10.49

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu den Tagesordnungspunkten spreche und da wir das heute noch nicht gemacht haben – und ich hoffe, Herr Vizepräsident, dass die Präsidenten darüber vielleicht eine kurze Konferenz abhalten –, möchte ich doch erwähnen, wie erschüttert wir sind, dass über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts Menschen in einer Synagoge am höchsten Feiertag um ihr Leben zittern mussten und einige dabei getötet wurden.

Herr Vizepräsident! Vielleicht besteht heute die Möglichkeit – etwa beim Staats­bürger­schaftsgesetz, weil da ein inhaltlicher Zusammenhang besteht –, eine Gedenkminute einzulegen. (Allgemeiner Beifall.)

Das Zweite, das unfassbar und schockierend ist, ist, dass seit gestern ein Angriffskrieg gegen ein anderes Land und ein anderes Volk rollt, und zwar gegen ein Volk, das in erster Linie den IS am Boden bekämpft hat, das den Jesiden zum Überleben verholfen hat, und jetzt werden diese Menschen aus der Luft und auf dem Boden mit Bomben überhäuft. Man soll nicht vergessen, dass es die Kurden sind, die derzeit die hoch­gefährlichen IS-Kämpfer in sogenannten Gefängniscamps halten. Da kann Europa nicht zuschauen! Es sind wieder massenhaft Menschen auf der Flucht. Allein der wahn­sinnige Gedanke, zwei Millionen Menschen in diesen Abschnitt, der freigekämpft worden ist und wo mittlerweile die Infrastruktur zerbombt ist, umzulagern, verdient die Gesamtreaktion der Völkergemeinschaft, des Weltsicherheitsrates, aber – wie ich hoffe – auch der Europäischen Union.

In diesem Sinne komme ich zurück: Vielen ist gestern aufgefallen, dass die SPÖ, unsere Fraktion, anders als im Nationalrat der Steuerreform zugestimmt hat. Dazu die berühmte Frage: Ist ein Glas halb voll oder halb leer? – In diesem Falle haben wir das diskutiert und haben uns an Jürgen Weiss erinnert: Jürgen Weiss hat als ÖVP-Präsident und als Vizepräsident eine einstimmige Initiative des Bundesrates dahin gehend zustande gebracht, und zwar nicht nur einmal, sondern zweimal, dass es in einer modernen Demokratie doch auch möglich sein muss – und auf den Bundesrat kommt es ja in vielen Fragen immer wieder an –, ein Teileinspruchsrecht zu haben.

Jürgen Weiss hat mit dieser Initiative quasi auch gefordert, dem Nationalrat zu ver­bieten, uns Sammelgesetze vorzulegen, weil wir dann mit einer einzigen Abstimmung bis zu 92 Gesetze ändern. Das ist eine Art Schutzmantel beziehungsweise Zwangs­weste. Wir haben das diskutiert, und da wir nur eine einzige Abstimmung zu diesem Gesetz haben, haben wir gesagt: Wir werden dem zustimmen, und zwar deswegen, weil 60 Prozent der Vorschläge, die sich darin finden, die SPÖ in den letzten Monaten eingereicht hat. – Ich denke, das ist gut so.

Wenn wir auf die Steuer- und Abgabenquote der letzten 25 Jahre in Österreich zurückschauen – ich nehme an, der Finanzminister wird mir da auch zustimmen –, so sehen wir, dass diese relativ stabil ist. Es gab nur zwei Ausreißer: Einer, der viele verblümte Dinge gesprochen und das Gegenteil getan hat, war ein gewisser Finanz­minister Grasser, damals gab es einen ordentlichen Anstieg, und auch seit 2018 ist zum Beispiel im Vergleich zu 2016 und 2017 die Steuer- und Abgabenquote gestiegen. Dass wir das nun senken, ist klar.

Das Fazit, wenn wir uns das Ganze anschauen, ist: Die Steuer auf Arbeit ist viel zu hoch, und umgekehrt ist die Steuer auf Vermögen und Kapital viel zu gering. Diese Diskrepanz haben wir, da kann man Vergleiche mit der Schweiz und selbst mit den USA oder mit Deutschland anstellen.

Nach dem heutigen Beschluss werden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen geringere Steuern und Abgaben zahlen, insbesondere jene mit einem geringen Einkommen, egal ob das jetzt auch über den Sozialversicherungsbonus läuft. Ich glaube, meine Vor­rednerin hat ja die 300 Euro schon angesprochen.

Weshalb gibt es diese unterschiedliche Abstimmung zwischen Nationalrat und Bundesrat? – Im Nationalrat konnten wir beim Teileinspruch sagen und klarmachen: Das soll bitte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wirksam werden wie für Bauern, Bäuerinnen und Selbstständige! Das gilt für 2020. Wieso die einen 2020 und die anderen 2021?

Es gibt natürlich noch eine ganze Reihe von Beispielen, bei denen wir mit den Steuern heruntergehen müssen, zum Beispiel beim selbsterzeugten Strom, diesen müssen wir steuerfrei machen. Und wir müssen die Bahn steuerfrei machen, damit diese gerade unter dem gesamten Blickwinkel des Klimawandels gegenüber den Billigfluglinien konkurrenzfähig ist. Es ist ja unglaublich, wie wenig Flugtickets kosten, weil keine Steuern auf Kerosin zu zahlen sind, während die Bahn Elektrizitätssteuer zahlen muss.

Die Digitalsteuer wurde hier gelobt, und es wurde von den Giganten gesprochen, gegenüber welchen sie ausgesprochen wurde. – Ich würde vorschlagen: Lassen wir das Kalb im Stall! Diese Digitalsteuer bringt – Herr Finanzminister, Sie können mir das vielleicht auch bestätigen – weniger als unsere niedrigste Steuer, die Schaumwein­steuer. Wollen wir mit Giganten kämpfen, wenn sie weniger bringt als die Schaum­weinsteuer? Wir fragen uns nämlich schon manchmal, wofür wir eigentlich die Schaumweinsteuer brauchen, wenn sie so wenig bringt.

Auf der anderen Seite ist es aber natürlich so, dass Maschinen in Zukunft viele Millionen Umsatz bringen und gleichzeitig die Arbeit nach wie vor viel zu hoch besteuert wird. In Anbetracht dessen wurden zum Beispiel auch Vorschläge gemacht, die Steuerfreiheit bei Essensgutscheinen auf 8 Euro anzuheben und bei der ganzen Progressionsfrage überhaupt die Hälfte abzugelten.

Die Pendler- und Pendlerinnenpauschale wirkt sozial überhaupt nicht. Wenn man ehrlich ist, muss man einmal schauen, wie falsch in sozialer Hinsicht die Pendler- und Pendlerinnenpauschale wirkt.

Familien ohne Kinder profitieren vom Familienbonus nicht. Auch das muss man ein bisschen auf die Waagschale legen.

Eine weitere Diskussion war, dass Hygieneprodukte für Frauen künftig zu den steuer­lich am meisten begünstigten und nicht zu den am höchsten besteuerten Artikeln gehören sollen und so weiter und so fort.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass die Sozialpläne in den Betrieben begünstigt bleiben und die Bemessungsgrundlage von 20 000 auf 40 000 Euro erhöht wird.

Kollege Leitner hat über die Pensionen ausführlich und klar gesprochen und hat auf das Problem der Korridorpension hingewiesen. Das betrifft vier Jahre, und diese Ab­schläge von 15,3 Prozent begleiten die Menschen dann ihr Leben lang. Ich glaube, da ist Handeln angesagt. Dazu wird auch meine Kollegin, Frau Schumann, noch Stellung nehmen.

In diesem Sinne: Wir werden der Steuerreform heute unsere Zustimmung geben. Ich hoffe aber gleichzeitig, dass wir alle miteinander wieder einen Vorstoß wagen, was das Teileinspruchsrecht betrifft. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätIn­nen der ÖVP.)

10.59

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte sehr.