12.49

Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich finde nicht, dass Sie auf dem richtigen Weg sind, im Gegenteil: Sie sind auf dem Holzweg. In dieser Sache werden wir uns nicht einig, denn – man kann es nicht oft genug wiederholen – die sogenannte Schuldenbremse ist faktisch eine Investitionsbremse, und das ist nicht nur unverantwortlich, sondern mit weitreichenden Konsequenzen für die zukünftigen Generationen verbunden.

Wir finden, dass gerade in Zeiten, in denen öffentliche Investitionen in den Klimaschutz wichtiger denn je sind, die wirtschaftlichen Handlungsspielräume enorm eingeschränkt werden. Hinzu kommt, dass wir ja mit Deutschland eine gute Vergleichsmöglichkeit haben. Der Antrag orientiert sich, wie auch bereits jener von 2017, ganz stark am deutschen Modell, und Sie werden wissen, dass es dort mittlerweile eine breite Front von Experten aus der Wissenschaft gibt, die von diesem Holzweg abgehen möchten. Wieso? – Korinna Schumann hat schon ein paar Konsequenzen aufgezählt, darauf komme ich noch zu sprechen. Es ist mir aber hier im Bundesrat auch noch ganz wichtig, eingangs festzuhalten, dass diese Investitionsbremse vor allem auf die Länder und Gemeinden enorme Auswirkungen hat und diese im Handlungsspielraum enorm einschränken werden, und das wissen Sie! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Fakt ist nämlich, dass die Einführung dieser Investitionsbremse – ich bleibe auch dabei – in einem eklatanten Widerspruch zu ökonomischen, ökologischen, aber auch sozial sinnvollen Maßnahmen und Zielsetzungen steht, deren Inangriffnahme diese Republik jetzt gerade brauchen würde. Wieso? – Zum einen können wir ökonomische wie soziale Krisen einfach nicht bekämpfen, da stehen wir dann als Österreich faktisch auf der Bremse. Bei einer tief greifenden Finanzkrise zum Beispiel, wie wir sie 2008 hatten, ist ja die Handlungsfähigkeit des Staates per se schon eingeschränkt. In solchen Krisen muss der Staat deshalb nicht nur aktiv eingreifen, sondern ökonomisch das Richtige tun, nämlich stabilisieren und investieren. (Bundesrat Schennach: Das hat Frank Stronach nie verstanden!)

Was passiert nämlich in einer ökonomischen Krise? – Die Wirtschaftsleistung geht zu­rück, die Arbeitsplätze gehen verloren. Das führt zu einem Verlust von Erwerbs­ein­kommen und das wiederum zu einem Defizit des Staates, da sich erstens die Mehr­ausgaben aufgrund der Arbeitslosenunterstützung erhöhen und zweitens die Minder­ein­nahmen aus der Lohn- und Einkommenssteuer genauso wie aus den Konsum­steuern natürlich auch noch subsumieren. (Bundesrat Schennach: Das müsste die ÖVP jetzt hören, aber es sind zu wenige da!) – Ja, sie hört hoffentlich auch zu.

Wozu führt das jetzt? – Wenn wir da auf der Bremse stehen, aber mit einer Krise konfrontiert sind – und Sie werden wissen, die Krisen stehen vor der Tür, und zwar nicht nur die Klimakrise, sondern, wenn wir nach Deutschland schauen oder uns global umsehen, ist auch eine etwaige weitere Finanzkrise alles andere als ausgeschlossen – und in Österreich während so einer Krisensituation investieren und stabilisieren müss­ten, dann müssen wir beispielsweise bei der sozialen Infrastruktur entsprechend einsparen. Was bedeutet das? – Es bedeutet, dass Investitionen in die Schienen­infrastruktur, ins Gesundheitswesen, überhaupt in den gesamten sozialen Bereich näm­lich nicht nur nicht getätigt werden können, sondern dass es dort Kürzungen geben muss, ganz einfach, um die Balance wiederherzustellen.

Und nein, ich finde nicht, dass diese Ausnahmeregelungen ein geeignetes Mittel sind, um diese problematischen, krisenverschärfenden Wirkungen nur irgendwie aufzu­he­ben; zudem gibt es dazu auch überhaupt keine Methode. Sie haben sich wenig damit beschäftigt. Fakt ist, dass wir, wie ich gesagt habe, uns bereits jetzt in einer Klimakrise befinden; und diese Klimakrise bräuchte keine Bremse, sondern einen Investitions­turbo. Vor allem die NEOS, die ja nicht im Bundesrat vertreten sind, haben ja immer wieder dazugesagt, dass man sich am Schweizer und nicht am deutschen Modell orientieren solle. Fakt ist, dass aber teilweise die wesentlichen Passagen sogar wortident sind, also – auch das ist mir wichtig festzuhalten – dass es da eine Augen­auswischerei gegeben hat.

Man kann es auch nicht oft genug wiederholen, zu welch katastrophalen Zuständen die deutsche Schuldenbremse geführt hat: Jede achte Brücke ist dort in einem sehr schlechten Zustand, was die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Im Bildungsbereich gibt es in Deutschland einen immensen Investitionsstau; unbedingt notwendige Sanie­run­gen an Schulen werden somit auf die lange Bank geschoben. Was hat das zur Folge? – Rissige Decken, Hygienemängel bei Sanitäranlagen, ausfallende Heizungen an Schulen. Ich denke, das ist wahrlich kein Vorbild für Österreich. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Für uns ist auch noch etwas anderes ganz, ganz wichtig festzuhalten, nämlich dass diese Investitionsbremse in einem eklatanten Widerspruch zur Erreichung der Pariser Klimaziele steht. Jede – und das wissen Sie alle hoffentlich mittlerweile – jetzt nicht getätigte ökologische Investition wird sich bei den nächsten Generationen rächen und von diesen teuer bezahlt werden. Das gefährdet den Lebensraum nicht nur in Öster­reich, sondern hat Auswirkungen auf ganz Europa.

Zum Zweiten: Die Schuldenbremse, genannt Investitionsbremse, hebelt aus unserer Sicht auch die Demokratie aus. Sie verpflichtet nämlich das Parlament nicht, sich an gewisse Grenzen zu halten, sondern sie knebelt das Parlament beim Versuch, be­stimmte notwendige Maßnahmen überhaupt erst zu setzen. Hinzu kommt, dass, wenn eine Mehrheit im Parlament sich etwa dafür entscheidet, wegen der Klimakrise – um bei dieser zu bleiben – und deren ökologischen und sozialen Auswirkungen die öffent­lichen Ausgaben zumindest vorübergehend zu erhöhen – was sich ökonomisch im Übrigen auch langfristig rentieren würde –, das mit einer einfachen Mehrheit im Parla­ment in Zukunft nicht mehr möglich wäre. Das heißt, politische Entscheidungen würden so nicht mehr an einer demokratischen Legitimation gemessen werden, sondern wären durch genau diese verfassungsrechtliche Schuldenbremse beschnitten.

Ein weiteres und letztes Problem aus unserer Sicht ist, dass diese Investitions­bremse – und auch dazu haben wir Erfahrungswerte – zu nichts anderem führt, als dass Bud­gettricks angewandt und Privatisierungen gefördert werden. Es bleibt auch unklar, wie die Konjunktur bei einem administrativen Defizit erfolgen soll und welche Effekte diesbezüglich überhaupt konkret berücksichtigt werden. Ich habe den Antrag von 2017 erwähnt, darin war zumindest noch ein Verweis auf das strukturelle Defizit enthalten. Jetzt wird nur mehr auf das Kontrollkonto des Stabilitätspakts verwiesen, aber eben nicht im Detail, sondern viel zu allgemein und ohne die entsprechenden Methoden anzuführen.

Halten wir also fest: Der jetzige Vorschlag entspricht dem Vorschlag von 2017. Ich weiß, Sie wollen das schon länger. Weiterhin ist das deutsche Modell Vorbild, obwohl wir wissen, welche katastrophalen Konsequenzen gerade in Deutschland aufgrund der Schuldenbremse jetzt sichtbar werden und dass dort mittlerweile eine sehr breite Front dazu rät und dafür plädiert, von diesem Weg abzugehen.

Zweitens: Sie verbauen den zukünftigen Generationen die Zukunft. Sie blockieren drin­gend notwendige Klimamaßnahmen. Sie verunmöglichen damit die Erreichung der Pariser Klimaziele. Sie stehen auf der Bremse und haben tatsächlich Scheuklappen bei der Frage der Bewältigung von Krisen auf, die tatsächlich und faktisch vor unserer Tür stehen.

Und ja, zum Glück ist der Bundesrat eine wichtige Kammer, aber ich denke, in der heu­tigen Sitzung kann er auch ein wichtiges Signal gerade an die Länder und Gemeinden aussenden, nämlich dass diese Investitionsbremse dringend gestoppt gehört und wir hier nicht nur für Stabilität in Österreich sorgen müssen, sondern dafür, dass wirt­schaftliche Handlungsspielräume erhalten bleiben. Diese brauchen wir in der ganzen Republik, aber ganz besonders in den Ländern und in den Gemeinden.

Ich bin der Meinung, Sie haben sich hier verlaufen. Der Bundesrat kann hier heute die Tür Richtung Investitionen in die Zukunft wieder aufmachen, und das ist gut so. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

13.00

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec zu Wort. Ich erteile es ihm.