des Bundes­feuerwehr­ver­bandes, und das stellt dieses Modell der Ehrenamtlichkeit nicht in Frage. Freiwillige, die Anerkennung erleben, fühlen sich wertgeschätzt und sind wiederum motiviert, sich zu engagieren. Sagen wir deshalb einmal mehr, einmal öfter ein Dankeschön an den Nächsten, der uns etwas Gutes getan hat, der uns Hilfe leistet, sagen wir einmal öfters Danke und bringen wir unsere Wertschätzung den Freiwilligen gegenüber zum Aus­druck! – Vielen Dank an alle Freiwilligen für euren Dienst und euren Einsatz und eure wertvolle Zeit! Danke schön! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)


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Ich möchte noch kurz erwähnen, dass die Freiwilligenorganisationen in Niederöster­reich natürlich Unterstützung brauchen, in jeder Hinsicht. Die Unterstützung bei den Gerätschaften und der Ausbildung ist, glaube ich, sehr gut platziert. Niederösterreich ist zum Beispiel das einzige Bundesland, das bei einem Ankauf von einem Feuer­wehrauto die Mehrwertsteuer sozusagen rückvergütet. Ich denke, da wären noch weitere gute Ansätze zu überlegen.

Ich danke allen für die Zustimmung zu diesem Gesetz, da dadurch auch den Frei­wil­ligen Wertschätzung entgegengebracht wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.36

14.36.29


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt lie­gen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.37.0112. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Haftungsrecht geändert wird (Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2019 – HaftRÄG 2019) (623 d.B. und 656 d.B. sowie 10217/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Nunmehr gelangen wir zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße sehr herzlich Herrn Vizekanzler Dr. Clemens Jabloner in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Als Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter nominiert. Ich bitte um den Bericht.


14.37.41

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich erstatte Bericht aus dem Justizausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Haftungs­recht geändert wird.

„Die Bestimmung über die Tierhaftung soll durch einen klaren Hinweis ergänzt werden, dass sich die Anforderungen an die Alm- und Weidetierhaltung auch nach anerkannten Standards richten können. Zudem sollen einige Kriterien festgeschrieben werden, die im Rahmen der Tierhaltung und bei der Prüfung des Mitverschuldens eine Rolle spielen können.“

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deshalb komme ich gleich zur Antrag­stellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Ich danke sehr herzlich für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile ihm dieses.



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14.38.54

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Juli 2014 kam es im Tiroler Stubaital zu einem sehr bedauerlichen Vorfall mit sehr schrecklichem Ausgang. Eine junge Mutter ist verstorben, nachdem eine Kuh sie und ihren Hund attackiert und niederge­trampelt hatte. Das Urteil nach dieser tödlichen Kuhattacke auf diese deutsche Tou­ristin sorgte in der Landwirtschaft und im Tourismus zu Recht für große Aufregung, wurde doch in einem Zivilprozess im Landesgericht Innsbruck in erster Instanz der Landwirt, dessen Kuh es war, zu einer Schadenersatzzahlung von 490 000 Euro verur­teilt. Er soll wegen Fahrlässigkeit mit rund 180 000 Euro Schadenersatz und für die Hinterbliebenenrente haften. Der gesamte Streitwert beträgt eben, wie gesagt, rund 490 000 Euro.

Die Betonung liegt auf: in der ersten Instanz, denn es war eine erstinstanzliche Ent­scheidung. Wir haben in Österreich bekanntlich drei Instanzen. Nach dem Landes­gericht entscheiden das Oberlandesgericht und dann eventuell noch der Oberste Gerichtshof. Wenn ein Erstgericht entscheidet, heißt das eben noch lange nicht, dass das Urteil endgültig ist. Der Anwalt des Landwirts will gegen das Urteil in mehreren Punkten berufen.

Dr. Ewald Jenewein, so heißt der Anwalt, ortet mehrere Mängel in der erstinstanzlichen Entscheidung. So hätten etwa die vom betroffenen Bauern angebrachten Schilder exakt der Terminologie entsprochen, die der Oberste Gerichtshof in seiner jüngsten Ent­scheidung gefordert habe. Zudem beruhen etliche Feststellungen zum Unfallge­schehen im Ersturteil angeblich auf reinen Annahmen. Auch bezüglich der georteten Frequenz an der Unfallstelle sei dem Erstgericht ein Fehler unterlaufen, so Anwalt Jenewein.

Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig, und wir wissen nicht, ob es überhaupt halten wird. Trotzdem befürchten natürlich viele negative Folgen für Almen und Tourismus. Eigentlich sind alle der Meinung, dass man da die bäuerliche Bevölkerung unterstützen muss, dass man sie nicht diesen in vielen Fällen hohen Strafen beziehungsweise Schadenersatzzahlungen aussetzen darf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir das doch bitte richtig! Mit dieser Anlass­gesetzgebung ist doch in Wahrheit keinem einzigen Menschen geholfen. Es liegt uns eine Wischiwaschi-Lösung vor, die nicht einmal das Papier wert ist, auf das sie ge­druckt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns als Sozialdemokraten ist es äußerst bedenklich, dass wegen eines Anlassfalls beziehungsweise eines Urteils, das noch gar nicht rechtskräftig ist, sondern uns erst in erster Instanz vorliegt, das Schadenersatzrecht beziehungsweise eine wichtige Bestim­mung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs grundlegend geändert werden soll. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja das erste Mal! Das habt ihr noch nie getan! – Bundesrat Samt: Da kann er sich nicht daran erinnern!)

Wir haben zu Recht Bedenken, denn manche Stellungnahmen von anerkannten Exper­ten zu diesem Gesetzentwurf sind geradezu vernichtend. So führt das Oberlandes­gericht Wien aus: „Insgesamt bedarf es der (anlassbezogenen) Neuregelung im ABGB nicht, sie schafft letztlich weder mehr Klarheit noch mehr Rechtssicherheit. Zudem be­stehen gegen das Vorhaben, noch auszuarbeitende, außerhalb des Stufenbaus der Rechtsordnung erarbeitete ,Standards durch eine Verweisung im Gesetz als ver­bindlich zu erklären, gravierende verfassungsrechtliche Bedenken.“

Auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag urteilt über den Gesetzentwurf ein­deu­tig negativ. „Zusammenfassend handelt es sich beim vorliegenden Gesetzesent-


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wurf (...) um ein durchaus verzichtbares Beispiel für eine noch dazu missglückte Anlassgesetzgebung, weshalb diesem Gesetzesvorhaben entgegengetreten wird“, so der Österreichische Rechtsanwaltskammertag.

Auch die Bundesarbeitskammer hat eine umfangreiche, im Tenor sehr kritische Stel­lung­nahme abgegeben. (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht ganz überzeugend! – Bundes­rat Samt: Das sind die, die uns immer anzeigen!) Ich weiß schon, dass die Arbeiter­kammer bei Ihnen lieb Kind ist.

Vom SPÖ-Landtagsklub Tirol liegt uns ebenfalls eine Stellungnahme vor, die die durch das Gesetz entstehende Rechtsunsicherheit und das ungerechtfertigte Haftungs­pri­vileg für Almbauern kritisiert.

Für mich ist die wichtigste Stellungnahme jene des Obersten Gerichtshofs, in der in ähnlichem Tenor festgehalten wird: „Die vorgeschlagene Neuregelung führt daher in keinem Punkt zu einem Gewinn an Rechtssicherheit, sie wirft vielmehr neue Probleme auf. Damit stellt sich die Frage nach ihrem rechtspolitischen Sinn. Ist es tatsächlich angebracht, eine bewährte, durch höchstgerichtliche Rechtsprechung konkretisierte Norm mit weitwendigen, aber keinen erkennbaren Mehrwert aufweisenden Formu­lie­rungen aufzuladen, nur weil das möglicherweise einer medial geschürten Erwartungs­haltung entspricht?“ (Bundesrat Steiner: Zählt für euch jetzt plötzlich der Oberste Ge­richtshof?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ehemalige Bundesregierung hat sich dazu bekannt, Gesetze einfacher, klarer und für die Bürgerinnen und Bürger verständlicher zu machen. Das ist im Regierungsprogramm auf Seite 9 nachzulesen. Die beabsich­tigte Ergänzung in § 1320 ABGB entspricht diesem Ziel jedoch in keinster Weise. Für mich ist das ein weiterer Beweis dafür, was die alte Bundesregierung immer wieder gemacht hat, nämlich zwar das eine zu behaupten, aber das andere, nämlich das komplette Gegenteil davon zu tun.

Weitere Beispiele waren: Sparen im System – Stichwort Familienfest, bei dem 300 000 Euro Steuergeld oder mehr für eine Parteiveranstaltung ausgegeben worden sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist das nicht dasselbe wie beim Donauinselfest? Das wird auch aus Steuergeldern bezahlt!) Unser Geld für unsere Leute – das haben manche komplett falsch ausgelegt, sie haben das etwas persönlicher aufgefasst. Ich könnte das noch x-fach fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Ihr seid keinen Deut besser!)

Noch merkwürdiger und trauriger ist aber, dass damit wieder einmal anerkannte Exper­tenmeinungen wider besseres Wissen einfach in den Wind geschlagen werden. Eine Husch-pfusch-Lösung wird durchgepeitscht oder soll durchgepeitscht werden. Es wird keine nachhaltige Lösung gesucht, nämlich eine mit Hand und Fuß, nein, es wird ein weiterer Murks fabriziert.

Unser Ansatz in dieser Diskussion war von Beginn an, dass wir eine Versicherungs­lösung zugunsten der bäuerlichen Bevölkerung finden sollten. (Bundesrat Steiner: War falsch! – Bundesrat Samt: War grundsätzlich falsch!) Altkanzler Kurz ist mit seiner Frau Ministerin gekommen und sie haben erklärt, dass es nichts kosten darf. Warum Altkanzler Kurz die Bauern da einfach im Regen stehen lässt, ist für mich überhaupt unerklärbar. Vielleicht haben sie nichts gesponsert, das wäre vielleicht eine Antwort, für mich aber keine zufriedenstellende. (Ruf bei der ÖVP: Na geh bitte! – Bundesrat Samt: Immer diese Schauergeschichten!)

Das ist alles andere als eine Lösung! So etwas als Lösung zu verkaufen und die Bauern mehr oder weniger in ein Problem hineinzuhetzen, anstatt ihnen wirklich zu helfen, finde ich gerade von einer Partei unverschämt, die auch heute hier vom Pult


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aus mehrfach wider besseres Wissen erklärt hat, dass sie für die Landwirtschaft und für die bäuerliche Bevölkerung eintritt.

Kostet nichts, schadet nichts, hilft nichts – das war anscheinend das Motto von Alt­kanzler Kurz und seiner ehemaligen Ministerin. Wenn es nichts kosten darf, dann machen wir irgendetwas, beschließen wir irgendetwas, um vorzugaukeln, dass wir ohnedies etwas getan haben. Das schaut dann eben so aus wie der vorliegende miserable Gesetzentwurf. Darum werden wir heute aus Überzeugung nicht zustimmen. Wir bleiben beim Urteil des Obersten Gerichtshofs: Dieser Gesetzentwurf ist über­flüssig, hat keinen Mehrwert und schafft letztlich weder mehr Klarheit noch mehr Rechtssicherheit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Seit wann zählt für euch der Oberste Gerichtshof?)

14.48


Präsident Karl Bader: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile ihm dieses.


14.49.02

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe interessierte Zuhörer und Zuseher zu Hause und hier im Saal! Kollege Martin Weber, bei aller Wertschätzung: Was du da jetzt vorgebracht hast, ist die typische Betrachtungsweise von irgendwo weit entfernt von den Tatsachen, die wir heute hier zu beurteilen haben. Ich muss dir ehrlich sagen, ich war ab dem ersten Tag dieser Entscheidung mitten im Geschehen. Wir haben mitbekommen, was das für die Betroffenen bedeutet.

Am Anfang möchte ich sagen: Es ist ein wirklich sehr trauriger Anlass, aus dem heraus wir heute über die Änderung der Tierhalterhaftungsbestimmungen reden und disku­tie­ren müssen und hoffentlich auch eine gescheite Gesetzesbestimmung beschließen werden. (Bundesrat Weber: Dann machen wir es anders!)

Auch ich möchte meinen Ausführungen mein tiefstes Mitgefühl für die betroffene Fa­milie voranstellen, die eine junge Mutter verloren hat. Die Schadenersatzzahlungen können noch so hoch ausfallen, wir alle wissen, dass einer Familie eine junge Mutter nicht ersetzt werden kann. Zu Beginn also mein tiefes Mitgefühl.

Was du jetzt nicht in Betracht gezogen hast, ist: Im Jahr 2014 hat die Staatsanwalt­schaft Innsbruck diesen Vorfall auf das Genaueste geprüft und das Verfahren bald ein­gestellt, weil die Staatsanwaltschaft festgestellt hat, dass der wirklich sehr sorgfältige Landwirt alle Anforderungen der Kennzeichnung erfüllt hat, die man an einen ordent­lichen Landwirt stellt. (Bundesrat Schennach: Kein Widerspruch zu dem, was er gesagt hat!)

Unser großes Problem auf den Almen ist insbesondere die Frequenz und vor allem das Mitführen von Hunden. Darauf hat der Bauer sogar sehr vorbildlich hingewiesen, und daher stellte die Staatsanwaltschaft fest, dass das Verfahren einzustellen ist. Umso überraschender ist das Urteil des Landesgerichts Innsbruck, das du schon angesprochen hast. (Bundesrat Weber: Du bestätigst nur, was ich gesagt habe!) Bis hierhin sehen wir das auch ziemlich gleich.

Was du aber nicht mitbekommen hast, war die Empörung in unserem Land. Die Empörung bei den Landwirten, bei den Touristen und im Tourismus hat es vor allem in Tirol gegeben und sie ist dann auch darüber hinausgegangen. (Bundesrat Schennach: Nicht nur in Tirol! – Bundesrat Weber: Die Zeitungen waren voll davon!) Es gab Empörung bei den Touristen, das sage ich selbst ja auch, und Empörung bei den Konsumenten. Sogar der Österreichische Alpenverein hat gesagt, dass es nicht richtig ist und eigentlich nicht so gemacht gehört, dass man den Landwirt in der Form zur


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Verantwortung zieht, dass er Schadenersatz zahlen muss. (Bundesrat Weber: Immer noch kein Widerspruch!)

Man muss wissen, dass der freie Weidegang auf Almen durch die Jahrhunderte typisch und üblich war; eine Einzäunung innerhalb des Almgebiets war und ist unüblich und war bisher auch nicht notwendig. Erst in den letzten Jahrzehnten haben die Ein­heimi­schen und viel mehr dann auch die Touristen den Reiz der Almen erkannt und ken­nengelernt. Es sind immer mehr Wanderer und in den letzten Jahren immer mehr Wanderer mit zumindest einem Hund, meist mehreren Hunden, auf unsere Almen gekommen und haben da die Situation ein bissl durcheinandergebracht.

Da unterscheiden wir uns wieder ein bissl: Was war die Reaktion der Landwirte auf dieses Urteil? – Die haben nicht gesagt: Wir warten jetzt einmal auf das Ergebnis. Jetzt haben wir einmal das Landesgericht, das ist einmal ein Einzelrichter gewesen, dann kommt das Oberlandesgericht und dann in vier Jahren vielleicht noch der OGH. Das dauert so lange oder vielleicht auch drei Jahre. – Wir können darauf aber nicht warten, denn es geht um unsere Existenz. Wenn es zu einem weiteren Fall kommt, wird das Landesgerichtsurteil zitiert.

Der OGH hat bis dato immer gesagt, dass eine Einzäunung auf Almen nicht notwendig ist. Plötzlich geht ein Einzelrichter davon ab. Wir haben leider immer wieder Vorfälle. Zwar wird dieses Urteil beeinsprucht, aber es ist zu befürchten, dass man, bis dieser Fall letztinstanzlich entschieden ist, dieses Urteil des Landesgerichts Innsbruck zitiert. Damit droht jedem anderen Almbauern der gleiche Schadenersatzanspruch, und da geht es dann um die Existenz.

Da gab es die Reaktion, dass die Almbauern bei uns im Jahr 2019 angekündigt haben – der Almsommer beginnt im Mai, Juni –, dass sämtliche Almen gesperrt werden. Das war eine Herausforderung für die Politik, für den Tourismus, und da hat es viele Runde Tische gegeben. Man hat gesagt, man braucht nicht in drei Jahren, sondern sofort ein entsprechendes Paket für die Almen. (Bundesrat Weber: Da spricht ja nichts dagegen, aber eben ein gescheites!)

Da haben wir etwas Gescheites, und das Paket umfasst folgende Lösungen: Da geht es nicht nur um die Anpassung des § 1320 im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch. Es gibt einen Leitfaden, an den sich Touristen und Almbesucher halten müssen. Es kann nicht sein, dass die alleinige Verantwortung für Zwischenfälle zwischen Tieren und Almbesuchern bei den Bauern liegt. (Bundesrat Weber: Das ist jetzt schon so!) Es gibt aber auch einen Leitfaden für Landwirte, für Almbauern, die sich auch daran halten müssen, gerade dort, wo es hohe Frequenzen gibt. Da kann es sein, dass manchmal eine Einzäunung von Tieren erforderlich ist.

Zum Dritten – du hast angesprochen, dass es keine gescheite Lösung beim Versiche­rungsschutz gibt –: In meinem Bundesland, aber auch im Bundesland Salzburg und im Bundesland Kärnten und ich weiß nicht, wo es noch so ist, wo es eben Almen gibt, haben wir einen absoluten Versicherungsschutz durch die Haftpflichtversicherung, was aber auf keinen Fall eine strafrechtliche Verurteilung ausschließt. Dieser Versiche­rungsschutz ist jedenfalls sehr wohl gegeben.

Du hast von einer Wischiwaschi-Geschichte gesprochen, von Verhaltensregeln, die nicht im Gesetzesrang sind. Das alles ins Gesetz hineinzuschreiben, dabei würde ich dir viel Glück wünschen. Man muss darauf abstellen, ob es Mutterkühe sind, ob es normale Kühe sind, ob es schon einmal gefährlich gewesene Kühe sind oder was auch immer. Das ist sehr schwierig, und daher hat man einen Weg gesucht, mit Verhaltens­regeln zu arbeiten, mit denen man sich ein bissl an die sogenannten FIS-Regeln angelehnt hat, die für das Skifahren gelten. Ich selbst habe auch einmal bei Gericht gearbeitet. Da hat es viele Verhandlungen über Zusammenstöße zwischen Skifahrern


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gegeben. Dabei hat das Gericht immer auf die FIS-Regeln zurückgegriffen. Das heißt: Der von oben Kommende hat Vorrang, der Untere, der wegfährt, muss hinaufschauen. Genau diesen Status sollen diese Verhaltensregeln jetzt haben.

Beim nächsten Zwischenfall sollte das Gericht auf diese Verhaltensregeln zurück­greifen können und sagen können: Du als Almbesucher bist mit drei Hunden mitten durch eine Mutterkuhherde gegangen, obwohl in den Verhaltensregeln steht, dass du sie möglichst weit umgehen und den Kontakt meiden sollst. Du als Almbauer hast selbst einen Gastronomiebetrieb und schaust, dass jeden Tag 500 Leute hinkommen, da musst du auch für die ordentliche Verwahrung deiner Tiere sorgen. – Auf diese Standards wird das Gericht zurückgreifen.

Für uns, für die Landwirtschaftsvertretung ist wichtig, dass sich der Almbauer, wenn er die ausformulierten Standards einhält, sicher sein kann, dass er künftig nicht mehr zur Haftung herangezogen wird. Er kann sich nicht sicher sein, dass er nicht wieder von irgendeiner Rechtsschutzversicherung geklagt wird. Wenn er jedoch die Standards einhält, dann wird ihm meiner Meinung nach nichts mehr passieren.

In diesem Zusammenhang sind wir in Tirol, einem Tourismusland – und ich glaube, das gilt auch für die anderen Bundesländer –, sehr dankbar für die schnelle Reaktion der bäuerlichen Interessenvertretungen, der Landesregierungen und der Bundes­regie­rung unter dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Ministerin Elli Köstinger. Sie haben erreicht, dass Sicherheit eingekehrt ist. Die Bauern haben ent­gegen ihren Ankündigungen, dass sie alle Almen sperren werden, meines Wissens in ganz Tirol keine einzige Alm und keinen einzigen Weg gesperrt. Das Vertrauen ist also wiederhergestellt worden.

Mein Abschluss daher: Ein großes Dankeschön an den damaligen Kanzler Sebastian Kurz und die damalige Ministerin Elli Köstinger. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.57


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


14.58.04

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! „Land der Berge“, so heißt es in unserer Bundeshymne. – Keine Angst, ich fange jetzt nicht zu singen an, aber unsere schönen Berge mit den glasklaren Bächen bringen sowohl im Sommer als auch im Winter viele Tausende Touristen nach Österreich.

Dafür, dass unsere Berge überhaupt touristisch genutzt werden können, muss man der Almwirtschaft und unseren Bauern danken. Das ist Teil unserer Kultur, Teil unserer Traditionen, und natürlich liegt die Almwirtschaft auch im öffentlichen Interesse, denn ohne die wichtige Arbeit unserer Almbauern würden unsere Berge sehr schnell ver­walden und zuwachsen.

Das heute auf der Tagesordnung stehende Haftungsrechts-Änderungsgesetz ist not­wendig geworden, weil es im Jahr 2014 einen schrecklichen Unfall auf einer Tiroler Alm gab, bei dem eine deutsche Touristin von einer Kuh oder mehreren Kühen zu Tode getrampelt wurde. Das ist schrecklich, und das tut mir besonders für die Hinterbliebenen sehr leid, auch weil sie aufgrund der wiederholten Berichterstattung nicht zur Ruhe kommen und nicht ihren Frieden finden können. Als das Urteil bekannt wurde, dass ein Landwirt 500 000 Euro zahlen soll, wurde das wieder in allen Medien rauf und runter gespielt.


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Was wir mit diesem Gesetz erreichen, meine Damen und Herren, ist eine Klarstellung und eine bessere Orientierung für die Gerichte, wie eben eine objektive Ordnungs­widrigkeit zu beurteilen ist oder wie der Begriff der erforderlichen Verwahrung – darum geht es letztendlich auch – auszulegen ist.

Der Experte hat in dieser Hinsicht in der Ausschusssitzung ganz klar gesagt: Ja, es ist eine Verbesserung, trotzdem wird jeder Fall einzeln zu bewerten sein. Es wird Gebiete geben, da wird man Almen abzäunen müssen, weil zum Beispiel eine hochfrequen­tierte Straße durchgeht. Was aber sicher nicht sein kann, ist, dass deshalb alle Almen abgezäunt oder eingezäunt werden, weil das auch gar nicht möglich ist. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Die SPÖ in der Person von Herrn Bundesrat Weber spricht hier heraußen von einer Anlassgesetzgebung. (Bundesrat Weber: Richtig!) Herr Bundesrat, meistens haben Gesetze irgendeinen Anlass. Mir ist natürlich klar, wie Sie das gemeint haben, ich will Ihnen nur sagen: Den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als wäre nichts geschehen, kann auch nicht die Lösung sein! (Bundesrat Weber: Hat keiner gesagt!) Sie wollen da wieder Ihre Vogel-Strauß-Taktik leben, die zumindest auch erklärt, woher der Stillstand der letzten rot-schwarzen Regierungen gekommen ist. (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bun­desrat Steiner: Das ist die traurige Wahrheit!)

Die Landwirte waren verunsichert und wussten nicht mehr (Zwischenrufe bei der SPÖ), ob sie ihre Tiere hinauftreiben können (Ruf bei der FPÖ: Verlorenes Jahrzehnt!), ob sie zusperren, absperren oder all ihre Almen einzäunen müssen. Was wäre die Alternative gewesen? – Wir haben das bereits gehört: dass alle Almwege gesperrt werden. Das, meine Damen und Herren, wollten wir natürlich nicht. Es war wichtig, das zu verhin­dern. (Bundesrat Schennach: Das sagt ja nur der Raggl!)

Für die Landwirte stellen diese anerkannten Standards das dar, was die Recht­sprechung wiedergibt. Man kann das auch als Sorgfaltsmaßstab anwenden. Auch für die Touris­ten und Wanderer wird es in Form von Leitlinien Maßnahmen geben, denn auch diese haben beim Wandern auf der Alm und in der Natur Regeln einzuhalten. Dieses Gesetz zielt folglich auf mehr Aufklärung ab. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Es gibt da ein Zauberwort, liebe SPÖ – für uns ein Zauberwort, für euch ein Fremd­wort –: Hausverstand. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Ibiza ...!) Wir wollen nicht, dass wir wie in Amerika auf eine Mikrowelle draufschreiben müssen: Sie dürfen Ihr Haustier – Ihre Katze, Ihr Meerschweinchen – in einer Mikro­welle nicht trocknen!, und für uns ist es auch logisch, dass man nicht mit Flipflops auf einen Gletscher geht. (Bundesrätin Grimling: Für uns auch!) Wir wollen wieder mehr Hausverstand und ebenso mehr Eigenverantwortung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Unsere Kinder sollen sich nicht erst mit 15 Jahren, wenn sie das erste Mal auf eine Alm kommen, darüber wundern müssen, dass Kühe gar nicht lila sind. (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.) Hausverstand, meine Damen und Herren, darum geht es, glaube ich, in der ganzen Diskussion.

Bei der Mutterkuhhaltung genügt es grundsätzlich, dass Tafeln aufgestellt werden. Man kann dann als rationales Wesen – ich denke, das sind wir Menschen alle – überlegen, ob man sich zutraut, da mit seinem Hund durchzugehen. Meine Damen und Herren, ich selbst bin Hundebesitzer, und daher – nicht herablassend gemeint, aber ich möchte es trotzdem sagen –: Wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich da mit meinem Hund durchgehen kann, dann lasse ich den Hund zu Hause. Das ist das Wichtigste.


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Mehr Rechtssicherheit für unsere Landwirte bei der Almwirtschaft auf der einen Seite, mehr Vertrauen in den Hausverstand unserer Landsleute durch Leitlinien auf der ande­ren Seite. Wir Freiheitliche trauen unseren Landsleuten zu, dass sie selbst die richtigen Entscheidungen treffen können. (Beifall bei der FPÖ.)

15.04


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


15.04.18

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Wenn heute das ABGB abgeändert werden soll, das heißt, durch die vorliegende Präzisierung im § 1320 ergänzt werden soll (Zwischenruf bei der SPÖ), dann deswegen, damit es für Almnutzer und Dritte – sprich: Einheimische, Gäste, Erholungssuchende und Wanderer – mehr Eigenverant­wortung und klarere Spielregeln gibt und die Rechtssicherheit für die Almbewirtschafter und Eigentümer gestärkt wird.

Warum ist dies notwendig? – Ganz einfach deshalb, weil sich in der Freizeitwirtschaft in den letzten Jahren wahnsinnig viel geändert hat! Diese Entwicklung ist jedem bekannt. Erlauben Sie mir aber einen Blick in die Vergangenheit! Ich habe nämlich etwas recherchiert, um das Gesetz von damals und die heutige Notwendigkeit einer Änderung erklären zu können. Ich möchte versuchen, dies auch der SPÖ zu erklären – wir werden sehen, ob das Erfolg hat. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Die letzte Änderung des Gesetzes wurde im Jahr 1917 durchgeführt. Die Tiere wurden damals tagsüber auf Weiden und Almflächen ohne Einzäunung behirtet, um nicht Weideflächen fremder Grundbesitzer oder Nachbarn zu nutzen. Die jungen Hirten haben die Behirtung tagsüber sichergestellt. Dies war aber oft nicht ausreichend. Die jungen Hirten waren damals Buben im Alter von 13 bis 15 Jahren, die den Sommer auf der Alm verbracht haben. (Die BundesrätInnen Schennach und Grimling: Kinder­arbeit!) – Das war im Jahr 1917 beziehungsweise vor den Kriegszeiten! (Bundesrätin Grimling: Trotzdem Kinder! Das macht mich betroffen!) Mein Vater und meine Groß­väter haben mir das auch so erzählt.

Für die Einzäunung der Almen oder Weideflächen war weder Material vorhanden, noch war es zur damaligen Zeit üblich. In den Fünfzigerjahren begann man, die Almflächen großteils mit Holzzäune (Ruf bei der SPÖ: Zäunen!) oder Stacheldraht einzuzäunen. Die Weidelenkung der Tiere wurde dadurch wesentlich verbessert. Dies allein ist der Grund für die damalige einseitige Haftungsregelung für Tierhalter im Gesetz – logi­scherweise, denn es hat damals keinen anderen Einfluss auf der Alm durch andere Personen oder andere Nutzer gegeben. Ich denke, es hat wegen der Nutzungs- und Eigentumsverhältnisse Konflikte unter den Bauern gegeben. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme nun zur heutigen Situation. Durch eine naturnahe Bewirtschaftung unserer Almen durch die Almbauern bleibt uns zum einen eine reizvolle und einzigartige Kulturlandschaft erhalten – das ist in Österreich einzig­artig –, zum anderen genießen Einheimische, Gäste und vor allem die Tourismus­wirt­schaft den unbezahlbaren Erholungswert dieser wunderschönen Alm- und Bergwelt. Hinzu kommen noch viele andere Dinge wie die sportliche Nutzung mit immer neuen Sportgeräten. Diese Bilder gehen natürlich in Form von Werbung durch die ganze Welt, und das ist auch gut so, denn es stärkt die ländliche Region und gibt den land-


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wirtschaftlichen Betrieben die Chance, ein Nebeneinkommen zu erwirtschaften, mit dem die Weiterführung der Heim- und Almbetriebe sichergestellt werden kann.

Nun aber das große Aber: Durch die Nutzung durch so viele Menschen, die die Gefahren der freien Natur oft nicht kennen, vielleicht noch einen Hund mitführen und schlecht ausgerüstet sind, kann es zu kritischen Situationen mit Weidetieren kommen. Viele Menschen werden scharenweise mit Aufstiegshilfen auf den Berg gebracht und wissen sich dann aber nicht mehr zu helfen.

Allein die unterschiedlichen Interessen, die sich durch die Freizeitnutzung und die Almbewirtschaftung ergeben, fordern eine klare politische Entscheidung. Das sollten wir nicht unterschätzen. Der Auslöser dafür war nicht der Unfall, sondern die Stim­mungslage nach diesem Unfall bei den vielen Playern auf der Spielwiese Alm. Diese wirklich große Solidarität mit den Almbauern sowie die Angst und die Sorgen der Tourismuswirtschaft waren Auslöser für diese Situation. Ich möchte mich daher auch dafür bedanken, dass die Politik – die ehemalige Regierung – so schnell gehandelt und ein Gesetz auf den Weg gebracht hat.

Vier Punkte sind es – das ist schon erwähnt worden –, die eine wesentliche Rolle spielen. Punkt eins: der Verhaltenskodex für Wanderer, die im freien Gelände auf Weide- oder Almflächen unterwegs sind. Punkt zwei: Richtlinien für den Tierhalter, wobei wesentlich ist, dass die herkömmliche, traditionelle Weidehaltung sichergestellt ist, denn alle wollen traditionelle Almwirtschaft. Punkt drei: die Anpassung des Geset­zes, wie sie eben vorbereitet ist – ein zweiter Absatz soll zu § 1320 hinzugefügt werden. Punkt vier: die Schadloshaltung der Almbewirtschafter durch eine Versiche­rung, falls notwendig. – Kollege Raggl hat das alles bereits erwähnt, weshalb ich nicht näher darauf eingehen möchte.

Ganz wesentlich ist auch, Unfälle mit Weidevieh zu vermeiden, aber ganz verhindern wird man es nicht können, so realistisch müssen wir sein. Wichtig sind Aufklärung, Information und Prävention, was aber sicherlich zu einem Hauptteil Aufgabe der Tourismus- und Beherbergungsbetriebe sein muss. In Salzburg sind wir da mit den Tourismusverantwortlichen in sehr, sehr guter Abstimmung.

Österreichs Almwirtschaft ist innerhalb der Landwirtschaft, aber auch bei der Bevöl­kerung und den Gästen hoch angesehen und wird als überaus sympathisch empfun­den. Dies beweisen sowohl die große Unsicherheit von allen als auch die enorme Solidarität für die Almbewirtschafter, die diese nach dem Urteil in Tirol erfahren durften.

Es gibt in Österreich mehr als 8 000 bewirtschaftete Almen, wobei 25 000 Auf­triebs­betriebe die Almen mit insgesamt 500 000 Tieren bestoßen. Das hat schon eine we­sentliche Bedeutung für die Landwirtschaft, die Gesellschaft und den Tourismus. Darauf können wir alle stolz sein. Ich bin überzeugt davon, dass diese notwendigen Maßnahmen auch für Naturliebhaber und Erholungssuchende ein Vorteil sind und nicht etwa ein Nachteil für Gäste und Wanderer. Wir brauchen einfach Spielregeln, wenn nun mehr Spieler auf dem Spielfeld sind.

Mit dem Paket Sichere Almen stellen wir eine Basis für eine gute Zusammenarbeit her. Die Umsetzung erfordert aber sicherlich laufende Gespräche mit den Verantwortlichen der verschiedenen Nutzungsgruppen vor Ort.

Ich möchte mich abschließend bei allen Almbauernfamilien für ihre Arbeit und den Einsatz auf den Almen sowie auch bei den Urlaubsgästen bedanken und ihnen wun­derschöne Erlebnisse und allgemein einen unfallfreien Sommer auf den Almen wün­schen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.13

15.13.33


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 112

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.14.0613. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das SE-Gesetz, das Übernahmegesetz und das Unter­neh­mensgesetzbuch geändert werden (Aktienrechts-Änderungsgesetz 2019 – AktRÄG 2019) (910/A und 658 d.B. sowie 10218/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich bitte um den Bericht.


15.14.26

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Aktien­gesetz, das SE-Gesetz, das Übernahmegesetz und das Unternehmensgesetzbuch ge­ändert werden.

Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates wird die Richtlinie (EU) 2017/828 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre umgesetzt.

Erklärtes Ziel der Richtlinie ist es, ein attraktives Umfeld für Aktionäre zu schaffen und die Corporate Governance der börsennotierten Unternehmen in der Europäischen Union weiter zu verbessern.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Bundesrat Robert Seeber zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.16.00

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich darf heute zum Aktienrechts-Änderungsgesetz sprechen. Aufgrund der vielen Beschlüsse des heutigen Tages möchte ich mich auf das Wesentliche, auf den Succus beschränken.

Ich darf gleich zu Beginn sagen, dass mit diesem Aktienrechts-Änderungsgesetz eine EU-Richtlinie in nationales Recht umgewandelt wird. Vereinfacht gesagt bedeutet diese Änderung, dass bei börsennotierten Unternehmen die Situation für Aktionäre verbes­sert wird. Auch die Geschäftsführung, die Geschäftsgrundlage der börsennotierten Unter­nehmen wird stark verbessert. Ich darf mich an dieser Stelle auch bei den Kolle-


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gen von FPÖ und SPÖ – es ist ein einstimmiger Beschluss – für diese sachlich richtige Begleitung bedanken.

Diese Änderung heißt nichts anderes, meine sehr verehrten Damen und Herren, als dass sich die Aktionäre in Zukunft freuen dürfen, die bei börsennotierten Unterneh­mungen investiert haben. Dieses Gesetz wird zu einer bedeutenden Verbesserung der Aktionärssituation führen. Auch die Corporate Governance – das ist schon in der Berichterstattung gefallen – wird für die börsennotierten Unternehmen stark verbessert.

Wir schaffen mit diesem Gesetz also mehr Transparenz und auch erweiterte Berichts­pflichten. Mit diesen erweiterten Berichtspflichten können dann auch in den verschie­denen Gremien entsprechende Beschlüsse gefasst werden.

Ich darf an dieser Stelle auch noch erwähnen, dass es in den letzten Jahren auch eine Tendenz gegeben hat, die Situation der Aktionäre zu verschlechtern, sprich, es wurden stimmrechtslose Aktien ausgegeben – eine sehr bedenkliche Entwicklung. Ich darf die Unternehmen Facebook und Google erwähnen, die diese stimmrechtslosen Aktien ausgegeben haben. Das führt natürlich zu einer totalen Entmachtung der Aktionäre, was ja wohl nicht im Sinne des Erfinders sein darf. (Ruf bei der FPÖ: Man muss ja nicht kaufen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei related party transactions, das sind Geschäfte mit nahestehenden Personen oder Rechtsträgern, wird es in Zukunft so sein, dass diese ab einer Schwelle von 5 Prozent der Bilanzsumme den Aufsichtsräten zur Genehmigung vorgelegt und ab einer Schwelle von 10 Prozent der Bilanzsumme veröffentlicht werden müssen. Das ist ebenfalls zu begrüßen.

Es gibt, so wie ich das sehe, nun eine Verhältnismäßigkeit, was die Berichterstattung betrifft. Es gibt auch keinen überbordenden Bürokratismus in diesem Rechtsfeld mehr und auch keine Doppelgleisigkeiten. Bei 100-Prozent-Tochtergesellschaften gibt es keine Berichtspflicht – das hat man ausgeschlossen. Ich würde das so subsummieren: Das sogenannte Gold Plating kommt da nicht zur Anwendung. Das ist zu begrüßen, und dafür bedanke ich mich bei allen Beteiligten.

Als Wirtschaftsmann darf ich vielleicht – last but not least – erwähnen, dass es auch zu Verbesserungen im sogenannten Gremialverfahren kommt. Das ist jenes Verfahren, welches das Umtauschverhältnis bei Umgründungsverfahren, Verschmelzungen oder Einbringungen festlegt. Hier gibt es also ebenfalls eine Überprüfung, und es kommt zu einer Erleichterung bei der Verfahrensdauer.

Abschließend möchte ich noch sagen, dieses Aktienrechts-Änderungsgesetz ist eine ausgewogene, gute Lösung, und als Wirtschaftsfachmann freut es mich besonders, dass auch die Geschäftsinteressen, die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, ent­sprechend berücksichtigt werden. Das ist sehr erfreulich und letztendlich eine für alle sehr gute Lösung. Danke für die breite Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.20


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


15.20.56

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister und Vizekanzler! Ich danke meinem Vorredner Seeber, der zwar angekündigt hat, wenig zum Inhalt zu sagen, dann aber doch alle wesentlichen Dinge gesagt hat, insbesondere warum die Umsetzung der EU-Richtlinie notwendig war. Das Einzige, das vielleicht fehlt, Kollege Seeber, ist, dass es neben der Transparenz auch


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 114

um die Mitsprache geht. Diesbezüglich haben wir jetzt eine kleine positive Änderung, denn die vorhergegangene Bundesregierung wollte bei der Mitsprache die Sozialpart­ner draußen haben – jetzt sind die Sozialpartner wieder drinnen. Das ist insofern wich­tig, weil es auch um ein Streitschlichtungsgremium geht. In diesem Streitschlichtungs­gremium sind künftig die Sozialpartner wieder mit dabei. Das heißt, die klaren Mitwir­kungsrechte sowohl beim Aufsichtsrat als auch bei den Aktionären werden dadurch positiver gestaltet, was in etwa auch in den Schlussworten des Kollegen Seeber zu hören war.

Insofern: Seien wir froh, dass wir diese Einigung insbesondere betreffend die Mitwir­kung der Sozialpartner wieder zustande gebracht haben, dass wir Mitsprache und Transparenz in besonderer Weise garantieren können und, soweit ich das sehe, dass wir hier zu einer Einstimmigkeit kommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr MMag. Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile ihm dieses.


15.22.57

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf Grundlage einer liberalen Welt­anschauung könnte man auch der Meinung sein, dass Richtlinien zur Vergütung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft nur das Unternehmen selbst etwas angehen und sich der Staat aus diesen Angelegenheiten heraushalten soll. Diese Ansicht greift aber – wir haben es schon gehört – zu kurz.

Diese Ansicht verkennt auch das sogenannte Prinzipal-Agenten-Problem. Aktionäre einer börsennotierten Aktiengesellschaft können, obwohl sie die wirtschaftlichen Eigen­tümer des Unternehmens sind, über den Inhalt der Vorstandsverträge und vor allem auch über die Höhe der Vergütung in den allermeisten Fällen weder direkt noch indi­rekt entscheiden. Daher ist es nur recht und billig, wenn zumindest die aktienrechtliche Verpflichtung gelten soll, dass die eigenen Aktionäre auch über den wesentlichen Inhalt der Vergütungspolitik des Unternehmens angemessen informiert werden. Außer­dem waren derartige Transparenzbestimmungen dem Grunde nach schon bisher in Form von Comply-or-Explain-Empfehlungen im österreichischen Corporate Governance Kodex enthalten.

Der zweite Punkt der Novelle betrifft die Neuregelung des Verfahrens vor dem Gre­mium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses im Falle der Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften und zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung ausgeschlossener Gesellschafter nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz. Verfah­ren vor diesem Gremium, ich weiß es aus eigener Erfahrung, dauern in erster Instanz im Schnitt nicht einige wenige Monate, sondern mehrere Jahre. Nunmehr sind erstmals angemessene Fristen vorgesehen, die hoffentlich dazu beitragen werden, eine deut­liche Verkürzung dieser Verfahren vor dem Gremium zugunsten und im Sinne der betroffenen Aktionäre herbeizuführen.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates findet daher auch die Zustimmung der freiheitlichen Fraktion im Bundesrat. (Beifall bei der FPÖ.)

15.24

15.24.48


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke schön.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 115

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.25.1614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizver­wal­tungsgebühren geändert wird (80/A sowie 10219/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und die Jurisdiktionsnorm geändert werden (633 d.B. und 657 d.B. sowie 10220/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punk­ten 14 und 15, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. Ich bitte um die Berichte.


15.25.40

Berichterstatter MMag. Dr. Michael Schilchegger: Zu Tagesordnungspunkt 14 darf ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren geändert wird, erstatten. Inhalt ist die Ermäßigung der zivilgerichtlichen Pauschalgebühr auf die Hälfte, wenn bereits in der vorbereitenden Tagsatzung ein Vergleich geschlossen werden kann.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 15 erstatte ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsan­wälte und Rechtsanwaltsanwärter und die Jurisdiktionsnorm geändert werden. Wesent­licher Inhalt sind Klarstellungen in Bezug auf die bereits erfolgte Umsetzung der 4. Geldwäscherichtlinie der Europäischen Union.

Auch dazu liegt Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Dr. Magnus Brunner. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 116

15.27.36

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich bin jetzt zu Tagesordnungspunkt 14 Kontraredner, dem Tagesordnungspunkt 15 werde ich aber zustimmen. Daher werde ich mich auf diesen Tagesordnungspunkt 14 konzentrieren, ja wohl konzentrieren müssen in dem Fall. Der Änderung der Rechtsanwaltsordnung werden wir gerne zustimmen.

Erlauben Sie mir, werte Kolleginnen und Kollegen, zu Beginn mit einem Zitat aus der Plenarsitzung des Nationalrates zu starten. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Vize­präsidenten zitieren: „Ich stehe nicht an zu sagen, dass ich mit dem System der Gerichtsgebühren, das wir nun vorfinden, nicht besonders glücklich bin und eine Ge­samt­lösung anzustreben ist.“ Ich „[...] muss daher darauf achten, dass nicht zusätzliche Belastungen entstehen.“ – Zitatende.

Sie werden es erkannt haben – vor allem Sie, Herr Vizekanzler –, es war unser derzei­tiger Justizminister und Vizekanzler Dr. Jabloner, der das im Plenum des Nationalrates gesagt hat und damit genau den Punkt trifft, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Es wurde viel auch über Sympathie – eine prinzipielle Sympathie – mit diesem Antrag ge­sprochen, auch wir hegen eine gewisse Sympathie zumindest mit dem Inhalt. Aus einer Gesamtbetrachtung heraus sind wir aber auch der Meinung des Herrn Bundes­ministers und Vizekanzlers, dass es wesentlich besser wäre, eine Gesamtlösung in diesem Bereich anzustreben.

Irgendwie kommt es mir so vor, als ob man ein bisschen schnell, schnell, husch, pfusch irgendetwas um des Beschließens willen beschlossen haben will, dass es weni­ger darum geht, die nachhaltigen Auswirkungen zu bedenken, und diese Vorgehens­weise müssen wir einfach prinzipiell ablehnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Parlamentarier müssen uns in diesen Zeiten, in Zeiten einer Übergangsregierung, anstehender Wahlen, einfach auch mehr auf unsere politische Verantwortung besinnen. Es ist eigentlich auch – entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise – unsere verdammte Verantwortung, unsere verdammte Pflicht, in diesen Zeiten wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es steht ja, um zum Inhalt zurückzukommen, unstrittig in unserem gemeinsamen Regierungsprogramm und ist auch oftmals diskutiert worden, dass wir natürlich für eine Reduktion der Gerichtsgebühren an sich sind. Dies steht im Regierungs­pro­gramm, wobei es jetzt diese rot-blaue Mehrheit leider nicht zugelassen hat, dass es zu Ende gebracht wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, darin steht klugerweise eben nichts von Einzelmaßnahmen und nichts von Husch-pfusch-Maßnahmen. Nein, es beinhaltet eine umfassende Reform mit Qualitätsverbesserungen, mehr Bürgernähe und auch mehr Effizienz. Durch eine solche Reform würde der Bevölkerung wirklich geholfen werden, mit einem besseren, leistbareren Zugang zum Recht.

Liebe Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ, in unserem gemeinsamen Regierungs­programm ist die Reduktion der Pauschalgebühren bei gerichtlichem Vergleich und der Klagsrückziehung explizit erwähnt, allerdings in einem klugen Gesamtpaket, das auch zu mehr Entlastung und Deregulierung geführt hätte. (Bundesrat Steiner: Das hätten wir ja noch machen können!) – Ja, leider ist das mit dieser rot-blauen Mehrheit eben nicht mehr möglich gewesen. (Bundesrat Steiner: Der Sprengmeister Basti!) – Aber ihr habt schon der Regierung das Misstrauen ausgesprochen. (Bundesrat Steiner: Der Sprengmeister Basti!) Das wart aber schon ihr, oder? – Nicht wir! Okay, nur dass wir das noch einmal klarstellen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist also ausgesprochen schade, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich mit diesem Schnellschuss (Bundesrat Steiner: Aber der Sprengmeister war schon der


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 117

heilige Basti!), mit dieser eigentlich sehr isolierten und auch eindimensionalen Lösung der Gebührenfrage ohne budgetäre Deckung, wie der Herr Vizekanzler immer wieder ausführt, diese rot-blaue Koalition heute fortsetzt.

Inhaltlich ist die Senkung der Gerichtsgebühren ein berechtigtes Anliegen. Das sollte von einer neuen Bundesregierung als Teil einer sinnvollen Neugestaltung im Rahmen eines Gesamtpakets angegangen werden. Wir werden daher heute nicht zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.32


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses. (Ruf: Der schon wieder! – Bundesrat Spanring – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, es tut mir leid!)


15.32.11

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Werte Kollegen des Bundesrates und Zuse­her auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Es geht bei Tagesordnungs­punkt 14 um die Gerichtsgebühren. Uns Freiheitliche waren diese wirklich zu hohen Gerichts­ge­bühren immer schon ein Dorn im Auge und, wir haben es auch gehört, die Herab­setzung war ja auch Teil des Regierungsprogramms. Wir wollten diese schon lange senken. Nun haben wir die Chance dazu, die wir heute auch nutzen.

Laut einer Studie der European Commission for the Efficiency of Justice ist Österreich das einzige Land – das einzige! –, das mehr aus Gerichtsgebühren einnimmt, als das gesamte Justizsystem kostet. Mit 111 Prozent Kostendeckung liegt Österreich damit eklatant über dem EU-Schnitt von 18 Prozent. Nein, meine Damen und Herren, dabei handelt es sich nicht um Gerichtsgebühren bei Strafdelikten – die sind ja oftmals uneinbringlich, schauen Sie sich die Täter an! Der größte Teil der Einnahmen bei der Justiz entstammt den Grundbuchgebühren.

Wir wollen mit diesem Gesetz erreichen, dass auch sozial Schwache die Möglichkeit haben, Zugang zum Recht vorzufinden, und nicht nur jene, die vermögend sind, sonst kommen wir neben einer Zweiklassenmedizin vielleicht auch noch zu einer Zweiklas­senjustiz.

Meine Damen und Herren von der ÖVP, lieber Magnus Brunner, wenn Sie das jetzt bemängeln und sagen, dass Sie gerne eine Gesamtlösung gehabt hätten, dann muss ich sagen: Ja, da bin ich voll und ganz bei Ihnen, das hätten wir auch gerne gehabt. Sie dürfen dies aber nicht bei uns monieren, da gibt es zwei andere Personen: Num­mer eins ist der, der eine gut funktionierende Regierung gesprengt hat, Basti der Sprengmeister (Rufe bei der ÖVP: Na geh! Na geh!), und Nummer zwei ist der Minister außer Dienst, der in diese Richtung einfach wenig getan hat, nämlich Josef Moser. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP, Sie werden mir verzeihen, aber wenn jemand in zwei Jahren zwei Regierungen sprengt, dann darf man den Beinamen Spreng­meister schon auch verwenden – den hat er sich redlich verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei Tagesordnungspunkt 15 geht es um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Die Euro­päische Union ist der Meinung, dass Österreich bei der Umsetzung der 4. Geld­wäscherichtlinie in das österreichische Recht Nachholbedarf hat. Sei es, wie es sei, wir haben gesagt: Um einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich entgegen­zu­wirken, werden wir die Umsetzung befürworten. Dadurch sollen die bestehenden Zweifel an der Unionsrechtskonformität der österreichischen Rechtslage beseitigt wer­den. Und dann hat die EU endlich wieder die Möglichkeit, ihren Fokus auf die wirklich


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 118

wichtigen Dinge zu legen: vielleicht auf die Traktorsitzverordnung, die Gurkenkrüm­mung oder verbrannte Pommes Frites. (Beifall bei der FPÖ.)

15.35


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Bevor ich dem Herrn Kollegen das Wort erteile, darf ich den Bundesminister für Finanzen, Herrn Dipl.-Kfm. Eduard Müller, sehr herz­lich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Nun erteile ich Herrn Bundesrat Michael Wanner das Wort. – Bitte.


15.35.56

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren, auch die Zuseher zu Hause und hier im Haus! Zu den zwei Punkten: Die Verminderung der Gerichtsgebühren ist eine Sache, die wir unterstützen werden, weil die Gerichtsgebühren, wie schon zuvor gesagt wurde, in Österreich sehr hoch sind. Bei 111 Prozent Deckung sollte man diesbezüglich etwas tun.

Wir haben im Ausschuss zudem erfahren, dass das circa 500 000 Euro kosten wird. Das sind Mindereinnahmen, die sich zusätzlich verringern, weil infolge der Vergleiche weniger Gerichtsverhandlungen sein werden.

Jetzt sage ich einmal, 500 000 Euro sind ein schönes Geld, damit kann man fast ÖVP-Familienfeste machen, aber wir haben im Ausschuss auch gehört, dass das nicht der große Brocken ist, und wir hoffen ja doch, dass es nach dieser Verringerung der Gebühren im ersten Schritt zu einer Gesamtreform kommt. Einer solchen Gesamt­reform steht ja eigentlich nichts im Wege.

Im Ausschuss haben wir – weil Sie, Herr Vizekanzler, glaube ich, vom stillen Tod der Justiz gesprochen haben – einen Entschließungsantrag eingebracht, nämlich betref­fend „Ausfinanzierung der Justiz jetzt!“. Dieser ist nicht angenommen, sondern vertagt worden. Wir haben von der FPÖ das Signal bekommen: Hätte man vielleicht die Justizwache hineingenommen, wäre das eine Möglichkeit gewesen. Im Vorfeld dieser Sitzung haben wir uns bemüht, diese mitzuberücksichtigen. Wir hätten einen neuen Antrag gemacht. Es ist nur wirklich schade, dass wir den Entschließungsantrag, der dann eine Mehrheit gehabt hätte, jetzt nicht hier stellen können. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass die Arbeitsbedingungen in der Justizwache nicht wirklich Ihr (in Richtung Justizminister Jabloner) Thema sind.

Geldwäsche: Bei der 4. Geldwäscherichtlinie geht es darum, die Geldwäsche im Bereich der Terrorfinanzierung, der Wirtschaftskriminalität und im organisierten Ver­brechen in Österreich zu verhindern. Jedoch wurde ebenso ziemlich klar festgestellt, dass es höchst fraglich ist, ob die EU-Kommission eine gerechtfertigte Kritik übt. Geän­dert werden sollen die Anwaltsordnung, die Notariatsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter.

Die alte Regierung hat noch, um sich ja keiner Kritik auszusetzen und keine mangel­hafte Umsetzung zu machen, einen gewissen Schnellschuss getätigt und dieses Gesetz ins Rollen gebracht. Wir sagen, das ist vorauseilender Gehorsam. Man hätte bei guten Beziehungen diese Unklarheiten durchaus mit Argumenten und in Ge­sprächen klarstellen können. Bei dieser Fleißaufgabe sind wir also nicht dabei. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.39

15.39.25


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 119

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist das die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariats­ordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und die Jurisdiktionsnorm geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.40.4516. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) geändert wird (924/A und 659 d.B. sowie 10221/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.


15.41.15

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

15.41.46


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Meine Damen und Herren, Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.42.1417. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (678/A und 646 d.B. sowie 10222/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 120

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tages­ordnung.

Als Berichterstatter wurde Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck genannt. – Ich bitte um den Bericht.


15.42.36

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm dieses.

15.43.09


Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Als das Pflegegeld 1993 erfreulicherweise eingeführt wurde, gab es zu Beginn circa 230 000 Bezieherinnen und Bezieher. Im Mai dieses Jahres waren es bereits 463 000 Bezieherinnen und Bezieher, also ziemlich genau doppelt so viele wie zum Zeitpunkt der Einführung.

Wir wissen aus allen Statistiken, dass sich diese Zahl aufgrund der erfreulichen Tat­sache, dass die Bevölkerung in Österreich durch die gesunde Lebensweise und die gute Luft – und all das, was wir eben haben – entsprechend älter wird, in den nächsten Jahren klarerweise weiter erhöhen wird, wobei das Pflegegeld keine Altersgrenze kennt.

Pflegebedürftige werden ja großteils im Kreise der Familie gepflegt. Daheim statt Heim ist also nicht nur ein Schlagwort, sondern eben auch eine sehr wichtige und lebendige Form der Betreuung, damit sich die Personen zu Hause besonders wohlfühlen können. Ich möchte das auch anhand eines persönlichen Beispiels kurz darstellen.

Ihr wisst, ich habe es schon einmal gesagt, ich komme aus der größten Stadt Öster­reichs, aus Graz, denn Wien ist ja immerhin auch ein Bundesland und nebenbei eine Stadt. Von unseren 300 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die wir haben, sind laut gestrigem Stand 29 Personen über 100 Jahre – in diesem Fall kann man es schon sagen – alt. Wir haben also eine große Anzahl alter Menschen. Diese Personen werden von Bürgermeister Siegfried Nagl persönlich besucht und ich bin als Senioren­obmann auch mit dabei.

Wir hatten die Möglichkeit, mit dem einzigen Herrn, der das Alter von 100 Jahren über­schritten hat, sonst sind es nur Damen, nicht nur Small Talk zu führen, sondern wir haben ihn natürlich auch gefragt, wie er sich persönlich fühlt, wie er sein Umfeld sieht und so weiter. Dieser geistig und auch körperlich noch sehr lebendige 102-Jährige hat gesagt: Schauen Sie, es ist halt so, mein Bua ist jetzt 83, der ist eigentlich auch noch ganz gut beieinander, das Dirndl ist 79 – ich verwende die Worte, die er gebraucht hat, das ist keine Geringschätzung meinerseits –, und die schauen halt mitunter auch, dass es mir gut geht.


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Auf die Frage nach der Pflegegeldeinstufung sagte er: Ja, ich habe auch ein paar Stufen, ich weiß jetzt nicht genau, wie viele, ich müsste nachschauen, aber der Bua weiß das viel besser, der hat ja auch schon die Stufe 1. Die weitere Konversation ergab natürlich auch das eine wie das andere, ich habe gefragt, wie es bei den Enkerln ausschaut, und er hat gesagt: Ja die sind um die 60, aber die sind noch ganz frisch und sind noch im Berufsleben und denken bei Weitem noch nicht an Pflegegeld. – Ich möchte mit diesem Beispiel zeigen und mitteilen, wie wichtig es ist, dass dieses Pflegegeld so eingesetzt wird, dass es wirklich Nutzen bringt.

Die jährliche Inflationsanpassung des Pflegegeldes – und jetzt zum Thema – ist ein wichtiges Signal der Wertschätzung für die zu pflegenden Menschen und deren Angehörige. Es ist nach der höheren Mindestpension ein weiterer Schritt zur Entlas­tung der älteren Generation und wurde immerhin – und das ist ein wesentlicher Punkt – von der Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz initiiert. Das gesetzte Ziel war damals wie auch heute, die Mehraufwendungen durch den erhöhten Pflegebedarf – es entsteht natürlich ein größerer Pflegebedarf – zu decken und damit ein möglichst selbstständiges Leben und Disponieren über das eigene Lebensumfeld zu gewähr­leisten. Beim Aspekt des Pflegegeldes ist also durchaus der Grundsatz der Entschei­dungsfreiheit für den Pflegebedürftigen ganz stark im Vordergrund.

Faktum ist, dass seit der Einführung des Pflegegeldes natürlich auch in vielen anderen Bereichen in die Pflege investiert wurde. Gemeinden, Sozialhilfeverbände, Länder und auch der Bund haben in vielen Bereichen investiert, um Pflegeleistungen vermehrt anzubieten. Es wurden nicht nur stationäre Einrichtungen, sondern zum Beispiel auch alternative Wohnformen und auch die mobilen Dienste auf die Beine gestellt. Wie gesagt – noch einmal –: Daheim statt Heim steht im Vordergrund, aber alle anderen Möglichkeiten, die es ja nicht überall so gibt, sind da gegeben.

Die österreichische Situation im Pflegebereich lässt sich sehr gut mit der in der Bun­desrepublik Deutschland vergleichen, dort gibt es nämlich eine ähnliche Demografie, eine ähnliche soziale und familiäre Struktur sowie auch eine stark alternde, aber frische Bevölkerung. In Deutschland wurde auch ein Pflegesystem eingeführt, allerdings nicht mit sieben Stufen, wie wir sie haben, sondern mit fünf. Bei uns ist es bekannterweise so, dass man in der ersten Stufe 157 Euro erhält, das geht hinauf bis zur siebenten Stufe, wo es immerhin fast 1 700 Euro pro Monat gibt.

In Deutschland ist es, wie gesagt, anders. Es gibt fünf Pflegestufen, wobei in der ersten Stufe kein Geld ausbezahlt wird, dafür bekommt man eine halbjährliche Pflege­bera­tung. Das kostet natürlich auch etwas, aber es gibt keine monetäre Weiterleitung. Bei der fünften Stufe, also bei der höchsten Stufe, bekommt man in Deutschland 901 Euro. Was in Deutschland noch anders ist: Dort beziehen nur 2,6 Prozent der Bevölkerung, also dieser immerhin 80 Millionen Einwohner, Pflegegeld. In Österreich sind es doppelt so viele, nämlich 5,2 Prozent. Das zeigt, dass sich Österreich mit diesem Pflege­geld­system weltweit messen kann und wir auf jeden Fall zu jenen gehören, die für die Pflegebedürftigen am meisten finanzielle Mittel in die Hand nehmen und für die Selbst­versorgung, für die Eigenverantwortung Pflegegeld gewähren.

Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir trotzdem an einem umfassenden Pflegekonzept weiterarbeiten müssen, denn ein Pflaster heilt noch keine Wunden. Das Pflegegeld ist die eine Sache, ich möchte aber auch noch kurz die weiteren Punkte anschneiden, die wesentlich für die weitere Bearbeitung dieses wichtigen Themas Pflege sind. Wie gesagt: Pflege hat nichts mit dem Alter zu tun; wir alle wissen, dass auch bereits jüngere und junge Menschen pflegebedürftig sind.

Die umfassende Pflege ist ein großes Bild mit Mosaiksteinen. Das eine ist, wie bereits gesagt, das Pflegegeld, andererseits geht es auch um die pflegenden Angehörigen.


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Wie können diese mit Pflegekarenz, mit Krankenversicherung, mit Pensions­versiche­rung, mit Pflegeteilzeit und dergleichen unterstützt werden? Es geht vor allem darum, wie wir in Zukunft all diese wichtigen Übergangsformen, auch die Übergangspflege optimieren. Es ist ein Gebot der Stunde, das Pflegesystem weiterzuentwickeln, um die pflegebedürftigen Menschen und ihre betreuenden Angehörigen nachhaltig zu unter­stützen.

Der erste Schritt ist, dass wir das Angebot und das Bewusstsein für Präventiv­maß­nahmen ausbauen und gleichzeitig – wie bereits angesprochen – die Pflege zu Hause, in Pflegeheimen und in ambulanten und teilstationären Einrichtungen mittel- und lang­fristig sichern. Wir wissen – ihr wisst es auf alle Fälle auch –, dass wir jährlich immerhin 2,6 Milliarden Euro an Pflegegeld ausbezahlen, diese Zahl wird, wie gesagt, auch wei­terhin steigen.

Ich möchte abschließend nur stichwortartig die wesentlichen Punkte erwähnen, die in Zukunft sehr wichtig sein werden. Das sind zum Beispiel Pflegekarenz, Mitver­siche­rung in der Krankenversicherung und Pensionsversicherung sowie stärkere Berück­sichtigung von Demenz im System des Pflegegeldes.

Wir als Volkspartei wollen den Menschen ein Altern in Würde ermöglichen und ihnen das Versprechen geben, dass sie auch im Alter ein würdevolles Leben führen können. Das hat sich diese Generation auch besonders verdient. Dafür müssen wir, glaube ich, gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen. Bemühen wir uns gemeinsam für die ältere Generation! Ein wesentlicher Punkt dabei ist eben das Pflegegeld, das dement­sprechend erhöht wurde, aber auch andere wichtige Pflegemaßnahmen sind zu set­zen.

In diesem Sinne: Danke für die Aufmerksamkeit. Ich bitte um die Unterstützung des Antrages. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

15.52


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ich dieses.


15.52.58

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Jetzt haben wir vom Kollegen sehr viel über Pflegegeld, über die Menschen, über das, was im persönlichen Umgang mit zu Pflegenden erlebt wurde, gehört.

Fassen wir das einmal in Zahlen, wie viele Menschen das betrifft: In Österreich bezie­hen rund 460 000 Menschen Pflegegeld, etwas mehr als die Hälfte davon Pflegegeld in den Stufen 1 und 2. Das heißt, in der Stufe 1 sind es um die 100 000, in der Stufe 2 um die 130 000 Personen. Nimmt man dann noch die Stufe 3 dazu, dort sind 28 000 Per­sonen eingestuft, sind das zwei Drittel aller Pflegegeldbezieher. Das ist so von Bedeu­tung – insbesondere für mich als Niederösterreicherin –, weil man in Niederösterreich mit einigen wenigen Ausnahmefällen in den Pflegeheimen ab Pflegegeldstufe 4 aufge­nommen wird.

Was bedeutet das im Hinblick auf das Bundesgesetz, mit dem jetzt das Bundes­pflege­geldgesetz geändert wird? Was bedeutet das für die Valorisierung, die 2020 erfolgen soll? – Bei der Valorisierung geht es um eine Anpassung nach dem Verbraucher­preis­index. Allerdings wissen wir alle, dass es auch diesen sogenannten kleinen Warenkorb gibt, dass es auch so etwas wie eine gefühlte Inflation gibt. Das Wort der gefühlten Inflation ist keine Erfindung, das gibt es tatsächlich, es beschreibt, wie einzelne Grup-


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pen – je nach ihren Lebensumständen, je nach ihren Lebensbedürfnissen – von den Preissteigerungen betroffen sind.

Im allgemeinen Warenkorb sind Reisen drinnen, im allgemeinen Warenkorb sind technische Geräte drinnen. Menschen, die Pflegegeld beziehen, betrifft das in der Regel recht wenig, da sie nicht auf die Malediven auf Urlaub fliegen und sich auch keinen neuen Gaming-PC kaufen werden, der in den letzten Jahren günstiger gewor­den ist. Diese Menschen betrifft vor allem dieser kleine Warenkorb, dieser Mikro- oder Miniwarenkorb, der auch von der Statistik Austria berechnet wird und in dem all jene Güter und Dienstleistungen erfasst sind, die das tägliche und wöchentliche Leben betreffen. Da geht es um Mieten, da geht es um Betriebs-, um Energiekosten. Da geht es, und das mag jetzt lächerlich klingen, um die Butter und das Brot, nicht nur sprichwörtlich, denn das sind die großen Preistreiber.

Deshalb sind es gerade diese zwei Drittel der Pflegebedürftigen, die im häuslichen Umfeld gepflegt werden, die diese Erhöhungen so besonders spüren. Die spüren ganz massiv, dass die täglichen Lebenshaltungskosten stark gestiegen sind, und wenn sie zum Beispiel durch eine 24-Stunden-Pflege betreut werden, müssen sie auch noch jemanden mitverpflegen. Das Leben wird teurer. Aufgrund der fehlenden jährlichen Anpassung, Valorisierung haben diese Menschen in den letzten Jahren einen realen Kaufkraftverlust von 30 Prozent hinnehmen müssen. Das ist ganz bedenklich viel.

Deshalb bin ich sehr froh, dass wir die Valorisierung des Pflegegeldes nun be­schließen. Es ist kein Zuckerl, es ist schon gar kein Wahlzuckerl, das ist eine Not­wendigkeit. Vielmehr möchte ich sogar sagen, das ist eine Schuldigkeit, die wir ge­genüber diesen Menschen haben, das ist zu machen! Natürlich ist aber jedem bewusst – auch jeder Politikerin und jedem Politiker und vor allem dem Herrn Finanz­minister –, dass das Geld kostet. Ich denke aber, dieses Geld ist zu investieren, dieses Geld muss im Staatshaushalt zur Verfügung gestellt werden.

Bei aller Freude sollen wir jetzt aber nicht der Verlockung erliegen, zu glauben, dass damit alles getan ist, so wie es auch mein Vorredner gesagt hat. Der Bereich der Pflege ist ein Thema der Gegenwart und wird in der Zukunft ein immer größeres Thema werden. Der Herr Kollege hat auch angesprochen, dass wir Konzepte brauchen. Die SPÖ hat ein Pflegekonzept, ein Pflegekonzept, das ausgearbeitet ist, ein Pflege­konzept, in dem auch Finanzierungen berücksichtigt werden, ein Pflegekonzept, in dem vor allem darauf Rücksicht genommen wird, dass auch die qualitative Sicherstel­lung gegeben ist. Das heißt, es ist wichtig und es wird wichtig sein, dass das Pflege­personal Verbesserungen der Arbeitsbedingungen vorfindet. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ecker.)

Es ist wichtig und es wird wichtig sein, dass es eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildung gibt. Wir wissen, dass gerade im Bereich der Demenz viel zu wenig Ausbildung da ist. Gerade das Thema Demenz ist aber aufgrund der steigenden Lebenserwartung das große Thema der Zukunft. Ich erlebe es in meinem persönlichen Umfeld so oft, dass pflegendes Personal im häuslichen Umfeld mit demenzkranken Menschen überfordert ist.

Pflege ist nicht nur ein Stichwort. Pflege bedeutet, dass wir in diesem Zusammenhang von Menschen reden, die auf Hilfe, auf Unterstützung angewiesen sind, manchmal nur wenige Stunden, manchmal auch sehr viele. Diese Unterstützung sollen sie qualitativ hochwertig bekommen – das ist eine Forderung meiner Fraktion, das ist eine Forde­rung der SPÖ und es ist eine Forderung von mir als Mensch –, diese Unterstützung muss der Staat gewährleisten können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 124

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile ihr dieses.


16.00.07

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geschätzter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier und vor den Fernsehschirmen zu Hause! Zu Beginn sage ich ein großes Dankeschön, ein großes Dankeschön an die pflegenden Angehörigen in unserem Land. Sie sorgen nämlich dafür, dass der überwiegende Teil der Pflege von älteren Angehörigen in den eigenen vier Wänden und im eigenen Familienverband möglich ist. Ein genauso großes Danke gilt auch den Menschen, die in den Seniorenheimen, in den Pflegeheimen, in den geriatrischen Abteilungen, in den Krankenhäusern und in den mobilen Diensten tätig sind, denn sie ermöglichen durch ihren Einsatz, durch ihre Menschlichkeit – oft ist es ein Beruf mit Berufung – ein Altern in Würde. (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Gerade zu Hause sind es die Frauen, die das übernehmen – die Frauen, die heute schon sehr oft Thema waren, die Frauen in ihrer Rolle als Tochter, als Schwieger­tochter oder als Ehefrau –, aber auch Männer und sogar Kinder, das wissen wir, müs­sen hier Lebensrealitäten bestmöglich meistern, und sie brauchen unsere Unterstüt­zung. Sie brauchen Unterstützung bei den Rahmenbedingungen, wie durch die mobi­len Dienste, die 24-Stunden-Betreuung. Wir brauchen Angebote zur Entlastung für diejenigen, die die Pflege leisten, und es gibt viel zu wenige Kurzzeitbetten.

Wichtig ist aber auch eine finanzielle Entlastung, und genau darum ist das Pflegegeld heute auf der Tagesordnung. Oberösterreich hat dazu bereits im Vorjahr eine einhel­lige Resolution beschlossen, weil eben, wir haben es schon gehört, das Pflegegeld seit 1993 bereits ein Drittel an Wert eingebüßt hat und in den letzten 26 Jahren nur fünfmal valorisiert wurde. Die Valorisierung des Pflegegeldes ist kein Zuckerl vor der Wahl, dieser Meinung bin ich auch, denn das Pflegegeld ist für den Zukauf von Leistungen gedacht, entweder in der eigenen Familie oder eben für diese Unterstützung, für mobile Dienste, für Unterstützung bei der Körperpflege, zum Einschachteln von Medi­kamenten, zum Ankauf besonderer Hilfsgeräte – ein Altern bei selbstbestimmtem Leben.

Ich freue mich, dass dieser Schulterschluss heute möglich ist und die jährliche Anhe­bung aller Pflegestufen dann quasi erledigt ist, das heißt nicht wieder thematisiert werden muss, sondern automatisch funktioniert. Ab 2020 wird das geschehen. Wir haben es auch gehört: Menschen mit der Pflegestufe 1, 2 oder 3 – auch in Ober­österreich ist es so, dass es meist erst ab der Pflegestufe 4 möglich ist, in einem Seniorenheim betreut zu werden – wird das Pflegegeld ausbezahlt, das bekommen die zu Pflegenden. Bei einem Bewohner einer Einrichtung geht es an den Träger des Heims oder an den Sozialhilfeverband, aber auch dort hat es indirekt die Wirkung, dass sich mit einer höheren Pflegestufe der Pflegeschlüssel erhöht und dass mehr Pflege­geld auch mehr Personaleinheiten bewirkt und das Pflegepersonal entlastet. Gerade Demenz ist eine riesige Herausforderung für das Pflegepersonal und auch für die Angehörigen zu Hause, hat aber leider keine Auswirkung auf die Pflegestufe.

Eine der größten Herausforderungen – wir diskutieren das öfter in diesem Haus – ist der demografische Wandel: Wir Menschen werden immer älter, und jeder von uns möchte einen sorgenfreien und umsorgten Lebensabend verbringen. Um das zu gewährleisten, werden wir noch viele Projekte auf Schiene bringen müssen, und es ist absolut notwendig, den Pflegeberuf wieder attraktiver zu machen, damit sich mehr Menschen für diese Berufssparte interessieren. Das liegt in unserem ureigensten Interesse, weil wir wahrscheinlich auch einmal darauf angewiesen sein werden, und wir


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erwarten uns dann genauso wie jetzt die Generationen vor uns die beste Pflege im Alter. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

16.04


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Doris Schulz. – Bitte sehr.


16.04.31

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher zu Hause! Vor 26 Jahren wurde das Bundespflegegeldgesetz in Kraft gesetzt. Wir haben heute schon mehrfach von Meilensteinen gesprochen, und das war ein Meilenstein in der Sozialpolitik. Bis dahin ist die Pflege vorwiegend zu Hause geleistet worden – kos­tenlos, freiwillig, mit Herz von den Familien und so wie heute: 75 Prozent der Pfle­genden sind Frauen. Das heißt, bis vor Einführung des Pflegegeldes wurde die Pflege mit Herz gemacht, aber ohne finanzielle Vergütung sowohl für die, die die Pflege gebraucht haben, als auch für die, die die Pflege gemacht haben.

Die Zielsetzung war und ist heute noch, den Pflegebedürftigen Kostenersatz für Pfle­geleistungen zu geben, um möglichst selbstständig und selbstbestimmt mit Betreuung leben zu können. Das ist etwas ganz Wichtiges, und das hat auch dazu geführt – mit zahllosen Maßnahmen, die heute schon aufgezählt und genannt wurden –, dass Österreich eines der besten Pflegesysteme der Welt hat. Darauf können wir durchaus stolz sein, nur: Das beste Pflegesystem heißt auch, dass es ein gewachsenes und daher ein sehr kompliziertes System geworden ist.

26 Jahre lang ist das Pflegegeld in mehreren Stufen immer ein bisschen angeglichen worden – mein Kollege Schwindsackl hat schon den Vergleich zu Deutschland ge­bracht. Für alle sieben Pflegestufen soll es nun valorisiert werden. Ab 1. Jänner 2020 wird das umgesetzt, und als Richtwert für die Anhebung des Pflegegeldes gilt der Pen­sionsanpassungsfaktor.

In Zahlen bedeutet das: Das monatliche Pflegegeld für Pflegestufe 1 beträgt derzeit 157 Euro, das ist das Entgelt für einen Zeitwert von 65 Stunden Betreuung, die für die­sen zu Pflegenden gebraucht werden. Bei der Pflegestufe 7 ist das monatliche Pflege­entgelt derzeit 1 700 Euro, das ist das Entgelt für einen Zeitwert von 180 Stunden, die für den zu Pflegenden, für dessen Pflegeumsorgung, Versorgung, gebraucht werden.

Ganz wesentlich ist der Auftrag für die nächste Regierung, ein umfassendes Pflege­konzept zu entwickeln. Für pflegende Angehörige, also für mehr als drei Viertel der pflegenden Angehörigen, die Frauen – es ist mir ganz wichtig, immer wieder zu erwäh­nen, wer hier tatsächlich mehrheitlich die Arbeit leistet –, ist es wichtig, zu klären, wie Pflegekarenz mit Krankenversicherung, Pensionsversicherung oder Pflegeteilzeit unter­stützt wird. Wichtig wird es auch sein, eine Differenzierung zwischen Pflege, Betreuung und Assistenz vorzunehmen, denn Pflege heißt ja nicht unbedingt, ausschließlich einen älteren Menschen zu pflegen, sondern das können auch behinderte Menschen sein. Es ist also der Unterschied zwischen Pflege, Betreuung und eben Assistenz zu definieren.

Es wird eine große Herausforderung sein, die Einstufung der Pflegebedürftigkeit tat­sächlich so zu gestalten, dass zum Beispiel Demenzkranke, deren Pflegebedarf jetzt noch nicht so genau dargestellt beziehungsweise klassifiziert werden kann, mittels ärztlicher Befunde entsprechend eingestuft werden können, dass es bei der Pflegebedürftigkeit tatsächlich mehr Klarheit gibt.

Wichtig wird es auch sein, Übergangspflege noch besser zu organisieren, damit sie noch besser funktioniert, als dies ohnehin schon der Fall ist. Bei der Kurzzeitpflege


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wird es notwendig sein, noch genauer darauf zu schauen und vor allem rascher reagieren zu können, damit sich pflegende Angehörige eine Auszeit gönnen können, beziehungsweise ist es oft so, dass ein pflegender Angehöriger selbst kurzfristig Hilfe braucht, und dann stellt sich die Frage, was mit der Person passiert, die ihm für die Pflege überantwortet ist.

Wir brauchen ganz sicher eine Qualitätssicherung in der 24-Stunden-Betreuung, und wir müssen auch die Pflege in den stationären Heimen weiterentwickeln.

Finanzierungsmodelle und die Sicherung der Pflege insgesamt beschäftigen uns ja doch schon seit einiger Zeit, und das werden sie hoffentlich noch viel intensiver in der nächsten Legislaturperiode tun. Die Herausforderung heißt: 2050 gibt es eine Drei­viertelmillion Pflegegeldempfänger, und 40 000 Menschen im Gesundheitsbereich wer­den ausschließlich in der Pflege tätig sein. Dazu kommen dann noch die pflegenden Angehörigen, die die Leistung zu Hause erbringen.

Ein Danke an alle Menschen, die selbstverständlich und unermüdlich in der Pflege tätig sind: Ob stationär, mobil oder zu Hause als pflegende Angehörige, sie leisten Großes für unsere Gesellschaft. Und für die ÖVP steht das Thema Pflege auf der Agenda für die kommenden Jahre ganz oben. (Beifall bei der ÖVP.)

16.09


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. – Bitte sehr.


16.10.09

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Galerie und via ORF III! Ich darf bei der heutigen Debatte über das Bundespflegegeldgesetz daran erinnern, dass dies ganz sicherlich eines der sozialpolitischen Jahrhundertgesetze war und ist.

Bei dieser Gelegenheit sei auch an Herrn Bundesminister Josef „Jolly“ Hesoun erin­nert, der mit seinen MitstreiterInnen zu diesem Thema, wie ich denke, einen Meilen­stein gesetzt hat und dieses Gesetz seinerzeit initiiert hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Inzwischen gibt es aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das haben ja schon die VorrednerInnen gesagt, einigen Anpassungsbedarf. Das Pflegegeld hat heute im Durchschnitt über alle Pflegestufen um rund 30 Prozent weniger Kaufkraft als bei seiner Einführung im Juli 1993. Daher ist eine Valorisierung der Pflegestufen 1 bis 7, man kann es sagen, ein Gebot der Zeit.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch die wichtigsten aktuellen pflege­politi­schen Herausforderungen nennen! Einige, wie zum Beispiel die demografische Ent­wick­lung, sind ja schon genannt worden. Wir freuen uns natürlich darüber, aber es ist eine Tatsache, dass in unserer Republik heute über 300 000 80-Jährige wohnen. 2050, auch diese Zahl wurde schon genannt, werden in etwa 1,1 Millionen Menschen in Österreich über 80 Jahre alt sein. Aktuell, und auch diese Zahl wurde schon erwähnt, gibt es knapp 460 000 Menschen, die Pflegegeld beziehen, und bis 2050 werden es über 750 000 Menschen sein.

Es ist natürlich ganz klar, dass in der politischen Debatte immer wieder die Finan­zierung thematisiert und natürlich auch diskutiert wird. Ich möchte zu diesem Thema auch ganz kurz eine Studie des Wifo zitieren, in der Folgendes festgestellt wird: Es wird mit steigenden Kosten für Bund und Länder für Pflegegeld und Sachleistungen gerechnet, das heißt mit einer Steigerung von heute rund 4,7 Milliarden Euro auf 5,7 Milliarden Euro im Jahr 2025 und auf 6,9 Milliarden Euro im Jahr 2030. Es ist mit


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einer Steigerung der Ausgaben von rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 1,65 Prozent im Jahr 2030 zu rechnen.

Meine Damen und Herren, keine Sorge: damit sind wir im europäischen Vergleich gerade einmal im Mittelfeld angesiedelt. Etliche Länder, wie zum Beispiel die nordi­schen Länder, die Schweiz oder Belgien, investieren mehr als 2 Prozent ihrer Ausga­ben in die Langzeitpflege. Österreich kann sich also, und das möchte ich hier schon anmerken, deutliche Mehrausgaben in der Langzeitpflege leisten.

Zur nachhaltigen Finanzierung braucht es aus meiner Sicht einen nationalen Schul­ter­schluss aller relevanten politischen Kräfte. Konzepte und Vorschläge, einige wurden ja heute schon genannt, gibt es aus meiner Sicht sehr viele und genug. Jetzt geht es darum, dass alle relevanten politischen Akteure ein gemeinsames Zukunftskonzept er­ar­beiten.

Meine Damen und Herren, beim politischen Thema Pflege – das ist kein Formel-1-Rennen, bei dem es darum geht, wer der Schnellste ist – ist es wichtig, dass es als eines der großen Themen der Zeit gemeinsam und nicht einsam, von einigen wenigen gestaltet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist deshalb von Relevanz, weil neben der demografischen Entwicklung auch noch andere essenzielle Punkte anzusprechen sind, wie zum Beispiel, das hat meine Kol­legin Kahofer schon gesagt, die Frage der Sicherung von ausreichendem und qualitativ hochwertigem Betreuungs- und Pflegeangebot. Das heißt, es geht um den Ausbau leistbarer flächendeckender Angebote, insbesondere der mobilen Dienste, teilstatio­närer Angebote, zum Beispiel Tageszentren, oder altersgerechter Wohnformen, aber auch der stationären Langzeitpflege, Stichwort Pflegeheime.

Der zweite Punkt, den ich gerne in diesem Zusammenhang ansprechen möchte, ist natürlich die Sicherung von ausreichend vielen und gut qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Langzeitpflege. Es geht vor allen Dingen um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Meine Damen und Herren, Sie wissen ja, der Zeitdruck ist in den Pflegeeinrichtungen oft sehr groß. Es geht um Maßnahmen gegen die Arbeits­verdichtung, es geht aber auch um faire Entlohnung und es geht schlussendlich um lebbare Arbeitszeitmodelle, das heißt längere Freizeitblöcke, weil Pflege ja keine einfache Tätigkeit ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Und es geht um den Ausbau der Ausbildungen für Gesundheits- und Sozialberufe. Etwas, was mir auch besonders wichtig ist, ist natürlich auch ein Thema der Arbeits­marktpolitik: Es geht um mehr Fachkräftestipendien, es geht um Selbsterhalter­stipen­dien auch für Menschen im Alter von über 35 Jahren, weil es nicht nur ein Thema ist, junge Menschen für die Pflege zu begeistern, sondern vor allen Dingen auch ältere Arbeitskräfte. Und, was ganz wichtig ist: Es geht auch um die Entwicklung einer be­darfsgerechten Personalberechnung für die Langzeitpflege.

Meine Damen und Herren! In der Schlussrunde möchte ich auch noch auf die Organi­sation und zielgerechte Steuerung des Langzeitpflegesystems eingehen. Das heißt, wenn man den Pflegefonds zu einem fixen Pflegegarantiefonds ausbaut, alle öffent­lichen Gelder in einem Fonds bündelt, kann eine gemeinsame Steuerung und Finan­zierung ohne sofortige Neuordnung der verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Gebietskörperschaften ermöglicht werden.

Es geht vor allen Dingen auch – es geht ja natürlich immer um die Praxis – um die Entwicklung eines Mechanismus, der die unbürokratische Verlegung des Wohnortes von Menschen mit Pflegebedarf in ein anderes Bundesland ermöglicht, denn ich glaube, daran scheitert es, und diesbezüglich sind wir als Länderkammer, denke ich, doch auch aufgerufen, für eine Initialzündung zu sorgen.


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Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Die ausreichende Dotierung des Pflegegeldes ist natürlich eine ganz, ganz wichtige Maßnahme. Ich denke aber auch, wir alle sind uns darin einig, dass wir das System ganzheitlich betrachten müssen. Daher sind die vorher genannten Maßnahmen und Aspekte genauso wichtig und genauso zu berück­sichtigen wie das Pflegegeld. Die Finanzierung ist natürlich insgesamt ein Thema. Ich denke, das sind wichtige Mosaiksteine, aber entscheidend ist doch das Gesamtbild, das sich da ergibt, und an diesem Gesamtbild müssen wir arbeiten. Wir müssen an dieser Reform des Pflegesystems in Österreich arbeiten, um diesbezüglich eine Ge­samtstruktur zu ermöglichen, weil es eben ein sehr komplexes Thema ist.

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Gehen wir es gemeinsam an! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

16.19

16.19.24


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke.

Das war der letzte Beitrag zu diesem Tagesordnungspunkt. Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

16.20.0218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018 geändert wird (624 d.B. und 643 d.B. sowie 10223/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungs­streitig­keiten in der Europäischen Union und das Bundesgesetz über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen erlassen werden sowie die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bundesfinanz­ge­richtsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Alternativfinanzierungsgesetz, das Im­mobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Finanzmarktaufsichts­behör­dengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz, das Glücksspielgesetz und das Ver­sicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden (EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019 – EU-FinAnpG 2019) (644 d.B. sowie 10197/BR d.B. und 10224/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punk­ten 18 und 19, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zum Berichterstatter zu beiden Punkten wurde Herr Bundesrat Robert Seeber ge­wählt. – Ich bitte um die


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Berichte.


16.20.38

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Werte Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018 geändert wird.

Darin geht es um die Übermittlung von Informationen an die Gesellschaft durch Inter­mediäre, die Anforderungen an Intermediäre, die Anforderungen an institutionelle Anleger und Vermögensverwalter sowie erhöhte Anforderungen an Stimmrechts­be­rater.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union und das Bundesgesetz über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen erlassen sowie weitere Gesetze geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher ebenfalls gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke schön für die Berichte. Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte.


16.22.21

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Finanzminister! Geschätztes Plenum! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! In An­betracht der heutigen umfangreichen Tagesordnung möchte ich mich kurzfassen und mich nicht in der Aufzählung der Gesetzesmaterie verlieren.

Zum Tagesordnungspunkt 18 – Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018 geän­dert wird –: Unsere Fraktion wird diesem Tagesordnungspunkt die Zustimmung ertei­len. Die grundsätzliche Richtung der EU-Richtlinie und deren Umsetzung wird unserer­seits begrüßt.

Kritisch anmerken möchten wir jedoch – das sei erlaubt – die im § 179 Abs. 1 vorge­sehene Einschränkung der Meldepflicht ab 0,5 Prozent des Stimmrechtsanteils bei der Identifizierung der Aktionäre. Diese war im Begutachtungsverfahren noch nicht vorge­sehen und läuft unserer Meinung nach den Transparenzbestrebungen entgegen. So würde dieser Schwellenwert von 0,5 Prozent bei der Grundlage des heutigen Börsen­kurses zum Beispiel bei der OMV eine Investition von rund 75 Millionen Euro und bei der Voest von rund 24 Millionen Euro bedeuten. Bei diesen Summen kann man nicht mehr von Kleinanlegern sprechen.

Ebenfalls Zustimmung von unserer Seite findet der nicht unwichtige Absatz 7 des § 179, wonach die Offenlegung von Informationen über die Identität von Aktionären gemäß dieser Bestimmung durch einen Intermediär nicht als Verletzung des Bankge­heimnisses gemäß § 38 des Bankwesengesetzes gilt.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 130

Etwas anders verhält es sich beim Tagesordnungspunkt 19: Diesbezüglich wurde von ÖVP und FPÖ am 24.6. im Finanzausschuss des Nationalrates ein umfangreicher §-27-Antrag, der die notwendigen Umsetzungen der EU-Richtlinien noch vor der Wahl sicherstellen möchte, eingebracht. Dabei wurden mehrere Begutachtungsentwürfe zu einem 155 Seiten umfassenden Antrag neu zusammengestellt. Es wird hier einerseits eine Reihe von Richtlinien der Europäischen Union umgesetzt und andererseits wird eine Verordnung mit sogenannten Begleitgesetzen ergänzt.

Generell möchten wir Sozialdemokraten festhalten, dass die Umsetzung von EU-Richtlinien zur Streitbeilegung bei Besteuerungsangelegenheiten und zur Bekämpfung von Geldwäsche und von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Be­trug ausdrücklich befürwortet werden.

Eine getrennte Abstimmung ist aufgrund des zusammengefassten Konvoluts leider nicht möglich; Bedenken gibt es unsererseits bei der Umsetzung des Kapitalmarkt­ge­setzes 2019. Aufgrund dieser Bedenken kann dem umfangreichen Gesamtpaket von­seiten unserer Fraktion die Zustimmung leider nicht erteilt werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.25


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. Ich erteile dieses.


16.25.41

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist höchste Zeit: höchste Zeit, EU-Richtlinien und EU-Verordnungen endlich auch in nationale Gesetze umzusetzen.

Wenn man sich auf dem Kapitalmarkt bewegt, dann braucht es auf der einen Seite Transparenz für alle Seiten und auf der anderen Seite Kontrolle, es braucht Fairness, was die Regulierungen betrifft, es braucht vor allem ein strenges Auge auf Fragen wie Geldwäsche und auch Steuerhinterziehung.

All diese Gesetzesmaterien waren schon in unterschiedlichen Konstellationen in Begut­achtung, sodass man also mit gutem Gewissen sagen kann, es sind keine Schnell­schüsse, sondern wohlüberlegte Dinge – allerdings in zwei Gesetze verpackt: zum einen in das Börsegesetz, zum anderen in das EU-Finanz-Anpassungsgesetz.

Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, mit der FPÖ jedenfalls bei diesen beiden sehr komplexen und nicht ganz einfach zu erklärenden Gesetzesmaterien eine große Einig­keit gefunden zu haben – trotz aller Diskussionen. Wie man sieht, kann es auch im Parlament anders ablaufen, nämlich konstruktiv und fruchtbar.

Das Thema unnötige Bürokratie, das wissen wir alle, kommt ja bei dem einen oder anderen Gesetz auch immer wieder auf. Selbst hier wurde absolut mit Augenmaß gehandelt. Die Verpflichtung der richtlinienkonformen Umsetzung wurde im Verhältnis zum Bankgeheimnis auf eine klare rechtliche Basis gestellt, damit es keine Unsicher­heiten gibt.

Von diesem Gesetz sind circa 10 000 Unternehmen betroffen, und ich glaube, so wie es nun ist, ist dieses Gesetz gut umsetzbar. Wichtig ist schlussendlich auch, dass die Unternehmen die Aktionäre kennen.

Mit diesem Beschluss schafft der Gesetzgeber nicht nur Rechtssicherheit für die betrof­fenen Rechtsanwender, sondern er hilft der Republik auch, unnötige Kosten aufgrund eines Vertragsverletzungsverfahrens zu sparen. Das ist nämlich ein Punkt, den man wirklich nicht unterschätzen darf. Ich persönlich bin sehr froh, dass die erste Etappe der Steuerreform hier umgesetzt wird.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 131

Da kurz gut ist, halte ich mich auch kurz und sage Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

16.28


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile dieses.


16.29.01

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Börsegesetz ist eine Umsetzung einer EU-Richtlinie und dient der Vervollständigung und des Aus­baus des Kapitalmarkts, der Kapitalmarktunion. Diese ist zu unterscheiden von der Bankenunion, die wir etwas kritischer sehen, die eher nicht zugunsten der österreichi­schen Bankenlandschaft wirkt, während die Kapitalmarktunion der unternehmerischen Wirtschaft sicherlich dienlich ist.

Diese Aktionärsrechterichtlinie – ein etwas sperriges Wort; Börsegesetz ist einfacher – dient auch der Vervollständigung der Transparenz und der Kontrolle der Gesell­schaf­ter, also nicht nur der Aktionäre, wie es in den Tagesordnungspunkten zuvor war, sondern das ist eher eine Optimierung der Rechte der Aktiengesellschaft.

Warum ist dies so wichtig? – Ich darf Folgendes in Erinnerung rufen – das Ganze läuft auch unter dem Begriff know your shareholder –: Daimler-Benz zum Beispiel hat vor ein, zwei Jahren einen feindlichen chinesischen Beteiligungsaktionär gehabt, der bei­nahe 10 Prozent von Daimler-Benz aufgekauft hat – das sind Milliardenbeträge – und ein Aktienkapital von 10 Prozent in sein Portfolio genommen hat, ohne dass der Vor­stand und die Aktionärsversammlung davon wussten. Der Technologietransfer des chinesischen Investors – der auch schon Eigentümer von Volvo war –, der in der Folge stattfand, ist natürlich zu hinterfragen. Das war damals gar nicht sichtbar, und mit diesem kleinen, aber wichtigen Gesetz wird so etwas hintangehalten.

Warum der Kapitalmarkt auch für Österreich wichtig ist? – Österreich und die Euro­päische Union insgesamt sind viel zu bankenlastig aufgestellt. In der heutigen Zeit des digitalen Wandels, des Wandels der Finanzintermediäre, in der die Bankenlandschaft auch ertragsmäßig immer mehr unter Druck gerät, ist der Kapitalmarkt die Chance schlechthin. Während in den USA 80 Prozent der Finanzierungen über den Kapital­markt laufen, ist es in Europa leider umgekehrt.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass von den 100 größten Unternehmen weltweit 48 ihren Sitz in Nordamerika haben. Weniger als 20 haben ihren Sitz in Europa – da haupt­sächlich in der Schweiz und in Großbritannien, die nicht mehr wirklich zur EU zählen –, und dann kommt schon Asien; Europa ist da also wirklich unter Druck. Österreich als KMU-Land bietet Gelegenheiten, kleinen Firmen abseits dieser Banken­landschaft, in der die meisten auch schon Schattenbanken sind, die ihre zweifelhaften Finanzkräfte abseits jeder Reglementierung anbieten, Möglichkeiten zu offerieren.

In diesem Zusammenhang ist auch die Wiener Börse zu nennen, das zarte Pflänzchen Wiener Börse, das wir, die leider abgesetzte gemeinsame Regierung von ÖVP und FPÖ, zum Wachsen gebracht haben. (Bundesrat Schennach: So schnell geht das nicht!) 2019 gab es in Wien sieben Neuzugänge und 337 Unternehmensanleihen wurden an der Wiener Börse bereits emittiert. Das ist auch ein Verdienst des neuen Vorstandsteams um Christoph Boschan, der die Börse aktiv und positiv gestaltet hat. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich möchte auch ein ganz klares Nein zur Finanztransaktionssteuer sagen, sehr geehr­ter Herr Finanzminister – da das in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ herumgeis­tert –, bei der ohnehin nur mehr zehn von 28 EU-Ländern mitmachen; Österreich ist


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 132

leider auch darunter. Wenn das kommt – das ist ja letztlich nicht mehr und nicht we­niger als eine Umsatzsteuer –, dann werden Sie, dann werden wir in Österreich leider gemeinsam dieses zarte Pflänzchen, das ja im Sinne unserer Wirtschaft wachsen muss, wieder umbringen. Für unseren Wirtschaftsstandort ist das sicherlich nicht för­derlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich kurz einen Blick auf den Postenschacher in der EU, der sich in den letzten Tagen und Wochen abgespielt hat, werfen, denn auch die Europäische Zentralbank ist Teil des Kapitalmarkts – also nicht nur der Bankenunion, sondern auch der Kapitalmarktunion –, weil sie die Zins­land­schaft vorgibt; das ist der entscheidende Punkt.

Grundsätzlich wird im Gouverneursrat der EZB nach nationalen Befindlichkeiten abge­stimmt. Draghi, der Italiener, dessen Mandat im Oktober ausläuft, hat sich der italieni­schen Interessen, der Verschuldungspolitik des italienischen Staates, angenommen. Die designierte Präsidentin, die Französin Lagarde, wird sich Frankreichs annehmen, das ist kein Geheimnis. Frankreich hat bereits eine Verschuldung von über 100 Pro­zent, und diese wächst weiter.

Was heißt das für Österreich? Was heißt das für die österreichischen Sparer? – Bereits 5 Milliarden Euro Verlust haben österreichische Sparer durch die Differenz zwischen 2 Prozent Teuerung – ist gleich Inflation – und 0 Prozent Zinsen zu erleiden; für Unter­nehmen ist es der x-fache Betrag. Für mich ist das, ehrlich gesagt, eine Steuer, 2 Pro­zent jährliche Steuer, die auf das Einkommen geht, dessen Wert praktisch verfällt, weil das Eigenkapital eigentlich immer weniger wird, wenn man nichts macht.

Diese Besetzung, dieser Postenschacher bei der EZB ist nichts anderes als die Unter­stützung der staatlichen Schuldenpolitik der mediterranen Länder. Sie sind alle be­kannt; Griechenland hat insgesamt unglaubliche 230 Milliarden Schilling, nein, Euro in cash bekommen, wobei die Regierung jetzt bei der letzten Wahl abgewählt wurde. (Bundesrat Schennach: Ja, aber das war vorher eine konservative Regierung!) Ich möchte dem neuen konservativen Ministerpräsidenten gratulieren, der hoffentlich end­lich mit dieser sozialistischen Verschuldungspolitik aufhören wird (Bundesrätin Schumann: Wer hat die Sparpolitik ...?), die Österreich durch die EZB bereits 5 Milliarden Euro gekostet hat. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Schräg!)

Dieser Strukturwandel muss erwähnt und er muss vor allem erkannt werden. Es kann nicht sein, dass ehemalige Hartwährungsländer wie die Niederlande, das leider aus­scheidende Großbritannien, Deutschland, Schweden, Dänemark und – ich habe den Schilling erwähnt – natürlich Österreich und die österreichischen Sparer darunter leiden, dass da nur staatliche Verschuldungspolitik unterstützt wird. Wir von der Frei­heitlichen Wirtschaft und von der Freiheitlichen Partei lehnen das jedenfalls völlig ab. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Spät, aber doch!)

Ich möchte aber auch noch einmal kurz darauf zu sprechen kommen, was sich in den letzten Tagen im Zusammenhang mit Frau Merkel bezüglich des Postenschachers abgespielt hat. Sie ist ja die große Sprecherin der EVP in Brüssel, in der die ÖVP Mitglied ist, und wollte allen Ernstes einen sozialistischen Kommissionspräsidenten installieren. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Ich sage Ihnen ehrlich, wir in Österreich sind froh: Wir haben von den Sozialisten genug! Wir wollen sicherlich nicht haben, dass uns eine CDU-Politikerin allen Ernstes einen sozialistischen Präsidenten überstülpt. Dazu sagen wir klar: Nein, danke!

Ich hoffe wirklich, dass Frau Merkel aus verschiedenen Gründen endlich Platz für eine ordentliche Neugestaltung der europäischen Politik – auch im Sinne eines Ausbaus der Kapitalmarktunion – macht. Deshalb stimmen wir diesem Gesetzentwurf jedenfalls


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hundert­prozentig zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Da war aber nicht viel zum Gesetz!)

16.36

16.36.32


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börse­gesetz 2018 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.37.3920. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (626 d.B. und 645 d.B. sowie 10198/BR d.B. und 10225/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Ich bitte um den Bericht.


16.38.02

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich danke für den Bericht.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm.


16.38.37

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme jetzt zum Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli betreffend das Transparenzdatenbankgesetz, zuvor lassen Sie mich aber noch etwas zum Redebeitrag meines Vorredners Herrn Mag. Pisec sagen: Ich bin gespannt, ob Sie bei diesem Punkt auch so selbstkritisch sind – denn Sie werden da ja wahrscheinlich zustimmen –, wenn Sie sich die Rede jetzt gut anhören.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 134

Zur Transparenzdatenbank: Das ist ja eine Geschichte, die schon zehn Jahre alt ist, eine, wie wir sagen, never-ending story. Damals, 2009 – die Mitglieder der ÖVP wissen es –, war das ein Lieblingsprojekt von Ex-Vizekanzler Josef Pröll (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau!), er konnte damals aber nicht einmal die eigene Partei davon überzeugen. Mehr Verwaltungsaufwand ohne zusätzlichen Nutzen, sagen die Exper­ten, es gibt Kritik von allen Seiten und – ich würde bitten, dass die ÖVP-Bundesräte jetzt gut aufpassen – auch ÖVP-nahe Interessenverbände wie die Wirtschaftskammer und die Länder, der Datenschutz- und der Fiskalrat sagen: Das ist nicht gerade die Transparenzdatenbank, die wir uns vorstellen. 

Geheime Förderungen – Erwin-Pröll-Privatstiftung und so weiter – würden erst wieder nicht erfasst werden – zu diesem Thema komme ich noch –, und es ist eigentlich ein Top-down-Gesetz; um eine echte Transparenz herzustellen ist die vollständige – die vollständige! – Einbindung von Gemeinden und Ländern von Anbeginn notwendig.

Meine Damen und Herren! Diese vorliegende Novelle löst in Wahrheit keines der bisherigen Probleme. Der Finanzminister müsste zunächst einmal verbindliche – meine Damen und Herren, verbindliche! – Zusagen der anderen Gebietskörperschaften ein­holen.

Die Wirtschaftskammer befürchtet generell, dass sich wegen des erhöhten Abwick­lungsaufwands die Förderstellen künftig mit dem Mindeststandard an Einträgen be­gnügen werden.

Auch der Österreichische Austauschdienst OeAD sieht in der Novelle einen großen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, dem kaum ein zusätzlicher Nutzen gegenübersteht.

Aus anderen Gründen hat der Datenschutzrat große Bedenken: Er befürchtet einen datenschutzrechtlichen Rückschritt, denn künftig sollen Abfrageberechtigte alle Daten einsehen dürfen und nicht nur jene der Kategorie, in die eine beantragte Leistung fällt. Die Kategorien sollen ganz abgeschafft werden – ich hoffe, das wissen Sie. Dann müsste zumindest scharf kontrolliert werden und für Verstöße müssten abschreckende Strafen drohen – sei doch mit der jetzigen Formulierung zweifelhaft, dass Verant­wort­liche überhaupt bestraft werden können.

Die Strafen sollen auch erhöht werden. Dies ist wiederum für das Forum Infor­mations­freiheit Anlass zu scharfer Kritik: Mit der Novelle drohe für das Herstellen von Trans­parenz rund um öffentliche Förderungen eine Strafe von bis zu 50 000 Euro. Damit würden Auskunftsbegehren – etwa über das Bürgerportal fragdenstaat.at – in Zukunft existenzbedrohend sein, Informationen durch Journalisten, Blogger oder zivilgesell­schaftliche Organisatoren würden unterbunden und Whistleblower abgeschreckt. Infor­mationen wie zum Beispiel jene über geheime Förderungen des Landes Nieder­österreich an die Erwin-Pröll-Privatstiftung kämen damit nicht mehr ans Licht, kritisiert das Forum.

Kritik, meine Damen und Herren, an der Transparenzdatenbank hat es zuletzt auch vom Fiskalrat gegeben. Er hat bereits im Vorjahr moniert, dass Bund, Länder und Gemeinden zwar je nach Definition zwischen 8,3 und 23,2 Milliarden Euro jährlich für Förderungen ausgeben, dass die in die Datenbank eingespeisten Fördervolumina aber nicht öffentlich abgefragt werden können.

Welche Änderungen es in der Regierungsvorlage im Vergleich zur Begutachtung geben wird, ist vorerst noch völlig unklar; das Finanzministerium war dazu vorerst nicht erreichbar – das muss man auch ganz klar sagen. Der Fahrplan sieht laut Medien­berichten vor, dass das Gesetz im Juni im Nationalrat beschlossen werden und Ende des Jahres in Kraft treten soll.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 135

Ich habe mir das dann natürlich hinsichtlich des Burgenlands angesehen. Unser Landeshauptmann hat am Montag über die APA eine Stellungnahme dazu abgegeben: „Das Burgenland hat bisher“ – als Land, als Bundesland – „keinen Entwurf der Neu­regelung vorliegen. Wenn uns der Ministerratsbeschluss vorliegt, dann können wir diesen im Detail beurteilen“, teilte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil am Montag mit. „Die aktuelle Vorgangsweise der Bundesregierung“, sagte er weiter, „zeigt einmal mehr, dass man kein wirkliches Interesse daran hat, gemeinsam mit den Bundes­ländern vernünftige Lösungen zu finden“ – so unser Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.

Das Burgenland habe aber, wie alle anderen Bundesländer, höchstes Interesse an Transparenz und daran, die Fördermittel effizient zu vergeben. „Eine einheitliche Transparenzdatenbank, wo Bund, Land und Gemeinden nach gemeinsamen Rahmen­bedingungen Förderungen einmelden, wäre sehr wünschenswert“, so Hans Peter Doskozil.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf noch einen Entschließungsantrag hinsichtlich der Aktion 20 000, die ja gefährdet ist, einbringen. Heuer beträgt das AMS-Förderbudget 1,245 Milliarden Euro, davon 60 Millionen Euro für die Ausfinanzierung der Aktion 20 000, und über die Arbeitsmarktrücklagen werden noch 34 Millionen Euro für den Umstieg von IBM zum Bundesrechenzentrum als EDV-Dienstleister sowie 500 Planstellen im AMS ausfinanziert:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ausreichende Budgetmittel für den Arbeitsmarkt“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, rechtzeitig, das heißt bis spätestens Ende Juli 2019 sicherzustellen, dass das AMS im Jahr 2020 zumindest über ein gleich hohes Förderbudget wie 2019 verfügen kann (€ 1,245 Mrd.), da sonst keine Planungssicherheit im AMS gewährleistet werden kann.

Weiters wird der Bundesminister für Finanzen und die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz ersucht, für das AMS-Förderbudget zumindest € 179 Mio. sowie zur Finanzierung des Umstieges beim EDV-Dienstleister und von 500 Planstellen im AMS weitere rund € 85 Mio. aus der Arbeitsmarktrücklage zur Verfügung zu stellen.

Für die Anschubfinanzierung für die neue Betreuungsstrategie im AMS sollen Mittel in der Höhe von € 85 Mio. aus dem allgemeinen Steuermitteln zur Verfügung gestellt wer­den.

Zur Förderung der Beschäftigung der Gruppe von Arbeitslosen über dem 50. Lebens­jahr werden der BMF und die BMASGK ersucht, die Beschäftigungsaktion 20.000 fort­zuführen und die erforderlichen Budgetmittel dafür zur Verfügung zu stellen.“

*****

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.46


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Kovacs, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „ausreichende


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 136

Budgetmittel für den Arbeitsmarkt“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. Ich erteile es ihr.


16.46.44

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Uns liegt heute ein Bundesgesetz zum Be­schluss vor, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz geändert werden soll.

Wie von Kollegen Kovacs bereits ausgeführt, gibt es diese Transparenzdatenbank seit 2009, also seit zehn Jahren. Sie wurde vom damaligen Finanzminister Josef Pröll ideenmäßig ins Leben gerufen. Da für den Staatshaushalt der effektive und wirt­schaftliche Einsatz von öffentlichen Fördermitteln von großer Bedeutung ist, fungiert die Transparenzdatenbank als wichtiges Instrument für den effizienten Einsatz dieser Fördermittel. Die Transparenzdatenbank soll Klarheit darüber schaffen, wer Förderun­gen zu welchem Zweck und in welcher Höhe bekommt, vor allem aber sollen Mehr­fachförderungen für denselben Zweck verhindert werden.

Meine Damen und Herren, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erwarten einen sorgsamen Umgang mit Steuergeldern. Diese Transparenzdatenbank ist als Steue­rungssystem auch wichtig, damit die Fördergelder nicht nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet und keine Mehrfachförderungen gewährt werden können. Vor allem sollen die Fördergelder auch dort ankommen, wo sie dringend gebraucht werden.

Sie alle kennen ja den Spruch: Gut Ding braucht Weile, und so ist und war es auch mit der Transparenzdatenbank. Es haben sich im Laufe der zehn Jahre, seit es das Trans­parenzdatenbankgesetz gibt, immer mehr Bundesländer – exakt sechs – von der Sinn­haftigkeit des Einmeldens der Förderungen in die Datenbank überzeugen lassen und dazu bekannt. Was aber auffällt, ist, dass die rot geführten Bundesländer Kärnten, Burgenland und Wien nach wie vor keine Daten einmelden.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Sie heften sich Transparenz und Nachvollziehbarkeit auf die Fahnen, dass ausgerechnet die rot geführten Länder die Meldungen an die Datenbank verweigern, stört Sie aber anscheinend deswegen nicht, weil Sie mit den SPÖ-geführten Bundesländern wahrscheinlich gleich wenig zu tun haben wie mit den roten Pensionistenverbänden im Zusammenhang mit dem Parteien­finanzierungsgesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

Die heute zu beschließende Novelle soll nun die Transparenz und die Wirtschaftlichkeit im Zusammenhang mit Fördervergaben weiter erhöhen. Bis jetzt mussten zum Beispiel die Förderungen erst zum Zeitpunkt der Auszahlung gemeldet werden; jetzt müssen bereits die Förderzusagen beziehungsweise Fördergewährungen eingemeldet werden. Damit wird eine zeitliche Lücke geschlossen, was zu einer wesentlichen Verbesserung des Informationsgehalts für die Förderstellen beiträgt. Durch die Einmeldung bereits bei Fördergewährung ist es dann auch möglich, jederzeit den Bearbeitungsstand des Antrags abzufragen und einzusehen.

Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle zum Transparenzdatenbankgesetz werden aber auch Empfehlungen des Rechnungshofes umgesetzt sowie Kritikpunkte, welche von den Ländern gekommen sind, berücksichtigt und die Probleme beseitigt bezie­hungs­weise korrigiert. Ein Dankeschön gebührt unserem ehemaligen Finanzminister Löger und dem jetzigen Finanzminister Müller, allen Beteiligten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dazu beigetragen haben, dass die Transparenzdatenbank optimiert


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 137

wird und die Fördergelder im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher in Zukunft noch zielgerichteter eingesetzt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

16.51


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile es ihm.


16.51.20

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zu­hörer auf der Galerie und zu Hause vor dem Bildschirm! Ja, seit rund einem Jahr­zehnt – wir haben es gehört – wird die Offenlegung der öffentlichen Förderungen in den unterschiedlichsten Bereichen im Rahmen der Transparenzdatenbank sehr kontro­versiell diskutiert.

Während alle beteuern, dass Transparenz und Klarheit im Förderdschungel unabding­bar und zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten und zur Effizienzsteigerung notwen­dig sind, scheiden sich bei der Frage des Wie die Geister. Fakt ist, dass sich die Interessenlagen teilweise sehr unterschiedlich präsentieren. Was soll wie von wem und wann in die Datenbank eingepflegt werden? Soll es verpflichtend oder freiwillig sein?

Leider werden diese Fragen durch die zur Debatte stehende Vorlage wieder nicht ausreichend oder zumindest nicht zufriedenstellend beantwortet. Aus diesem Grund wird die SPÖ den Antrag auch ablehnen und logischerweise nicht mittragen. Warum wir das tun, sei kurz in fünf Punkten erklärt.

Erstens: Statt des Gesetzgebers soll künftig der Herr Finanzminister per Verordnung festlegen, was eine Steuerförderung ist und was nicht. Das lehnen wir entschieden ab, weil eine ehrliche, umfassende Transparenz durch eigenmächtige Entscheidungen des Ministers klar gefährdet wäre.

Zweitens: Es fehlen nach wie vor verbindliche Zusagen der Gebietskörperschaften und es gibt kein gebietskörperschaftsübergreifendes Gesamtkonzept, was heißt: Ohne Einbindung aller und ohne konsensuale Entscheidungen wird es kein zufrieden­stellen­des Ergebnis geben, das von allen Beteiligten getragen wird. Der ehemalige Finanz­minister Löger – da gehe ich kurz auf meine Vorrednerin ein – hat sich zwar medien­wirksam mit drei ÖVP-Landeshauptleuten – dabei waren Salzburg, Tirol und Vorarl­berg – inszeniert; dass es auch SPÖ-geführte Länder gibt, dürfte er dabei aber verges­sen haben. (Heiterkeit der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.) Ohne dieses Ge­samt­konzept lassen sich, wie schon erwähnt, Doppelfinanzierungen schwer bis gar nicht identifizieren.

Dritter Punkt: Die Ausgestaltung der Datenbank wirft bürokratische Hürden auf und verursacht einen hohen Verwaltungsaufwand. Auch der Gemeindebund äußerte sich in diese Richtung kritisch, und es wird wohl niemand behaupten, dass dieser von der SPÖ angeführt wird.

Viertens: Es gibt datenschutzrechtliche Bedenken, die nicht nur die SPÖ, sondern auch der Datenschutzrat und die Datenschutzbehörde mehrmals äußerten. Leider wurde auch da ein von uns eingebrachter Abänderungsantrag von den ehemaligen Regie­rungsparteien abgeschmettert.

Fünftens – und damit bin ich mit meiner Argumentation schon am Ende – kritisieren auch ÖGB und AK berechtigterweise diese Gesetzesänderungen.

Positiv erwähnen möchte ich wenigstens, dass ein gemeinsamer Abänderungsantrag von SPÖ, ÖVP und FPÖ Verbesserungen bei der Weitergabe von Daten in anonymi­sierter Form für wissenschaftliche Zwecke ermöglicht hat.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 138

Alles in allem können wir aber aus den genannten Gründen dieser Gesetzesvorlage nichts abgewinnen und werden sie auch nicht mittragen.

Am Ende meiner Rede erlauben Sie mir noch, dass ich auf einen Entschließungs­antrag eingehe, der etwas später von Kollegen Sperl eingebracht werden wird. Es geht darin um das Bundesheer und vor allem darum, das Heer mit entsprechenden Finanzmitteln auszustatten, damit es nämlich überleben kann. Das klingt dramatisch, und ich sage und behaupte auch: Es ist dramatisch. (Bundesrat Samt: Ist es auch!) Derzeit kann das Bundesheer leider seine Aufgaben nicht mehr verfassungskonform erfüllen. Eine Aufstockung der Mittel ist dringend notwendig, um die Einsatzbereitschaft sicherzustellen.

Um auf die Transparenzdatenbank zurückzukommen: Diese hängt natürlich auch direkt damit zusammen. Eine echte und ehrliche Transparenz bei der Verteilung von öffent­lichen Mitteln dient einer nachhaltigen Budget- und Finanzpolitik und schafft demnach auch in weiterer Folge Spielräume für Schwerpunktsetzungen, die jetzt beim Bundes­heer überfällig sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Samt.)

16.56


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile es ihm.


16.56.34

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Gesetz ist immer gut, wenn es aktiv umgesetzt wird. Das Transparenzdatenbankgesetz ist sicher­lich ein gutes Gesetz, hilft aber nur dann, wenn die Transparenzdatenbank befüllt wird, und an dieser Befüllung mangelt es.

Es gibt in Österreich insgesamt 53 000 Förderprogramme – unglaubliche 53 000! –, und von 50 Prozent – jedem zweiten Förderprogramm – ist nicht bekannt, wer das Geld erhält. Es gibt nicht bekannte Doppelförderungen, völlig ziellos vergebene Gelder, und das Wifo schätzt das Einsparungspotenzial auf 3,5 bis 5 Milliarden Euro. – Weil bei einem anderen Tagesordnungspunkt von der ÖVP gesagt wurde, das vorangegangene Gesetz, das Börsegesetz, wäre ein Teil der Steuerreform: Das ist das Grundpotenzial der Steuerreform, weil das nicht einmal Geld kostet. Das sind sinnvolle Einsparungen.

Da werden Menschen in Österreich, die das Geld vielleicht wirklich benötigen, nicht einmal zielorientiert gefördert. Das ist ein unglaublicher Skandal, dass der Steuerzahler bis heute nicht weiß, wer sein Geld erhält. Das muss nicht unbedingt alles zu Unrecht sein, aber er hat das Recht, zu erfahren, wer dieses Geld erhält. (Beifall bei der FPÖ.) Damit hatten der ehemalige Finanzminister Löger und natürlich unser Staatssekretär Fuchs vollkommen recht. (Bundesrat Schabhüttl: Von wo es herkommt!)

Da geht es nicht um Eitelkeiten, da geht es um Rationalität. Das ist vielleicht der SPÖ fremd. (He-Rufe bei der SPÖ.) Da geht es um Rationalität und tatsächliche Umsetzung und nicht um Klientelpolitik à la Wien. Wien weigert sich ja bis heute, diese Trans­parenzdatenbank zu füllen. Die SPÖ weiß ja schon, warum man in Wien nicht trans­parent sein will. Das gibt einem schon zu denken – mir auf jeden Fall. (Bundesrätin Schumann: Aber geh! – Ruf bei der SPÖ: Zack, zack, zack! – Bundesrätin Hahn: Wie war das mit Ibiza?! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Mit dieser Umsetzung – es ist noch nicht umgesetzt, wie gesagt – wäre es möglich, die Einkommensteuer für unsere Arbeitnehmer – mehr Netto vom Brutto – endlich zu senken, für Unternehmer die Körperschaftsteuer und auch die Kapitalertragsteuer, die nicht einmal 100 Millionen Euro ausmacht, da mitzunehmen, damit sich Unternehmer, wie zuvor gemeint, am Kapitalmarkt besser refinanzieren können.


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All das hätte kein größeres Volumen als diese 3,5 Milliarden Euro, nicht einmal die 5 Milliarden Euro, die hiermit eingespart werden können. Der Rechnungshof sagt zu Recht: Wir benötigen Transparenz (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), eine Steuerungsfunktion für die Steuergelder und die Verhinderung von Förderungs­miss­brauch, und das ist in Wien nicht gegeben. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.59


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile es ihm.


16.59.35

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Zuhörer und Zuseher! Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Entschließungsantrag der Bundesräte Jürgen Schabhüttl, Gottfried Sperl, Dominik Reisinger, MMag. Dr. Michael Schilchegger und weiterer Bundesräte betreffend „Bundesheer – Sicherheit ist uns auch etwas Wert“ ein.

Wir diskutieren derzeit zwar über das Transparenzdatenbankgesetz, aber dieses Ge­setz zielt auch darauf ab, die Kontrolle und Effizienz des Ressourceneinsatzes weiter zu erhöhen.

Österreich bekennt sich zu einer nachhaltigen Budget- und Finanzpolitik, die Spiel­räume für Schwerpunktsetzungen erlaubt. Eine solche Schwerpunktsetzung, welche auch ver­fassungsmäßig geboten ist, ist die Sicherstellung einer ausreichenden finan­ziellen Aus­stattung des österreichischen Bundesheeres. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Jürgen Schabhüttl, Gottfried Sperl, Dominik Reisinger, MMag. Dr. Michael Schilchegger und weiterer Bundesräte betreffend „Bundesheer – Sicherheit ist uns auch etwas Wert“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass, im Hinblick auf den Investitionsrückstau des Österreichischen Bundesheeres im Bereich der militäri­schen Ausrüstung, Gerät und Kaserneninfrastruktur, das Ziel der Fortschreibung des Aufwärtstrends der letzten Jahre beim Bundesheer im Sinne des Allparteienantrags vom November 2015, weiterverfolgt und eine budgetäre Ausstattung in der Höhe von 2,6 Mrd für das Jahr 2020 – dies auf Basis des BFRG zuzüglich der bereits geneh­migten bzw. in Umsetzung befindlichen Sonderinvestitionspakete ,Hubschrauber und Mobilität‘, und 3 Mrd für das Jahr 2021 vorgesehen wird.

In den weiteren Jahren sind die notwendigen budgetären Mittel zur Verfügung zu stel­len, um einen verfassungskonformen Zustand des Österreichischen Bundesheeres zu gewährleisten.

Große Beschaffungsvorhaben, wie zum Beispiel Flugzeuge für die Luftraum­über­wachung, sind durch weitere Investitionspakete zusätzlich zum Regelbudget abzu­decken.“

*****

Geschätzte Damen und Herren! Dieser Antrag ist getragen von der Verantwortung für unser schönes Österreich, und das gilt es zu erhalten und zu verteidigen. Dazu ist es


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notwendig, das für die Verteidigung zuständige Bundesministerium für Landes­vertei­digung mit den entsprechenden finanziellen Mitteln auszustatten. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Schon die einstige Bundesheerreformkommission unter der Leitung von Dr. Zilk – Sie werden es nicht glauben, 15 Jahre ist es her – hat im Jahre 2004 festgestellt, ich zitiere: „In seinem aktuellen Status ist das Bundesheer nur eingeschränkt in der Lage, den steigenden Anforderungen internationaler Operationen gerecht zu werden.“ – Zitatende, 2004.

Weiters heißt es: Es wird empfohlen, die budgetäre Bedeckung so vorzunehmen, dass der Anteil für Investitionen mittelfristig 40 Prozent des veranschlagten Budgets für das BMLV erreichen kann. – Wir sind weit davon entfernt.

Weiters hat Dr. Zilk in seiner Einleitung bei der Präsentation damals auch gesagt, dass das Budget für das Bundesheer eigentlich 1 Prozent des BIP ausmachen sollte. 1 Prozent – das wären etwa 4 Milliarden Euro derzeit. Nur dass wir wissen, von welcher Größenordnung wir hier sprechen.

Der nun vorliegende Antrag soll eine entsprechende Weiterentwicklung des Allpar­teien­antrages aus dem Jahr 2015 sicherstellen. Bundesminister Doskozil und in weiterer Folge Bundesminister außer Dienst Kunasek haben diese Entwicklung voran­getrieben. Leider, muss ich sagen, wurde das von der ÖVP immer wieder blockiert und der ursprüngliche Budgetpfad wieder eingebremst, sodass es gerade einmal gelungen ist, diese 181 Millionen Euro herauszuholen und das Hubschrauber- und Mobilitäts­paket erfolgreich zu verhandeln.

Es ist nun notwendig, die Weiterentwicklung des Heeresbudgets für die Zukunft sicher­zustellen. Sie von der ÖVP haben heute die Chance, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben und so Ihren Lippenbekenntnissen zum Bundesheer endlich einmal auch Taten folgen zu lassen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Bundesrat Schennach: Das war jetzt ein Blick zur ÖVP, gell?) Ja!

Geschätzte Damen und Herren! Ich war 44 Jahre lang beim österreichischen Bun­desheer und kann Ihnen sagen, dieser schlechte Zustand, über den jetzt gesprochen wird – wir können die Fahrzeuge nicht mehr reparieren –, das ist nichts Neues, ich kenne das schon lange, ich war in der Logistik tätig.

Ich hoffe, dass jetzt mit diesem Paket der Aufwärtstrend weiter fortgesetzt werden kann und dass auch in der Zukunft mit der neuen Regierung Verbesserungen für das österreichische Bundesheer herbeigeführt werden können. – Danke. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

17.05


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von Bundesrat Sperl eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Bundesheer – Sicherheit ist uns auch etwas Wert“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich darf inzwischen die wiedergekehrte Frau Bundesministerin Dr. Iris Rauskala wieder bei uns begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.


17.05.55

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuseherinnen und Zuseher! – Kollege Sperl! Ich


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sage einmal, kurz ist gut, daher werde ich mich kurz halten (Bundesrätin Schumann: Süß! – Bundesrat Stögmüller: Kurz ist gut!? – Bundesrat Krusche: Kurz ist Geschichte! – weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP), kurz auf Ihren Antrag repli­zieren und dann unseren eigenen einbringen.

Ich glaube, inhaltlich wollen wir alle das Gleiche. (Bundesrat Krusche: Warum geht ihr dann nicht mit?) Wir wollen, dass es dem österreichischen Bundesheer gut geht, wir wollen mehr Mittel für die Landesverteidigung (Bundesrätin Schumann: Aber nicht die ÖVP-Finanzminister! Die sind immer dagegen!), wir wollen die entsprechenden Mittel für den Katastrophenschutz in den Bundesländern, aber – und das ist jetzt der Unter­schied zu dem vorliegenden Antrag – uns geht es um eine planbare und positive Ent­wicklung und eine wirkliche Sicherstellung der Budgetmittel und nicht um eine Effekt­hascherei und Schnellschüsse. Daher können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Wir haben aber einen eigenen Entschließungsantrag, den ich jetzt einbringen werde.

Entschließungsantrag

der Bundesrätinnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Elisabeth Mattersberger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Bundesheer: Finanzielle Herausforderungen bewälti­gen – un­sere Sicherheit gewährleisten!“

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass alle notwendigen Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlagen für eine zeitnahe und effiziente Erstellung des nächsten Bundesfinanzrahmengesetzes und Bundesvoranschlages für die Unter­gliederung 14 (militärische Angelegenheiten) der nächsten Gesetzgebungsperiode“ (Bundesrat Schabhüttl: Liegt alles am Tisch!) „zeitgerecht bis Ende September 2019 erstellt werden, wobei insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen sind:“ (Bun­desrat Samt: Das ist das Gleiche, was bei uns drinnen steht!)

„Sicherstellung einer nachhaltigen, planbaren Finanzierung,“ (Bundesrat Samt: Abge­schrieben!)

„Stufenweiser Abbau des Investitionsrückstaus in der Finanzperiode,“ (Bundesrätin Mühlwerth: Da hättet ihr schon mitgehen können!)

„Schwerpunktsetzung auf die Bereiche: persönliche (Schutz-)Ausrüstung der Soldaten, geschützte und ungeschützte Mobilität, Kaserneninfrastruktur, IKT- und Cyber, Hub­schrauber und Luftraumüberwachung inkl. Fliegerabwehr,“ (Bundesrätin Mühlwerth: Wo ist da der Unterschied? – Bundesrat Weber: Auf-die-lange-Bank-Schieben nennt man das!)

„Besondere Berücksichtigung der Handlungsfähigkeit der Miliz und ihrer Ausrüstung und Mobilität,

Engagement im internationalen Krisenmanagement unter Berücksichtigung österreichi­scher Interessen sowie

Gesonderte Darstellung von Großbeschaffungen (zB Flugzeuge für die Luftraum­über­wachung, ...)“ (Bundesrat Schennach: Hat das der Wöginger geschrieben, oder was?)

„Jedenfalls ist wie bereits von der Bundesregierung unter Bundeskanzler Kurz“ (Bundesrätin Hahn: Außer Dienst!) „in Aussicht gestellt, das Budget ausgehend vom im BFRG fixierten Budget 2020 von 2,42 Mrd.€ zuzüglich dem bereits fixierten Son-


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derpaket für Hubschrauber und Mobilität ab 2021 nachhaltig zu steigern. Dies bedeutet im Vergleich zum derzeit gültigen BFRG eine deutlich höhere Budgetierung der Jahre 2021 und 2022.

Der Bundesminister für Finanzen und der Bundesminister für Landesverteidigung wer­den aufgefordert, umgehend eine Vereinbarung hinsichtlich des zugesagten Paktes für Mobilität in Höhe von 30 Mio.€ zu treffen, damit Planungssicherheit für das ÖBH be­steht und die Beschaffung von dringend benötigten LKW’s bereits 2019 in die Wege geleitet werden kann, damit diese möglichst rasch zulaufen können und die Mobilität der präsenten Kräfte und der Miliz gesteigert werden kann.“

*****

Ich kann Sie nur bitten, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Der kann nicht ernst gemeint sein!)

17.09

17.09.51

 


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Dr. Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Bundesheer: Finanzielle Herausforderungen bewältigen – unsere Sicherheit gewähr­leisten!“ ist genügend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Kovacs, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „ausreichende Budgetmittel für den Arbeitsmarkt“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung dieser Entschließung ist abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Schabhüttl, Sperl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend  „Bundesheer – Sicherheit ist uns auch etwas Wert“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung dieser Entschließung ist somit angenommen. (E 259-BR/2019)

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Dr. Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Bundesheer: Finanzielle Heraus­forderungen bewältigen – unsere Sicherheit gewährleisten!“ vor.

Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 143

17.11.4121. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bildungsinvestitionsgesetz geändert wird (871/A und 647 d.B. sowie 10206/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Doris Schulz. – Ich bitte um den Bericht.


17.11.57

Berichterstatterin Mag. Doris Schulz: Ich bringe den Bericht des Unterrichtsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bildungsinvestitionsgesetz geändert wird.

Es geht um die Sicherung des Bestandes der schulischen Tagesbetreuung durch Öffnung eines Teils der Mittel aus dem Bildungsinvestitionsgesetz.

Es geht weiters um die Ermöglichung eines bedarfsorientierten Ausbaus ganztägiger Schulformen durch Vereinfachung des Mechanismus der Mittelbereitstellung.

Drittens geht es um die Sicherstellung der Gleichwertigkeit von schulischen und außer­schulischen Einrichtungen.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Martina Ess. – Bitte.


17.13.02

Bundesrätin Mag. Martina Ess (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Rauskala! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zusehe­rinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen und hier im Sitzungssaal an diesem sehr intensiven Plenartag vor der Sommerpause! Mein Vorarlberger Kollege Magnus Brunner hat heute schon einmal gemeint, dass wir als Parlamentarier politische Pflichten haben. Dem kann ich nur zustimmen, denn eine Fähigkeit sollte uns einen – sie muss uns regelrecht einen –: die Fähigkeit, vorausschauend und nachhaltig zu handeln. Das ist unsere Aufgabe, das ist unsere politische Pflicht, und besonders wenn es um die Bildungspolitik geht, haben Nachhaltigkeit und vorausschauendes Denken oberste Priorität.

Heute geht es um die finanzielle Sicherstellung der Nachmittagsbetreuung, ganz konkret um die Ganztagsbetreuung für die Sechs- bis 14-Jährigen in den Volksschulen und den Neuen Mittelschulen.

Mit diesem Bildungsinvestitionsgesetz haben wir, wie erwähnt, vorausschauend und nachhaltig gehandelt – jetzt, in diesem Sommer, läuft nämlich die bestehende 15a-Vereinbarung der Länder mit dem Bund aus. Sie hat damals den Ausbau der Ganz­tagsbetreuungen finanziell sichergestellt. Es war eine Idee der Anschubfinanzierung, bei der die Schulerhalter, also die Gemeinden, dann die Kosten langfristig zu tragen haben. Diese Gelder wurden nicht abgeholt – ein sehr hohes Risiko für die Gemein­den –, und deshalb haben wir da reagiert.

Nicht unbedeutend, wenn wir uns nochmals die Wichtigkeit des Begriffs der Nach­haltigkeit vor Augen führen, ist die Tatsache, dass mit diesem Gesetz rund eine Viertel-


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milliarde Euro für die kommenden Jahre investiert wird. Das ist eine Investition in die Bildung. Das ist eine Investition, die Voraussetzungen dafür schafft, Tagesbetreuungen bedarfsgerecht auszubauen.

Wichtig ist zu erwähnen, dass mit diesem Gesetz aber nicht nur Ganztagsbetreuungen finanziell abgesichert sind. Mit dieser Novellierung schaffen wir es, die Ganztags­betreuungen auch langfristig flächendeckend auszubauen und – entscheidend – quali­tativ auf einen einheitlichen Standard zu heben.

Ich möchte jetzt den Begriff der Ganztagsbetreuung ein wenig genauer anschauen, denn er geistert in den Köpfen doch noch gerne als Schreckgespenst umher. Gleich­zeitig aber steigt stetig und täglich die Nachfrage nach und der Bedarf an Ganz­tagsbetreuungen. Ich kann da also beruhigend entgegenwirken, denn Tagesbetreuung ist zeitgemäß und ermöglicht, Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und auch zu fördern.

Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass Tagesbetreuung – und das sage ich auch als Mutter einer Schülerin – ein sehr emotionales, weil natürlich ein sehr inner­familiäres Thema ist. Familien sollen und müssen – und das ist auch die Ansicht der ÖVP – frei entscheiden können, wie sie ihre Kinder erziehen. Das muss jederzeit gewährleistet sein, und deshalb unterstützen wir von der ÖVP verschiedenste Formen der Nachmittagsbetreuung: nicht verschränkte und verschränkte Formen.

Die für mich in diesem Zusammenhang wichtigste Frage – wenn ich an meine Tochter, an meinen Sohn denke – ist, was denn unsere heutigen Kinder morgen brauchen. Was brauchen unsere Kinder wirklich?

Ich sage es Ihnen: Meiner Meinung nach brauchen sie in allererster Linie Zeit. Sie brauchen Zeit, um kreativ arbeiten zu können, Zeit, um sich zu erleben, Zeit, um auch die Lust am freien Spiel wiederzuentdecken. Ganztagsbetreuungen sind da meines Erachtens massiv gefordert, denn Kinder dürfen im Alter von sechs bis 14 Jahren nicht wie Erwachsene behandelt werden. Kinder in diesem Alter sind nicht nur Schulkinder, sie sind auch Spielkinder. Ganztagsbetreuungen müssen dem gerecht werden. Sie müssen Raum geben, dass die Kinder sich entfalten können, und ich denke, dass sie ideale Zeitgefäße sind, um das auch zu ermöglichen.

Ich habe mich mit den SchulqualitätsmanagerInnen der Bildungsdirektion für Vorarl­berg intensiv ausgetauscht, und sie haben mir bestätigt, dass wir auf zehn Jahre Erfahrung zurückblicken können, auf zehn Jahre, in denen sehr viel Gutes passiert ist, in denen Schritt für Schritt im Bereich der Ganztagsbetreuungen etwas passiert ist, in denen sich vor allem Schulen, aber auch Schulerhalter, Gemeinden und Länder zusam­mengetan haben. Was sie geleistet haben, ist beachtlich, und ich darf im Namen der SchulqualitätsmanagerInnen sowie auch unserer Fraktion an dieser Stelle allen danken, die diese Aufgabe – und sie ist wahrlich keine leichte – wirklich bestens gemeistert haben. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wenn wir bedenken, was das personell und räumlich gerade für Schulen im ländlichen Raum bedeutet, dann ist das schon eine Meisterleistung. Ich denke konkret an die Schule meiner Tochter, wo es keine Möglichkeit für einen Mittagstisch gibt. Ich denke, wir sind uns einig, dass der Schultisch, an dem gerechnet, geschrieben und gearbeitet wird, kein Mittagstisch sein darf. Das ist ein absolutes No-Go, und so sind wir in Vorarlberg – ich denke, auch in anderen Bundesländern wird das so sein – sehr kreativ geworden und haben wirklich schöne Kooperationen gefunden: mit dem Gasthaus nebenan oder auch mit den Sozialzentren. Mit der heute zu beschließenden Förderung können wir in den Schulen auch im Bereich der Infrastruktur investieren. Wir können Räume schaffen oder adaptieren, um so ideale Voraussetzungen zu garantieren.


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Werte Zuhörerinnen und Zuhörer, Sie hören es: Wenn es um Tagesbetreuung geht, dann muss man das Ganze groß denken. Oberstes Ziel muss bleiben – und das sage ich als ehemalige Lehrerin –, dass da qualitativ noch einiges gemacht wird. Das geht nicht von heute auf morgen, da sind alle gefordert, aber dieses Gesetz unterstützt dieses Vorhaben ganz wesentlich.

Weitere Ziele sind, dass 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine Tages­betreu­ung erfahren – das ist mittelfristig unser Wunsch – und dass 85 Prozent der Standorte in Österreich eine Tagesbetreuung anbieten.

Wir haben heute viel Familien- und Frauenpolitisches gehört, und selbstverständlich ist auch das ein Schritt hin zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wenn wir uns zurückerinnern an die Zeit, als wir Schülerinnen und Schüler waren, so ist uns noch im Gedächtnis, dass wir von unseren Lehrern etwas sehr oft gehört haben: Sie haben uns immer wieder daran erinnert, dass wir uns das, was wir gehört haben, nur dann merken, wenn wir wiederholen, wiederholen und nochmals wieder­holen. Deshalb wiederhole ich an dieser Stelle sehr gerne und weise zum wiederholten Male darauf hin, dass dieses bildungspolitische Gesetz ganz klar unserem Bildungs­minister Faßmann und seinem Team zu verdanken ist, und ich wiederhole gerne, dass es die Handschrift unserer Bundesregierung unter Sebastian Kurz trägt und dass es gilt, diesen Weg ganz klar weiterzuverfolgen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: ...! Wahlkampf ist!)

17.20


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile es ihr.


17.20.53

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuse­herInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Die sozialdemokratische Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen – so weit einmal keine Über­raschung –, dies allerdings nur aus einem einzigen triftigen Grund und dement­sprechend nicht ganz uneingeschränkt, wenn man es so sagen möchte.

2016 hat die damalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid noch eine wichtige Initiative für ein modernes und zukunftsfittes Bildungssystem gesetzt, indem sie 750 Millionen Euro aus der Bankenmilliarde freigemacht hat, um den Ausbau von ganztägigen Schulformen in allen Varianten zu forcieren und sozusagen auch den Schulerhaltern schmackhaft zu machen – und das nicht aus einer Laune oder aus einem Justamentstandpunkt heraus, sondern weil es im 21. Jahrhundert schlicht und einfach Sinn macht.

Ganztägige Schulformen bieten so viele Vorteile, das zeigen uns zahlreiche Studien und zahlreiche Erfolgsmodelle beispielsweise aus dem skandinavischen Raum – Finnland sei hier etwa erwähnt. (Bundesrätin Mühlwerth: In Schweden schaut’s schon anders aus!) Es profitieren in Wahrheit alle Beteiligten im pädagogischen Raum. Erstens die SchülerInnen selbst: Für sie steht natürlich noch mehr Betreuungszeit, noch mehr Lernzeit, noch mehr Zeit mit ihren Lehrerinnen und Lehrern, mit ihren Freizeitpädagoginnen und -pädagogen zur Verfügung. Besonders die verschränkten Schulformen kommen auch den hirnphysiologischen Gegebenheiten und Grundlagen der Kinder noch wesentlich besser entgegen: Wenn im Wechsel gelernt, Bewegung gemacht, Freizeit nach eigenen Interessen und Talenten gestaltet werden kann, dann motiviert und steigert das natürlich auch die Leistungsfähigkeit und die Leistungs­bereitschaft in der Schule.


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Zweitens die Pädagoginnen und Pädagogen: Sie können sich ihren Schützlingen wesentlich intensiver widmen. Es kann noch projektartiger, themenzentrierter und auch fachbereichsübergreifend gearbeitet werden, und sie können individuelle Lerneinheiten anbieten.

Dadurch profitieren aber auch die Eltern, wenn sie sich dann zum Beispiel die teure Nachhilfe ersparen können und noch dazu ihre Kinder in der Schule – wir haben es heute schon gehört – unter anderem auch mit einem warmen Mittagessen bestens aufgehoben wissen. Und am Nachmittag nach der Schule kann man sich dann als Familie auch wirklich der Quality Time widmen. (Bundesrätin Mühlwerth – erheitert –: Der was?)

Aber auch die Gemeinden profitieren, das vergessen wir manchmal auch ganz gerne. Sie können beispielsweise ganz gezielte Kooperationen mit ansässigen Vereinen ein­gehen, sie können individuelle Freizeitangebote erstellen und anbieten, sei es mit Sportvereinen, mit Musikvereinen und vielen anderen mehr.

Aus meiner Sicht ist das also eine Win-win-Situation, wie es heute oft so schön heißt. Ich nenne diese Schulform im Idealfall eine Schule ohne Rucksack, die eben die Talente und die Potenziale unserer Kinder und Jugendlichen bestmöglich fordert und fördert. Das muss unser gemeinsames Ziel sein, und international, das wissen wir, ist das längst kein Gegenstand der Diskussion mehr.

Nun sehen wir uns aber bei dem vorliegenden Gesetz mit der Tatsache konfrontiert, dass diese ursprünglich vorgesehenen 750 Millionen Euro bis zum Jahr 2033 – formu­lieren wir es einmal freundlich – gestreckt, hinausgeschoben werden sollen, was in Wahrheit einer Kürzung der Mittel gleichkommt. Somit werden nicht mehr diese 115 000 Ganztagesschulplätze, sondern lediglich 40 000 neue Plätze im vorgesehenen Zeitraum entstehen können. Und Hortplätze, also reine Nachmittagsbetreu­ungs­plätze – wenn wir das jetzt besonders von den verschränkten Ganztagesschulformen unterscheiden –, sind da nun auch hineingerechnet, was ganz und gar nicht dem ursprünglichen Ziel des alten Gesetzes entspricht.

Wir werden trotzdem zustimmen, weil wir uns auch dessen bewusst sind, dass die 15a-Vereinbarung jetzt ausläuft und die Gemeinden und Länder als Schulerhalter natürlich eine entsprechende Sicherheit über die zu vergebenden Mittel fordern und auch benötigen, damit eben zumindest ein Teil des Budgets auch entsprechend abgeholt werden kann.

Geschätzte Damen und Herren! Ich höre von Bürgermeistern da und dort, dass der Bedarf nach derartigen Schulformen einfach nicht gegeben sei. Denen kann ich nur sagen: Genau das Gegenteil ist der Fall! Dies besonders dann, wenn einmal das entsprechende Angebot da ist, denn dann wird es nämlich auch angenommen.

Wie erfolgreich ein derartiges Schulmodell sein kann, wenn die politisch Verant­wort­lichen auch den Mut dazu haben und auch ganz bewusst Geld in die Hand nehmen, Investitionen tätigen, Umbaumaßnahmen setzen, weil sie um den Mehrwert dieser Investition wissen, sehen wir in meinem Heimatbezirk Tulln. Wir haben eine sozial­demokratisch geführte Gemeinde, nämlich Zwentendorf – allen, glaube ich, hinlänglich bekannt. Vor einigen Jahren hat dort die Gemeinde gemeinsam mit dem Elternverein eine Initiative gestartet und eine verschränkte Ganztagesvolksschule eingeführt – anfangs zugegebenermaßen noch mit einiger Skepsis, inzwischen aber so erfolgreich und positiv, dass nun die Frage im Raum stand: Was tun wir, wenn jetzt dieser erste ganztägig geführte Schülerjahrgang aus der Volksschule austritt und sie verlässt?

Mittlerweile steht eines fest: Es wird auch die Neue Mittelschule ab dem kommenden Schuljahr, also ab dem 1. September, als verschränkte Ganztagesschule geführt, und


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ich kann also jetzt mit Stolz über die erste verschränkte Ganztagesmittelschule in ganz Niederösterreich berichten. Das Interesse ist riesengroß, das zeigen nicht nur die Anmeldezahlen ganz, ganz eindeutig. – An dieser Stelle ein riesengroßes Dankeschön und auch meine Gratulation an alle Verantwortlichen, dass sie diesen mutigen Schritt gewagt haben! Ich glaube, man sieht daran, was in roten Gemeinden alles möglich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Das stimmt! – Bundesrat Krusche: Dort ist alles möglich! – Bundesrat Samt: Dort ist wirklich alles möglich! – Heiterkeit der Bun­desräte Samt und Krusche.)

Keine Frage, es ist notwendig, dass wir den Gemeinden und den Ländern in diesem Zusammenhang auch eine Finanzierungssicherheit geben, was wir hiermit auch sicherstellen. Aber nicht nur diesen, es ist aus meiner Sicht auch höchst an der Zeit, dass wir auch den tatsächlichen Akteuren im Bildungswesen, nämlich den Schülerin­nen und Schülern, aber natürlich auch den Pädagoginnen und Pädagogen Sicherheit geben, und zwar die Sicherheit, dass sie die besten Rahmenbedingungen für ihr Tun und Handeln in den Bildungseinrichtungen, in den Schulen vorfinden.

Als Personalvertreterin im Pflichtschulbereich mache ich immer wieder Schulbesuche und führe zahlreiche Gespräche mit vielen Kolleginnen und Kollegen über ihren Ar­beitsalltag, über die Herausforderungen, auch über die Schwierigkeiten, die in der täg­lichen Arbeit entstehen. Ein Thema höre ich dabei immer und immer wieder, nämlich dass die Lehrerinnen und Lehrer immer mehr Arbeitszeit außerhalb des Klassen­zim­mers mit diversen administrativen Tätigkeiten zu verbringen haben (Bundesrätin Mühlwerth: Das war immer schon so! Das war die letzten 20 Jahre so!), mit dem Eintragen von Schülerdaten in irgendwelche – seien es analoge oder digitale – Listen, Stichwort Bil­dungsdokumentation, und dergleichen mehr. Man hat manchmal das Gefühl, dass die eigentliche Aufgabe, nämlich die pädagogisch-erzieherische Arbeit, phasenweise in den Hintergrund tritt. (Bundesrat Samt – zu Bundesrätin Mühlwerth –: Haben wir das erst seit vorgestern? – Bundesrätin Mühlwerth: Nein, seit 20 Jahren! – Bundesrat Samt: Eigene Fehler!)

Die OECD-LehrerInnen-Studie Talis, die am 19. Juni veröffentlicht wurde, brachte genau diese Hauptbotschaft auch zutage, nämlich dass sich der Großteil der öster­reichischen Lehrkräfte zu wenig durch Unterstützungspersonal in seiner Arbeit beglei­tet fühlt. Es sei unverständlich, dass die Arbeit der Lehrkräfte für Leistungen verwendet wird, die durchaus durch Unterstützungspersonal sowohl besser als auch deutlich billiger erbracht werden könnten. Diesbezüglich steht Österreich im Ländervergleich aber leider auf unterster Stufe.

Für Initiativen zur Lösung dieser Frage eignet sich aus meiner Sicht der Bundesrat als Gremium besonders gut, da ja Bund, Länder und Gemeinden gleichermaßen Verant­wortung tragen und eine gemeinsame Lösung unter Berücksichtigung der unter­schied­lichen Bedürfnisse im Sinne der Schülerinnen und Schüler gefunden werden sollte. Es geht darum, dass den Lehrerinnen und Lehrern nicht immer mehr Aufgaben, für die sie eigentlich nicht zuständig sind oder sein sollten, sozusagen umgehängt werden sollen. Im Bereich der Bundesschulen ist es ja auch längst gängige Praxis, dass mit derartigen Tätigkeiten nicht die PädagogInnen beschäftigt sind, sondern administratives Personal eingestellt wird.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, umgehend die Verhandlungen mit dem Bundesminister für Finanzen sowie mit den Ländern und Gemeinden aufzunehmen, um durch zusätzliches Unterstützungs­per­sonal an Schulen bestmöglichste Bildung für die Schülerinnen und Schüler und best­möglichste Arbeitsbedingungen für die Pädagoginnen und Pädagogen an allen Schu­len der Republik zu ermöglichen.“

*****

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lade Sie alle herzlich ein, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu erteilen. Zeigen wir den Pädagoginnen und Pädagogen, dass unsere Wertschätzung, die ihnen von allen Fraktionen von diesem Rednerpult aus immer wieder entgegengebracht wird, auch tatsächlich so gemeint ist, und lassen wir den Worten dann auch entsprechende Taten folgen!

Abschließend möchte ich den Lehrkräften in Österreich von hier aus Danke für ihre tagtägliche engagierte Arbeit an den Schulen sagen und ihnen natürlich auch gute Erholung wünschen, damit sie das kommende, neue Schuljahr mit genauso viel Energie und Enthusiasmus starten können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Hahn, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


17.31.21

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie, via Livestream und zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht zum ersten Mal bei einer Bildungsdebatte denke ich mir: Ich weiß überhaupt nicht, wie das frühere Generationen gemacht haben. (Bundesrätin Hahn: Es ändern sich die Zeiten, ...!) Blicken wir Jahrhunderte zurück in eine Zeit, in der die Bedingungen nicht die besten waren: Im deutschen Kulturraum, wo also Österreich und Deutschland als ein Kulturraum zu sehen sind, galt die Bevölkerung als ein Volk der Dichter und Denker, und da waren nicht alle aus wohlbestallten Haushalten, sondern da gab es auch sehr viele, die aus ärmlichen Verhältnissen gekommen sind und überhaupt nicht diese pädagogisch aufbereiteten Bedingungen hatten, die wir in den Schulen heute haben, dennoch haben diese Menschen Unglaubliches an geistiger Kapazität gehabt und an Geistigem produziert, wovon wir heute noch etwas haben.

Wenn ich mir die heutigen Ergebnisse anschaue, wissend, dass 30 Prozent der Schüler nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen können, dass wir jedes Mal bei der Pisa-Studie bestenfalls im Mittelfeld liegen – was übrigens für Schweden ge­nauso gilt, und die haben das gleiche System, das auch die Finnen haben, also das alleine kann es nicht sein –, dann frage ich mich wirklich: Was läuft da schief?

Wenn Sie – meine Vorrednerin vor allem – jetzt hier stehen und sagen, die Ganz­tags­schule ist ganz wichtig und nur diese bringt die Kinder in ihrer Entwicklung weiter, dann sage ich: Nein, bei 30 Prozent an Kindern, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, kann das nicht stimmen! (Bundesrätin Hahn: Aber wir haben ja noch gar nicht so viele Ganztagsschulen! Diese Rechnung geht nicht auf! Wir haben ja noch nicht 100 Prozent Ganztagsschulen! – Bundesrätin Schumann: Immer der gleiche ...!)


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 149

Wir müssen ja auch ein Gesetz, das Sie 2016 auf den Weg gebracht haben, ein bisschen reparieren. Sie stehen ja auf den Typ Schule Marke DDR, weil das ja auch Ihrer Ideologie entspricht, und damit müssen alle zwangsbeglückt werden. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) – Ja, das ist aber so. Und übrigens, bevor Sie sich so echauffieren, Frau Kollegin Schumann: Die Finnen haben sich genau die DDR zum Vorbild genommen, und das geben sie auch zu. Die Finnen haben gesagt: Wir haben uns die Schule in der DDR angeschaut, haben gesagt, das ist super, und haben die für uns adaptiert! – Es ist die Schule nach dem Modell der DDR, die heute in Finnland stattfindet, natürlich landestechnisch adaptiert, aber das Grundmodell kommt aus der DDR. Sie müssen das nur nachlesen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Stögmüller.)

Das kann man nachlesen! Kollege Stögmüller, ich weiß, dass Sie immer uninformiert sind. Vielleicht machen Sie sich einmal die Mühe und lesen das nach.

Wir waren immer gegen Zwangsbeglückungen! Und ja, ich gebe Ihnen ja durchaus recht, weil wir da auch ein Stadt-Land-Gefälle haben – und es ist nicht so, dass jetzt, wenn am Land die verschränkte Ganztagsschule kommt, dort auch alles „Happy Peppy“ ist; mag sein, dass es da und dort Bedarf gibt, dann soll diesem auch entsprochen werden, ich bin ja nicht dagegen –, wir haben in der Stadt das Phänomen, dass vielen Schülern – und da treffen wir uns wahrscheinlich – eine Ganztagsschule guttäte, weil die Eltern sich nicht ausreichend um sie kümmern können, aber es gibt auch viele, die es nicht wollen. (Bundesrätin Grimling: Erst hauen wir auf die Lehrer, dann hauen wir auf ...! Auf wen hauen wir noch alles?)

Ich kenne eine gar nicht so kleine Zahl an Eltern, wo die Kinder in eine Ganztagsschule gehen und die Mutter zu Hause ist – das kennt ihr wahrscheinlich auch. Es gibt Fälle, wo es gut wäre, wenn die Kinder in der Ganztagsschule wären, weil sie dort besser aufgehoben wären, ja, mehr lernen könnten, es gibt aber natürlich auch das Gegenteil, es gibt auch die Eltern, die das eben nicht wollen. Es gibt diese Mütter, die nach wie vor entgegen all Ihren Aufrufen, doch möglichst bald nach der Geburt arbeiten zu gehen, trotzdem ganz bewusst in Teilzeit bleiben (Bundesrat Steiner: Aber die gibt’s in der sozialistischen Welt nicht, diese Mütter!), wissend, dass das für sie in der Pension schlagend werden wird. Dennoch sagen sie, ich möchte aber mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen – und das ist gut so und das ist richtig so! (Beifall bei der FPÖ.) Auch diese Eltern müssen die Möglichkeit haben, das so zu leben, wie sie es wollen.

Aber ja, natürlich braucht es dazu auf der anderen Seite auch ein Angebot für all jene, die das anders haben wollen, die sagen, ich brauche eine Ganztagsschule, oder auch, ich will eine Ganztagsschule. (Bundesrätin Hahn: Das haben wir in Zwentendorf: Wir haben die echte Wahlfreiheit! Die echte Wahlfreiheit!) Darum finde ich es wirklich gut, dass wir das jetzt so gelöst haben: Die verschränkte Form bleibt ja nach wie vor bestehen – dort, wo der Bedarf besteht, wird sie auch weiter ausgebaut werden –, wir haben aber auch die – auch schon bisher bestehende – außerschulische Betreuung, die ja durchaus auch gut funktioniert, die jetzt gleichgestellt wird und die – das finde ich auch richtig – genauso das Recht auf Förderung hat wie die schulische Betreuung. Wir müssen in einer Demokratie auch immer schauen, dass jeder Bedarf bestmöglich abgedeckt werden kann.

Im Gegensatz zu Ihrem Gesetz aus 2016, bei dem Sie ja die Länder und Gemeinden, vor allem die Gemeinden, im Stich gelassen haben (Bundesrätin Hahn: Die ... Ge­meinden haben es sich nicht abgeholt!) – so nach dem Motto: Schaut halt, wie ihr das finanziert und wie ihr für den Erhalt der Schule, für den Ausbau der Schule und für das Personal aufkommt! (Bundesrätin Schumann: Die ... Gemeinden haben es ja nicht einmal abgeholt!) –, wird das jetzt vom Bund zu 30 Prozent finanziert. (Bundesrätin Grimling: ... Gemeinden haben es ja nicht einmal abgeholt!) Das heißt, die Ge­mein-


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den sind damit finanziell auch besser aufgestellt – ein ganz wichtiger Aspekt. (Bundesrätin Grimling: ... Gemeinden haben es ja überhaupt nicht abgeholt!) – Gefällt Ihnen das nicht, Kollegin Grimling? Also ich finde das eigentlich sehr gut. (Bundesrat Steiner: Die tut nur nachplaudern, die Grimling, die ganze Zeit! – Bundesrätin Grimling – in Richtung Bundesrat Steiner –: Tu was essen! – Bundesrat Steiner: Tu ich eh! Schmeckt übrigens sehr gut!)

Wir haben damit auch die Möglichkeit, die Kinder in ihrer Entwicklung bestmöglich zu fördern – entsprechend dem, was gebraucht wird. Da sind aber auch die Eltern gefragt, und ich halte nichts davon – aber das sage ich hier ja nicht zum ersten Mal –, die Eltern außen vor zu lassen, wenn wir von Schule sprechen. Es gibt die überenga­gierten Eltern – das ist auch nicht gut –, es gibt die gar nicht engagierten Eltern, denen alles wurscht ist – das ist ganz schlecht –, und es gibt die Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern, durchaus engagiert, natürlich auch soweit das ihre Zeit zulässt, die ihre Kinder fördern, die ihnen vorlesen et cetera.

Die, die gar nichts machen, muss man aber schon auch in die Pflicht nehmen, denn da hat ein Kreislauf begonnen, wo die Schule – natürlich zum Wohle der Kinder – ver­sucht, alles abzudecken, während die Eltern, die sich nicht darum kümmern wollen, sich zurücklehnen und sagen, die Schule soll das machen und der Lehrer soll das machen – und diese können sich dann auch mit allen Problemen, die aus der Familie herauskommen, herumschlagen. Dafür ist die Schule nicht gedacht! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Verantwortung haben zuallererst die Eltern. Wir können durchaus darüber reden – ich habe dafür nicht erst einmal plädiert –, auch einmal so eine Art Führerschein für Eltern anzudenken – denn es gibt ja kein Erziehungsgen, auch das muss man ja lernen. Früher hat man es sich halt abgeschaut, weil man Geschwister hatte und gesehen hat, wie die Mutter oder der Vater mit verschiedenen Situationen umgeht; in den Ein-Kind- bis maximal Zwei-Kind-Familien ist das ja weitgehend weggefallen. Darüber kann man also durchaus einmal reden. Trotzdem ändert das aber nichts daran, dass die Eltern in diesen Angelegenheiten als Allererste in die Pflicht genom­men werden müssen, dann erst kommt die Schule. (Bundesrätin Hahn: Mit dem 12-Stunden-Tag wird das schwierig werden!) Denn: Die Schule soll, nach meinem Dafürhalten jedenfalls, zuallererst Wissen vermitteln (Beifall bei der FPÖ) – Wissen, das unsere Schüler auch im weiteren Leben, egal wie sich die Zukunft gestaltet, ganz dringend brauchen.

Ich weiß, dass bei Ihnen einige sitzen, die ihre Kinder auf wirklich gute Schulen ge­schickt haben (Bundesrat Steiner: ... Privatschulen!), die darauf geschaut haben, dass sie eine möglichst breite und umfassende Bildung bekommen. Das heißt, Sie wissen ja, wovon ich rede, und Sie wissen auch, wie wichtig Bildung ist, egal in welchem Zeitalter wir uns gerade befinden, denn die Bildung ist erstens wertneutral und sie ist zweitens auch zeitneutral. Daran sollten wir bei allen Maßnahmen, die wir im schu­lischen Bereich setzen, auch immer denken. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundes­rates Längle. – Bundesrat Schennach: War das jetzt eine Pro- oder eine Kontra­rede? – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

17.40

17.40.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

17.41.1722. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schul­pflichtgesetz 1985 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (872/A und 648 d.B. sowie 10207/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum Tagesord­nungs­punkt 22, zu dem ich Frau Bundesministerin Mag.Elisabeth Udolf-Strobl ganz herzlich bei uns begrüße. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.Doris Schulz. – Ich bitte um den Bericht.


17.41.53

Berichterstatterin Mag. Doris Schulz: Ich bringe den Bericht des Unterrichtsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. Juli 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden.

Es handelt sich um die wesentliche Weiterentwicklung der Polytechnischen Schulen beziehungsweise um die Weitergabe von Daten für die Schuleingangsphase.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile es ihr.


17.42.52

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Damen Bundesministerinnen! Liebe Gäste auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen! Noch ein Wort zur Vorrednerin, Kollegin Mühlwerth: Ja, es haben sich vielleicht schlicht und einfach die Gegebenheiten und die Gesellschaft verändert, und eine veränderte Gesellschaft be­dingt nun einmal auch ein verändertes Bildungssystem. Aber das wollen offensichtlich nicht alle hier in diesem Raum wahrhaben.

In der vorliegenden Gesetzesänderung ist wahrlich eine Fülle an unterschiedlichsten Maßnahmen im Bildungsbereich enthalten, die aus unserer Sicht auch entsprechend unterschiedlich und individuell zu beurteilen sind. Begrüßenswert und durchaus unter­stützenswert ist beispielsweise der Bereich betreffend die Lehrpläne der Polytech­nischen Schule. Diese werden eben modernisiert und entwickeln sich hin zu einer


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Kompetenzorientierung, wie das beispielsweise ja auch schon in den Mittelschulen der Fall ist.

Die geplante Orientierungsphase für die Wahl von alternativen Pflichtgegenständen einzuführen erscheint uns ebenso zweckmäßig. Auch der gesamte Bereich der Daten­weitergabe zwischen elementaren Bildungseinrichtungen und Schulen ist aus unserer Sicht durchaus als positiv und sinnvoll zu bewerten, damit eben im Bedarfsfall pass­genaue Fördermaßnahmen, besonders im sprachlichen Bereich, für das jeweilige Kind getroffen werden können. – So weit zum Positiven in diesem Gesetzeskonvolut.

Wenn man sich aber die Gesetzesänderung im Detail anschaut, sieht man Folgendes: Es überwiegen darin leider die negativen Änderungen, wenn man es ganz genau betrachtet. Dazu gehören für uns zum einen das Einführen von Leistungsgruppen auch an den Polytechnischen Schulen. Nach den Mittelschulen werden nun also auch die Schülerinnen und Schüler im Poly in zwei Leistungsgruppen eingeteilt und selektiert. Es wird also weiterhin schubladisiert. Schülerinnen und Schülern wird leistungs­technisch weiterhin ein Stempel aufgedrückt, den sie dann über ihre gesamte Bildungs­karriere hinweg nur ganz, ganz schwer wegbekommen; im Grunde also zurück zu A- und B-Zug, wie es in den Siebzigerjahren modern und pädagogisch en vogue war. Ich persönlich habe dieses Modell zum Glück in meiner Bildungskarriere nicht mehr erle­ben müssen, umso erschreckender ist es jetzt für mich, dass ich zukünftig in meinem Lehrerinnenleben dazu noch gezwungen sein werde. (Bundesrat Rösch: ... schlech­treden!)

Weiter geht es mit den individuellen Kompetenzmessungen. Diese waren ja bisher auf freiwilliger Basis in der 7. Schulstufe von den Lehrkräften durchzuführen. Jetzt wird die legistische Grundlage dafür geschaffen, dass nun auch schon in der Volksschule, also in der 3. und dann auch in der 7. Schulstufe, verpflichtend zu prüfen ist. Und das unter dem Deckmantel der – ich zitiere – „Schaffung einer Evidenzgrundlage für Förder­planung, Unterrichtsentwicklung und schulische Qualitätsarbeit.“ So heißt es jeden­falls in der Begründung zum Gesetzestext.

Das klingt auf den ersten Blick sehr erfreulich. Was damit aber wirklich Realität werden soll und wird, ist der gläserne Lehrer, die gläserne Lehrerin beziehungsweise die gläserne Schule. Das ist jedenfalls aus meiner Sicht sehr stark zu befürchten.

All das im Zusammenhang mit der Selektierung der Schülerinnen und Schüler in Leistungsgruppen, wie ich es eben ausgeführt habe, von der Volksschule weg und zusammen mit der Frage, ob das Kind dann AHS-tauglich ist oder nicht, erzeugt einen ganz, ganz immensen Druck; Druck auf die Kinder und Jugendlichen selbst, die sich dann immer wieder fragen müssen, ob sie überhaupt gut genug sind, oder sich vielleicht – wenn sie eben diese AHS-Reife nicht erreichen können – sogar fragen: Bin ich dumm?

Es erzeugt Druck auf die Eltern, die im Normalfall das Beste für ihr Kind wollen und schon früh mit dem Dilemma konfrontiert sind: Welcher Schultyp ist für mein Kind geeignet, über- oder unterfordere ich damit unter Umständen mein Kind?

Und eines dürfen wir auch nicht vergessen: den dadurch noch zusätzlich verstärkten Druck auf die Lehrkräfte, die ihren Schülerinnen und Schülern selbstverständlich keine Chance verbauen möchten und die dann immer wieder auch noch dem Druck seitens der Erziehungsberechtigten ausgesetzt sind, möglichst gut zu beurteilen, damit zum Beispiel dann Aufnahmen in eine höhere Schule möglich sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Die gibt es aber jetzt schon!)

Traurige Tatsache ist, dass Türkis-Blau vor nicht ganz zwei Jahren damit begonnen hat, mit zahlreichen Maßnahmen unser Bildungssystem aus meiner Sicht in das päda-


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gogische Mittelalter zurückzukatapultieren. Tatsache ist aber auch: Das Institut für Höhere Studien hat Ende Juni das Ergebnis einer Studie präsentiert, die sich mit dem Thema Schulabbrecher beschäftigt hat. Diese Ergebnisse fallen aus meiner Sicht mehr als eindeutig aus und bestätigen uns da in jeglicher Weise – und sie sollten uns auch hellhörig werden lassen!

Ich zitiere aus einem Artikel des „Kurier“ in diesem Zusammenhang: „Die Bildungs­politik von Türkis-Blau hat selektive Elemente (Wiedereinführung von Leistungs­grup­pen in NMS bzw. der Benotung in der 1./2. Volksschule, Stärkung von Sonderschulen etc.) weiter gestärkt. ‚Eine Politik, von der man eigentlich weiß, dass sie gescheitert ist‘, nennt das Co-Autor Lorenz Lassnigg.“ – Hört, hört!

Fakt ist, die Gesetzesänderung, die wir heute beschließen sollen, trägt im Wesent­lichen nicht viel dazu bei, um dieser Tatsache entgegenzuwirken. Da ist eine Zustim­mung unsererseits, auch wenn einzelne Punkte durchaus zu begrüßen wären, nicht möglich. Mit Rezepten aus der Vergangenheit ein Bildungssystem der Zukunft ge­stalten zu wollen wird eben nicht funktionieren. Das bestätigen uns zahlreiche führende Bildungsexpertinnen und -experten. Ich habe an dieser Stelle unter anderem auch Stefan Hopmann wiederholt zitiert, der in keinster Weise im Verdacht steht, in Verbindung mit der Sozialdemokratie zu stehen, oder beispielsweise habe ich auch aus dem Nationalen Bildungsbericht zitiert, der in das gleiche Horn stößt.

Auch das IHS zeigt deutlich auf, dass ein Verfestigen der Selektion durch Leistungs­gruppen, die verstärkte, nennen wir sie einmal, Testitis und dergleichen uns eben nicht ans Ziel bringen, nämlich zu einem modernen, motivationsgetragenen Bildungssystem, das den gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen auch wirklich Rechnung trägt.

Im Policy Brief des IHS heißt es dazu: „Deutlich erfolgsversprechender sind päda­gogisch-didaktische Ansätze sowie Professionalisierungsstrategien bei Lehrpersonen. Konkret zu denken ist hier an einen stärker phänomen- statt fächerbasierten Unterricht, um vernetztes Denken in Zusammenhängen zu fördern, zu denken ist an intrinsische Anreizsysteme anstelle von Noten- und Testdruck, ein Schwerpunkt sollte schließlich auf der Ressourcenorientierung anstelle der Defizitorientierung sowie auf der Inklusion anstelle der Selektion liegen.“

Insofern bin ich schon einigermaßen verwundert und auch enttäuscht, dass Sie als zuständige neue Ministerin die nun legistisch im vorliegenden Gesetzestext sozusagen eingerahmten Maßnahmen Ihres Vorgängers doch eher unkritisch betrachten und sie ohne Reflexion auch wirklich übernehmen. Wir werden sehen, wie sich die künftige Regierung zusammensetzen wird und wie der künftige Bildungsminister oder die künf­tige Bildungsministerin mit dieser Thematik umgehen wird.

Eines sollte uns jedenfalls klar sein: Wie die Politik das Bildungswesen gestaltet, ent­scheidet zu einem ganz, ganz wesentlichen Teil über die Bildungskarrieren der Kinder und Jugendlichen. Daher möchte ich abschließend eine Frage an Sie alle richten, die jeder und jede für sich beantworten soll: Gestehen wir mit den Maßnahmen, die wir hier beschließen oder die hier beschlossen werden sollen, auch wirklich jedem Kind die gleichen Bildungschancen zu? (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!) – Ich habe leider nicht den Eindruck, dass wir das an dieser Stelle und in diesem Moment tun, und daher gibt es seitens der sozialdemokratischen Fraktion auch keine Zustimmung zu diesem Ge­setzentwurf. (Beifall bei der SPÖ.)

17.51


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile es ihr.



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17.51.31

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich konzentriere mich bei meinen Ausfüh­rungen zu diesem Gesetz vor allem auf die Polytechnischen Schulen, die liegen mir sehr am Herzen. Außerdem wissen wir, dass österreichweit nahezu jede fünfte Schü­lerin beziehungsweise jeder fünfte Schüler die 9. Schulstufe in einer Polytechnischen Schule absolviert. Wir haben knapp 240 Polytechnische Schulen.

Für uns in der Wirtschaft sind die Polytechnischen Schulen eine wesentliche und wichtige Einrichtung, und sie bilden für uns auch die beste Brücke für die duale Aus­bildung. Die Schülerinnen und Schüler erwerben beim positiven Abschluss einer Poly­technischen Schule auch das Recht, in die 2. Klasse einer berufsbildenden mittleren Schule der gleichen Fachrichtung oder ohne Aufnahmeprüfung in die 1. Klasse einer berufsbildenden höheren Schule überzutreten.

Der Schwerpunkt liegt auf der Berufswahl. Zu Beginn des Schuljahres findet eine Orientierungsphase statt, und die Berufsorientierung wird als Unterrichtsprinzip das ganze Jahr durchgezogen. Die Jugendlichen kommen bei uns in die Betriebe, sie machen Schnupperlehren in unseren Betrieben, und so lernen sie die Berufswelt schrittweise kennen.

Die neue Regelung sieht eine vierwöchige Orientierungsphase zu Beginn des Schul­jahres vor, um den Schülerinnen und den Schülern dabei zu helfen, die für sie passenden alternativen Pflichtgegenstände auszuwählen. Daran anschließend sieht der Entwurf die Möglichkeit einer Schwerpunktphase vor, bei der die Jugendlichen in den Fachbereichen sehr gut auf das Berufsleben vorbereitet werden. Die Fach­bereiche – zusammengefasst in Cluster wie Technik oder Dienstleistungen – sollen entsprechend den Anforderungen der Wirtschaft oder der weiterführenden Schulen ebenfalls neu konzipiert werden.

Diese Schritte sind notwendig, denn es hat schon über Jahre hinweg ein schleichendes Ausweichen hinsichtlich der Polytechnischen Schule gegeben. Das muss ganz einfach ein Ende haben. Ich finde es bedauerlich, dass viele Jugendliche ihre 9. Schulstufe an einer BHS oder BMS absolvieren, obwohl schon klar ist, dass sie einen Lehrberuf ergreifen und erlernen wollen. Und diese Schulen bilden nur sehr langsam über die ganze Schulzeit hinweg für die Berufswelt aus. Noch bedauerlicher finde ich es, wenn die Jugendlichen für das eine Jahr statt in die Polytechnische Schule in die AHS gesetzt werden, weil ich denke, dass es nicht dazu beiträgt, dass sie gerne in die Schule gehen, dass sie dort Erfolge haben. Deshalb ist mir diese Aufwertung der Polytechnischen Schule extrem wichtig.

Es ist vor allem diese individuelle Berufs- und Bildungsorientierung in der 7. und 8. Schulstufe wichtig. Wir, die Wirtschaftskammern österreichweit, haben da ganz wichtige Maßnahmen gesetzt, sei es mit dem Talente Check oder dem Begabungs­kompass, wo wir nur darauf schauen, wo die Talente, die Begabungen unserer Jugend liegen, damit sie eben denen entsprechend bereits hinsichtlich dessen, was sie einmal werden sollen und welche Ausbildung sie machen, Unterstützung bekommen.

Dabei geht es wirklich nicht darum, welches Umfeld sie haben, welches familiäre Um­feld, welches gesellschaftliche Umfeld und so weiter. Das interessiert alles nicht. Es geht wirklich nur um die Frage, wo die Potenziale, die Talente, die Begabungen dieses jungen Menschen liegen, und es gibt dann mit den Eltern ein Beratungsgespräch. Da merkt man oft – und das ist schon immer sehr spannend zu sehen –, dass die Eltern gar nicht wissen, welche Potenziale, welche Talente, welche Begabungen ihre Kinder haben. Daher ist das eine sehr große Hilfe. Wir sehen auch, dass die Jugendlichen,


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wenn sie mit dieser Beratung in die Polytechnische Schule kommen, sich dann schon ganz gezielt ihre Gruppen aussuchen.

Für uns ist es ganz wichtig, dass die jungen Leute, dass unsere Kinder, unsere Jugendlichen die Ausbildungen bekommen, die ihnen entsprechen. Wir sollten uns abgewöhnen, da Wertungen zu machen. Wichtig ist, dass jeder junge Mensch die Ausbildung bekommt, die seinen Potenzialen und Begabungen entspricht. Wir sind diejenigen, die werten und sagen, dass jemand nur etwas wert ist, wenn er eben eine akademische Laufbahn gemacht hat. Wir unterschätzen wirklich, welche hochwertige Ausbildung unsere jungen Leute durchlaufen, wenn sie gut vorbereitet von der Poly­technischen Schule in die Berufswelt einsteigen. Man braucht sich nur anzuschauen, was unsere Jugend in der dualen Ausbildung lernt. Wir sind es, meine sehr geehrten Damen und Herren, die vielfach den jungen Leuten einen wirklich erfolgreichen Start in die Ausbildung und ins Berufsleben verbauen!

Ich freue mich ganz besonders, dass wir in Niederösterreich immer andere Wege ge­hen. Wir treffen uns immer, auch mit den Sozialpartnern (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), und weil uns Berufsorientierung so wichtig ist, haben wir an der Päda­gogischen Hochschule in Baden einen Masterlehrgang für Berufsorientierung einge­richtet, der von den Lehrerinnen und Lehrern irrsinnig gerne in Anspruch genommen wird. Es gibt jetzt den dritten Lehrgang, weil es ganz einfach wichtig ist, dass jedes Kind seinem Potenzial entsprechend eine Ausbildung bekommt. Diese Möglichkeit und diese Chance gibt es bei uns in Österreich, egal welcher Herkunft das Kind ist. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

17.57


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte.


17.57.35

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Frauen Ministerinnen! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Ge­setzesbeschluss werden so viele verschiedene Einzelthemen abgehandelt, dass es insgesamt sehr schwierig ist, da eine Gesamtbeurteilung zu finden. Auch ich möchte versuchen, an verschiedenen Punkten unsere – eigentlich – Zustimmung und dennoch unsere generelle Ablehnung  zu argumentieren.

Es geht zum einen um diese Modernisierung der Lehrpläne an den Polytechnischen Schulen. Ich möchte meiner Vorrednerin, Kollegin Zwazl, zustimmen, dass diese Auf­wertung der Polytechnischen Schule etwas ganz, ganz Wertvolles ist und man so jungen Menschen einen sehr guten Start in die nächste Phase ihres Lebens ermög­lichen kann. Insofern sind diese Berufsorientierung und die Spezialisierung auch sehr wertvolle Überlegungen. Dennoch macht uns die wieder voranschreitende Separierung in verschiedene Gruppierungen und damit auch in Leistungsgruppen zu schaffen.

Wir SozialdemokratInnen verfolgen immer eine Idee von Bildung, in der Separierung keinen Platz hat und auch nicht notwendig ist. Meine Kollegin Doris Hahn hat das bereits ausgeführt, auch das IHS hat in seiner jüngsten Studie bestätigt, dass es um inklusiven, gemeinsamen Unterricht und gemeinsame Ausbildung geht und weniger um Separierung, weil dadurch für junge Menschen einfach Türen zugemacht werden, was nicht notwendig ist. Wir wollen, dass kein junger Mensch, kein Schüler, keine Schülerin zurückgelassen wird. (Präsident Bader übernimmt den Vorsitz.)

Ein anderes Thema, das aus unserer Sicht sehr viel Potenzial hat, ist dieses Thema der Datenweitergabe vom Kindergarten an die Volksschule, speziell im Bereich der


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Sprachförderung. Es gab schon im Schulrechtspaket 2016 Überlegungen dazu und es waren Möglichkeiten vorgesehen.

Es gab auch das Modell des Bildungskompasses, damals noch unter Ministerin Karmasin pilotiert, mit dem versucht wurde, den Übergang vom Kindergarten in die Volksschule zu begleiten. Das wurde nie oder vielleicht noch nicht umgesetzt. Wir aber glauben, dass genau diese Nahtstelle ein riesengroßes Potenzial hat, sehr sensibel ist und es durchaus Sinn macht, sie zu begleiten. Die Elementarpädagogin hat im Idealfall über Jahre die Möglichkeit, ein Kind zu beobachten, und weiß, wo dessen Potenzial liegt, weiß, wo dessen Unterstützungsbedarf liegt.

Bisher ist es so, dass es einen Schnitt gibt, wenn das Kind in die Schule kommt, und die Volksschulpädagogin, der Volksschulpädagoge wiederum Monate braucht, um herauszufinden, was die Elementarpädagogin schon wusste. Das muss nicht sein, diese Zeit vergehen zu lassen und die Förderung nicht gewähren zu können, weil Monate vergehen. Dieser Austausch zwischen dem Kindergarten und der Volksschule ist also etwas sehr Wertvolles – immer mit dem Fokus, dass es ressourcenorientiert und nicht stigmatisierend passiert.

Ich möchte in dem Zusammenhang, weil wir als Länderkammer ja auch immer sehr gute Beispiele von lokaler Ebene einbringen können, als Bundesrätin aus Wien ein Best-Practice-Modell aus Wien einbringen, bei dem genau diese Übergänge zwischen den verschiedenen Bildungsstufen in den Fokus genommen werden, und zwar das sogenannte Bildungsgrätzel.

Sie alle kennen wahrscheinlich das afrikanische Sprichwort: It takes a village to raise a child. Wir haben das umgewandelt in: It takes a Grätzel to raise a child, weil wir wissen, dass in diesen Grätzeln – auch im ländlichen Raum – verschiedenste Bildungs­institu­tionen vorhanden sind und im Idealfall im besten Interesse des einzelnen Kindes zusammenwirken und zusammenarbeiten und von der Musikschule über Vereine, über die NMS, über den Kindergarten kooperieren und dem Kind einfach tolle Möglichkeiten eröffnen können.

Ein Thema, bei dem wir, wie gesagt, Bauchweh und unsere Schwierigkeiten haben, ist das Thema der individuellen Kompetenzmessung. Es steht in einem Spannungsfeld zur Entwicklung der Schulstandorte. Unser Fokus liegt viel stärker auf der Entwicklung der Schulstandorte, nämlich auf der Frage, wie es einer Schule gelingt, die Bildungs­standards bei allen individuellen Herausforderungen, die jeder Schulstandort fraglos hat, zu erfüllen. Dort muss dann angesetzt werden, um diese Schulentwicklung zu betreiben. Schafft es also die Schule unter den jeweiligen Bedingungen das jeweils Beste aus ihren Schülern und Schülerinnen herauszuholen?

Das Konzept der vorherigen Regierung in den letzten Monaten war, die Verantwortung für den Lernerfolg dem einzelnen Kind, dem einzelnen Schüler, der einzelnen Schü­lerin umzuhängen und sie auch in eine jeweilige Schublade zu stecken.

Wir Österreicher sind bekannt dafür, dass wir ziemlich weit vorne liegen, wenn es darum geht, dass Bildung vererbt wird – wir wollen das eigentlich aufbrechen. Monika Mühlwerth, wenn du sagst, man muss Eltern, die es nicht schaffen, ihre Kinder gut zu begleiten, stärker in die Pflicht nehmen, dann versuche ich, mir das vorzustellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, nein, so steht es ja nicht drinnen!) Diese Familien, die ich da im Blick habe, die es offensichtlich nicht schaffen, aus welchem Grund auch immer, ihr Kind gut zu begleiten und zu fördern, woher sollen sie diese Fähigkeit be­kommen, wenn man ihnen sagt: Aber du musst das jetzt machen, sonst bekommst du eine Strafe!?


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Mir geht es um das Kind. Das Kind kann nichts für seine Eltern, sondern das Kind muss aufgefangen werden und umso mehr begleitende und fördernde Angebote bekommen. Da helfen Verpflichtungen und auch Konsequenzen für die Eltern meistens sehr wenig. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber man ermutigt die Eltern damit, genau nichts zu tun! Man kann ihnen ja helfen!)

Der Direktor der OECD, Andreas Schleicher, ist da auch unserer Meinung, denn er sagt, ein gutes Bildungssystem zeichnet sich dadurch aus, dass es alle Kinder schaf­fen können. – So viel dazu.

Ich möchte noch ein Thema, das uns sehr wichtig ist, einbringen. Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass Schule auf das Leben vorbereiten soll und Kindern und Jugend­lichen auf Fragen betreffend ihr Leben auch Antworten geben soll. Dazu gehört selbst­verständlich auch das Thema der Sexualität. Seien wir ehrlich und denken wir an unsere eigene Jugend zurück: Mit wem bespricht man denn solche heiklen Dinge wie Sexualität und Fragen, die man in diesem Zusammenhang hat? – Am liebsten mit Freunden und Freundinnen. Uns als Pädagogen und Pädagoginnen muss es aber auch wichtig sein, dass ExpertInnen mit dem nötigen Fachwissen und dem nötigen Feingefühl zur Verfügung stehen, weil dieses Thema selbstverständlich etwas sehr Sensibles ist.

Wir brauchen ExpertInnen, die keine vorgefertigten Meinungen darüber haben, was denn gut und was generell schlecht ist, sondern sie sollen aufklären und ihr Wissen anbieten, und das in einem möglichst vertrauensvollen, kindgerechten, altersgerechten Setting. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!) Das ist nun einmal für manche Lehrer und Lehrerinnen ein bisschen schwierig, wenn sie wissen, in der nächsten Stunde müssen sie dieses Kind auch beurteilen und benoten und sollen eine Wertung abgeben. Da überlegt man sich auch als Kind, als Schülerin: Vertraue ich jetzt genau dieser Person meine intimsten Fragen an?

Darum sind wir der Meinung, es ist unbestritten, dass es ExpertInnen zu diesem Thema gibt und dass das die LehrerInnen entlasten würde, so wie es auch bisher war. Diese sind professionalisiert und darin geschult, mit Kindern und Jugendlichen über dieses Thema zu sprechen. Es braucht generell viel mehr externe ExpertInnen in den Schulen, denn eine Schule ist keine Insel. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist ein Pädagoge kein Experte?) Eine Schule hat ein Lebensumfeld und es gibt so viele Professionen und Menschen, die in dieses Schulsystem, in dieses Bildungssystem Kompetenzen einbringen können.

Das Wichtige für uns ist, dass die Qualität dessen, was da angeboten wird, gewähr­leistet wird. Es ist ein sensibles Thema, und die Qualität muss besonders sensibel geprüft werden.

Deshalb bringen wir einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, Daniela Gruber-Pruner, Korinna Schumann, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Sicherstellung Finanzierung qualitätsvoller sexueller Bil­dung an Schulen“

Unsere Forderung wäre:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, einen Aktionsplan zur Umsetzung und Sicher­stel-


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lung zeitgemäßer, flächendeckender Bildungsangebote zu den Themen Sexualität, Verhütung, sowie Schwangerschaftsabbruch in Schulen vorzulegen. Die qualitätsvolle Überprüfung im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens und die ausreichende Finan­zierung von externen Anbietern und Beratungsstellen, deren Inhalte mit dem Grund­satzerlass Sexualpädagogik übereinstimmen, ist sicherzustellen.

Das angekündigte Akkreditierungsverfahren muss in enger Abstimmung mit der Schul­aufsicht erfolgen“.

*****

Wir bitten um Ihre Zustimmung dazu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07


Präsident Karl Bader: Sehr geehrte Frau Kollegin Gruber-Pruner, ich gehe davon aus, dass Ihre Forderung als Antrag zu werten ist. – Der von den BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sicher­stellung Finanzierung qualitätsvoller sexueller Bildung an Schulen“ ist somit genügend unterstützt und steht demnach auch in Verhandlung. (Bundesrat Spanring: Danke, Herr Präsident, für Ihre Güte! Ich sage das für die SPÖ! – Bundesrätin Mühlwerth: Nicht zum ersten Mal rettest du die SPÖ!)

Die Nächste auf der Rednerliste ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.

18.08.24


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Besucher auf der Galerie und via Livestream zu Hause! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kollegen von der SPÖ! Bitte, hört erstens mit der Gleich­macherei auf! Gleiche Chancen heißt nicht, dass alle gleich sind, das solltet ihr viel­leicht einmal zur Kenntnis nehmen.

Punkt zwei: Bitte hört auf, alle Schüler in Watte zu packen! (Zwischenruf der Bundes­rätin Hahn.) Von euch werden alle Schüler in Watte gepackt und gehätschelt und gepflegt wie eine empfindliche Pflanze und dann am Ende, und das finde ich das Fatale, ins Leben hinausgestellt, und sie wissen überhaupt nicht, was da jetzt los ist, weil es im normalen Leben ganz anders zugeht als in der Schule. (Beifall bei der FPÖ.) Ganz offen gesagt empfinde ich es als ein Verbrechen an den Kindern, sie in dieser Beziehung nicht auch entsprechend auf das Leben vorzubereiten.

Weil Sie die Leistungsgruppen immer so kritisieren (Bundesrat Beer: Die Leistungs­gruppen stigmatisieren die Kinder!): Komischerweise haben auch Sie überhaupt nichts dagegen, wenn beim Sport der Leistungsgedanke zählt. Da sitzen auch Sie und drücken den österreichischen Skifahrern die Daumen und hoffen, dass ein Österreicher an der ersten Stelle ist und nicht ein Deutscher oder Schweizer oder Italiener. Da zählt der Leistungsgedanke. (Bundesrätin Hahn: Das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge!) In der Schule darf dieser überhaupt nicht zählen, denn da sind die Kinder stigmatisiert, und am Ende kommen sie aus der Schule heraus und sind alle Neu­ro­tiker. Das ist Ihre Diktion in Bezug auf die Schule und den Leistungsgedanken. (Beifall bei der FPÖ.)

Soweit ich weiß, Frau Kollegin Hahn, sind ja Sie selber Lehrerin, oder? (Bundesrätin Hahn: Ja! – Bundesrat Weber: Sie steht in der Klasse!) – Eben. Sie müssten doch eigentlich wissen, wie frustrierend das ist, wenn ein Kind dauernd nur mit den Guten zusammen ist, wenn es quasi immer der „Dodel“ – unter Anführungszeichen natürlich nur – der Gruppe ist. Das heißt, ich brauche auch eine Gruppe, in der auch diejenigen,


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die nicht ganz so schwach, aber schwächer als die ganz Guten sind, Erfolgserlebnisse haben. Wir reden da, vor allem beim Poly, von Kindern, die schwerst in der Pubertät sind, die ganz andere Sorgen als die Schule haben, die ihre geringste Sorge ist. Diese sind klarerweise zuallererst mit sich selber beschäftigt, weil da Verschaltungen statt­finden, weil sie quasi wie eine Festplatte neu aufgesetzt werden und überhaupt nicht wissen, wohin mit sich. – Alle unter Ihnen, die Pädagogen sind, wissen das auch. (Bun­desrätin Hahn: Was heißt das jetzt? Heißt das jetzt, dass ich sie selektieren soll?)

Dann ist er oder sie halt in der zweiten Leistungsgruppe – ich rede bei Schülern immer von Mädchen und Burschen. Solange das System durchlässig ist, ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden. Wenn es ein einzementiertes System, in dem gesagt wird: Aus dieser Gruppe kommst du in diesem Leben nicht mehr heraus!, gibt, dann ist das schlecht. Solange man aber den Übergang hat und sagt, man kann auch von dieser Gruppe in die bessere kommen, ist doch dagegen überhaupt nichts einzuwen­den. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

Jetzt machen wir das Poly – also die Polytechnische Schule, die aber im Volksmund nach wie vor Poly genannt wird – mit kompetenzorientierten Lehrplänen, mit einer bes­seren Aufteilung fit für die Zukunft. Das finden Sie ja Gott sei Dank eh gut, aber dann findet man wieder das berühmte Haar in der Suppe – und schon kann man nicht mehr zustimmen. Dann kommt, wie immer bei Ihnen, der Ruf nach den Experten. Was würden wir ohne Experten tun? – Wirklich, wir wären ein armes Volk ohne Experten, denn ohne Experten geht bei Ihnen gar nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen noch zum Abschluss – damit ich nicht zu lange spreche, denn das meiste ist ja schon gesagt worden und ich habe auch schon vieles in meiner voran­gegangenen Rede ausgeführt –: Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass die Lehrer, also Männer wie Frauen, von Experten unterrichtet werden. Das heißt also, die Pädagogen sind Experten! Da würde ich jetzt nur noch bitten: Lasst doch diese pädagogischen Experten einfach ihre Arbeit tun! (Beifall bei der FPÖ.)

18.13


Präsident Karl Bader: Die Nächste auf der Rednerliste ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile ihr das Wort.


18.13.23

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frauen Ministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer auf der Galerie! Mein Thema sind die Schulversuche, die auch Inhalt dieser Geset­zesnovelle sind. Dazu hat der Rechnungshof interessante Zahlen geliefert: Vor der Bildungsreform gab es insgesamt 5 351 – ich wiederhole es: 5 351! – Schulver­suche; eine Anzahl also, die fast unglaublich ist. Deswegen wurde im Rechnungs­hof­ausschuss auch eine Feststellung gemacht, dass bei dieser unglaublich großen Anzahl eigentlich das ganze österreichische Schulwesen ein Schulversuch ist.

Erlauben Sie mir bitte, dass ich auf der Galerie unsere Frau Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann aus Tirol, ehemalige Bundesratspräsidentin, begrüße. – Grüß Gott! (Allgemeiner Beifall.)

Ich komme nun zurück zum Rechnungshof: Es war sein Vorschlag, die Anzahl der Schulversuche zu reduzieren, jene Schulversuche, die sich bewährt haben, in das Regelschulwesen überzuführen und alle Schulversuche, die sich nicht bewährt haben, auslaufen zu lassen. Dabei wäre aber leider die Übernahme auch von Schulversuchen, die zum Beispiel im sportlichen oder im technischen Bereich wirklich erfolgreich waren, ins Regelschulwesen aus rein formalen Gründen nicht möglich gewesen. Als Tirolerin denke ich da zum Beispiel an das uns allen bekannte Schigymnasium Stams, das


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eigentlich seit dem Jahre 1967/1968 ein Schulversuch ist. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 52 Jahre lang ein Schulversuch. Deshalb haben wir auch gemeinsam einen Initiativantrag eingebracht, um das Schulorganisationsgesetz dahin gehend zu ändern, dass auch diese bewährten Schulversuche eingeschlossen werden und erhalten bleiben.

Zum Schigymnasium Stams, das den meisten oder allen hier bekannt ist, möchte ich nur ein paar Zahlen nennen, um dessen Erfolg aufzuzeigen: Seit der Gründung im Schuljahr 1967/1968 wurden von den dortigen Absolventen 96 olympische Medaillen, 216 Medaillen bei Weltmeisterschaften und 296 Medaillen bei Juniorenweltmeister­schaften erzielt. (Bravoruf bei der SPÖ.) Ich glaube, da kann man wirklich stolz darauf sein. Sie kennen die bekannten Spitzensportler – ich darf nur einige aufzählen –: Benni Raich, Marlies Schild, Mario Matt, Stefan Eberharter, Patrick Ortlieb, Mario Stecher, Felix Gottwald – ich könnte da eine Viertelstunde aufzählen, aber Sie kennen die meisten. (Bundesrat Novak: Die Kärntner hast vergessen! – Bundesrätin Schumann: Aber Niederösterreicher gibt’s auch ein paar! – Ruf bei der FPÖ: Stams ist ja in Tirol!)

Es ist wirklich eine absolut imposante Bilanz, die jetzt aber nur stellvertretend für all jene Schulen und Schulversuche, die ähnlich gute Leistungen erbracht haben, genannt wird. Es wäre ein Riesenschaden gewesen, wenn man diese Schulversuche auslaufen hätte lassen müssen.

Ich möchte auch ein zweites Beispiel bringen, nämlich aus der Welt der Technik und Wirtschaft – die meisten werden es vielleicht kennen –: die Thöni Akademie in Telfs in Tirol. Dabei handelt es sich um einen Schulversuch über die duale Ausbildung, ein sehr erfolgreiches Ausbildungsmodell für künftige Fachkräfte in der Aluminium- und Metallbranche. Die Schülerinnen und Schüler gehen in ein technisches Gymnasium und werden dort gleichzeitig als Facharbeiter ausgebildet. Die Thöni Akademie hat einen hervorragenden Ruf. Die Anmeldezahlen übersteigen immer bei Weitem die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die aufgenommen werden können; die Plätze sind einfach begehrt. Thöni ist ein Paradeunternehmen in Tirol, das zeigt, wie duale Ausbildung, um die uns ganz Europa beneidet, perfekt funktionieren kann. Die Thöni Akademie ist in das Unternehmen der Familie Thöni eingebunden und arbeitet her­vorragend mit dem Bundesoberstufenrealgymnasium in Telfs zusammen.

Weitere andere Schulversuche möchte ich nur streifen: das Sport- und Musik-Real­gymnasium in Salzburg oder das Leistungssport-Zentrum Südstadt für den Sommer­spitzensport. All diese hätten mit dem Schuljahr 2019/2020, also in diesem Herbst, die letzten Schülerinnen und Schüler aufnehmen können, weil eben am 31. August 2025 diese Schulversuche endgültig geendet hätten.

Ich möchte noch auf einen Punkt des Rechnungshofes zurückkommen. Er verlangt oder schlägt vor – ich glaube, da hat er sehr recht –: Wir müssen die Schulversuche weiter reduzieren. Im Jahr 2017/2018 hat es noch immer 1 420 Schulversuche gege­ben, obwohl man die Höchstzahl bereits um 74 Prozent reduziert hat.

Abschließend möchte ich allen Lehrerinnen und Lehrern danken und den Schülern sowie den Lehrpersonen frohe Ferien wünschen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.19


Präsident Karl Bader: Vielen Dank! Danke meiner Frau Kollegin auch für die prä­sidentielle Unterstützung bei der Begrüßung der Präsidentin des Landtages aus Tirol. – Liebe Sonja, ich heiße dich auch von meiner Seite herzlich willkommen!

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Mag. Dr. Iris Rauskala. Ich erteile es ihr.



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18.19.27

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Iris Rauskala: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr ge­ehrte Zuhörerinnen und Zuhörer beziehungsweise Zuschauer vor den Bildschirmen! Ich möchte nur kurz die Gelegenheit ergreifen, zu dieser Debatte ein kleines Detail beizusteuern: Die kontroversiell debattierte individuelle Kompetenzmessung ist nicht Teil des vorliegenden Gesetzesbeschlusses. Sie ist in diesem Paket nicht enthalten.

Insofern besteht diesbezüglich keine Sorge, dass irgendwo in eine falsche Richtung abgebogen werden könnte. Ich verstehe meine Position als derzeitige Bildungs­minis­terin durchaus so, dass wir die eingeleiteten und bereits lange diskutierten Maß­nahmen ruhig und in geordneter Art und Weise fortsetzen und zu einem Abschluss bringen. Insofern ist es für uns wichtig, vor allem im Bereich der polytechnischen Lehrgänge beziehungsweise im Bereich der Datenübergabe zwischen Kindergarten und Volksschule, vor allem dort, wo die Eltern dieser Verpflichtung nicht nachkommen, eine saubere gesetzliche Grundlage für das Handeln im nächsten Schuljahr zu erhal­ten.

Das ist wesentlicher Bestandteil dieses Gesetzespakets. Alles andere, was Sie kontro­versiell diskutiert haben, ist nicht darin enthalten. Das möchte ich an dieser Stelle nur kurz festhalten und auch einen kurzen Hinweis auf die viel diskutierten Schulversuche anbringen: Auch da sind wir natürlich bemüht und haben selbstverständlich einen Überblick darüber, welcher Schulversuch demnächst auslaufen wird. Das wird nicht ungeordnet passieren und vor allem auch nicht so passieren, dass 50 Jahre lang bestehende gute österreichische Provisorien zu einem abrupten Ende kommen wer­den. Ich kann Ihnen versichern, dass ich diesbezüglich alles dazu beitragen werde, dass das Bildungssystem vor allem auch beginnend mit dem nächsten Schuljahr in geordneten Bahnen weiterlaufen kann.

Ich bedanke mich sehr herzlich, dass Sie bereits das Bildungsinvestitionsgesetz an dieser Stelle auch positiv verabschiedet haben, das ein ganz wesentlicher Bestandteil dafür sein wird, dass wir dafür sorgen können, dass die individuelle Betreuung von Schülerinnen und Schülern ab dem Herbst sichergestellt wird. Das ist ein wesentlicher Bestandteil, wenn wir über die Weiterentwicklung des österreichischen Schulsystems sprechen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

18.21

18.21.43


Präsident Karl Bader: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt zu diesem Tagesordnungspunkt ein Antrag der BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Sicherstellung Finanzierung qualitätsvoller sexueller Bildung an Schulen“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.


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18.22.4423. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Woh­nungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG), BGBl. Nr. 139/1979, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 69/2018, geändert wird (907/A und 653 d.B. sowie 10202/BR d.B.)

Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin für diesen Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. – Ich bitte um den Bericht.


18.23.13

Berichterstatterin Marianne Hackl: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemein­nützigkeit im Wohnungswesen geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Liebe Frau Kollegin, ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile es ihr.


18.24.07

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Auch von meiner Seite alles Gute für die kommende Präsidentschaft! Ich glaube, dass du Niederösterreich gut vertreten wirst. Das hoffe ich, wir sind gemeinsam dabei.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte ZuseherInnen und ZuhörerInnen! Ich spreche heute zum Thema Wohnen. Wohnen ist ein Grundrecht und muss leistbar sein; Wohnen in privaten Mietwohnungen wird jedoch immer mehr zum Luxus.

Laut Statistik Austria sind in Österreich die Mieten von 2008 bis 2016 stark ange­stiegen, und zwar die privaten Mietzinse bei Neuvermietungen um 35 Prozent. Das muss man sich jetzt einmal auf der Zunge zergehen lassen: 35 Prozent, das ist schon sehr, sehr viel!

Mieten sind somit einer der stärksten Preistreiber. Seit 1998 sind die Mieten um 80 Prozent gestiegen, das ist doppelt so hoch wie die Inflationsrate. In einer von der Arbeiterkammer Wien beauftragten Studie des Ifes wurden 500 junge Wienerinnen und Wiener befragt. Im Schnitt wohnen diese in einer 70-Quadratmeter-Wohnung und zahlen dafür kalt – also mit Betriebskosten, Umsatzsteuer, ohne Warmwasser, Strom und Heizung – durchschnittlich 790 Euro im Monat. Das ist enorm viel Geld für junge Menschen.

Im Vergleich beträgt bei den Gemeindewohnungen die Bruttomiete für eine 70-Quadratmeter-Wohnung 540 Euro im Monat, für Genossenschaftswohnungen im Schnitt 600 Euro. Das sind einmal 32 Prozent und einmal 25 Prozent weniger als im privaten Bereich.

Wer weniger verdient, muss den Großteil seines Einkommens allein für die Miete aus­geben. Das ist eine Schieflage, und diese haben wir als gewählte Volksvertreter in


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Ordnung zu bringen. Der soziale Wohnbau, das sind die Genossenschafts- und die Gemeindewohnungen, hält das Wohnen leistbar. Das sind immerhin 900 000 Woh­nun­gen. Ziel muss es also sein, leistbares Wohnen für die breite Masse sicherzustellen.

Mit der geplanten Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, kurz WGG, von der türkis-blauen Regierung noch vorbereitet und als Initiativantrag der Bautensprecher der Volkspartei und der Freiheitlichen Partei, und zwar von den Nationalräten Singer und Schrangl, im Nationalrat eingebracht, wird dies jedoch nicht sichergestellt. Im Gegenteil! Es kommt sogar zu Verschlechterungen für Mieter. Bis jetzt konnten Mie­terInnen von Genossenschaftswohnungen diese nach zehn Jahren käuflich erwerben. Auf Betreiben der Volkspartei wird diese Frist nun auf fünf Jahre verkürzt: Stichwort: Eigentum ist super, und Wohnungseigentum verhindert Altersarmut!

Unsere Meinung dazu ist eine andere, denn wir sehen keinen Grund für eine Kauf­option nach fünf Jahren. Mieter, die sich nach fünf Jahren eine Wohnung kaufen können, werden in keine Genossenschaftswohnung einziehen, sondern kaufen sich sowieso gleich eine Eigentumswohnung. Das ist unsere Meinung dazu. Außerdem fällt beim Kauf nach fünf Jahren zusätzlich die Umsatzsteuer an, was die Wohnung entsprechend verteuert. Diese Maßnahme als erleichterte Eigentumsbildung zu verkaufen, ist also unserer Meinung unrichtig.

Die Eigentumsoption stellt ein Durchbrechen der Grundprinzipien des WGG dar, nämlich leistbare Wohnungen auf Dauer zur Verfügung zu stellen. Die mit Steuergeld finanzierten verhältnismäßig günstigen Wohnungen werden an Private und Gewerb­liche verkauft, die diese wiederum teurer weitervermieten können. Was Wohnkosten massiv in die Höhe treibt, sind zum Beispiel die sogenannten Vorsorgewohnungen. Die Mieten steigen explosionsartig. Hohe Mieten bedeuten hohe Profite für die Immobilien­wirtschaft und Spekulanten. Grund und Boden sind längst zu einem Spekulationsgut geworden, und das betrifft auch die Gemeinnützigen, die im Wettbewerb mit den pri­vaten Investoren stehen. Die Wohnbaugenossenschaften, auf die Druck ausgeübt wird, dürfen sich nicht an den Mietern schadlos halten.

Positiv sehen wir an der vorgelegten Novelle auf alle Fälle das von der SPÖ schon lange geforderte Verbot der touristischen Kurzzeitvermietung über diese Onlineplatt­formen wie zum Beispiel Airbnb.

Ein Minuspunkt in der Novelle ist die Streichung des § 6 Abs. 1 Z 5 des Konsumen­tenschutzgesetzes. Dieser Paragraf schützte die Mieterinnen und Mieter vor unvor­hergesehenen Mietzinserhöhungen, die Bauvereinigungen werden jetzt von der Pflicht zur transparenten Vertragsgestaltung befreit. Durch diese Änderungen werden die Immobilienunternehmen einseitig und unangemessen bevorzugt.

Wir fordern seitens der SPÖ zum Thema leistbares Wohnen Folgendes: ein neues Universalmietrecht mit klaren, gesetzlich definierten und leistungsbezogenen Zu- und Abschlägen, keine Befristungen, transparent und bundeseinheitlich. Das neue Miet­recht muss für alle Wohnungen gelten, nicht nur für die Altbauten. Es muss Schluss sein mit den unzähligen und ungeregelten Zuschlägen. Zuschläge und Abschläge soll­ten nur gesetzlich geregelt und auch investitionsbezogen möglich sein. 20 Jahre ab Fertigstellung soll auch für diese frei finanzierten Wohnungen das Mietrechtsgesetz mit den Mietzinsgrenzen gelten. Das senkt die Mieten bei ausfinanzierten Wohnungen um durchschnittlich 15 Prozent. Das bedeutet bei einer Miete, wie vorher im Beispiel erwähnt, von knapp 800 Euro Monatsmiete eine Ersparnis von 1 440 Euro im Jahr. Das ist ein toller Urlaub!

Es soll strenge Strafen für Mietwucher geben, wir fordern daher die Einführung eines Verwaltungsstrafbestands Mietwucher. Als Sofortmaßnahme würden wir vorschlagen: Weg mit der Umsatzsteuer von 10 Prozent auf Mieten! Damit sparen sich die Mieter


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eine Monatsmiete im Jahr. Die Maklerprovision soll vom Besteller bezahlt werden, in den meisten Fällen ist das der Vermieter. Wir wollen die Flächenwidmung sozialer Wohnbau verfassungsrechtlich absichern. Eingeführt werden soll bei der Wohnungs­ge­meinnützigkeit auch der Grundsatz: einmal WGG, immer WGG! Das soll heißen, wer eine geförderte Wohnung als Eigentum erwirbt, darf auch bei einer Vermietung dieser Wohnung nur die günstige WGG-Miete verlangen. Die geförderte Errichtungsweise soll im Grundbuch eingetragen – auch eine wichtige Forderung – und die Vermietung der Wohnung somit auf Dauer preisgeregelt werden.

Weiters ist es uns auch enorm wichtig, dass eine Investitionsoffensive im sozialen Wohnbau gestartet wird. So könnten in etwa 25 000 Wohnungen zusätzlich zur normalen Bauleistung errichtet werden, wenn die Wohnbauinvestitionsbank zinsenfreie Kredite von der Europäischen Investitionsbank weitergeben würde.

Was die gemeinnützige Wohnungswirtschaft wirklich braucht, sind weniger Normen, vereinheitlichte Bauvorschriften, günstiges Bauland vonseiten der öffentlichen Hand und eine verfassungsrechtliche Absicherung der Flächenwidmung sozialer Wohnbau.

Die sozialdemokratische Fraktion kann daher aus den genannten Gründen der Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes nicht zustimmen. – Ich danke für die Auf­merk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.31


Präsident Karl Bader: Bundesrat Mag. Christian Buchmann gelangt als Nächster zu Wort. Ich erteile ihm dieses.


18.31.52

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Saal und via Livestream, sofern Sie noch un­sere Beratungen mitverfolgen! Die in Rede stehende Novelle zum Wohnungsgemein­nützig­keitsgesetz beschäftigt sich aus meiner Sicht mit einem Grundbedürfnis der Öster­reicherinnen und Österreicher, und zwar mit dem Dach über dem Kopf, mit dem Wohnen. Dieses Grundbedürfnis der Österreicherinnen und Österreicher – das sollten wir nie vergessen, Frau Kollegin Prischl – wird in Österreich in unterschiedlichen Bun­desländern auch in den Formen schon sehr unterschiedlich gelebt.

Es gibt Österreicherinnen und Österreicher, die im Eigenheim leben, es gibt Öster­reicherinnen und Österreicher, die in Eigentumswohnungen leben, es gibt Österreiche­rinnen und Österreicher, die in privaten Mietwohnungen wohnen und es gibt – damit haben Sie sich im Besonderen beschäftigt und das ist jetzt auch Gegenstand dieser Novelle – Österreicherinnen und Österreicher, die in gemeinnützigen Wohnungen leben.

Alle diese Wohnungsbestandteile sind wichtig, und ich habe es mir für mein Heimat­bundesland Steiermark angeschaut. Da weichen wir durchaus von anderen Bundes­ländern und auch vom Österreichschnitt etwas ab. Bei uns in der Steiermark leben beispielsweise 47 Prozent der Steirerinnen und Steirer in Eigenheimen und immerhin noch 12 Prozent in Eigentumswohnungen, in gemeinnützigen oder Genossenschafts­einrichtungen, geförderten Wohnungen leben 18 Prozent und zur privaten Miete 13 Pro­zent. Der verbleibende Rest, was Sie schon wissen, wenn Sie mitgerechnet haben, sind dann 10 Prozent, das sind zum Beispiel Dienst- und Naturalwohnungen oder sonstige Mietverhältnisse. Das heißt, wir müssen immer den Blick auf das Ganze und nicht nur auf einen Teil haben. Heute beschäftigen wir uns aber mit einem Teil, und ich möchte sagen, dass aus meiner Sicht die gemeinnützigen Wohnbauträger, auch die Kommunen da einen sehr, sehr wesentlichen Beitrag leisten.


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Ja, Wohnen ist ein Thema, das die Österreicherinnen und Österreicher fordert, weil es auch einen Teil ihres Einkommens entsprechend aufzehrt. (Bundesrätin Schumann: Einen großen Teil!) – Es wird immer zu viel sein, was da investiert wird, weil man eben auch andere Ausgaben gerne decken möchte oder auch im Bereich von langfristigen Wirtschaftsgütern investieren möchte.

Frau Kollegin Prischl hat einige Punkte angesprochen, die aus meiner Sicht von Exper­tinnen und Experten im zuständigen Ausschuss am Dienstag entkräftet werden konnten. Ich darf zu dieser Novelle sagen, dass im Wesentlichen vier Kernpunkte an­gesprochen sind: auf der einen Seite der Schutz von gemeinnütziger Vermögens­bildung und auf der anderen Seite die Eigentumsbildung. Sie haben den Mietkauf sehr kritisch gewürdigt, ich würde es durchaus positiv sehen, dass es jetzt mehrere Kauf­antragsoptionen für den potenziellen Erwerber gibt. Es ist durchaus ein erweitertes Recht für den potenziellen Erwerber, der das möchte, und aus meiner Sicht auch im Sinne einer Eigentumsbildung sehr positiv zu bewerten, wie überhaupt meine Gesin­nungsgemeinschaft, die Österreichische Volkspartei, dem Eigentumsbegriff grundsätz­lich sehr positiv gegenübersteht.

Das hat auch eine ganz klare Konsequenz: Wenn Sie dem Eigentum, auch dem Privat­eigentum sehr positiv gegenüberstehen, dann werden Sie selbstverständlich auch in den Erhalt dieses Privateigentums und die Sicherung dieses Privateigentums inves­tieren. Daraus resultiert schon, dass ein gewisser Aufwand mit diesem Privateigentum verbunden ist, der auch in Mietverhältnissen entsprechend gedeckt werden will, wenn Sie Immobilien nicht abhausen wollen. In diesem Sinne erklärt sich manches von dem, was Sie sehr kritisch beleuchtet haben, dass da eben entsprechende Mietentgelte erforderlich sind, wenn man die Substanz wahren und auch zukunftsfit machen möchte. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Zukunftsfähigkeit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft ist auch ein wesent­licher Bestandteil dieser Novelle. Ich glaube, dass sie sehr gut angedacht ist, weil diese Novelle auf der einen Seite sicherstellt, dass Spekulationen verunmöglicht wer­den, und auf der anderen Seite die Bezüge für Mandatsträger in den Wohnbaugenos­senschaften entsprechend der Bundes-Vertragsschablonenverordnung unterworfen werden. Wir bringen darüber hinaus auch einen Gedanken in diese Novelle ein, der mir persönlich sehr sympathisch ist, dass nämlich Opfer eine Bevorrangung bei der Zutei­lung dieser Wohnungen bekommen. Das ist etwas, was, glaube ich, einem Land wie Österreich gut ansteht und womit wir betroffenen Menschen, die in einer beson­deren Lebenssituation stehen, auch besonders dienlich sein können.

In Summe, glaube ich, dass das eine klug durchdachte Novelle zum Wohnungs­ge­meinnützigkeitsgesetz ist und daher heute eine Beschussfassung möglich ist. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

18.37


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Wolfgang Beer. Ich erteile es ihm.


18.37.59

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz: Warum machen wir eigentlich Gesetze? Was sollen diese Gesetze bezwecken? – Grundsätzlich machen wir Gesetze, um unser Zusammenleben gedeihlich zu gestalten oder gestalten zu können. Wir machen Gesetze auch für die Menschen, nur schaut es mir in dem Fall nicht so aus, wie wenn dieses Gesetz für die Menschen, für die Mieter wäre, sondern eher für Spekulanten und auch für Immobilienkonzerne.


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Wenn man sich die Problematik des Wohnens im Detail ansieht – ich möchte vielleicht einmal bei Wien bleiben, denn für Wien weiß ich es am besten –, so sieht man, dass wir auf dem privaten Markt innerhalb von acht Jahren eine Erhöhung der Mieten um 43 Prozent gehabt haben. (Bundesrat Steiner: Das ist die sozialistische Politik!) Wer von Ihnen hat eigentlich in den letzten acht Jahren die Hälfte seines Gehaltes zu seinem Gehalt dazubekommen? – Ich glaube, niemand.

Wenn Wien hier also nicht gegensteuern und den sozialen Wohnbau fördern würde, dann wären die Mieten noch wesentlich höher. Wir sehen das auch bei den Zuschlä­gen auf ortsabhängige Mieten, die in exorbitante Höhen schnellen. Die haben alle zwei Jahre ungefähr 10 Prozent Zuwachs.

In diesem Gesetz wird festgelegt, dass das Eigentum schon nach fünf Jahren be­gründet werden kann, also dieser Mietkauf, und das muss innerhalb von 20 Jahren vier Mal angeboten werden. Es kommt dazu, dass der Mietkauf eigentlich die schlechteste Form ist, denn wir haben ein gemischtes Haus, in dem wir Mieter und Eigentümer haben. Die Eigentümer sind aber nicht zu gleichen Teilen, sondern anteilsmäßig Eigen­tümer, und wenn jetzt eine Genossenschaft oder ein Erbauer diese geförderten Woh­nungen baut, ist er immer Mehrheitseigentümer. Vom Wohnungseigentumsgesetz her macht das schon einige Probleme, aber ich glaube, das wissen eh alle, weil man sich ja informiert.

Wir haben in Wien bei 70 Quadratmetern einen Mietpreis von ungefähr 800 Euro am freien Markt. Man muss sich das einmal vorstellen, 800 Euro für 70 Quadratmeter (Ruf bei der SPÖ: Günstig ist das!), und das Ganze kalt, noch keine Kosten fürs Heizen, keine Kosten für Strom dabei! (Bundesrat Steiner: Jetzt muss ich aber schon fragen: Wie lange regiert schon die SPÖ ...?) – Entschuldigung, auch wenn du mich fragst, wie lange die SPÖ da regiert, so reden wir doch vom freien Markt. Der freie Markt, das sind die, die ihr vertretet, wo ihr sagt: Wir wollen haben, dass es denen besser geht. (Heiter­keit und Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben nämlich im Bereich der Gemeinde- - (Bundesrat Spanring: Herr Kollege, wir vertreten alle!) – Ich höre dir gleich zu, aber es gehört auch einmal etwas zu Ende gesagt. Wir haben im Bereich der Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen einen Preis von 540 Euro bis 600 Euro für 70 Quadratmeter. So, jetzt kannst du etwas sagen, jetzt höre ich dir auch zu. (Bundesrat Spanring: Wir vertreten alle!) – Seit wann? (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber gut, ist wurscht.

Wir haben beim Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz das Problem, dass ausbezahlte, ausfinanzierte Wohnungen, die durch die Genossenschaften ausfinanziert sind, keine Mietsenkungen mehr erfahren können. Die Errichter können dann eigentlich verlangen, was sie wollen. Bis jetzt war es so, dass man das einfach etwas herunterfahren konnte, wenn es die Genossenschaft befürwortet hat, wenn die Genossenschafter dafür waren. Das fällt jetzt eigentlich weg.

Ein wesentliches Problem für mich – vielleicht sehen das andere anders – sind die Wohnungen mit 40 Quadratmetern. Man kann sie nicht ankaufen, diese fallen aus dem Gesetz heraus. Da haben wir die Problematik, dass eigentlich diese kleinen Woh­nungen für ältere Menschen, die dann in Pension sind und denen, wenn die Pension nicht mehr so hoch ist oder wenn der Partner stirbt, gerade diese Wohnung das Über­leben sichern würde; diese Wohnungen sind herausgenommen.

Der wirtschaftliche Faktor dieser hohen Mieten ist fatal: Es geht bei den meisten Men­schen mehr als die Hälfte ihres Gehalts für die Miete zu all den Immobilienspekulanten. Sie kaufen nichts mehr ein, die Bauern kriegen das Geld nicht, denn diese produzieren Lebensmittel; sie kaufen sich keine Textilien, sie machen keine Anschaffungen mehr,


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sie fahren nicht auf Urlaub, denn das ganze Geld in die Wohnung fließt – aber ihr wisst das eh auch alle.

Zuletzt möchte ich nur sagen: Es werden immer wieder Genossenschaftswohnungen verkauft, aber nicht an die Mieter, sondern an große Konzerne, und es gibt immer wieder diese Beispiele, dass dann plötzlich diese Genossenschaftswohnungen leer stehen, weil die Mieten über Nacht auf einmal um 30, 40, 50 Prozent erhöht wurden. Davor schützt uns dieses Gesetz auch nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Und wer macht es? Die roten Genossenschaften!) – Jetzt weiß ich, was mir abgegangen ist: Du warst nicht da, Monika.

18.45


Präsident Karl Bader: Als Nächster gelangt Bundesrat Bernd Saurer zu Wort. Ich erteile es ihm.


18.45.07

Bundesrat Mag. Bernd Saurer (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Zuseher auf der Galerie und via Livestream zu Hause! Ich möchte nur einmal kurz vorweg auf das Gesagte meines Vorredners eingehen, und zwar zu den Gemeindewohnungen. Ich möchte dazu anschließen, dass Wien seit 20 Jahren keine 500 Gemeindewohnungen mehr gebaut hat. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Das Zweite: Was mich ein bisschen verwundert, ist, dass das Wort Buwog überhaupt nicht gefallen ist. Das heißt, anscheinend ist dieses Reizthema schon zu sehr ausgelutscht, als dass man es andauernd anführen könnte.

Jetzt zum eigentlichen Thema, dem gemeinnützigen Wohnbau: Dieser hat in Öster­reich eine lange Tradition. (Bundesrat Beer: Herr Kollege! Buwog war ja Ihre Sache!) – Ja, ich verstehe auch nicht, warum ihr das jetzt nicht eingewendet habt, sonst macht ihr es ja auch. (Bundesrat Beer: Wir wollen ja da sachlich diskutieren!) – Ach so, das wäre mir aber jetzt neu, ich habe das noch anders erlebt. (Bundesrat Steiner: Das ist seine erste Rede!)

Der gemeinnützige Wohnbau hat in Österreich eine lange Tradition (Zwischenrufe bei der SPÖ) – ihr könnt euch ja dann noch einmal melden – und schützt die Österreiche­rinnen und Österreicher vor extremen und, wie Sie auch ausgeführt haben, ausufern­den Mietpreissteigerungen. Während – jetzt schauen wir einmal kurz ins Ausland – unser deutscher Nachbar die gemeinnützigen Wohnungsbestände seit Jahren sukzes­sive an Großinvestoren und Immobilienspekulanten verkauft, so zum Beispiel im rot-grün dominierten Berlin, sodass es mittlerweile zu gewaltsamen Demonstrationen und Übergriffen für Immobilienenteignungen gekommen ist, möchten wir Freiheitliche hier in Österreich einen anderen Weg einschlagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu dient dieses Gesetz, nämlich ein leichterer Zugang für vor allem Österreiche­rinnen und Österreicher zum Eigentumserwerb, wie eben dieser Gesetzesvorschlag es vorsieht. Umso unverständlicher ist es mir, so wie sich das jetzt herauskristallisiert hat, dass die SPÖ der Gesetzesvorlage nicht zustimmt beziehungsweise hier Einspruch erheben wird. Immerhin ist ein Vermögensaufbau die beste Absicherung gegen Armut und die bedauerlicherweise immer mehr um sich greifende Altersarmut. Vor allem aber die Wiener SPÖ – mein Vorredner ist auch ein Mandatar aus Wien – scheint hier andere Ziele zu verfolgen. – Jetzt kommen wir schon auf die roten Genossenschaften zu sprechen. Da werden gemeinnützige Wohnungsbestände günstigst an Finanzinves­toren verscherbelt, die enorme Gewinne einstreifen.

Ich möchte beispielhaft die WBV-GFW mit Sitz im 3. Bezirk anführen. Anscheinend hat man einen solch sperrigen Namen gewählt, damit man das nicht so leicht reinrufen


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kann wie Buwog, damit das nicht so einfach erscheint. (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP.) Diese Wohnbauvereinigung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst war bis in das Jahr 2003 eine im gewerkschaftlichen Sektor verankerte gemeinnützige Bauvereini­gung. (Ruf bei der SPÖ: ...Gewerkschaft Öffentlicher Dienst!) – Ja, der Name wurde geändert. Über die Jahre wurden komplexe Rechtskonstruktionen geschaffen, die den allseits bekannten (Ruf bei der SPÖ: Das ist nicht unser ...!) – ich komme schon darauf zu sprechen – Immobilieninvestor (Bundesrat Schennach: Der Mann ist lustig!) – hö­ren Sie sich das an! – DDr. Tojner nunmehr als wirtschaftlichen Drahtzieher dieses Woh­nungspakets mit über 3 000 Wohnungseinheiten ausweisen (Bundesrätin Schumann: Das ist nicht unsere Baustelle!), also das Sechsfache von dem, was Wien in 20 Jahren nicht zusammengebracht hat an Wohnungen zu errichten. (Bundesrätin Mühlwerth: Schau, schau! – Bundesrat Samt: Hört, hört!)

Herr DDr. Tojner kann selbst aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, nämlich dieses Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, nicht offiziell als Gesellschafter auftreten, des­halb bediente man sich vorgeschobener Zwischenfirmen, vor allem mit Sitz im Aus­land. Publik wurden diese Vorkommnisse zufälligerweise im Mai 2017 infolge eines Zerwürfnisses der Vertragsparteien. Letztlich ist zusammenzufassen, dass Gelder der Gemeinde Wien durch komplexe Anteilstransaktionen und Treuhandschaften in unbe­fugte Hände gelangt sind.

Was hat das jetzt mit Wien zu tun? So weit, so betrüblich, aber was machen die als Aufsichtsorgane rechtlich Verantwortlichen gegen solche fragwürdigen Machen­schaf­ten, die auch der Revisionsverband angeprangert hat? – Aufsichtsorgane sind Mitglie­der der Landesregierung, sprich der Wohnbaustadtrat und auch die Landesregierung. Landeshauptmann Michael Ludwig und Stadträtin Kathrin Gaál ließen und lassen das Umfeld DDr. Tojners entgegen den eindeutig schlüssigen Gutachten des Revisions­verbandes, des Wirtschaftsministeriums und des zuständigen Finanzministeriums frei gewähren. Diese zwei Personen, nämlich Dr. Michael Ludwig und Frau Kathrin Gaál hätten sehr wohl die rechtliche Möglichkeit, den vom Steuerzahler unterstützten Wohn­bau nicht an Immobilienhaie zu verschleudern. Jetzt fragen sich die Leute natürlich: Wie? – Ganz einfach: Durch eine Feststellung, dass Nichtberechtigte agieren, und indem man sich mit der Aufforderung, die Nichtberechtigten einfach zu streichen, an das Firmen­buchgericht wendet. Das wäre sinnvoll und einfach, das wird aber nicht gemacht.

Dieses Beispiel, das bedauerlicherweise nur eines von vielen in Wien ist, veran­schaulicht, wie dringend eine Verbesserung dieses Gesetzes vonnöten ist, damit die Gemeinnützigkeit auch in Zukunft diesen Namen verdient. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

18.50


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Kollege Beer. Ich erteile es ihm. (Bundesrätin Mühlwerth: Tatsächliche Berichtigung! – Bundesrat Rösch: Jetzt wird er sagen, dass auch die Pensionisten nichts mit der SPÖ zu tun haben! – Heiterkeit bei der FPÖ.)


18.50.44

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Herr Magister! Sie sollten eigentlich wissen, dass die GÖD nichts mit der SPÖ zu tun hat. (Bundesrat Rösch: So wie die Pen­sionisten! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Schau, du weißt es auch nicht. Also von dir hätte ich das eigentlich nicht erwartet. Ich hätte mir gedacht, dass du weißt, dass die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst eigentlich ÖVP-nahe ist, aber sonst nichts. (Bundesrätin Mühlwerth: Kein einziger SPÖler ist bei der GÖD! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)


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Na, wem gehört sie an, die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Du weißt es auch nicht, Monika? Ihr seid also in letzter Zeit wirklich Schwach­matiker geworden. Es kann nicht so sein, dass ihr dann in Wirklichkeit Behauptungen aufstellt, die gar nicht stimmen. Warum tut ihr das? (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es geht da um ein Gesetz, mit dem wir eine Verbesserung für die Leute erreichen wollen. Ihr geht mit der ÖVP mit, wir machen eine Verschlechterung für die Men­schen – so geht das nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Die tatsächliche Berichtigung ist, dass die GÖD keine rote Vorfeldorganisation ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Dass „G“ nicht Gesellschaft, sondern Gewerkschaft ist!)

18.52

18.52.03


Präsident Karl Bader: Es ist zwar allgemeine Unruhe im Saal, aber es liegt dazu keine weitere Wortmeldung mehr vor. (Bundesrat Samt: Jetzt ist alles geklärt, Herr Präsident!)

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Daher ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit ist dieser Antrag angenommen.

18.52.42 24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Bildung, der Wissenschaft und der Kultur (386 d.B. sowie 10203/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (510 d.B. sowie 10204/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930; Empfehlung (Nr. 203) betreffend ergän­zende Maßnahmen zur effektiven Beseitigung von Zwangsarbeit (564 d.B. sowie 10205/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gehen in der Tagesordnung weiter und gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 24, 25 und 26, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich darf zu diesen Tagesordnungspunkten Herrn Außenminister Mag. Alexander Schallenberg sehr herzlich in der Länderkammer willkommen heißen. (Allgemeiner Bei­fall.)


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Zu allen drei Punkten ist Herr Bundesrat Mag. Bernd Saurer Berichterstatter. – Ich bitte Sie um die Berichte.


18.54.10

Berichterstatter Mag. Bernd Saurer: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Minister! Herr Minister! Die Gemüter haben sich wieder ein bisschen beruhigt, darum möchte ich jetzt den Bericht über drei Beschlüsse vorbringen.

Erstens bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Bildung, der Wissenschaft und der Kultur.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich komme ich zum Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930; Empfehlung (Nr. 203) betreffend ergänzende Maßnahmen zur effektiven Beseitigung von Zwangsarbeit.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Ich danke sehr herzlich für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile es ihm.



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18.57.07

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind drei sehr unterschiedliche Beschlüsse, die wir jetzt unter einem diskutieren.

Sie können sich erinnern, und wir haben das in diesem Haus mehrfach angesprochen, dass sich die österreichische Bundesregierung insbesondere während des österreichi­schen Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr 2018 ganz intensiv dem Westbalkan gewid­met hat und Bemühungen einzelner Staaten am Westbalkan zu einer Annäherung an die Europäische Union ganz massiv forciert und unterstützt hat. Ich möchte mich beim jetzigen Bundesminister Mag. Schallenberg sehr herzlich dafür bedanken, dass er das im ersten Halbjahr 2019 fortgesetzt hat, indem er jüngst ganz klare Aussagen zu Nordmazedonien oder auch zu Albanien getroffen hat. Wir haben das auch im EU-Ausschuss des Bundesrates diskutiert.

Die österreichische Bundesregierung und damit die österreichische Außenpolitik hat sich allerdings nicht nur mit dem Westbalkan beschäftigt, sondern immer auch die Östliche Partnerschaft im Auge gehabt. Die Östliche Partnerschaft – für diejenigen, die sich intensiver mit dieser Materie auseinandersetzen – ist ein Teilprojekt der euro­pä­ischen Nachbarschaftspolitik und hat eben östliche Länder ganz besonders im Visier. Zur Östlichen Partnerschaft gehören Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Geor­gien, die Republik Moldau und auch die in Rede stehende Ukraine als größtes Land dieser Östlichen Partnerschaft.

Ich begrüße es außerordentlich, dass wir heute in großer Einigkeit dieses Kultur­abkommen mit der Ukraine beschließen werden. Ich begrüße das auf der einen Seite, weil es das Kulturjahr Österreich-Ukraine im heurigen Jahr gibt, ich begrüße es aber auch deshalb, weil mein Heimatbundesland, die Steiermark, seit vielen Jahren eine Partnerschaft mit der Region Lemberg und insbesondere mit der Gemeinde – ich hoffe, ich spreche es richtig aus – Drohobytsch engere Kontakt hat, wo es auch eine öster­reichische Bibliothek gibt und wo wir auch die Universität entsprechend unterstützen, auch materiell unterstützen. Ich glaube, dass das ein gutes Zeichen ist, wenn da der Ukraine in diesem Jubiläumsjahr signalisiert wird, dass wir dieses Kulturabkommen breit tragen.

Wir haben im Ausschuss auch über den Tagesordnungspunkt 25 gesprochen, und die Vertreter des Ministeriums haben deutlich gemacht, dass es dabei um die Frage der Urkundensicherheit geht, die aus heutiger Sicht noch nicht zufriedenstellend gelöst ist. Möglicherweise wird das in Zukunft der Fall sein. Das heißt aber, dass wir diesen Schritt hinsichtlich Befreiung von der Beglaubigung nicht setzen wollen und Österreich es sich vorbehält, Urkunden und Dokumente aus den Philippinen weiterhin auf ihre Authentizität zu prüfen und damit die notwendige Dokumentensicherheit zu gewähr­leisten. Ich glaube, das ist eine kluge Maßnahme, wenn wir sie so beschließen. Wie sich das in der weiteren Zukunft entwickeln wird, wird sich weisen.

Der dritte Beschluss – aus zeitökonomischen Gründen nur eine kurze Anmerkung – setzt sich mit einem Protokoll zum Übereinkommen über Zwangsarbeit auseinander. Wie uns auch im Ausschuss gesagt wurde, entspricht die österreichische Rechtslage bereits seit Längerem diesem Protokoll, weshalb der Ratifikation dieses Protokolls auch nichts entgegensteht, und es ist, glaube ich, ein schönes Zeichen Österreichs, wenn wir gerade im 100-jährigen Bestandsjubiläumsjahr der ILO, der International Labour Organization, diesem Protokoll beitreten.

In diesem Sinne freue ich mich auf eine einheitliche und gemeinsame Beschluss­fas­sung zu diesen drei Stücken und glaube, dass wir insbesondere durch das Kulturab-


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kommen mit der Ukraine einen sehr positiven Akzent setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

19.01


Präsident Karl Bader: Bundesrat Stefan Schennach ist der Nächste auf der Redner­liste. Ich erteile ihm das Wort.


19.01.43

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie schon mein Vorredner gesagt hat, haben wir heute hier drei sehr unterschiedliche Beschlussfassungen vorliegen. Wir können das ganz kurz machen.

Kommen wir gleich einmal zur Ukraine: Natürlich gab es schon bisher eine Zusammen­arbeit, und ich denke, wir hatten zum Beispiel eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Stadt Odessa, was Kultur und zeitgenössische Performance betrifft. Allerdings gab es keine umfassende vertragliche Zusammenarbeit mit der Ukraine. Was wir mit diesem Beschluss machen: Wir stärken die bilaterale Zusammenarbeit. Alles, was die Ukraine braucht, ist eine Stärkung in der bilateralen Zusammenarbeit.

Hoffen wir, dass dort am 21. Juli – nennen wir es einmal vorsichtig so – Stabilität ge­wählt wird. Es wird bei dieser Wahl nächste Woche mit Sicherheit einen relativ großen Umbruch geben. Wichtig ist, dass der amtierende Präsident Selenskyj auch eine entsprechende Stärke im Parlament bekommt und dadurch endlich seinen eige­nen Außenminister und seinen eigenen Verteidigungsminister ernennen kann.

Die Ukraine war historisch ja schon immer wichtig. Joseph II. war in seiner Amtszeit zwei Mal in der Ukraine, in jenen Bereichen Rutheniens, und hat dort bei zwei Reisen eine Verwaltungsreform durchgeführt. Die Ukraine ist nicht sehr weit weg, Joseph II. ist mit einer Pferdekutsche dorthin gefahren. Man sieht also, auch historisch gesehen haben wir intensive Kontakte zur Ukraine.

Vielleicht noch etwas: Warum ist das jetzt besonders wichtig? 2019 ist das gemein­same Kulturjahr Österreich-Ukraine. Als ich bei den beiden Präsidentschaftswahlen in Kiew und Umgebung war, haben die Offiziellen immer wieder mit großem Stolz davon gesprochen, dass es dieses gemeinsame Kulturjahr Österreich-Ukraine gibt, dass sie auch ganz viele Initiativen planen und Überlegungen anstellen, und genau in diesem Kulturjahr schaffen wir dieses kulturelle Abkommen. – Ich finde das eine großartige Sache.

Kommen wir zum Tagesordnungspunkt 25, dem Einspruch gegen die Befreiung von Urkunden von der Beglaubigung: Das letzte Mal, als ich hier vom Rednerpult aus zu einem Einspruch gegen die Befreiung von Urkunden von der Beglaubigung ge­sprochen habe, hat es mir wehgetan, diesen zu unterstützen, weil es das einzige Land betroffen hat, das einen positiven Ausgang aus der arabischen Revolution und eine positive Entwicklung genommen hat, nämlich Tunesien.

Jetzt kommen wir zu den Philippinen. Da haben wir verschiedene Aspekte zu berück­sichtigen, und deshalb unterstützen wir diesen Einspruch Österreichs – gemeinsam mit Griechenland, gemeinsam mit Finnland, gemeinsam mit Deutschland – hinsichtlich des Beitritts der Philippinen zum Haager Beglaubigungsübereinkommen. Es gibt eine enorme Zahl an Fälschungen, Korruption und, und, und.

Aber bleiben wir gleich einmal bei Den Haag: 2016 haben Angehörige von Ermordeten ein Verfahren bezüglich Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Präsident Duterte in den Philippinen eingebracht. Als ich mir das im Nationalrat angehört habe, habe ich mir gedacht: Wo haben die die Zahlen her? Die Zahl der Tötungen durch Todes-


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schwadronen und offizielle Polizei wird zwischen 5 000 und 25 000 geschätzt. Men­schen, meistens aus Elendsvierteln, werden einfach erschossen, weil sie Drogendealer seien. Im Grunde will Duterte ja, wie er selbst sagt, alle drei Millionen drogen­ab­hängigen Menschen töten lassen.

Fatou Bensouda hat am Den Haager Strafgerichtshof bereits mit den Ermittlungen begonnen, und ich glaube, es ist jetzt nicht die Zeit, um positive Schritte zu setzen. Vor genau zwei Wochen ist sogar eine Dreijährige erschossen worden, weil sie eine Dro­gendealerin sei. Bei dem Regime, das Duterte aufgezogen hat, können wir nur hoffen, dass dem nicht auch der brasilianische Präsident folgt.

Wenn wir uns die Berichte von Transparency International anschauen: Die Philippinen liegen derzeit auf Platz 111 von rund 180 Staaten, also weit weg von einer Urkunden­sicherheit, die ein Beglaubigungsübereinkommen ermöglichen würde.

Ich hoffe aber, dass hinsichtlich unseres Einspruchs, was Tunesien betrifft, bald eine Revision und eine Überprüfung erfolgen. Ähnliches könnte übrigens auch für die Mongolei zutreffen, zu deren Beitritt wir ja auch Einspruch erhoben haben.

Kommen wir zum letzten Abkommen: Heuer begehen wir 100 Jahre ILO. Gerade wenn wir an 100 Jahre ILO denken, ist diese Empfehlung, das Protokoll zum Überein­kommen über Zwangsarbeit zu ratifizieren, eine besondere Sache. Wir sollten nicht vergessen, dass der Hauptteil ja schon im österreichischen Recht implementiert ist, aber wenn wir davon ausgehen, dass derzeit 73 Millionen Kinder und 21 Millionen Erwachsene in Zwangsarbeit stecken, dann sieht man schon die unglaubliche Dimen­sion der Schicksale, die da dahinterstehen.

Herr Bundesminister! Das Bundesministerium hält, glaube ich, alle zwei oder drei Jahre ein Seminar zu Zwangsarbeit an der Diplomatischen Akademie. Ich habe das immer hervorragend gefunden. Ich habe auch immer, wenn es mir meine Zeit erlaubt hat, daran teilgenommen.

Wenn wir schauen, was denn ungefähr die Gewinne aus Zwangsarbeit sind: Über 150 Milliarden US-Dollar sind es schätzungsweise insgesamt, davon kommen knapp 100 Milliarden US-Dollar aus der Zwangsprostitution. Dazu kommen 8 Milliarden aus den privaten Haushalten – Haushelferinnen, Haushaltsgehilfinnen – und 9 Milliarden aus dem Bereich der Landwirtschaft. Das sind schon sehr, sehr alarmierende Zahlen.

Wichtig ist, da es ja hier in Österreich ein Stocken hinsichtlich des UN-Migrationspakts gegeben hat: All die Empfehlungen, über die wir hier heute hoffentlich einen ein­stimmigen Beschluss fassen, stehen by the way im UN-Migrationspakt. Insofern machen wir im Nachhinein eine kleine Sanierung einer österreichischen falschen politi­schen Entscheidung, und das ist gut so. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.10


Präsident Karl Bader: Der Nächste auf der Rednerliste ist Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile ihm das Wort.


19.10.17

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist im Wesentlichen zu diesen Tages­ordnungspunkten alles gesagt. Das Übereinkommen mit der Ukraine ist für uns als großer Vorteil anzusehen. Ich glaube – auch wenn die Verhandlungen lange gedauert haben –, dass dieses Übereinkommen im kulturellen und Bildungsbereich dazu beiträgt, dass die Ukraine ein bisschen näher an Europa heranrückt, und das ist auch in vielen Bereichen gut so.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 174

Dem Einspruch hinsichtlich des Beitritts der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung von der Beglaubigung kann man nur zustimmen; da gibt es keine andere Möglichkeit. Wenn dort solche Zustände herrschen, kann man dem nicht zustimmen. Daher ist das ganz klar.

Hinsichtlich des Protokolls zum Übereinkommen über Zwangsarbeit ist auch klar: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir dieses ratifizieren. Es besteht kein weiterer Handlungsbedarf, die gesetzlichen Regelungen in Österreich entsprechen bereits die­sem Protokoll, und wir begrüßen die Ratifizierung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.11


Präsident Karl Bader: Vizepräsident Hubert Koller hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


19.11.51

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen, Damen und Herren! Meine Vorredner haben schon ziemlich alles zu diesen drei Punkten ge­sagt.

Wenn man hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 24 sagt, dass es wichtig ist, dass es diese vertragliche Regelung mit der Ukraine nun gibt, muss ich sagen: Ich war jetzt bei der Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Luxemburg. Man hat bei allen Abstimmungen zu den Punkten gesehen, wie schwierig es ist, zwischen Russland und der Ukraine einen Einklang zu finden. Deshalb ist es wichtig und vollkommen richtig, dass wir diesen Schritt gerade in Richtung dieser östlichen Nachbarstaaten machen, Herr Bundesminister, um da Stabilität hineinzubringen. Und immerhin, man hat es schon gehört: Die Ukraine ist der größte Staat in Richtung Osten, und wir brauchen sie.

Zum Einspruch hinsichtlich des Beitritts der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung von der Beglaubigung: Es wurde von meinem Kollegen Stefan Schennach vor allem auch die Korruption angeführt. Die Botschaft in Manila hat uns ja auch mitgeteilt, dass man dem nicht zustimmen soll, diese Urkunden einfach ohne Prüfung anzuerkennen. Wir stehen mit dieser Meinung nicht alleine da, das haben wir auch gehört, denn es ist eben nicht auszuschließen, dass sogar wichtige Dokumente wie Reisepässe gefälscht werden oder dass bei Einbürgerungen oder bei Aufenthalts­ver­fahren von Studentinnen und Studenten falsche Dokumente vorgelegt werden.

Zum letzten Punkt, der effektiven Beseitigung von Zwangsarbeit: Kurz gesagt wird der Blickpunkt neu auf Prävention, Schutz und Rechtsbehelfe gerichtet. Das Protokoll ergänzt somit das Übereinkommen aus dem Jahr 1930 und bringt es auf den neuesten Stand. Es betrifft vor allem Menschenhandel und Arbeitsausbeutung, und der Opfer­schutz wird dabei gestärkt werden.

Bei dieser Konferenz in Luxemburg haben wir auch eine wichtige Resolution dahin gehend verabschiedet, schon die Schulkinder aufzuklären, wenn es um Menschen­han­del und dessen Vermeidung geht. Meist werden Kinder gehandelt, und die Zwangs­arbeit betrifft weltweit auch sehr, sehr viele Kinder. Man schätzt, dass es bis zu 73 Millionen Kinder sind, die unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten müssen – ein klares Nein also natürlich von uns zu Sklavenarbeit und zu Zwangsarbeit.

Da die österreichische Rechtslage eben schon diesem Protokoll entspricht, ist einer Ratifizierung natürlich nichts entgegenzusetzen, deshalb stimmen wir dem zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

19.14

19.14.38



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 175

Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen zu diesen drei Tagesordnungspunkten liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher ge­schlos­sen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Bildung, der Wissenschaft und der Kultur.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Ver­fassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930; Empfehlung (Nr. 203) betreffend ergänzende Maßnahmen zur effektiven Beseiti­gung von Zwangsarbeit.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungs­be­reiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 176

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Weiters lasse ich nun über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

19.18.3527. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen des Bundes (Web-Zugänglichkeits-Gesetz – WZG) erlassen wird (574 d.B. und 655 d.B. sowie 10199/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Nunmehr gelangen wir zum Punkt 27 der Tagesordnung.

Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Andrea Wagner. Ich bitte um den Bericht.

19.18.56


Berichterstatterin Andrea Wagner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen des Bundes, Web-Zugänglichkeits-Gesetz – WZG, erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vor­lage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Ich danke für den Bericht.

Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich Frau Bundesministerin Mag.a Elisabeth Udolf-Strobl noch einmal willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Somit gehen wir in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr das Wort.


19.20.07

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Möchte man das Web für die Zukunft bauen, muss es für jeden zugänglich sein – so könnte man das Motto für den heutigen Gesetzesbeschluss zusammenfassen. Als das Internet in den Neunzigerjahren seinen weltweiten Siegeslauf angetreten hat, haben Kommunikationswissenschaftler früh und


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 177

eindringlich vor dem sogenannten Digital Divide gewarnt, also vor einer Gesellschaft, die auseinanderdriftet, wenn das Internet nicht für alle verfügbar ist und wenn es vor allem nicht von allen genutzt werden kann.

Über die Verfügbarkeit des Internets haben wir hier, glaube ich, schon sehr oft dis­kutiert. Es ist gut und richtig, dass es mittlerweile für uns alle selbstverständlich ist, dass wir flächendeckend leistungsfähiges, schnelles Internet brauchen. Mindestens genauso selbstverständlich muss es aber auch sein, dass das Internet von allen ge­nutzt werden kann, und daher bin ich froh, dass wir heute mit dem Web-Zugäng­lich­keits-Gesetz einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Worum geht es? – Mit diesem Gesetz stellen wir sicher, dass Websites und mobile Anwendungen der öffentlichen Hand barrierefrei zugänglich sind und dass sie damit wirklich für alle nutzbar werden, insbesondere auch für Menschen mit Behinderungen, mit besonderen Bedürfnissen, aber vielleicht auch für alle, die nicht als Digital Natives aufgewachsen sind und im Umgang mit den neuen Technologien noch nicht so fit sind.

Wir legen heute fest, dass bei Websites und mobilen Anwendungen vom Bund, von den Ländern, aber auch von den Gemeinden künftig die Spezifikationen der WCAG-Richtlinien eingehalten werden müssen. WCAG, das heißt Web Content Accessibility Guidelines, und da gibt es vier ganz grundlegende Merkmale für Barrierefreiheit, die ein­gesetzt und eingehalten werden müssen: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Ver­ständ­lichkeit und Robustheit, sodass sie schlicht für jede Software kompatibel sind.

Gleichzeitig legen wir mit dem Web-Zugänglichkeits-Gesetz auch fest, dass es ein Feedbacksystem gibt, also die Möglichkeit, auch wirklich einzumelden, wenn etwas nicht umgesetzt ist, wenn etwas nicht barrierefrei ist. Und last but not least haben wir auch einige Ausnahmen definiert, nämlich dann, wenn es schlicht und ergreifend ein unverhältnismäßiger Aufwand wäre, Barrierefreiheit umzusetzen. Bei diesen Ausnah­men geht es ganz bewusst nicht um Ausreden, wenn man so sagen will, sondern es geht um Dinge wie Liveübertragungen, um Archivdatenbanken, die nur sehr wenig genutzt werden, und ähnliche Dinge.

Wir setzen mit dem Web-Zugänglichkeits-Gesetz eine EU-Richtlinie um. Wir schaffen aber vor allem auch die Basis, um das Erledigen von Behördenwegen wirklich für alle möglich zu machen. So wie der analoge Zutritt zum Amtsgebäude für alle selbst­ver­ständlich sein muss, so dürfen wir auch digital keine Grenzen aufbauen. Wir müssen alle mitnehmen und allen die Möglichkeit bieten, Amtsgeschäfte eben auch digital zu erledigen.

Ich bin überzeugt, das Gesetz kann ein weiterer Baustein sein, um das Internet für alle nutzbar zu machen. Ich bin sehr froh, dass wir damit an die Arbeit der vorherigen Bun­desregierung, an jene unserer ersten Digitalministerin Margarete Schramböck anknüp­fen, die mit dem Thema Digitalisierung einen sehr großen Schwerpunkt gesetzt hat, unter dem im vergangenen Jahr viele Initiativen umgesetzt wurden: das Digitale Amt, der Masterplan Digitalisierung, aber auch Initiativen wie Fit4internet, im Rahmen des­sen es sogenannte Digicafés gibt, um speziell auch die ältere Generation an die Ver­wendung des Internets heranzuführen.

Diese digitale Fitness brauchen wir in unserem Land ganz dringend. Wir können nur dann die Chancen der Digitalisierung wirklich auch zu einem Mehrwert für unser Land machen, wenn wir alle mitnehmen. In diesem Sinne bitte ich, dass heute auch alle zu­stimmen, wenn wir über dieses Gesetz abstimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

19.24


Präsident Karl Bader: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile es ihr.



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 178

19.25.01

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Mit dem gegenständlichen Gesetzentwurf wird ein Bundesgesetz geschaffen, welches unter Berücksichtigung einer Richtlinie – wie meine Vorrednerin schon gesagt hat – des Europäischen Parlaments Regelungen über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen festlegt.

Grundsätzlich sollen hiedurch – mit bestimmten Ausnahmen – Websites und mobile An­wendungen von Bund, Ländern und Gemeinden sowie öffentlich-rechtlichen Einrich­tungen erfasst werden. Außerdem soll das Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf einen barrierefreien Webzugang um­gesetzt werden.

Die Bestimmungen sollen auch für jene Einrichtungen gelten, die Aufgaben im allge­meinen Interesse erfüllen, teilrechtsfähig sind und überwiegend vom Bund finanziert beziehungsweise von ihm beaufsichtigt werden. Das gilt nicht für Websites und mobile Anwendungen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten.

Ferner sind bestimmte Webinhalte wie Onlinekartenmaterial oder Intranet und Repro­duktionen von Stücken aus Kulturgutsammlungen teilweise mit zeitlicher Beschränkung ausgenommen. Dies gilt insbesondere, wenn technische Gründe die vollständige Barrierefreiheit erschweren.

Um Mängel bei der Einhaltung dieser Anforderungen anzuzeigen und ihre Beseitigung durchzusetzen, soll eine entsprechende Stelle durch Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort eingerichtet werden. Solange das nicht erfolgt, gilt die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft als zuständig.

Das Gesetz definiert sinnvollerweise Grundsätze und Techniken, die bei der Ge­stal­tung, Erstellung, Pflege und Aktualisierung von Websites und mobilen Anwendungen zu beachten sind, um sie für die Nutzerinnen und Nutzer, insbesondere für Menschen mit Behinderungen, besser zugänglich zu machen.

Abschließend möchte ich daher sagen: Meine Fraktion unterstützt dieses Vorhaben und fordert eine rasche Umsetzung. Damit sind wir noch nicht am Ende, weshalb ich folgenden Entschließungsantrag einbringe:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Elisabeth Grimling, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dem Be­schluss über Auswirkungen der Ausnahmen gemäß § 2 Abs. 3 des Web-Zugänglich­keits-Gesetzes – WZG“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort wird ersucht, bis 31. Dezember 2019 einen Bericht vorzulegen, mit dem die Auswirkungen der in § 2 Abs. 3 Web-Zugänglichkeits-Gesetz genannten Aus­nahmen auf die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung evaluiert werden und Vorschläge für das Auslaufen dieser Ausnahmen zeitlich zu terminisieren sind.“

*****

Ich ersuche Sie, im Sinne einer tatsächlichen Barrierefreiheit diesem Entschließungs­antrag Ihre Unterstützung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.29



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 179

Präsident Karl Bader: Der von den Bundesräten Elisabeth Grimling, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „dem Beschluss über Auswir­kun­gen der Ausnahmen gemäß § 2 Abs. 3 des Web-Zugänglichkeits-Gesetzes – WZG“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Samt. Ich erteile es ihm.


19.29.38

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuseher sehe ich nur einen, aber vielleicht gibt es noch welche zu Hause via Livestream. Zum Web-Zugänglichkeits-Gesetz sind die wesentlichen Dinge genannt worden. Es geht um die Festlegung der Barrierefreiheit, um Anforderungen für Websites und auch mobile Anwendungen, sogenannte Apps, des Bundes. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Mit der Richtlinie, die meine Vorredner schon erwähnt haben, Web – WCAG 2.0, sind die ersten Maßnahmen bereits im Wesentlichen umfasst worden, und mit der 2.1-Evolution wird mit zusätzlich 17 Kriterien speziell auf Menschen mit Sehbehinderungen eingegangen. Es ist ja ganz wesentlich, dass auch diese Menschen Zugang zu den Websites haben, zum Internet im Wesentlichen, aber vor allem einmal zu den Web­sites des Governments.

Ausgerichtet nach internationalen Standards – das gilt für die Bundes- und Landes­governments; diese Standards sollten für ähnliche Bedienbarkeit auch bei unterschied­lichen Websites sorgen. Es wird naturgemäß im sogenannten unteren Bereich des Go­vernments – ich rede da jetzt von der Gemeindeebene – ein bisschen zu Umsetzungs­schwierigkeiten kommen. Deswegen gibt es auch gestaffelte Umsetzungszeiträume. Ab September 2019 ist die Umsetzung für Bund und Länder vorgesehen und in wei­terer Folge dann für Städte und Gemeinden ab 2020 bis 2021.

Bevor ich meinen Schlusssatz anbringe, nämlich dass wir aufgrund der ultimativen Abhängigkeit vom Internet, das natürlich auch in beide Richtungen pendeln kann, eigentlich nur mehr Angst haben müssen, dass man uns einmal den Strom abschaltet, denn dann werden wir natürlich keine Zugangsmöglichkeiten mehr haben, ob barriere­frei oder nicht, möchte ich noch erwähnen, dem Entschließungsantrag der Kollegin Grimling von der SPÖ werden wir nicht nähertreten, weil wir momentan noch nicht sehen, wieso wir etwas, was wir jetzt im September in Kraft treten lassen, mit Be­ginn 2020 wieder evaluieren sollen. Dieser Zeitraum wird meiner Meinung nach zu kurz sein, um festzustellen, ob das einigermaßen funktioniert.

Wie gesagt, die Internetgesellschaft lebt, ich bin Teil dieser seit den Achtzigerjahren als einer der ersten User, auch wenn ich jetzt schon ein ein bisschen älterer User bin – das war eine Untertreibung, ich weiß –, und, noch einmal, wir müssen uns eigentlich nur mehr davor fürchten, dass man uns irgendwann einmal den Strom abschaltet, denn dann wird das alles so nicht mehr funktionieren.

Auf jeden Fall werden wir auch diesem Gesetz zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.32

19.32.55


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 180

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Elisabeth Grimling, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „dem Beschluss über Auswirkungen der Aus­nahmen gemäß § 2 Abs. 3 des Web-Zugänglichkeits-Gesetzes – WZG“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

19.34.0328. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (19. FSG-Novelle) (620 d.B. und 636 d.B. sowie 10226/BR d.B.)

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (32. StVO-Novelle) (915/A und 637 d.B. sowie 10227/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punk­ten 28 und 29, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich bitte um die Berichte.


19.34.36

Berichterstatter Michael Bernard: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird, 19. FSG-Novelle.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßen­ver­kehrsordnung 1960 geändert wird, 32. StVO-Novelle.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für die Berichte.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 181

Ich darf in unserer Runde recht herzlich den Herrn Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie, Herrn Mag. Andreas Reichhardt, begrüßen. Willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Mag.a Doris Schulz. – Bitte sehr.


19.36.15

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Wir verhandeln jetzt zwei Beschlüsse, der erste ist das Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geän­dert wird, die 19. FSG-Novelle. Es handelt sich um eine sachgerechte und ausgewo­gene Weiterentwicklung der führerscheinrechtlichen Bestimmungen, die dem Aspekt der Verkehrssicherheit, der Entbürokratisierung und der Verwaltungsvereinfachung Rech­nung tragen.

Die 19. FSG-Novelle enthält folgende Schwerpunkte:

Der in jüngster Zeit im Zunehmen begriffene Betrug bei einer theoretischen Fahrprü­fung wird stärker sanktioniert, indem eine neunmonatige Sperrfrist auch für einen Wiederantritt normiert wird.

Das Befahren der Rettungsgasse wird als Vormerkdelikt festgelegt.

Vereinfachung der Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit im Erteilungsverfahren – zum Beispiel die Anfrage bei der Wohnsitzbehörde entfällt, die Nachschau im Führerschein­register reicht aus; dafür müssen aber die Wohnsitzbehörden alle Entziehungsdelikte konsequent erfassen.

Die Grundlage für die Fahrprüfungsverwaltung, zum Beispiel die Erfassung der Kan­didaten bei der theoretischen Fahrprüfung, wird geregelt.

Weiters kommt es zu einer Verlagerung der Verpflichtung zur Befolgung von Auflagen beim Lenken vom KFG ins FSG. Da gibt es keine inhaltlichen Änderungen, sondern es wird nur in ein anderes Gesetz übertragen.

Dann geht es noch um die Rücksendung des Führerscheins in den Ausstellungsstaat bei Entzug der Lenkerberechtigung: erst nach Ablauf der Entziehungsdauer.

Das sind – kurz gefasst – die Beschlüsse, die uns in der 19. FSG-Novelle vorliegen.

Der zweite Themenbereich bezieht sich auf ein Bundesgesetz, mit dem die Straßen­verkehrsordnung 1960 geändert wird, und zwar in Bezug auf die Abbiegeassistenten bei Lkws. Wir alle müssen immer wieder miterleben, medial miterleben, dass Kinder zum Beispiel durch den sogenannten toten Winkel beim Abbiegen eines Lkws zu Tode kommen. Leider kommen solche Tragödien immer wieder vor.

Es geht dabei um die Normierung einer Verordnungsermächtigung im Zusammenhang mit Rechtsabbiegevorgängen von Lkws, um eben diesen berühmten toten Winkel, den, glaube ich, jeder Autofahrer fürchtet, und gerade bei Lkws ist es noch viel drama­tischer. Damit die Behörden aber die Möglichkeit haben, auch größere Gebiete in die­ser Hinsicht zu prüfen und entsprechende Maßnahmen zu setzen, dafür wird das ge­regelt. Gleichzeitig soll die Bestimmung betreffend Unfallhäufungspunkte adaptiert werden.

Der Abbiegeassistent für Lkws ist bestimmt ein wichtiger Teil der Sicherheit im Straßenverkehr, wichtig ist aber auch, dass alle anderen Vorkehrungen vom Lkw-Fahrer getroffen werden, so zum Beispiel die Spiegel richtig einzurichten, wachsam zu sein, denn der tote Winkel ist für alle Kraftfahrer und in weiterer Folge für Fußgänger und Radfahrer eine große Gefahr.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 182

Ich bin sehr froh, dass wir hier einen einstimmigen Beschluss fassen; die ÖVP ist natürlich auch mit dabei. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

19.39


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Zaggl. – Bitte sehr.


19.39.42

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Uns, der SPÖ, liegt die Verkehrssicherheit in jedem Bereich sehr am Herzen. Sie ist für uns ein wichtiger Punkt, sei es – wie in diesem Fall – bei der korrekt abge­legten Führerscheinprüfung oder dem Freihalten der Rettungsgasse von zweispurigen Fahrzeugen. Ich möchte Ihnen im Folgenden kurz in drei Punkten die Neuerungen der Novelle zum Führerscheingesetz näherbringen.

Erstens: Selbst bei der theoretischen Führerscheinprüfung am PC ist – eigentlich doch sehr überraschend – das sogenannte Schummeln, wie liebevoll gesagt wird, möglich. Es wurden technische Hilfsmittel verwendet, um mit Personen, die sich nicht im Prüfungsraum befunden haben, in Kontakt zu treten und diese zur Lösung der Auf­gaben zu befragen. Beim Erwischen des Betruges wurden die Prüfungen abgebrochen und/oder als nicht bestanden tituliert. Dieses Schummeln wird nun härter bestraft. Es wird nun ein neunmonatiges Antrittsverbot geben. Ein solches Antrittsverbot ist uner­lässlich, aber vielleicht sind die neun Monate etwas zu lang.

Zweitens: Das Befahren der Rettungsgasse wird als Vormerkdelikt festgelegt. Das Befahren der Rettungsgasse mit mehrspurigen Fahrzeugen soll auf jeden Fall zu einem Vormerkdelikt erklärt werden, denn es ist in keinerlei Hinsicht nur ein Kava­liersdelikt. Natürlich ist mir klar, dass die Rettungsgasse eine vorausschauende Maß­nahme ist und nicht gleich einen Unfall bedeutet. Dennoch glaube ich, dass Sie alle selbst schon einmal erlebt haben, wie ein zweispuriges Fahrzeug an Ihnen vorbei­gerast ist, ohne dass man gewusst hat, ob in 5 Kilometern nicht doch ein Unfall pas­siert ist.

Ebenso wird das Befahren der Rettungsgasse teilweise auch für einspurige Fahrzeuge zum Vormerkdelikt, nämlich dann, wenn Einsatzkräfte behindert werden. Sie stellen in diesem Moment eine Gefahr für sich selbst, die bereits in den Unfall verwickelten Personen und selbstverständlich auch für die Einsatzkräfte dar, da diese mit der Rettung und Sicherung beschäftigt sind und nicht auch noch die Zeit haben, auf eventuelle Motorräder zu achten. Leider wird zu oft davon berichtet, dass Einsatzkräfte auf der Autobahn selbst zu Opfern werden beziehungsweise Fahrzeuge einfach in die Rettungsgasse einfahren und dadurch Einsatzfahrzeuge beschädigen.

Einen Gedankenanstoß möchte ich Ihnen dennoch mitgeben: Es wäre vielleicht gut gewesen, einen Zusatz einzufügen, nämlich dass es einspurigen Fahrzeugen geneh­migt wird, die Rettungsgasse im Schritttempo zu befahren. (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, wirklich nicht! Die sind sowieso schon eine Plage!) Denken wir daran, dass diese Fahrer in voller Motorradmontur eventuell 20 Kilometer beziehungsweise stundenlang in der Hitze im Stau stehen müssen.

Drittens: Es wird auch eine Vereinfachung zur Prüfung der Verkehrszulässigkeit im Erteilungsverfahren geben, da jegliche Delikte von der Wohnsitzbehörde in das Führer­scheinregister eingetragen werden. Somit muss man nicht mehr bei der Wohn­sitz-


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 183

behörde nachfragen, sondern es wird nur mehr das Führerscheinregister heran­gezo­gen – sehr umfassend, jedoch auch die einzige Quelle, um die Delikte zu kon­trol­lieren. Dies wird sicher eine verwaltungstechnische Erleichterung darstellen.

Ebenso wird die Verpflichtung zur Löschung von zu Unrecht eingetragenen Verstößen ergänzt, die unverzüglich zu erfolgen hat, sobald die Behörde Kenntnis von dem Um­stand erlangt hat.

Wir von der SPÖ werden der Änderung des Führerscheingesetzes zustimmen, da für uns die Verkehrssicherheit Priorität hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.43


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Christoph Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


19.43.44

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Von meinen Vorrednern wurde zur Rettungsgasse ohnehin schon alles gesagt. Es wird nun, wenn man die Ret­tungsgasse befährt, zu einem Vormerkdelikt, und das ist richtig und wichtig.

In der letzten Zeit kam es in vielen Fällen bei den schriftlichen Führerscheinprüfungen vermehrt zu Betrug. Vor allem jene Personen, die ein schlechtes bis gar kein Deutsch sprechen, betrügen auffallend oft. Um diesem Problem Herr zu werden, hat Ihr Vor­gänger im Ministerium (in Richtung Bundesminister Reichhardt), Norbert Hofer, dieses neue Gesetz in Begutachtung geschickt. Auch da zeigen wir als FPÖ klare Kante: Wer im Rechtsstaat betrügt, kann nicht ohne Strafe bleiben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Das Problem sind vor allem organisierte ausländische Banden, die die Kandidaten ansprechen und teilweise Summen von 2 000 Euro oder darüber verlangen, um die Kandidaten durch die Prüfung zu schummeln.

Wie funktioniert das nun? – Das ist ganz einfach: Die Kandidaten werden mit einer sogenannten Knopflochkamera oder mit einer Kamera in der Brille ausgestattet. Diese filmt dann den Bildschirm ab, auf dem die Prüfungsfragen zu sehen sind. Der Kandidat bekommt dann über das Ohr, in dem er einen Kopfhörer hat, die richtigen Antworten von draußen eingesagt.

Mit diesem Gesetz werden nun all jene Kandidaten bekämpft, die die Fragen eigentlich nicht beantworten könnten und nur durch solche Betrügereien die Prüfung schaffen würden und somit ja überhaupt keine Ahnung vom Straßenverkehr bei uns in Öster­reich haben können. Wer ab jetzt beim Betrügen erwischt wird, darf neun Monate lang nicht erneut zur Prüfung antreten. Dies ist eine spürbare Strafe, was wohl dazu beitragen wird, dass man sich nun zweimal überlegt, ob man betrügt oder nicht doch besser etwas lernt.

Dieses Gesetz trägt auch viel zur Sicherheit auf unseren österreichischen Straßen bei, denn keiner von uns will im Straßenverkehr mit Lenkern von Kraftfahrzeugen unter­wegs sein, die keinen blassen Schimmer von unseren Verkehrsregeln haben. Diese Leute wären eine Gefahr für die Sicherheit auf unseren Straßen und werden damit – das ist wichtig – schon frühzeitig aus dem Verkehr gezogen. – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

19.46


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster ist der oberösterreichische Bundesrat Dominik Reisinger zu Wort gemeldet. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 184

19.46.34

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Leider mussten wir in den letzten Monaten tragische und schreckliche Nachrichten entgegennehmen, in denen von Verkehrsunfällen berichtet wurde, bei denen durch Rechtsabbiegemanöver von Lkws andere Verkehrsteilnehmer auf Fahrrädern oder Rollern im toten Winkel über­sehen und in weiterer Folge überrollt wurden.

Im Mai habe ich bei meiner Rede zur 31. StVO-Novelle ein schnelleres Handeln bei Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit eingefordert. Die nun vorgelegte 32. Novelle der StVO sieht eine solche Maßnahme vor, indem sie ermöglicht, dass Bezirksverwaltungsbehörden über Verordnung Rechtsabbiegeverbote für Lkws, die über keine Assistenzsysteme zur Vermeidung des sogenannten toten Winkels beim Abbiegen verfügen, erlassen können. Damit ist es möglich, problematische und gefähr­liche Kreuzungen zu entschärfen. Dieser effiziente Beitrag zur Erhöhung der Verkehrs­sicherheit an Kreuzungen ist ohne Wenn und Aber zu begrüßen und wird daher von der SPÖ mitgetragen.

Bei dieser Gelegenheit darf ich in diesem Zusammenhang auch noch erwähnen, dass die völlig kontraproduktive Testphase für das Rechtsabbiegen bei Rot in Linz – auch ganz interessant – vom FPÖ-Stadtvize Hein auf Eis gelegt wurde. Ich hoffe sehr, dass man sich in der Folge doch ganz von diesem populistisch getriebenen Projekt verab­schieden wird, weil es die Verkehrssicherheit nicht erhöhen, sondern gefährden wird.

Abschließend möchte ich mich noch beim derzeitigen Verkehrsminister Reichhardt für seine Dialogbereitschaft bedanken. Er hat nämlich im Vorfeld von sich aus alle Ver­kehrssprecher des Nationalrates eingeladen, um sich gemeinsam Gedanken über die nächsten Projekte zu machen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, so sind wir!) Damit hebt er sich klar und – was wichtig ist – vor allem positiv von seinem Vorgänger ab und ermög­licht es so (Rufe bei der FPÖ: Geh bitte!), dass man anstehende Themen im Gespräch auf Augenhöhe auch einvernehmlich lösen kann. (Bundesrätin Mühlwerth: Was soll das?) – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

19.49


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Peter Samt aus der Steiermark zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Herr Bundesrat. (Bundesrat Reisinger – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Lob, wem Lob gebührt! – Bundesrätin Mühlwerth: Mit dem Reisinger würden wir auch nicht reden! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


19.49.09

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der SPÖ, ihr könnt es halt nicht lassen: Erfolgreiche Minister müssen von euch angegriffen werden (Zwischenrufe bei der SPÖ), und zwar eigentlich ohne größere Bedürfnisse. Mein Gott, ihr könnt es halt nicht anders.

Damit unterscheidet sich Kollege Reisinger vom Kollegen Weber, der ja hier oft mit Schaum vor dem Mund stand, als es noch um die alte Bundesregierung gegangen ist, nur geringfügig. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.) – Ja, ja, du weißt schon, wovon ich rede! Bleib nur! Mit dem Schaum vor dem Mund. (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Vielleicht sollte man in dieser fortgeschrittenen Stunde doch bei der Sache bleiben – ich würde alle darum bitten. (Bundesrat Weber: Dann bleib bei der Sache! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 185

Dann muss ich gleich von vorne anfangen. Kollege Zaggl ist hier gestanden und hat gesagt, man solle vielleicht doch die Motorradfahrer die Rettungsgasse befahren lassen. – Er fährt scheinbar nicht oft auf der Autobahn, weil dort die Motorradfahrer permanent mit 100 und weit darüber liegenden Geschwindigkeiten – auch weit über 140 – auf der rechten Seite überholen. (Zwischenruf des Bundesrates Zaggl.) Wenn man denen noch sagt, sie dürfen in der Rettungsgasse vorfahren, na dann danke! Was das mit Verkehrssicherheit zu tun hat, liebe Kollegen von der SPÖ, das weiß ich nicht genau, aber da seid ihr ja scheinbar Spezialisten. – Unglaublich! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Wisst ihr auch nicht!)

Bleiben wir also bei der 32. StVO-Novelle: Es wird zukünftig möglich sein, über eine Verordnung der Bezirksverwaltungsbehörde – so haben wir gehört – nicht nur an ein­zelnen gefährlichen Kreuzungen, sondern auch in größeren Bereichen, also in ganzen Ortsgebieten, das Rechtsabbiegeverbot für Lkws über 7,5 Tonnen ohne einen Rechts­abbiegeassistenten zu verordnen. Das ist einmal grundsätzlich nicht schlecht, aber ich bin mir nicht sicher, ob es nicht ein bissl über das Ziel hinausschießt. Zumin­dest ist es aber eine Verordnung, die Sinn macht. Das Inkrafttreten ist auch mit 1. Sep­tember 2019 festgelegt, also rechtzeitig vor Schulbeginn. Man kann ableiten, dass das funk­tioniert.

Stichwort Assistenzsystem: Ich kann mich erinnern, in der letzten Sitzung haben wir dieses Thema auch schon gehabt – es war die 31. StVO-Novelle, Kollege Reisinger, bei der wir das besprochen haben –, und da hat der damalige Bundesminister sehr deutlich gesagt, dass wir ein Problem bei den Assistenten haben, nämlich dass die unterschiedlichen Qualitäten dieser Rechtsabbiegeassistenzsysteme zu Problemen führen; nicht alles, auf dem Assistent steht, ist dann auch einer oder funktioniert wie erwartet. Kein Problem haben wir bei neuen Lkws und bei Bussen, bei denen das mit werkseitigen Einbauten funktioniert. Bei den anderen Systemen sind wir aber noch nicht so weit.

Umso erstaunter war ich bei der entsprechenden Ausschusssitzung über die Auskunft, wie denn diese Assistenzsysteme kontrolliert werden. Ich habe da gehört, die werden optisch kontrolliert. Die Exekutive schaut nach, ob es eine Kamera oder ein Spiegel­system gibt, und das reicht dann. – Mir reicht das eigentlich nicht so richtig. Ich bin dafür, dass man da schon noch nachjustieren sollte und schauen sollte, dass diese Dinge auf Funktion geprüft werden. Nur zu sagen: Super, der hat so ein System und das wird schon funktionieren!, ist mir persönlich rein von der Sicherheitsseite her zu wenig.

Die Praxis – das werden wir dann auch sehen – wird in den nächsten Jahren zeigen, wie gut diese Dinge funktionieren. Wir hoffen, dass das, was schon passiert ist, so nicht mehr passieren wird, und dass den Lkw-Fahrern auch mit Unterstützung des Gesetzes maßgebliche Hilfen zukommen.

Wir werden diesen Antrag natürlich unterstützen. Wir werden auch darauf schauen und drängen, dass in Richtung Verkehrssicherheit, vor allem in diesem jetzt besprochenen Bereich, weiter evaluiert wird und dass weitere Maßnahmen ergriffen werden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

19.53

19.53.26


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die getrennt erfolgt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend 19. FSG-Novelle.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 186

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend 32. StVO-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.54.3130. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (918/A und 638 d.B. sowie 10228/BR d.B.)

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Änderungen des Über­einkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und der An­hänge D (CUV), F (APTU) und G (ATMF) zum Übereinkommen (582 d.B. und 639 d.B. sowie 10229/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punk­ten 30 und 31, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich bitte um die Berichte.


19.55.15

Berichterstatter Michael Bernard: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geän­dert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Änderungen des Überein­kommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und der Anhänge D (CUV), F (APTU) und G (ATMF) zum Übereinkommen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 187

Als Erster ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


19.56.29

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Werter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Bei diesen beiden Punkten geht es um den Eisenbahnverkehr. Der Verkehr allgemein ist immer ein sehr aktuelles Thema, auch unter dem Aspekt der Umwelt­ver­schmut­zung, des Klimas und des CO2-Ausstoßes. Die Eisenbahn hingegen wird zu Recht sehr positiv als saubere Mobilität dargestellt, was sicherlich auch stimmt. Immer, wenn wir vom Klimaschutz reden, reden wir auch von der Eisenbahn.

Meine persönliche Erfahrung mit der Eisenbahn ist eine sehr positive. So kann ich doch des Öfteren beobachten, wie voll die Züge sind, wie viele Menschen regelmäßig mit dem Zug unterwegs sind. Die Eisenbahn positiv weiterzuentwickeln ist unsere Herausforderung. Gerade in Kontinentaleuropa ist großes Potenzial vorhanden, den Verkehr verstärkt und kontinuierlich auf die Schiene zu verlagern. Die vorgeschlagenen Änderungen im Eisenbahngesetz sorgen dafür, dass es zu mehr Unabhängigkeit von Schieneninfrastrukturunternehmen kommt.

Ich möchte drei Punkte anführen:

Das Verbot von direkten und indirekten Kreditvergaben zwischen Infrastruktur­betrei­bern und Verkehrsunternehmen besagt, dass die ÖBB-Infrastruktur AG der ÖBB-Per­sonenverkehr AG im Sinne des fairen Wettbewerbs keine Darlehen mehr gewähren darf.

Personelle Entflechtungen werden vorgeschrieben. Das betrifft Vorstands- und Auf­sichts­ratsmitglieder. Es darf keine Doppelfunktion in vertikal integrierten Unternehmun­gen geben.

Es werden auch Zugangsrechte von Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in der Europäischen Union und in EWR-Staaten ausgeweitet. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Entwicklung des Österreichtickets, das natürlich auch ein Beitrag zur Erreichung der Klimaziele ist.

Ich komme zum Schluss: Diese Änderungen des Eisenbahngesetzes sind wichtige Maß­nahmen, aber weitere müssen noch folgen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.59


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


19.59.27

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um das Eisenbahngesetz. Wir wissen, dass mit der mit einem Initiativantrag eingebrachten Novelle des Eisenbahngesetzes EU-Richtlinien umgesetzt werden.

Ich glaube, es ist einmal wichtig zu wissen, warum das im Nationalrat und heute hier so schnell und mit Initiativantrag gemacht wurde. Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie ist nämlich bereits am 25. Dezember 2018 abgelaufen, und damit es kein Vertragsverletzungsverfahren gibt, beschließen wir das heute.

Es handelt sich dabei um die marktrelevanten Säulen des 2016 erlassenen vierten Eisenbahnpakets der EU. Dieses regelt die Öffnung des Markts vor allem für den inländischen Schienenpersonenverkehr und die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur, um für den Eisenbahnverkehr die nötige Rechtssicherheit zu schaffen. Die aktuelle


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 188

Novelle des Eisenbahngesetzes bringt also eine Verbesserung der Verwaltung der Infrastruktur sowie eine Öffnung der inländischen Märkte für die Erbringung von Per­sonenverkehrsdiensten durch Eisenbahnverkehrsunternehmen – boah, das sind lange Wörter –, die über eine Genehmigung im Sinne der EU-Richtlinie zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraumes verfügen. So. Ist das klar? Ja? (Bun­desrätin Mühlwerth: Hast du eh noch die eigenen Schrift lesen können? – Bundesrat Samt: Ich habe alles verstanden!) – Gut. (Erheitert:) Alles verstanden!

Ja, und über diese Novelle hinausgehend muss als besonders positiv festgehalten wer­den – ich glaube, das ist auch das Wichtigste –, dass Österreich Bahnland Nummer eins ist. Wir ersehen das ja immer aus dem Schienen-Control-Bericht. Wir wissen auch, dass wir im Personenverkehr die Nummer eins sind, dass wir bei Pünktlichkeit und Freundlichkeit in der ersten Liga mitspielen. Wir wissen auch, dass wir in Öster­reich bei Nettotonnen und Nettokilometern die im Verhältnis höchsten Werte in Europa erreichen. Damit erreichen wir dann die Klimaziele, und es gibt in weiterer Folge Über­legungen, den Klimaschutz mithilfe der Österreichischen Bundesbahnen auszubauen. Ich möchte dabei nur zu bedenken geben, dass man irgendwann einmal auch den Flug- und Schiffsverkehr mit einbeziehen sollte.

Wir sollten auch wissen, dass wir 260 Millionen Personen pro Jahr befördern und dass in Österreich 2 Milliarden Euro in den Ausbau des Schienennetzes investiert werden. Wir sparen damit 3,5 Millionen Tonnen CO2 ein. Wenn ein Passagier von Wien nach Salzburg fährt, spart er rund 63 Kilogramm CO2 ein. Umso wichtiger ist es in dieser Hinsicht, mehr Personen auf die Schiene zu bringen. Dabei muss man allerdings sagen, dass die Personenverkehrszüge zum großen Teil zu fast 100 Prozent ausge­lastet sind und dass es daher auch neue Modelle für den Betrieb geben muss.

Es gibt einen weiteren, auch von der SPÖ unterbreiteten Vorschlag zur Schaffung eines einheitlichen Tickets für den öffentlichen Verkehr mit Gültigkeit im gesamten Bun­desland – das hat der Kollege vor mir auch schon gesagt – sowie einer kosten­losen Variante für junge Menschen in Ausbildung, vor allem auch für Studierende. So kann eine weitere Attraktivierung gelingen.

Ich weiß, dass die Abrechnung und die Tarifgestaltung im Vertriebssystem dann schwierig ist. Die größte Herausforderung wird das Abrechnungssystem sein. Wir haben aber so viele Cards bei uns in Österreich, und die sind so weit entwickelt, dass es im Zuge der Digitalisierung eigentlich möglich sein sollte, dass wir das Problem in Zukunft gemeinsam lösen.

Dann haben wir den von uns gewünschten CO2-neutralen öffentlichen Verkehr, wie ihn die ÖBB ermöglichen können, und sind damit auch dem Klimaschutz einen Schritt näher gekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.04


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile ihm das Wort.


20.04.22

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Erstens wurde zu diesen zwei Gesetzes­vorlagen inhaltlich eigentlich schon alles gesagt. Zweitens ist es so, dass das Eisen­bahngesetz aufgrund der EU-Richtlinie ja ohnehin umgesetzt werden muss. Es wurde im Ausschuss auch schon gesagt, dass es keine wesentlichen oder überhaupt kaum spürbare Auswirkungen auf Österreich haben wird.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 189

Drittens handelt es sich bei dem zweiten Gesetz eigentlich um einen Staatsvertrag, der damit abgeschlossen wird. Ich würde allerdings, viertens, nicht so weit gehen, diesen beiden Gesetzesmaterien eine unmittelbare Auswirkung auf eine CO2-Ersparnis und den Klimaschutz zuzubilligen.

Wie dem auch immer sei: Es spricht nichts dagegen, diesen beiden Gesetzen zuzu­stimmen, und das werden wir in Kürze auch tun. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

20.05

20.05.29


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Das war die letzte Wortmeldung zu diesen beiden Tagesordnungspunkten.

Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisen­bahnverkehr und der Anhänge D, F und G zum Übereinkommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.06.4332. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die nichtlinienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG) geändert wird (917/A und 640 d.B. sowie 10230/BR d.B.)

33. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (37. KFG-Novelle) (916/A und 641 d.B. sowie 10231/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punk­ten 32 und 33, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Berichterstatter zu beiden Tagesordnungspunkten ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich bitte um die Berichte.


20.07.17

Berichterstatter Michael Bernard: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Verkehrsausschusses des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 190

nichtlinienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Verkehrsausschuss des Bundesrates stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Verkehrsausschusses des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Verkehrsausschuss des Bundesrates stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Anton Froschauer. Ich erteile dieses.


20.08.35

Bundesrat Anton Froschauer (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuhörerInnen hier im Saal und zu Hause via Onlinestream! Es geht um zwei Gesetzesmaterien, einer­seits um die nichtlinienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraft­fahrzeugen, also das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996. In der Debatte im Vorfeld hätte man annehmen können, es geht dabei um eine reine Lex Uber. Wir wissen aber, dass gerade bei den sogenannten Jugendtaxis im ländlichen Bereich auch sehr oft mit dem Mietwagengewerbe gearbeitet wurde und es nicht nur bei Uber, sondern auch in diesem Bereich sehr häufig zu Lohndumping und Zeitüberschreitungen gekommen ist und dass auch immer wieder Sicherheitsmängel aufgetreten sind.

Es macht Sinn, einheitliche gemeinsame Rahmenbedingungen für das Personen­beför­derungsgewerbe mit Pkw, wie das jetzt bezeichnet wird, zu schaffen. Es gibt einen klaren rechtlichen Rahmen, und dieser ist Grundlage für einen fairen Wettbewerb. Es gibt eine transparente Tarifstruktur, und es ist für jeden Fahrgast im Vorhinein ab­schätzbar, was ihn eine Fahrt in etwa kosten wird.

Es ist eine Qualitäts- und Sicherheitsoffensive. Es wird also kein Preisdumping auf Kosten sozialer Standards mehr geben. Qualitätsstandards beim Fahrpersonal und kundenfreundliche, flexible Buchungsmöglichkeiten sind ohne Weiteres möglich – hat jeder in seinem eigenen Bereich. Die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung waren bereits gleich und werden auch in Zukunft gleich bleiben. Das ist ein Gesetz, das man in dieser Form nur begrüßen kann.

Bei der 37. KFG-Novelle, der Novelle des Kraftfahrgesetzes 1967, geht es um einige Anpassungen, die den aktuellen Entwicklungen geschuldet sind. In Zukunft dürfen Sattelkraftfahrzeuge mit kranbaren Anhängern, die ja eine entsprechende Vorrichtung besitzen müssen, die die Nutzlast reduziert, statt 40 Tonnen ein maximales Gewicht von 41 Tonnen haben. Ich denke, dass die zusätzliche höhere Achslast dem gegen­überzustellen ist, was an Fahrtwiderstand, Rollwiderstand eingespart wird. So gesehen ist das ein Schritt in die richtige Richtung.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 191

Das Zweite ist, dass Kranfahrzeuge, Mobilkräne in Zukunft unabhängig von ihrem Gewicht in jedem Fall einen Pkw-Anhänger mitführen dürfen, um damit eine größere Flexibilität zu erreichen. Wir kennen das seit Jahrzehnten bei Krädern, von denen immer wieder solche Anhänger mitgeführt wurden. Auch das ist eine sinnvolle Maß­nahme. Es wurde auch die Grundlage geschaffen, um für Feuerwehrfahrzeuge eigene Sachbereichskennzeichen einzuführen.

Sie sehen also, das sind keine epochalen Veränderungen des KFG, sondern Anpas­sungen an aktuelle Notwendigkeiten. Ich bitte also auch um Ihre Zustimmung hiezu.

Eine kleine Replik noch auf die Ausführungen des Kollegen Zaggl vorhin zum Motor­rad­fahren – vielleicht sagen Sie es ihm –: Es ist jetzt schon möglich, an stehenden Kolonnen rechts vorbeizufahren. Es bedarf da also keiner zusätzlichen Anpassung. Es ist nur problematisch und nicht ganz sicher, weil sich manche Autofahrer in ihrer Motorsportehre gekränkt fühlen und Türen aufmachen oder nach rechts fahren. Das verlangt also größte Vorsicht. Ich würde da keinen weiteren Schritt gehen, denn ich habe da sehr viel am eigenen Leib erfahren müssen. – So weit zu den Punkten, die zurzeit zur Debatte stehen.

Ich darf, nein, ich muss mich hier mit einem weinenden Auge von Ihnen allen verab­schieden. Ich bin jetzt nicht einmal ein Jahr im Bundesrat. Ich genieße die Zeit hier. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.– Bitte? (Bundesrat Weber: Hat es dir nicht gefallen?) – Nein, nicht wirklich – im Gegenteil: Alle haben mir Freude gemacht, die allermeisten beim Kommen. Es war eine tolle Zeit. Ich habe viele neue Eindrücke gewonnen, ich habe viele neue und interessante Menschen kennenlernen dürfen. Ich bedanke mich bei Ihnen allen für die freundliche Aufnahme. Ich bedanke mich insbesondere beim Präsidium. Die Unterstützung ist eine sehr, sehr gute, und man fühlt sich von Haus aus bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hohen Hauses sehr, sehr gut aufgehoben. Ich bitte, das weiterzugeben. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an die Klubmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Ich habe mit 55 Jahren endlich das goldene Wiener Herz entdecken dürfen. Ich habe immer geglaubt, es ist der grantige Kellner (Ah-Rufe bei der SPÖ) – nein, nein, da gibt es tatsächlich unpack­bar hilfsbereite Menschen, und ich habe das sehr genossen. (Bundesrätin Schumann: Wien, Wien nur du allein!) Ich bitte auch, das an den Klub weiterzugeben.

Ein großes Dankeschön dem Herrn Präsidenten für die umsichtige Sitzungsführung! Man fühlt sich auch hier in diesem Rahmen, der notwendig ist, gut aufgehoben. Es war eine tolle Zeit! Danke vielmals.

Achten Sie darauf, dass der Geist der Gemeinsamkeit im Bundesrat überwiegt. Den­ken Sie daran, dass es einen 30. September geben wird. – Danke vielmals. (Allgemei­ner Beifall.)

20.14


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Auch wir möchten uns sehr herzlich für die Zusam­menarbeit, für die Mitarbeit hier im Bundesrat bedanken. Wir wünschen alle alles Gute auf dem weiteren Lebensweg, viel Glück und Erfolg!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. – Bitte.


20.15.03

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine Damen und Herren, die noch via Livestream dabei sind! Wir unterstützen die Novelle des Gele­gen­heitsverkehrs-Gesetzes, die einheitliche Standards für Taxis und Mietwagen bringt. Aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Dem müssen aber natürlich noch Verordnungen auf Bundes- und Landesebene folgen,


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 192

die für die KundInnen, aber auch für die Beschäftigten weitere spürbare Verbesserun­gen bringen.

Erlauben Sie mir trotzdem einen kleinen Nachsatz: Ich habe es schade gefunden, dass es wieder einmal bei einem Bundesgesetz keine Begutachtung gegeben hat. Das finde ich eben wie gesagt schade, weil ich denke, dass es nicht geschadet hätte, wie es so schön heißt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einen Blick zurück, der uns Folgendes zeigt: Ich würde sagen, die Entwicklung in den letzten Jahren hat zu einem ruinösen Preiskampf zwischen Taxis und Uber geführt, der natürlich hauptsächlich auf dem Rücken der LenkerInnen ausgetragen worden ist. Eines der wichtigsten sozialpo­liti­schen Ziele ist es, Lohn- und Sozialdumping wie auch unlauteren Wettbewerb ins­gesamt zu unterbinden. Nur ein fairer Wettbewerb unter gleichen Rahmenbedingungen und die Einhaltung österreichischer Gesetze durch alle Anbieter kann unlauteren Wettbewerb vermeiden.

Die Uber International Holding Niederlande bietet ihre Fahrtendienste in Österreich über eine in den Niederlanden betriebene Onlineplattform mittels in Österreich konzes­sionierter Mietwagenfirmen an. Die von Uber vermittelten Fahrten fallen großteils unter die Bestimmungen des Taxigewerbes. Werden gesetzliche oder kollektivvertragliche Bestimmungen verletzt, können zurzeit nur die MietwagenbetreiberInnen und nicht Uber selbst belangt werden. Es kommt dadurch zu einer groben Benachteiligung des Taxigewerbes, dessen Lenkerinnen und Lenker einen Nachweis über die erfolgte Ausbildung und ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache erbringen und eine Taxilenkerprüfung erfolgreich ablegen müssen. Zudem ist das Taxigewerbe im Gegensatz zum Mietwagengewerbe an den durch Verordnung festgesetzten Taxitarif gebunden.

Da es sich um eine neue Erscheinungsform von Vermittlungstätigkeiten über eine Onlineplattform handelt, die erst im Zuge der zunehmenden Digitalisierung möglich geworden ist und zudem nicht von Österreich, sondern von den Niederlanden aus betrieben wird, müssen Wege gefunden werden, die geeignet sind, den dadurch verursachten unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.

Meine Damen und Herren, wir sehen folgende mögliche Verstöße durch die Vermitt­lungstätigkeit von Uber: einen Verstoß gegen die Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gäste­wagen-Betriebsordnung, einen Verstoß gegen die Gewerbeordnung, einen Verstoß gegen die Taxitarifordnung, einen möglichen Verstoß gegen das Kartellgesetz, einen Verstoß gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und zu guter Letzt einen Verstoß gegen das Maß- und Eichgesetz.

In Zukunft wird es, wie im Taxibereich schon immer üblich und sinnvoll – möchte ich hinzufügen –, einheitliche Tarife geben, die von den Ländern verordnet werden. Basis dafür sind kollektivvertragliche Löhne und die betrieblich notwendigen Ausgaben, die unter Einbeziehung der Sozialpartner verhandelt werden.

Meine geschätzten Damen und Herren, ich denke, wir alle stehen für zukünftige Fair­ness, daher bin ich sehr froh darüber, dass dieses hemmungslose Preisdumping zulas­ten der Fahrerinnen und Fahrer ein Ende haben wird und dass es dies in Zukunft höchstwahrscheinlich nicht mehr geben wird.

Zusammengefasst und auf den Punkt gebracht heißt das: Es geht um Transparenz bei den Tarifen für die Kundinnen und Kunden, aber auch um faire Arbeitsbedingungen für die Fahrerinnen und Fahrer. Deswegen unterstützen wir die Novelle des Gelegenheits­verkehrs-Gesetzes. Ich möchte damit noch einmal sagen: Es ist ein Schritt in die rich-


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 193

tige Richtung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)

20.21


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile dieses.


20.21.18

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ich werde nur zum Gelegenheitsverkehrs-Gesetz sprechen. Ich kann die Euphorie und die Begeisterung meiner Vorredner nicht ganz teilen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich gebe durchaus zu, dass es sich bei diesem, ich sage jetzt einmal, Anlassgesetz um eine Art Notgesetz handelt, weil sich ein namhaftes Unternehmen – es wurde mehr­mals namentlich genannt – nicht an unsere Spielregeln hält. (Bundesrat Schennach: Seit Jahren!) Was Kollege Kaske hier an möglichen Verstößen aufgezählt hat, ist vollinhaltlich sicherlich richtig und gehört natürlich verhindert. Warum aber kann ich nicht verhehlen, dass sich meine Freude in Grenzen hält? – Es ist ein bisschen als würde man das Kind mit dem Bade ausschütten.

Wenn man eine Form des Wettbewerbs faktisch überhaupt abdreht, weil sich jemand nicht an die Spielregeln hält, dann ist das in meinen Augen nicht die optimale Lösung. Es wäre sicherlich besser – und ich hoffe, dass das in Zukunft, bei der nächsten Regierung, vielleicht gelingt –, die Gesetze so zu gestalten, dass man den fairen Wett­bewerb, die Qualität, die Sicherheit und die Einhaltung unserer Regeln gewährleistet, aber trotzdem nicht zu einer verordneten Tarifregelung schreiten muss, sondern noch einen Wettbewerb zulässt. Was wir hier jetzt eigentlich machen, ist, den Wettbewerb auszuschließen. Ich kenne das nur – vergleichsweise – hinsichtlich der Medikamenten­preise bei Apotheken, bei denen es diese Preisverordnungen gibt, und bei Taxis.

Zu dem, was Kollege Froschauer – ich wünsche dir im Übrigen alles Gute für deine weitere Zukunft – über die Mietwagenunternehmen am Land gesagt hat: Speziell in diesem Punkt tut sich über eine verordnete Hochpreispolitik ein gewisses Gefahren­potenzial auf, weil Taxifahren für Jugendliche grundsätzlich leistbar sein sollte. Ich sage das aus eigener Erfahrung. Ich kann mich erinnern, als Leoben noch keine Preisregelung hatte, dann aber mit den Grazern sozusagen in einen Topf geworfen wurde, hat das zu einer massiven Verteuerung des Taxifahrens geführt. Diese Gefahr sehe ich nun auch. Ich will nicht, dass Jugendliche bei ihren nächtlichen Discotouren wieder auf das eigene Auto zurückgreifen müssen, weil ihnen das Taxifahren zu teuer ist.

Wir werden dem zustimmen, weil es derzeit auf die Schnelle nicht anders geht, um diesen wirklich unlauteren Wettbewerb eines Unternehmens abzudrehen. Ich hoffe aber, dass wir in Zukunft zu besseren Lösungen kommen werden, die auch einen fairen Wettbewerb erlauben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.25


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile dieses.


20.25.12

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! In aller Kürze zu TOP 32 – Rudi Kaske hat vorhin schon alles sehr ausführlich erzählt ‑: Das Gesetz löst aus unserer Sicht die bisherige Problematik der Abgrenzung zwischen Miet- und Taxigewerbe – im Kurztext gehalten.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 194

Zu TOP 33: Wir sehen, dass diese Novelle eine Grundlage dafür schafft, dass Sach­bereichskennzeichen für Fahrzeuge der Feuerwehren geschaffen werden. Dadurch sollen ungerechtfertigte Anzeigen und Verfahren im Bereich der Maut- und Parko­meter­abgaben vermieden werden.

Wir werden beiden Tagesordnungspunkten zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und der Bundesrätin Mühlwerth.)

20.25


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Samt aus der Steiermark. – Bitte sehr. (Ruf: Unterbiete das! – Bundesrat Samt – auf dem Weg zum Rednerpult –: Stimmt, das war eine Vorlage!)


20.26.02

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich stehe da, es ist alles gesagt, nur nicht von jedem. (Allgemeine Heiterkeit.) Diesmal hat auch die SPÖ keine Vorlage dafür geliefert, dass ich jetzt noch irgendetwas bemerken sollte. (Ruf bei der SPÖ: Schauen wir einmal!) – Schauen wir einmal!

Kollege Krusche hat unsere Bedenken zu Tagesordnungspunkt 32 schon geäußert. Zu Punkt 33 gibt es keine Bedenken, wir werden diesem rückhaltlos zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

20.26

20.26.46


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Ge­setz 1996 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2019 betreffend eine 37. KFG-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.27.5834. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Dr. Gerhard Leitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 100 Prozent Ökostrom bis 2030 (261/A(E)-BR/2019 sowie 10232/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen zum 34. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 195

Bericht.


20.28.14

Berichterstatter Dr. Gerhard Leitner: Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Gerhard Leitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „100 Prozent Ökostrom bis 2030“.

Die Mitglieder des Bundesrates Stögmüller, Leitner, Kolleginnen und Kollegen haben am 4. Juli 2019 einen Entschließungsantrag eingebracht und ihn entsprechend begrün­det; er liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 9. Juli 2019 in Verhandlung genommen. Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Annahme des gegenständlichen Entschließungs­an­trages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Bundesrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau - - ah, Herr Vizepräsident Dr. Magnus Brunner. – Verzei­hung! (Heiterkeit des Vizepräsidenten Koller und bei BundesrätInnen der ÖVP.)


20.29.32

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Danke, Frau - - ah, Herr Präsident! (Allgemeine Heiterkeit.) Zuallererst darf ich festhalten, dass wir diesem Entschließungsantrag unsere Zustimmung geben werden, und ich darf mich bei Kollegen Stögmüller für diese Initiative bedanken.

In diesem Antrag wird nochmals festgehalten, was eigentlich schon im Regie­rungs­übereinkommen und auch ganz konkret in der #mission 2030, also in der österreichi­schen Klima- und Energiestrategie, festgeschrieben wurde, nämlich das Ziel, bis ins Jahr 2030 Strom in Österreich in dem Ausmaß zu erzeugen, dass der nationale Ge­samt­stromverbrauch bilanziell – das ist immer wichtig dazuzusagen, alles andere wäre unrealistisch – aus erneuerbaren Energiequellen kommt. Das ist der Kern.

Um dieses Ziel zu erreichen – liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht so ein­fach –, braucht es eine massive Steigerung in der Stromerzeugung aus Erneuerbaren. Man muss sich vorstellen, momentan haben wir eine Erzeugung von ungefähr 10 Tera­wattstunden im Jahr Ökostrom in Österreich. Für 100 Prozent bis 2030 bräuchten wir noch einmal 22 bis 27 Terawattstunden. Nur damit die Verhältnisse klar sind: 10 Tera­wattstunden jetzt und dann noch einmal 22 bis 27 Terawattstunden. Das ist unglaublich ambitioniert, wie überhaupt diese #mission 2030 ambitioniert ist. Das haben damals nicht alle so gesehen. Wir sehen aber jetzt in der Umsetzung, im Umsetzungszeitraum, dass es sehr ambitioniert ist.

Für die Umsetzung dieser Ziele soll unter anderem ein neues Gesetz vorgelegt wer­den, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Dieses Gesetz hat Frau Bundesministerin außer Dienst Elisabeth Köstinger mit sehr viel Herzblut und sehr viel Engagement vorangetrieben. Sie hat mit vielen Expertinnen und Experten die letzten Monate daran gearbeitet. Ich bin überzeugt – weil dies immer wieder im Raum steht und die Frage danach gestellt wird –, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium auch jetzt in der Zeit dieser interimistischen Bundesregierung intensiv weiter daran arbeiten. Es werden die Entscheidungsgrundlagen für die neue, für die zukünftige Bundes­regierung vorbereitet.

Dieses EAG – das muss man auch wissen – ist in erster Linie eine strukturelle Ände­rung, auch was die Fördermechanismen betrifft. Von der Europäischen Union wird eine


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Umstellung verlangt, von langfristigen Einspeisetarifen hin zu Einmalförderungen oder Ausschreibemodellen, die dann im Einklang mit den Regelungen der Europäischen Union sein werden.

Durch dieses Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sollen auch gewisse Marktmechanismen, wie Ausschreibungen, Selbstvermarktung, kein Produzieren und Vergessen, wie es zum Teil jetzt vorgekommen ist, Einzug halten. Der Konsument und der Strompro­du­zent sollen sozusagen eins werden. Es wird oft vom sogenannten Prosumer, also von der Gemeinsamkeit zwischen Produzent und Konsument, gesprochen.

Es ist aber auch eine gewisse Flexibilität notwendig, sowohl in Bezug auf die flexiblere Erzeugung, aber auch auf andere Maßnahmen, beispielsweise im Netzbereich, in dem gewisse Flexibilitäten entstehen müssen. Folgendes ist mir jetzt besonders wichtig: Im Nationalrat liegt eine Novelle des Ökostromgesetzes mit diversen Maßnahmen wie beispielsweise den Abbau von Wartelisten, die sich im Wind-, Wasser- und auch im Biomassebereich aufgebaut haben, und andere Dinge – wir kommen später noch dazu –, beispielsweise die Streichung der Eigenverbrauchsabgabe. Das sind sehr, sehr wichtige Dinge, die für die Erreichung dieser Ziele dringend notwendig sind. Ich kann nur alle ersuchen, auch in ihrem Umfeld dazu beizutragen, dass diese Ökostrom­gesetznovelle, die jetzt im Parlament über den Sommer hoffentlich noch besprochen und beschlossen wird, zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

20.34


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Frau Mag.Bettina Lancaster ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.34.20

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuse­herinnen, die noch via Livestream dabei sind! Wir Sozialdemokraten begrüßen den vorliegenden gemeinsamen Ansatz. Der im Umweltausschuss von Stögmüller, Leitner, Dziedzic und Freundinnen eingebrachte Selbständige Entschließungsantrag hat es ins Plenum geschafft.

Der Klimawandel zeigt seine Zähne. Im Jetzt sehen wir uns mit lang anhaltenden hohen Temperaturen, schockartigen Niederschlägen, Überschwemmungen, orkanarti­gen Stürmen und so weiter konfrontiert. Die Folgen sind mannigfaltig: Ernteausfälle, Verwüstungen durch Muren und Brände, aber auch schwere gesundheitliche Belas­tungen. Manche werden sich besser mit den geänderten Bedingungen arrangieren können, andere weniger gut. Ökonomisch Schwache werden mit hoher Wahrschein­lich­keit stärker getroffen als gut Situierte.

Aufgabe der Politik muss es sein, da einen Ausgleich zu schaffen. Wir Sozialdemo­kraten sind dazu verpflichtet, darauf zu pochen, dass soziale Verlierer und Gewinner des Klimawandels nicht aufgrund ihrer Wirtschaftskraft identifiziert werden können. Mit den Fridays-for-Future-Demos fordern die Jungen verantwortungsvolles Handeln von der Eltern- und Großelterngeneration ein. Sie fordern Fairness für sich und die folgen­den Generationen. Wir sind gefordert. Schaffen wir die rechtlichen Rahmenbedin­gun­gen, damit Maßnahmen ergriffen werden können!

Durch die anstehende Neuwahl darf der Ausbau der Energieproduktion aus erneuer­baren Energieträgern nicht verzögert werden. Der vorliegende Entschließungsantrag „100 Prozent Ökostrom bis 2030“ fordert von der Regierung die intensive Arbeit am Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sowie die ehestmögliche Vorlage eines Gesetzesvor­schlages zur Begutachtung. Im Ministerium gab es intensive Vorarbeiten zu diesem


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Gesetzeswerk. Diese müssen jetzt der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wer­den. Die Öffentlichkeit bildet die Grundlage für eine umfassende Diskussion und ebnet den Weg für eine rasche Beschlussfassung.

Laut einer Studie der TU Wien ist der Ausbau der Ökostromerzeugung aus erneuer­baren Quellen bis 2030 machbar und bringt wirtschaftliche Vorteile. Der Präsident des Dachverbandes Erneuerbare Energie ortet aber einen enormen Zeitdruck. Das derzeitige Ausbautempo ist zu langsam. Ein verzögertes Inkrafttreten des Erneuer­baren-Ausbau-Gesetzes würde die Produktion von notwendiger erneuerbarer Energie weiter in die Ferne rücken. Klimafreundliche Projekte sollten so schnell wie nur möglich verwirklicht werden. Lassen wir keine Zeit tatenlos verstreichen!

Ich verweise auch auf den flankierenden Antrag, der von den Sozialdemokraten im Nationalrat eingebracht wurde, die Novelle zum Ökostromgesetz. Mit der von der SPÖ eingebrachten Novelle zum Ökostromgesetz sollen bereits genehmigte, aber noch nicht umgesetzte Projekte im Bereich der Wind- und Kleinwasserkraft realisiert und eine Überbrückungsförderung für Photovoltaik sichergestellt werden. Mit einer zusätz­lichen Förderung von 45 Millionen Euro soll der Projektstau bei Windkraftanlagen aufgelöst werden. Für Photovoltaik und Stromspeicher wiederum soll es eine Brücken­förderung von 20 Millionen Euro geben. Für die Kleinwasserkraft schlägt unser Antrag zusätzlich 5 Millionen Euro vor. Wir hoffen auch hier auf Zustimmung.

Das Zurückdrängen von fossilen Energieträgern bedarf einer gesamtheitlichen Sicht­weise. Modernes Mobilitätsmanagement ist gefragt, und dabei wird es um ein Mehr an erneuerbarer Energie gehen. Die Zukunft der Mobilität in den Städten wird zu einem noch größeren Teil im netzabhängigen öffentlichen Verkehr liegen.

Der von der SPÖ im Nationalrat eingebrachte Antrag zur Änderung im Elektrizitäts-, Wirtschafts- und Organisationsgesetz setzt da an, es geht vor allem um die Zählpunkt­saldierung bei Straßen- und U-Bahn-Betreibern. (Bundesrat Brunner: Ja genau!) Mobilität muss für alle leistbar sein und bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Unterschied dazu sind Forderungen, die direkt aus den Lobbypapieren der jewei­ligen Anbieter stammen, zu sehen: Diese mögen zwar smart klingen, sind es aber nicht und leisten auch nichts für die Umwelt und für die Menschen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.40


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile dieses.


20.40.53

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizeprä­sident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Als Freiheitlicher Bundesrat begrüße ich den Ent­schließungsantrag betreffend „100 Prozent Ökostrom bis 2030“.

Schon bei der Vorbereitung für die Ausschusssitzung und im Zuge der Vorbereitung meiner heutigen Rede dachte ich an den 14.2.2019 zurück, als die heutigen Mitantrag­steller, die SPÖ-Fraktion, aus parteitaktischen Erwägungen ein Gesetz zu Fall brach­ten und damals mit ihrer Vorgangsweise dem Ziel, welches im heutigen Antrag gesetzt wird, massiv entgegenwirkten.

Zum Schluss meiner damaligen Rede sagte ich wortwörtlich: Ich hoffe, zum Wohle unserer Kinder und Enkelkinder doch noch den einen oder anderen Bundesrat der SPÖ davon überzeugt zu haben, dass es richtig wäre, über Parteigrenzen hinweg keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates zu erheben. – Zitatende.


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Gut Ding braucht Weile! – Das ist ein altes Sprichwort, man sieht aber, dass es immer noch gilt. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zum Inhalt, auch zum selben Thema, das am 14.2.2019 behandelt wurde: Raus aus der fossilen und hinein in die erneuerbare Energie. Das bedeutet gleichzeitig: verantwortungsvoller Umgang mit unserer Umwelt und deren Ressourcen, nationale Maßnahmen zur Schaffung einer Kreislaufwirtschaft, Ausbau der Energieeffizienz, vollständiger Verzicht auf Kohlekraftwerke und Atomkraft, integrierte Klima- und Ener­gie­strategie, Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit, innovative Energie­zu­kunft und saubere Mobilität.

Das Ziel, die Energieversorgung unseres Landes kontinuierlich durch erneuerbare Ener­gieträger aus eigener Produktion zu decken, macht uns nicht nur unabhängiger von Energieimporten, sondern gibt gleichzeitig einen großen Impuls für neue Inves­titionen und damit nationale Wertschöpfung. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und zusätzliches Wirtschaftswachstum sind weitere positive Folgen.

Wie auch bereits im Zuge meiner letzten Rede zu diesem Thema ausgeführt, war das Ziel im Regierungsabkommen vereinbart, das wie folgt lautete: im Jahr 2030 bilanziell 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Das sogenannte Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und die Rahmenbedingungen für den deutlich beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung waren bereits im letzten Stadium der Umsetzung. Es wurde auch vereinbart, die Fördersystematik neu aufzu­stellen. Erfordernisse an das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sind zum Beispiel schnel­lere Verfahrensabwicklung, Planungssicherheit, Investitionssicherheit, Mikronetze; syn­thetische Treibstoffe aus erneuerbarer Energie müssen steuerfrei sein; Reststoffe, flüssig oder fest, die in Strom, Wärme und Treibstoff umgewandelt werden, müssen im Abfallwirtschaftsgesetz bevorzugt behandelt werden – Stichwort Abfallende und Mengen –; stoffliche Verwertung vor thermischer Verwertung.

Das geplante sogenannte 100 000-Dächer-Fotovoltaik-und-Kleinspeicher-Programm soll weiter verfolgt werden und soll, unterstützt durch eine Investitionsförderung, An­reize für eine verstärkte Nutzung der Dachflächen durch Photovoltaikmodule bieten.

Bezüglich des Entschließungsantrages des Kollegen Stögmüller, der heute noch folgen wird: Ähnliche Anträge zur Novellierung des Ökostromgesetzes mit einer Neudotierung der PV-Sonderförderung der Jahre 2018 und 2019 sind von ÖVP, SPÖ und FPÖ in der letzten Nationalratssitzung eingebracht worden. Eine Aufforderung an die Bundes­regierung ist damit überholt. Der Wegfall der Eigenstromsteuer in der Größenordnung von 1,5 Cent pro Kilowattstunde wurde in einem Initiativantrag von ÖVP und FPÖ bereits verabschiedet, er war Teil der geplanten Steuerstrukturreform, und damit werden wir den Entschließungsantrag des Kollegen Stögmüller auch unterstützen.

Wichtig ist weiters die Beseitigung von Investitionshindernissen im Wohn- und Anla­gen­recht. Dies betrifft Zustimmungserfordernisse bei Gemeinschaftsanlagen sowie Ge­nehmigungsfreistellung von Photovoltaikanlagen auf Gewerbedächern sowie klare Regelungen, dass PV-Anlagen auf Gewerbedächern keiner anlagenrechtlichen Genehmi­gungspflicht unterliegen.

Mit der Schaffung von Rahmenbedingungen für Mikronetze soll die Möglichkeit ge­schaffen werden, dass Mieterinnen und Mieter sowie Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer künftig den im eigenen Haus erzeugten Strom einfacher verteilen können. Mit dem Energieträger Wasserstoff und Dimethylether wird die Integration von erneuer­baren Energien unterstützt, was daher einen wesentlichen Faktor für das Gelingen der Transformation der Energiesysteme darstellt. Wasserstoff, aber auch Dimethylether soll die Netzstabilität durch zentrale Langfristspeicherung von erneuerbaren Energien


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unterstützen. Gleichzeitig soll mit einem kosteneffizienten Produkt von Wasserstoff der Ersatz von fossilen Energien in der energieintensiven Industrie vorangetrieben werden.

Auch für die Produktion von Biogas soll die Rohstoffversorgung insbesondere aus den Be­reichen Landwirtschaft, Abfall-, Kompost- und Abwasserwirtschaft kommen. Ein wesentlicher zusätzlicher Nutzen liegt in der potenziellen Vermeidung von Methan­emissionen aus der Landwirtschaft, Kohleverwertung, sowie in der Gewinnung von Dünger aus dem Gär­rest. Die zunehmende Einspeisung von Biogas, erneuerbarem Wasserstoff oder syn­the­tischem Methan aus Power-to-Gas-Anlagen in das bestehende Erdgasnetz ermög­licht eine kostenoptimierte Sektorkupplung von Strom, Wärme und Mobilität mit er­neuer­baren Energieträgern.

Andere Maßnahmen: Die Langfristspeicherung von Strom durch Wasserstoff soll er­möglicht und begünstigt werden. Dafür soll geprüft werden, ob branchennahe Zukunfts­investitionen der Kohlenwasserstoffindustrie bei der Berechnung der Förderzinse ange­rechnet werden können. Die Produktion von Wasserstoffmittel, Elektrolyseanlagen, soll die Produktion überschüssiger Energie aus erneuerbaren Quellen abfedern. Durch eine Verknüpfung der Förderung erneuerbarer Energie mit der Bereitstellung von Speicher­kapazitäten soll der Ausbau von Speicher bei gleichzeitig verstärkter Volatilität im Strommarkt forciert werden. Für die begünstigte Einspeisung von Wasserstoff-Biogas in das Erdgasnetz sollen geeignete Instrumente entwickelt werden. Um nicht fossile Energieträger zu forcieren und Rechtssicherheit für Investoren zu schaffen, soll Was­serstoff dem Erdgasabgabenetz zugeordnet sowie eine steuerliche Begünstigung ver­ankert werden. Biogas ist auch gleich zu behandeln.

Nun sei den sogenannten Grünen noch etwas ins Stammbuch geschrieben: Der Strom kommt zwar aus der Steckdose, er muss aber vorher produziert werden. Nach wie vor ist die Wasserkraft unser wichtigster und unverzichtbarer erneuerbarer Energie­pro­duzent, der auch noch mehrere Möglichkeiten für einen Neubau bietet. Wir haben das Glück, auf diesen erneuerbaren Energieproduzenten zurückgreifen zu können.

Da wir von der Bevölkerung gewählt wurden, um für die Bevölkerung da zu sein und unser wunderschönes Heimatland zu erhalten und zu schützen, Menschenleben uns aber wichtiger sind als die Möglichkeit, dass vielleicht ein Vogel durch ein Wasser­kraftwerk vertrieben wird, sind wir gegen Atomkraft und für Wasserkraft.

Da wir bereits bei den letzten Beschlüssen für das genannte Ziel 100 Prozent Öko­strom bis 2030 gestimmt und in der damaligen Situation kühlen Kopf bewahrt haben, werden wir auch heute aus Überzeugung den Entschließungsantrag über Parteigren­zen hinweg mit unterstützen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

20.48


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Letzter zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile dieses.


20.48.56

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Botschaft des Klimavertrages von Paris ist eindeutig: hinaus aus den fossilen, hinein in die erneuerbaren Energien.

Konventionelle Energie und ihre Gewinnung gehören zu den größten Naturzerstörern weltweit, Energie aus Wind, Sonne und Wasser ist die Zukunft. Sie ist sauber, belastet unser Klima nicht und verpestet unsere Atemluft nicht. Sie ist erneuerbar und geht uns nicht aus, wie das bei Öl und Gas in absehbarer Zeit sein wird. Erneuerbare Energie ist auch wirtschaftspolitisch die vernünftigste Lösung, denn es entsteht ein boomender Wachstumsmarkt, der auf Dauer Arbeitsplätze schafft und sie auch sichert.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 200

Wir Grüne wollen, dass Österreich da ganz vorne dabei ist (Zwischenruf des Bun­desrates Samt), wir Grüne wollen eine dynamische Energiewende im Einklang mit der Natur. Der erfolgreiche Ausbau von erneuerbaren Energien liegt immer in einem gewis­sen Spannungsfeld zwischen Energiegewinnung, Energiewende und Naturschutz. Vor Ort wird beides zum Teil auch oft gegeneinander ausgespielt. Das hört man immer wieder, wenn es um Wasserkraft geht, aber sowohl Klimaschutz als auch der Schutz der Biodiversität sind Ziele von überragendem gesellschaftlichem Interesse. Für uns ist klar: Naturschutz und erneuerbare Energie müssen Hand in Hand gehen, denn eine naturverträgliche Energiewende, auch im Stromsektor, muss unser gemeinsames Ziel für die Zukunft sein.

Jenseits des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes muss Naturschutz vor Ort durch natur­schutzfachliche Planung und regionale Programme der Raumordnung berücksichtigt werden. Wir Grüne wollen eine umfassende, effiziente und naturverträgliche Energie­wende, die auch die sozialen Aspekte nicht außer Sicht lässt. Da will ich auch Kollegin Lancaster, die das sehr gut ausgeführt hat, Danke sagen. Ich glaube, der soziale Aspekt darf uns bei der Energiewende nicht aus dem Blickfeld geraten.

Die Energiewende wird uns nur gelingen, wenn neben der deutlichen Senkung des Energieverbrauchs auch die Ökostromförderungen nur unter Einhaltung konkreter Naturschutzkriterien vergeben werden. Die vorgegebenen Ziele des Gewässer-, Natur- und Landschaftsschutzes dürfen nicht unterlaufen werden. Die Energiewende und das Erreichen der Klimaschutzziele wird nur möglich sein, wenn es zusätzlich zur Öko­stromförderung zu einer deutlichen Reduktion des Energieverbrauchs kommt. Neben effektiven Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs braucht es eine nach­haltige Reform der grundsätzlich wichtigen und richtigen Förderung von erneuerbarer Energie, und genau das soll zukünftig auch im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geregelt werden.

Das EAG ist ein wichtiger Meilenstein im Hinblick darauf, welchen Strom wir in Zukunft in Österreich haben und beziehen werden: ob wir weiterhin grauen Atom- und Kohle­strom aus den Nachbarstaaten, aus dem Ausland beziehen oder ob wir in Österreich endlich die komplette Umstellung auf grünen Strom schaffen. Da können wir gern über irgendwelche Ziele, zum Beispiel ob der industrielle Strom miteingerechnet werden soll – was natürlich optimal wäre – oder nicht, diskutieren, aber wir müssen die Umstel­lung schaffen. Wir brauchen die Umstellung schnell und umfassend.

Es gibt bereits Negativbeispiele wie Deutschland, die gut gestartet sind, wo aber dann durch diverse Gründe und besonders durch ihre Ausschreibungsmodelle in diesem Bereich, die erneuerbare Energie rückläufig geworden ist. Das darf uns in Österreich nicht passieren, das sollten wir uns als Beispiel nehmen. Wir sollten sehr genau hinschauen, wo dort die Fehler waren, und in Österreich dementsprechend darauf reagieren. Dafür bleibt uns nämlich genau keine Zeit mehr.

Wir Grüne sehen gerade die BürgerInnenbeteiligung als einen essenziellen Punkt im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Deswegen wollen wir Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger und die Erweiterungen von BürgerInnenkraftwerken forcieren, denn ein wichtiger Punkt, um die Energiewende zu ermöglichen, ist, die Akzeptanz der erneuerbaren Energie in der Bevölkerung zu erhöhen und durch Partizipations­mög­lichkeiten zu steigern. Ganz ehrlich: Der Umstieg ist nicht einfach und es braucht mas­sive Anstrengung in diesem Bereich. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Zum einen muss der Energieverbrauch bis 2050 um 50 Prozent gesenkt werden. Die­ses Ziel erfordert rasche und auch umfassende politische Maßnahmen. Das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz 2020 bietet aber eine enorme Chance für den Klimaschutz und Umweltschutz. Es braucht ganz konkret ein umfassendes Gesetz mit klaren Effizienz-


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kriterien, die den ökologischen Aspekt nicht außen vor lassen. Damit es zu einer brei­ten Unterstützung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes kommt, müssen bei den Ver­handlungen alle Stakeholder – ob es Umwelt-NGOs, Interessenvertreter, die Bun­des­länder, die Gemeinden, die politischen Parteien sind – mit am Tisch sitzen. Das ist wichtig, denn nur gemeinsam können wir es schaffen, die Energiewende umzusetzen.

Es braucht konkrete Zielerreichungspfade – wohin wollen wir? –, und klare Mengen­ziele für die einzelnen Technologien. Das fehlt mir jetzt in der Punktation, die uns dazumal von Umweltministerin und Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger vorge­stellt worden ist, noch; dort fehlten die konkreten Zielerreichungspfade und klare Mengenziele. Ich glaube aber, die braucht es, damit wir Ziele setzen können, damit wir wissen, wohin wir wollen und ob wir am richtigen Pfad sind und nicht abdriften, so wie es in Deutschland passiert ist.

Ich bringe auch einige Anträge ein. Ein unselbständiger Entschließungsantrag von mir zielt darauf ab – da es ja gerade Verhandlungen im Parlament, im Nationalrat gibt –, dass gerade im Bereich der Photovoltaik einfach viel zu wenig Geld budgetiert ist. Das sehe ich in allen Anträgen, die ich gelesen habe, egal ob es der Initiativantrag der ÖVP oder auch der Antrag der SPÖ war. Das ist ein großes Problem, denn mit den Geldern, die in diesen Initiativanträgen budgetiert worden sind, kann nur der Status quo der Photovoltaik erhalten bleiben. Um aber den Ausbau voranzubringen – und gerade in der Photovoltaik liegt enormes Potenzial –, braucht es viel, viel, viel mehr Geld. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Investitions­zu­schüsse für Photovoltaikanlagen und Stromspeicher“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, für den Ausbau der Photovoltaik Fördermittel 36 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, davon 24 Millionen Euro für die Errichtung oder Erweiterung von Photovoltaik-Anlagen.

Um im Jahr 2020 einerseits einen PV-Markteinbruch von 30 Prozent zu vermeiden, sowie einen ersten richtungsweisenden Zubau zu ermöglichen, sind Fördermittel für PV-Anlagen (bis zu einer Größe von 500 kWp) sowie Stromspeicher (bis zu einer Kapazität von 100 kWh) festzusetzen. Die Fördermittel müssen mit Jahresbeginn 2020 zur Verfügung stehen.“

*****

Weiters bringe ich noch folgenden Antrag ein, den ich gemeinsam mit Magnus Brunner, der hier jetzt als Vizepräsident vorsitzt, ausgearbeitet habe – dafür möchte ich mich noch herzlich bedanken, weil ich glaube, dass alle Fraktionen jetzt wirklich zu­sam­menarbeiten müssen –:

Entschließungsantrag

der Bundesräte David Stögmüller, Magnus Brunner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Abschaffung der Eigenverbrauchsabgabe“

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 202

„Die Bundesregierung wird ersucht, die Initiativen zur Abschaffung der Eigenver­brauchs­abgabe (Elektrizitätsabgabe) für vor Ort und Stelle erzeugten und verbrauchten Photovoltaikstrom zu unterstützen.“

*****

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das ist ein guter Antrag. Ich möchte auch hier im Bundesrat wirklich noch einmal Danke dafür sagen, dass wir heute diesen Antrag einstimmig beschließen werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Energiewende nur schaffen, wenn wir den politischen Hickhack zurücklassen und gemeinsam an der Energiewende arbeiten.

Danke – das meine ich wirklich so – an alle Fraktionen, die daran arbeiten, gute Initiativen im Nationalrat einzubringen, um die Energiewende voranzutreiben. Wir sind im Nationalrat derzeit nicht vertreten, darum ist es umso wichtiger, dass ihr das forciert, damit wirklich ein gutes Gesetz entsteht. Auch wenn einzelne Punkte noch strittig sind, dürfen wir nicht das große Ganze außer Acht lassen. Wir müssen gemeinsam an der Energiewende arbeiten und ab und zu auch einmal über unseren Schatten springen und schauen, dass wir da etwas Gutes und Wichtiges beschließen.

Danke an alle, die heute hier mitstimmen. Ich glaube und hoffe, dass das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz und alle zugehörigen Gesetze in die richtige Richtung gehen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

20.58

20.58.05


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten David Stögmüller und Ewa Dziedzic eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Investitionszu­schüs­se für Photovoltaikanlagen und Stromspeicher“ trägt nur zwei Unterschriften und ist somit nicht genügend unterstützt. Ich stelle daher die Unterstützungsfrage.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die diesen Antrag zusätzlich zu den beiden unterstützen wollen, um ein Handzeichen. – Die Unterstützung ist nicht ausreichend.

Der von den Bundesräten Stögmüller, Brunner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Abschaffung der Eigenverbrauchsabgabe“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Dr. Gerhard Leitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „100 Prozent Ökostrom bis 2030“ ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der gegenständliche Entschließungs­antrag ist somit angenommen. (E 260-BR/2019)

Jetzt kommen wir zum Antrag der Bundesräte Stögmüller, Dr. Brunner, LL.M., Kolle­ginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Abschaffung der Eigenverbrauchsabgabe“.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 262-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 203

21.00.0135. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung des Climate Emer­gency (267/A(E)-BR/2019 sowie 10233/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 35 der Ta­ges­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. Ich bitte um den Bericht.


21.00.19

Berichterstatter Dr. Gerhard Leitner: Ich erstatte Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen.

Die Mitglieder des Bundesrates haben am 4. Juli 2019 einen Entschließungsantrag eingebracht und diesen entsprechend begründet. Er liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung vom 9. Juli 2019 in Verhandlung genommen. Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Annahme des gegenständlichen Entschließungs­an­tra­ges zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Bundesrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen. (Ruf bei der SPÖ: Sehr gut gemacht!)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. Ich erteile es ihr.


21.01.24

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Zuseher auf der Galerie und via Livestream! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kompliment, trotz fortgeschrittener Stunde ist das Klima hier herinnen noch so angenehm! Nichtsdestotrotz werden wir die Bundesregierung auffordern, den Climate Emergency auszurufen.

Ja, seit mehreren Monaten demonstrieren Zehntausende vor allem junge Menschen öster­reichweit im Rahmen der Fridays-for-Future-Bewegung. (Bundesrat Spanring: Das ist aber jetzt mit den Ferien eh vorbei!) Mit der Aufforderung an die Bundes­regierung, den Climate Emergency zu erklären, setzen wir entsprechend dem Ent­schließungsantrag von Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen fraktionsübergreifend ein starkes politisches Signal. Die Eindämmung der Klima- und Umweltkrise wird als Aufgabe höchster Priorität anerkannt.

Was ist nun in diesem Entschließungsantrag enthalten? – Ziel soll es sein, die Emis­sionen ehestmöglich, doch noch vor Mitte des Jahrhunderts, über die Ziele des Pariser Abkommens hinaus auf netto null zu reduzieren. Als sachliche Grundlage für zukünf­tige Entwicklungs- und Klimapolitik sollen zusätzlich zu den Veröffentlichungen öster­reichischer Institute Berichte diverser einschlägiger Plattformen herangezogen werden. Bei zukünftigen Entscheidungen sind stets die Auswirkungen auf das Klima und den Klimaschutz festzustellen.

Das halbjährliche Protokoll des Klimaschutzkomitees muss dem Nationalrat und der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Ebenfalls muss die österreichische Bevölkerung über


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 204

alle Kanäle über die Klima- und Umweltkrise informiert werden. Die Bundesregierung soll sich in Europa und auf internationaler Ebene für die Erreichung des 1,5-Grad-Celsius-Zieles einsetzen, sich für erneuerbare Energien und gegen die Energiege­winnung mittels Kernspaltung aussprechen. Bei der Umsetzung entsprechender Maß­nahmen ist sich mit den Bundesländern und den Gemeinden abzustimmen und zu ko­operieren. Diese Forderungen beinhaltet die Erklärung des Climate Emergency.

Von diesen Forderungen sind in der nationalen Klima- und Energiestrategie viele enthalten. Diese #mission 2030 ist der Startschuss für das Ende des fossilen Zeitalters in Österreich. Die Bundesregierung hat sich darin mit der Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus außer Dienst Elisabeth Köstinger ambitionierte Ziele gesetzt. Wir werden aber unsere Anstrengungen intensivieren müssen, um 1,5 Grad Celsius und netto null vor 2050 zu erreichen.

In der Energiewende nehmen wir eine Vorreiterrolle ein. Im Ausstoß von Treibhaus­gasen liegen wir im europäischen Mittelfeld. Die Empfehlungen der Europäischen Kom­mission zur nationalen Entwicklung des Klimaplans zeigen unsere Problemfelder, vor allem im Verkehr, deutlich auf.

Was sind unsere Möglichkeiten? Welchen Weg können wir gehen? – Wir brauchen auf jeden Fall eine nachhaltige Kombination aus bewusstseinsbildenden Maßnahmen, der effizienten Nutzung von erneuerbaren Energien und der gezielten Unterstützung innovativer Umwelttechnologien. Energiewende und Dekarbonisierung sind allerdings viel mehr als ein reiner Technologiewechsel. Es ist auch ein kulturelles Projekt: das Bewusstsein zu schaffen, dass wir eine neue Art zu arbeiten, zu konsumieren und zu leben brauchen. Oder wie Josef Riegler, der Vordenker des Modells der ökosozialen Marktwirtschaft, postuliert hat: Es ist ein Gleichgewicht zwischen Umwelt, sozialen Anliegen – wie auch meine Vorredner schon erklärt haben – und der Wirtschaft herzu­stellen.

Entscheidend ist, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in diesem Veränderungs­prozess eng zusammenarbeiten. Ich kann nur appellieren: Ziehen wir an einem Strang! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundes­rates Stögmüller.)

21.05


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


21.05.54

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin Holzner! Ich kann von hier aus sagen: Ich kann nahezu alles unterschreiben, was Sie hier gesagt haben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Nahezu!)

Ich weiß, ihr wollt nach Hause gehen, ich will auch nicht lange sprechen. (Bundesrat Samt: Das sagt er immer! – Bundesrätin Mühlwerth: Da wird es dann immer be­sonders lang, das ist meine Erfahrung!) Günther Novak hat die Uhr eingestellt, ich weiß mein Limit. Das ist nämlich die Hälfte des Limits, das der Günther hat.

Ich möchte nur sagen: Wir sollten uns heute alle bewusst sein, dass wir mit der Entscheidung zum Climate Emergency heute hier etwas entscheiden, das in Europa gesehen und gehört wird, denn wir sind damit das vierte parlamentarische Gremium auf Bundesebene, das eine solche Entscheidung trifft, wie wir es heute tun, nämlich einen Notstand zu erklären. Bisher waren das Westminster, Irland und Frankreich, und Papst Franziskus hat dies nicht in seiner Eigenschaft als Chef der katholischen Kirche, sondern seinerseits als Staatsoberhaupt gemacht.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 205

Was heißt Climate Emergency? – Das bedeutet, dass sowohl die Exekutive als auch die Legislative einen Notstand feststellen, sie gehen davon aus. Mein Dank gilt deshalb in spezieller Weise auch der Partei hier in der Mitte des Hauses (Bundesrat Steiner: Partei der Mitte, richtig!), der FPÖ, dass sie hier mitgeht, weil ja ihr früherer Parteichef eine Klimakrise noch geleugnet hat. Climate Emergency bedeutet: Wir haben sie, sie ist real. Und ein Notstand bedeutet für alle Bereiche der Legislative und Exekutive absolute Priorität. Rechtlich ausgedrückt heißt das, Volkssouveränität wird da in die Waagschale geworfen.

Wir gratulieren Vorarlberg, das als erstes Bundesland am 4.7. nahezu einstimmig – ihr habt momentan keinen Vorarlberger in euren Reihen, liebe FPÖ –, bis auf die Stimmen der FPÖ, den Beschluss gefasst hat, den Climate Emergency auszurufen. Damit folgt Vorarlberg als Teilstaat dem Kanton Zürich, der das auch gemacht hat.

In Österreich hat Steyregg in Oberösterreich als erste Gemeinde den Climate Emer­gency ausgerufen. Weiters folgen Perchtoldsdorf, Traiskirchen, Innsbruck, Kufstein, ganz frisch Hartberg, Michaelerberg. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Von den großen Städten sind es Köln, Paris, Vancouver in Kanada, Mailand, Neapel, Lucca, Padua, New York, San Francisco, weitere 16 Städte in den USA, Basel, Heidelberg, Kiel, Bochum, Aachen, Düsseldorf, Bonn, Wiesbaden, Zürich und Bern. (Ruf bei der SPÖ: Zillertal!)

Das heißt, Städte, Regionen und nationale Parlamente verlangen Sofortmaßnahmen, Sofortmaßnahmen im Bereich Bauen und Sanieren, Sofortmaßnahmen beim Ener­giesparen, bei der erneuerbaren Energie – wie die Debatte vorher gezeigt hat – und bei der Mobilität in den Bereichen intelligente Nutzung, klimaschonende Verkehrsmittel, Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel.

Der Vorarlberger Landeshauptmann zum Beispiel hat es so ausgedrückt: Wir haben einen Punkt erreicht, „an dem es kein Zurück mehr gibt“. Ich glaube, damit macht er vieles klar, denn die Gletscher Österreichs sind um weit über 20 Prozent geschmolzen, es gibt Hochwasser, Dürreperioden, Stürme. Wir haben mittlerweile auch Tornados. Die Permafrostböden marschieren um Hunderte Meter aufwärts. Wir hatten acht schwere Hochwasserereignisse: 2002, 2005, 2006, 2013. Wenn wir die Gesamtkosten dieses Notstands betrachten, so sind das wirtschaftlich gesehen 9 Milliarden Euro – Hochwasser 5 bis 7 Milliarden Euro, Tourismus 300 Millionen Euro pro Jahr, Land­wirtschaft 1,3 Milliarden Euro. Das sind alles Zeichen eines Notstands. Wir entfernen uns von den CO2-Zielen jedes Jahr ein Stück mehr. Derzeit liegt die Erwärmung in Österreich bei plus 3,5 Prozent, weltweit bei 2,7. Deshalb auch der Notstand, weil die bisherigen Maßnahmen nicht ausgereicht haben.

Wie Frau Holzner möchte ich jetzt auch die Gelegenheit nützen, um mich herzlich – ich hoffe, ich nehme an, im Namen von uns allen; Frau Holzner hat es gemacht, ich mache es auch – bei der Jugend zu bedanken, die Europa mit ihrem Zeichen, mit Fridays for Future eine neue Hoffnung gebracht hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Na ja, schauen wir einmal! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Ruf bei der FPÖ: Jetzt sind Ferien!) – Man soll das nicht lächerlich machen, auch wenn man aus dem Zillertal ist!

Zum Zweiten, als Letztes: Wir sollten in dieser Einigkeit, die wir jetzt haben, auch alles tun, um Oberösterreich und das Umland zu unterstützen, was die weiteren Ausbau­pläne von Temelín betrifft, denn wir haben dort eine sehr lange Serie von Unfällen und brauchen hier einen nationalen Schulterschluss, mit dem wir uns da dagegenstellen. In diesem Sinne bedanke ich mich, dass ich zu diesem historischen Punkt, zu dieser Gemeinsamkeit hier sprechen durfte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­rätInnen der ÖVP sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

21.12



BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 206

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic. Ich erteile es ihr.


21.12.36

Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Hitzetage, Hitzetote, Städte als Hitzepole – darüber haben wir erst heute gelesen. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal in Skopje waren. Sie müssen auch bald gar nicht mehr hinfahren, weil wir bald in Österreich nordmaze­do­nische Verhältnisse haben werden. (Bundesrat Samt: Um Gottes willen, Frau Kolle­gin!) Im Sommer 2050 wird es in Wien um 7,6 Grad heißer sein als jetzt aktuell, und aktuell war es ja jetzt auch schon recht heiß. (Bundesrat Pisec: Weil so viele Bäume abgeholzt werden in Wien und keine gepflanzt werden!) Madrid wird zu Marrakesch, das italienische Turin Texas – und ja, ich finde, wir sind erstens überhaupt nicht darauf vorbereitet und zweitens rennt uns die Zeit davon! (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben sie vor 40 Jahren auch gesagt!)

Die Übergangsregierung – das wurde heute hier ein bisschen mit Zuversicht dar­ge­legt – hat aus unserer Sicht die Verantwortung nicht wahrgenommen, die #mission 2030 auf Herz und Nieren zu prüfen und konkrete Maßnahmen zu setzen, nämlich jetzt gleich zu setzen, um der Klimakatastrophe entgegenzuwirken. Wir haben zwei Jahre verloren, wir haben keine Weichen gestellt, obwohl Österreich bereits – das wissen wir, das war hier schon Thema – von der EU-Kommission wegen ungenügender An­strengungen zur Eindämmung des Klimawandels gerügt worden ist.

Auch erst heute konnten wir lesen, dass die Klimaversäumnisse in Österreich noch nicht einmal evaluiert worden sind – keine Daten, keine Antworten, kein Plan. Der Treibhausgasausstoß ist in Österreich beispielsweise zum dritten Mal in Folge gestiegen. 2017 hat Österreich erstmals die nationalen Klimavorgaben des Zielpfads verfehlt. Bis 2020 sollen die Emissionen im Vergleich zu 2005 um 16 Prozent reduziert werden, und die Wissenschaft ist sich jetzt schon einig: Das wird nicht klappen!

Im Jänner kam es bereits zu einer Überschreitung. Laut Gesetzestext hätte da sofort eine Evaluierung in Gang gesetzt werden und jetzt, sechs Monate später, auch abge­schlossen sein müssen. Zuständig war oder ist das Umweltministerium. Aus dem heißt es aber: Es fehlen die Daten, damit wir das machen können. Die Wissenschaft schüttelt da auch wieder den Kopf – zu Recht, hat doch beispielsweise das Grazer Wegener Center genau so eine Analyse inklusive einer vorläufigen Energiebilanz längst fertig und auch bereits an die Bundeskanzlerin übermittelt.

Also entweder fehlt uns tatsächlich trotz aller Beteuerungen – auch das hatten wir heute schon – der politische Wille, oder der politische Dilettantismus hat noch immer die Oberhand. Anfang März wollte nämlich das Umweltministerium von den jeweiligen anderen Ministerien und von den Ländern wissen, welche Klimaschutzmaßnahmen gesetzt worden seien. Die Bundesländer gaben da eine recht unaufregende, ein­heitliche, gesammelte Rückmeldung. Im Verkehrsministerium verwies man auf eine Arbeitsgruppe. – Das muss man sich einmal vorstellen: Die Katastrophe steht nicht vor der Tür, sie steht in der Tür, und das Verkehrsministerium – wir wissen, dass knapp die Hälfte der Emissionen in Österreich durch Verkehr verursacht wird – sitzt seit zwei Jahren in einer Arbeitsgruppe. Also so viel zu Handlungsfähigkeit. Das Wirtschafts­ministerium hat im Übrigen erst gar nicht geantwortet.

Wir kommen jedenfalls nicht umhin: Politische Entscheidungsträger und -trägerinnen müssen endlich Verantwortung übernehmen! Wir wissen, für das Klima, für die Zukunft ist es bald zu spät.


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Ich bin auch gegen Scheinlösungen, und deswegen möchte ich ganz kurz, weil Sie das auch angesprochen haben, auf diese Wasserstoffidee eingehen. Wasserstoff – das wissen vielleicht einige nicht und lassen sich deshalb so leicht davon beeindrucken – hat in der Mobilität eine ähnlich schlechte Ökobilanz wie Benzin. Warum wird das jetzt also forciert? – Wir wissen, es profitieren auch davon wieder nur die Großkonzerne. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wasserstoff als Element einer Klimaschutzstrategie ist nämlich deshalb schlichter Unsinn, weil es weitgehend aus Erdgas gewonnen wird. (Bundesrat Rösch: Das ist wirklich ein Unsinn!) Das freut vielleicht die OMV, aber sicher nicht das Klima.

Wer das Klima ernsthaft retten möchte (Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck), sollte lieber auf Experten und Expertinnen hören, die Ihnen das gut belegen können, wenn Sie mir hier nicht glauben. (Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP. – Bun­desrat Rösch: ... eine normale Elektrolyse!)

Stattdessen haben wir es im Moment nicht nur mit den Wahlkampfreden zu tun, son­dern mit einem neuen Problem, mit dem Problem der sogenannten Klimaschwurbler – ja, ist so. Das sind nämlich Politiker und Politikerinnen, die trotz all dieser Warnungen, die am Tisch liegen, nicht in die Gänge kommen und ihre Untätigkeit mit blumigsten Versprechen und absurdesten Lösungsvorschlägen tarnen. Und ja, auch ein Notstand, auch ein Klimanotstand bleibt ohne diese konkreten Maßnahmen und ohne Umsetzung einfach zahnlos und eben ein reines blumiges Versprechen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Frau Dziedzic hat natürlich die Weisheit mit dem Löffel gefressen!)

Also, was bräuchten wir jetzt wirklich? – Wir müssten in die Klimafinanzierung inves­tieren. Die Schaffung eines nachhaltigen Verkehrssystems erfordert Investitionen bei­spielsweise in Eisenbahnstrecken, aber überhaupt in alternative Mobilität. Die Finan­zierung eines nachhaltigen Transports kann nur gewährleistet werden, wenn ein Teil der Subventionen für den Flugverkehr abgezwackt wird. Das ist die Wahrheit. Die Agrarpolitik muss reformiert werden, auch das wissen wir schon länger. Die Festlegung strenger Grenzwerte für die Verschmutzung schützt die Umwelt, die Luft, die wir atmen, der Übergang auf eine nachhaltige Landwirtschaft macht das Wasser sauberer und das Verbot von gefährlichen Chemikalien hilft uns, Gesundheitsprobleme zu vermeiden. (Bundesrat Preineder: Aber Hunger werden wir haben!)

Wir wissen auch, dass all diese Lösungen einen wachsenden Markt haben, der Arbeits­plätze schafft und auch Einkommen sichert. Deshalb komme ich jetzt zu unserem Entschließungsantrag, der genau diese konkreten Maßnahmen enthält, und ich sage euch: Fürchtet euch nicht, gebt euch einen Ruck, stimmt bitte auch mit (Bundesrat Rösch: Bei so viel Unsinn kann man nicht mehr zuhören, das ist das Problem!), sonst verblassen und zerplatzen diese Klimaseifenblasen, die jetzt auch von allen anderen Parteien hier propagiert werden, noch bevor der Wahlkampf zu Ende ist. (Bundesrat Rösch: Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun, das hat ...!)

Ich darf unseren Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller und Dr. Ewa Ernst-Dziedzic betreffend „Klima­katastrophe verhindern“

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 208

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, insbesondere die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus, dass

der Nationale Energie- und Klimaplan unter Einbindung von wissenschaftlichen Exper­tinnen und Experten überarbeitet wird, sodass Österreich frühzeitig den Anforderungen des Pariser Weltklimavertrages gerecht wird,

die Energiewende sowie die Mobilitätswende mit voller Kraft forciert wird,

klimaschädigende Subventionen gestrichen und eine aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform umgesetzt wird,

sie auf EU-Ebene dafür eintritt, dass die klimapolitischen Maßnahmen auf europäischer Ebene intensiviert und die europaweiten Klimaziele zur Erfüllung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens angehoben werden;

sowie insbesondere der Vizekanzler und Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz,

ehest einen Begutachtungsentwurf vorzulegen, mit dem der Klimaschutz auf Basis der internationalen Vereinbarungen im Bundes-Verfassungsgesetz verankert wird.“

*****

In diesem Sinne: Jetzt haben Sie die Chance, Ihren politischen Willen zu zeigen, Ihren Beteuerungen hier mit Ihrer Stimme tatsächlich Handlungen folgen zu lassen, die hoffentlich recht bald zu konkreter Umsetzung führen. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Rösch: Das mit dem Wasserstoff ist der größte Unfug, den ...!)

21.22


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten David Stögmüller und Ewa Dziedzic eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Klima­katastrophe verhindern“ trägt nur zwei Unterschriften und ist somit nicht genügend unterstützt.

Ich stelle daher die Unterstützungsfrage und bitte jene Bundesrätinnen und Bun­des­räte, die diesen Antrag zusätzlich zu den beiden unterstützen wollen, um ein Hand­zeichen. – Die Unterstützung ist nicht ausreichend. (Bundesrätin Ernst-Dziedzic: Hauptsache, den Notstand ausrufen! – Ruf bei der FPÖ: Ich glaube eher, die Frau Dziedzic hat einen Notstand! – Rufe und Gegenrufe zwischen der Bundesrätin Ernst-Dziedzic und BundesrätInnen der FPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Samt. Ich erteile es ihm.


21.22.42

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dafür dankbar, dass ich hier beim letzten Tagesordnungspunkt zumindest erleben darf, dass diese ökosozialen Verwirrungen, denen die grüne Kollegin unterliegt, aufgezeigt werden. Sie hält die Wasserstofftechnologie für sinnlos, unwirtschaftlich und ich weiß nicht was alles. Ich glaube ja nicht, dass Sie, Frau Kollegin Dziedzic, in der Zwischenzeit auch noch einen Doktor der Technik gemacht haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.) – Frau Kollegin, hören Sie einmal zu! Beim Reden sind Sie ja sehr gut, aber zuhören tun Sie nicht. Dass Sie jetzt in der Zwischenzeit den Doktor der Technik gemacht hätten, wäre mir neu.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 209

Zu den wissenschaftlichen und auch technischen Erkenntnissen, dass die Wasser­stofftechnologie, die jetzt nicht unmittelbar auf Basis von Erdgas funktionieren muss, aber darüber will ich mich jetzt nicht weiter verbreitern - - (Bundesrätin Ernst-Dziedzic: Aber vorwiegend tut! – Ruf bei der FPÖ: Stimmt ja nicht!) – Was heißt vorwiegend? Es wird andere Technologiemöglichkeiten oder Energieträger geben. Es müssen keine fossilen Energien sein, die zur Wasserstofftechnik führen.

Machen Sie sich einmal schlau, bevor Sie sich hier herausstellen und irgendwelche Geschichten erzählen (Bundesrätin Ernst-Dziedzic: Geh bitte, hören Sie auf!), denn ein Großteil dessen, was Sie heute hier erzählt haben, ist – Entschuldigung! – Unsinn. Unglaublich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Ernst-Dziedzic: Nein! Nur, weil Sie anderer Meinung sind! – Ruf bei der FPÖ: Sie will über den Sozialismus reden, sie hat sich nur geirrt!)

Der Entschließungsantrag, der tatsächlich in Diskussion steht, nämlich jener betreffend Erklärung des Climate Emergency, ist – und da möchte ich auch den Kollegen Schennach korrigieren – keine juristische Grundlage für eine Notstandsmaßnahme – da müssten Sie das halt einmal lesen, denn Sie rufen ja hier den nationalen Notstand aus –, sondern er sollte ein starkes politisches Signal sein für die zukünftige Klima- und Umweltpolitik; aber auch nicht mehr.

Die Fridays-for-Future-Bewegung ist ernst zu nehmen, es ist eine nette Geschichte, aber, wie Kollege Steiner schon gesagt hat, jetzt sind Ferien und da sind die auch nicht mehr hier.

Und eine ganz wichtige Information, Herr Kollege Schennach: Kein Mensch, auch nicht die FPÖ und auch nicht ihr ehemaliger Bundesobmann Heinz-Christian Strache, hat die Klimaveränderung geleugnet. Das möchte ich hier klarstellen. Das ist nicht Sache. Es ist nach wie vor – es gibt Wissenschafter, die das tatsächlich bestätigen können (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller) – noch nicht zu 100 Prozent bewiesen, ob all das, was da passiert, tatsächlich vom Menschen verursacht ist.

Wenn wir heute von Klimaänderungen reden, die ja tatsächlich stattfinden, dann hoffe ich – das habe ich, glaube ich, beim letzten Mal auch schon gesagt, als ich hier gestanden bin –, dass all diese Maßnahmen, die wir heute setzen oder die wir in der unmittelbaren Zukunft setzen, um CO2 zu reduzieren – darauf komme ich dann extra noch –, tatsächlich wirken. Es ist klass, dass wir das machen, aber was machen wir, wenn 2030 all die Maßnahmen, auch jene, die wir auf Basis dieser Entschließung noch einführen werden, nicht greifen? Was machen wir dann?

Die Aufgabe, die wir als Politiker auf jeden Fall haben, ist, dass wir die Menschen auf die Katastrophen, die ja zum Teil schon stattfinden, vorzubereiten haben. Aber nicht nur mit Lippenbekenntnissen und nicht nur mit Einsparungen, die eine Unsumme von volkswirtschaftlichem Vermögen kosten werden, sondern mit Hausverstand – das haben wir schon einmal gehabt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die acht Forderungen, die in diesem Entschließungsantrag enthalten sind, sind richtig und wichtig, einige sind No-na-Begründungen, die ja in Wirklichkeit jeden normal denkenden Menschen klarerweise zur Unterstützung herausfordern.

Das Thema Emissionszertifikate sind ein von jeher von der FPÖ abgelehntes Projekt – von jeher. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!) Da haben die anderen noch gar nicht gewusst, was das ist, haben wir schon gesagt, das ist das Schlechteste, was es gibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Da sind wir aber geschimpft worden dafür!)


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 210

Grundsätzlich ist jede Senkung der vom Menschen gemachten CO2-Emissionen zu begrüßen – grundsätzlich! Aber bitte tun wir doch nicht so, als ob es gänzlich ohne ginge! Ich höre die ganze Zeit nur mehr: Dekarbonisierung. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! CO2 ist ein in der Natur vorkommendes Gas, das wir zum Leben genauso brauchen wie Sauerstoff. Tun wir nicht so, als müssten wir das komplett beseitigen! Es geht um das vom Menschen erzeugte CO2. (Beifall bei der FPÖ.)

Dabei möchte ich es auch schon bewenden lassen. Wir werden diesem Entschließungs­antrag zustimmen, denn auch für uns, für die FPÖ, ist Umweltschutz Heimatschutz. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

21.28

21.28.28


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erklärung des Climate Emergency“ ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegen­ständliche Entschließungsantrag ist somit angenommen. (E 261-BR/2019)

21.28.5736. Punkt

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Bundes­ra­tes gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. - Chancen der Dezentralisierung“ (268A-BR/2019)

21.28.58


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum Punkt 36 der Tagesordnung.

Es ist dazu niemand zu Wort gemeldet.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag auf Abhaltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbständigen Antrag verweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.30.01Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen noch zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsord-


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 211

nung, dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungs­antrag 249/A(E)-BR/2018 betreffend „Weiterführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ eine Frist bis 10. Oktober 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller ge­mäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Verkehr zur Bericht­erstattung über den Entschließungsantrag betreffend „zweigleisigen Ausbau der Nord­westbahnstrecke zwischen Stockerau und Hollabrunn“ eine Frist bis 10. Oktober 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Verkehr zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag betreffend „Rücknahme der Verord­nung zu Tempo 140 auf österreichische Autobahnen“ eine Frist bis 10. Oktober 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag betreffend „Ausfinanzierung der Justiz jetzt!“ eine Frist bis 10. Oktober 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

21.31.56Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen eingebracht wurden.

Eingelangt ist auch die Petition betreffend „Regulierung des Wolfes in Österreich“, überreicht von Bundesrat Silvester Gfrerer, die dem Ausschuss für Bürgerrechte und Petitionen zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 10. Oktober 2019, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


BundesratStenographisches Protokoll896. Sitzung, 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2019 / Seite 212

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 8. Oktober 2019, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche allen einen schönen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

21.32.43Schluss der Sitzung: 21.32 Uhr

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