12.04

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kovacs hat vorhin schon sehr ausführlich erklärt und ausgeführt, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen werden. Meine Vorrednerin, Frau Kollegin Schulz, hat teilweise recht mit ihren Ausfüh­rungen – es ist nicht alles zu verurteilen, was in diesem Finanz-Organisationsreform­gesetz steht –, in ihrer Hauptaussage allerdings – sie hat es zweimal gesagt –, dass es sich dabei um ein Modernisierungsgesetz handelt, bin ich nicht ihrer Meinung. Es ist in Wahrheit ein Zentralisierungsgesetz; das geht ganz klar hervor.

Mit den geplanten Änderungen in diesem Finanz-Organisationsreformgesetz sind meh­rere Punkte verbunden; in Summe sind es 91 Artikel. Im Gesamten lehnen wir, die SPÖ, dieses Gesetz ab; das hat mein Kollege Kovacs schon erwähnt.

Es gibt aber auch Vorteile und auch Positives zu berichten – wenn auch nicht viel. Positiv an und für sich ist, dass die neue theoretisch mögliche Arbeitsverteilung eine gerechtere Aufteilung der anfallenden Akten herbeiführen soll. Wenn ein Finanzamt einmal weniger Arbeit hat, kann es woanders aushelfen. Wie oft das in der Praxis tatsächlich der Fall sein wird, bei dieser chronischen personellen Unterbesetzung, wird sich zeigen. Aber grundsätzlich: sich gegenseitig zu unterstützen kann nur positiv sein.

Die Personalausstattung ist allerdings bei Weitem nicht geklärt; und damit bin ich auch schon beim Negativen.

Was mit dem großen Moloch Finanzamt Österreich einhergeht, ist ganz klar die Zentralisierung des Fachwissens. Ab Juli 2020 werden aus den bisherigen 40 Finanz- und neun Zollämtern, der Steuer- und Zollkoordination, der Großbetriebsprüfung, der Finanzpolizei und der Steuerfahndung aufgrund dieser Maßnahme der alten schwarz-blauen Bundesregierung fünf Ämter; wir haben es heute schon gehört. Diese neuen Ämter haben bundesweite Zuständigkeit. Wer verliert dabei? – Das ist ganz klar: Es sind die Länder, und das kann uns als Bundesrat wohl nicht ganz recht sein, sonst haben wir, glaube ich, verkannt, warum es den Bundesrat – der nämlich die Länder­kammer ist – überhaupt gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

In anderen Staaten werden bewusst Akzente gesetzt, um den ländlichen Raum zu fördern. Man kann da die BRD, Deutschland, erwähnen und hier Bayern als positives Beispiel anführen. Was machen wir? – Wenn wir überhaupt etwas machen, machen wir es komplett falsch! Stichwort: Übersiedlung Umweltbundesamt von Wien nach Klosterneuburg, ganze 15 Kilometer. Das wurde uns als Stärkung des ländlichen Raums verkauft. – Da lachen ja die Hühner, und zwar nicht nur die am Land! 45 Millio­nen Euro, manche Experten sprechen sogar von bis zu 50 Millionen Euro, wird das den Steuerzahler kosten.

Sonst machen wir es gar nicht und mit diesem Gesetz machen wir komplett das Gegenteil: Wir dünnen den ländlichen Raum noch mehr aus! Vordergründig macht sich die ÖVP für den ländlichen Raum stark – aber auch nur in den Medien –, in der realen Politik sieht es leider anders aus. (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz.) Österreich ist verfassungsrechtlich eine föderale Republik und besteht aus neun Bundesländern – ich hoffe, dass ich das hier niemandem erklären muss –, und dann ermöglichen wir als Länderkammer dem zuständigen Minister, die Finanzverwaltung weiter in Ballungs­räumen zu zentralisieren?! (Bundesrätin Schulz: Die Finanzämter bleiben ja beste­hen!) – Wo steht das? – Das steht in Ihrer Rede, aber sonst nirgendwo! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Jede große Bundesbehörde ist zu Recht in den Ländern vertreten und hat dort ihre Landesvertretung, aber wir schaffen hier am Ende des Tages mehr Zentralismus. Es hat gestern hier in diesem Haus eine Enquete gegeben, „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung“ war der Titel. In Wahrheit hätte er lauten müssen: Weg von den Menschen. Bereit für diesen Blödsinn. – Chancen der Zentralisierung. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein, nein, nein!)

Der Herr Präsident ist heute nicht da. Was er mit dieser Aussage, raus aus Wien, schon wieder meint, ist mir klar. Das kann man in das übliche bekannte Wienbashing einreihen: ein Hinschlagen, ein weiteres Hinschlagen auf unsere Bundeshauptstadt.

Ich bin strikt gegen weitere Zentralisierungsmaßnahmen und Einsparungen im länd­lichen Raum, dadurch werden Arbeitsplätze in den Regionen vernichtet. Es mag zutref­fen, dass die Bearbeitung von elektronisch abgegebenen Steuererklärungen nun schneller erfolgen kann, weil die Veranlagung an irgendeinem Standort des Finanzamts Öster­reich durchgeführt wird. Wenn, aus welchen Gründen auch immer, der Finanzminister entscheidet, Standorte zusammenzulegen, sprich, einzelne Finanzämter zu schließen, fehlt den Menschen am Land der Zugang zum Finanzamt. Den Menschen vor Ort kommen Ansprechpartner abhanden. Wir produzieren damit zusätzlichen Verkehr, Stichwort Klimawandel, Stichwort CO2-Ausstoß. Viel Glück all jenen, die für ihre Arbeitnehmerveranlagung ihren aktuellen Sachbearbeiter suchen, um vielleicht Unklar­heiten zu erörtern oder Fragen beantwortet zu bekommen. Sie werden irgendwo in der Endlosschleife hängenbleiben, sie werden nie mehr ihre Sachbearbeiter oder Sachbe­arbeiterinnen vorfinden.

Bis hinein ins letzte Jahrzehnt waren die Standorte der Finanzämter noch gesetzlich festgelegt. Später wurde das durch eine Verordnung geregelt, und künftig gibt es überhaupt nur mehr ein Finanzamt für ganz Österreich. Über die örtliche Organisation, über die Standorte haben wir keinerlei Information aus dem Ministerium.

Weniger Personal beim Finanzamt – wir haben es heute schon gehört – bedeutet auch weniger Steuereinnahmen. Der Rechnungshof hat ja berechnet, dass sich die Betriebs­prüfer und Großbetriebsprüfer ums Zigfache rechnen: Was sie uns kosten, bringen sie zigfach wieder rein.

Die Entmachtung der GKK-Betriebsprüfer wird darin ebenfalls noch einmal festge­schrieben. Das abgeänderte Prüfschema wird der Sozialversicherung mit Sicherheit auf den Kopf fallen. Vielleicht ist das ja auch gewollt, denn die Einhaltung der Arbeits­zeiten, der Stundenaufzeichnungen wird kein Mensch mehr prüfen können und prüfen.

Die Qualität der Arbeit wird also leiden, das Bürgerservice wird leiden, die ländlichen Regionen werden leiden. Wir werden aus diesem Grund, wie gesagt, diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.12

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.