11.00

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eingangs eine kleine kritische Anmerkung: Sehr geehrter Herr Präsident, mir ist nicht ganz klar, warum diese wichtige Steuerreform, eine großartige Arbeit des Finanzministeriums – Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, sowie dem Protagonisten, unserem ehemaligen Staatssekretär Fuchs, herzlichen Glückwunsch zu dieser gelungenen Arbeit! –, nicht ein eigener Tagesordnungspunkt ist; auch der Pflegeregress hätte sich einen eigenen Tagesordnungspunkt verdient. Ich glaube, wir hier im Bundesrat hätten genügend Zeit, um darüber auch ausführlich debattieren zu können. Wie gesagt, meine Achtung an das Finanzministerium, weil das Sozialministerium in der jetzigen Besetzung diesbezüglich ausgelassen hat!

Ich werde mir daher von diesen sechs Tagesordnungspunkten zwei herausnehmen, nämlich die Digitalsteuer und die wichtige Steuerreform.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen aus eigener Erfahrung berichten, dass wir Unternehmer, also die gesamte Unternehmenslandschaft Öster­reichs, insgesamt im Durchschnitt 51,5 Prozent Steuern und Abgaben jährlich zu bezahlen haben. Das ist ein unheimlich enormer Betrag und liegt 12 Prozentpunkte – allen Ernstes 12 Prozentpunkte! – über dem EU-Schnitt.

Nehmen wir die digitale Transformation her: Sie ist ein Selbstläufer, ein technischer Wandel, der uns zufriedenstellt, der uns glücklich macht, der die Produktivität erhöht, der das Leben in jedem Sinne vereinfacht. Die Großen geben den Takt vor. Die Großen sind die US-Amerikaner. Warum kommt alles aus den USA? – Weil dort die freie Marktwirtschaft, die Flexibilität, die Innovationskraft, die Leistungsbereitschaft und der Wille dazu in jedem Sinn befeuert werden. In Europa ist das leider etwas anders. Vor Kurzem hat der designierte französische Kommissar gemeint, Europa brauche weniger Wettbewerb, brauche mehr staatlichen Einfluss im Sinne von Monopol- und Kartellbildungen. – Da weiß man also, wohin in Europa die Reise geht!

Bleiben wir aber bei der digitalen Besteuerung: Die Großen zahlen im Durchschnitt, wenn sie ihre Produkte in Österreich verkaufen, nicht mehr als 8 bis 9 Prozent Steuern; wir zahlen 51,5 Prozent. Diese Differenz ist weder fair noch steuergerecht. Die Steuer dieser Großen wird man nie auf 51,4 Prozent anheben können, das will niemand, außer vielleicht eine SPÖ-Grün-Regierung, oder mit ÖVP-Hilfe, wie immer die Regie­rung in Zukunft ausschauen wird. Wir von der FPÖ wollen das auf keinen Fall.

Die Steuern für diese digitalen Giganten sollen – so ist ein OECD-Übereinkommen für nächstes oder übernächstes Jahr geplant – auf einheitlich 13,5 Prozent angehoben werden. Wie man auf 13,5 Prozent kommt, ist mir nicht ganz klar, aber das ist faktisch der höchste Ansatz, der da vorgegeben wird. Österreich soll bei 51,4 Prozent blei­ben? – Nein, mit Sicherheit nicht! Wir von der FPÖ, wir von der Freiheitlichen Wirt­schaft fordern ganz klar, dass die Steuern in Österreich im Sinne einer Meistbegünsti­gungsklausel, wie es bei Zöllen üblich ist, diesen 13,5 Prozent angeglichen werden, damit der analoge und der digitale Handel endlich einmal gleichgeschaltet sind.

Bei Mitarbeitern ist es ja das Gleiche: Mit den Lohnzusatzkosten macht es für Unter­nehmer das Doppelte dessen aus, was ein Mitarbeiter netto in seiner Tasche hat – das muss man sich einmal vorstellen!

Das zweite Beispiel ist Deutschland – da würde ich den Herrn Finanzminister er­suchen, das in seinem Ministerium einmal durchrechnen zu lassen; das ist eigentlich nicht schwer –: In Deutschland werden in Summe 30 Milliarden Euro an Körperschaft­steuer gezahlt, in Österreich sind es sage und schreibe 9 Milliarden Euro. Mit dem Zehnerfaktor gerechnet, müssten es bei uns analog dazu 3 Milliarden Euro sein. Rechnet man die unterschiedliche Körperschaftsteuer von 15 und 25 Prozent mit ein, ist man bei ungefähr 5 Milliarden Euro – das sind noch immer nicht die 9 Milliarden Euro. Was ist die Differenz? – 80 Prozent der Differenz kommen von der berühmt-be­rüchtigten Bemessungsgrundlage, das ist jener Betrag, von dem die Steuer berechnet wird. Das macht 80 Prozent aus. Wenn wir also permanent über die KÖSt-Senkung oder die Senkung der Einkommensteuertarife reden, vergessen wir die Einkommen­steuerbelastung, die Tarifbelastung im Sinne der Bemessungsgrundlage, die fast das Doppelte ausmacht – das Doppelte! Das heißt, wenn wir die Steuer von 25 Prozent auf die Hälfte, nämlich 12,5 Prozent senken, haben wir erst den Gleichklang zu Deutsch­land mit 25 Prozent, also gesetzt den Fall, die hätten 25 Prozent.

Das passt ja überhaupt nicht zusammen! Und warum ist das passiert? – Damit hat sich ja noch nie jemand auseinandergesetzt. Der Investitionsfreibetrag wurde reduziert, gekürzt, gestrichen, der Gewinnfreibetrag reduziert, die Abschreibungszeit auf über 50 Jahre verlängert, die in Wirklichkeit überhaupt kein Mensch erleben kann. Ein ganz kleines Beispiel ist das Auto: Allein beim Auto sieht man, dass in Deutschland dessen Abschreibungszeit halb so lange ist wie in Österreich – halb so lange! Daher verdienen die doppelt so viel, im Sinne von thesauriertem Eigenkapital für das eigene Unter­nehmen.

Das Ergebnis zeigt sich da ganz klar, das Ergebnis zeigt sich im Wirtschaftswachstum, und das Wirtschaftswachstum in Österreich ist nicht investitionsgetrieben. Ich kenne viele Firmen, die in Österreich investieren, aber alle Konzerne investieren im Ausland. Tschechien, Slowakei, Ungarn, das sind die bevorzugten Destinationen der internatio­nalen Unternehmerschaft. Die österreichische Wirtschaft ist konsumgetrieben – Konfe­renztourismus, Geschäftstourismus, Tanktourismus und so weiter und so fort. Dieses innerbetriebliche Eigenkapital, das gehört im Sinne von Steuersenkungen gefördert.

Zur Steuerreform: Die Richtung hat die alte Regierung vorgegeben, die wirklich gut war, alle Achtung! Es ist aber ein Torso geblieben. Drei Etappen hätten es werden sollen, die erste Etappe wird heute vollzogen. Es ist zumindest ein Beginn, und der Trend geht in die richtige Richtung. Die Entlastung der niedrigen Einkommen, die Senkung der viel zu hohen SV-Beiträge, die sofortige Abschreibung geringfügiger Wirtschaftsgüter, das ist wichtig für Einpersonenunternehmen, für die Klein- und Mittelbetriebe im Sinne der Angleichung an Deutschland.

Die zweite und dritte Etappe kommen nicht zur Vollendung, weil die Regierung ge­sprengt wurde: die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer für alle, die Ausweitung der Forschungsprämie; die dritte Etappe: die Senkung der KÖSt und – angedacht und das Wichtigste überhaupt – endlich die Abschaffung der völlig ungerechten kalten Pro­gression. Das alles hätte es werden sollen.

Gerhard Hofer schrieb vor Kurzem in der Tageszeitung „Die Presse“ in einem Leit­artikel – ich zitiere –: „Die größte Gefahr für den Sozialstaat“ in Österreich „ist nicht das vielzitierte Kaputtsparen, sondern das praktizierte Kaputtbesteuern.“ – Er hat völlig recht, es zeigt, wie wir später beim Thema Schuldenbremse noch hören werden, wie schlecht diese hohe Besteuerung für die österreichische Mitarbeiterschaft, Arbeitneh­merschaft und die Unternehmerschaft jedenfalls ist.

Werfen wir jetzt einen Blick zurück – Frau Kollegin Schumann, du liebst ja den Rück­blick, ich habe für dich extra einen Rückblick gemacht (Bundesrat Schennach: Für wen?); für euch, für die lieben Sozialisten – ins Jahr 1896! Damals wurde die sogenannte progressive direkte Personalsteuer eingeführt, das heißt: Einkommen­steuer. Wie hoch war diese damals? – Zwischen 1,5 und 4,5 Prozent. Damals hat man diskutiert: Ist 0,5 Prozent zu hoch, soll man vielleicht nur um 0,2 Prozent steigern, weil sonst die Leistungsträger ins Ausland abwandern? – Das war der erste Diskussions­punkt. Der zweite Diskussionspunkt war: Diese Steuer ist zu hoch, weil dadurch die Belastung zu hoch wird und die Leistungsbereitschaft sinkt. Also müssen wir die Unter­nehmenssteuer senken, damit wir die Einkommensteuer auf maximal 4,5 Prozent anheben können. – Das wurde vollzogen. Über 100 Jahre später haben wir eine Ein­kommensteuer, Lohnsteuer, wie wir wissen, mit einem Höchstsatz von 55 Prozent.

Was lag in diesen 100 Jahren? – Sozialismus in Reinkultur. Es ist höchst an der Zeit, dass wir uns von diesem Trend verabschieden und ein neues Zeitalter einläuten. Der Horror des Sozialismus des 20. Jahrhunderts wird im 21. Jahrhundert sicher nicht mehr fortgesetzt, egal in welchem Mäntelchen der Sozialismus auch daherkommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Trendwende ist gegeben, die Staatsschulden sinken in absoluten Zahlen wirklich. Es ist zwar noch die unglaubliche Summe von 280 Milliarden Euro, aber sie gehen schon einmal unter 300 Milliarden Euro Gesamtverschuldung. Auch in Prozentpunkten gesehen geht der Staatsschuldenschnitt von unglaublichen über 80 Prozent in Rich­tung unter 70 Prozent.

Es geht also zumindest in die richtige Richtung: mehr Einkommen zum Auskommen, vor allem für unsere Familien, für die Unternehmen und die Mitarbeiter, damit die Wirtschaft und die Menschen in Österreich wieder dort hinkommen, wohin sie gehören. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.09

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte sehr.