15.22

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig – wir waren uns dies auch am Dienstag in der Sitzung des Justizaus­schus­ses –, wir alle gemeinsam müssen uns mehr dafür einsetzen, dass wir Menschen, insbesondere Kinder und Frauen, besser und wirksamer vor Gewalt schützen können.

Alle miteinander waren wir uns auch grundsätzlich darin einig, für eine Verbesserung des Gewaltschutzes einzutreten, und Sie können mir glauben: Ich als Sicherheits­sprecher würde das hier sehr gerne begrüßen, gerne mitunterstützen und mittragen. Was jedoch diesen uns vorliegenden Gesetzentwurf und zahlreiche Bestimmungen daraus betrifft, so sind die Änderungen entweder komplett unausgegoren, stark fehler­haft oder für den Gewaltschutz sogar kontraproduktiv, also Maßnahmen, arge Ver­schlechterungen, die das Gegenteil von dem bewirken, was wir eigentlich wollen. Die außerordentlich vielen kritischen Stellungnahmen von Expertinnen und Experten, von Opferschutzeinrichtungen und vielen anderen im Begutachtungsverfahren beweisen dies ganz deutlich.

Zunächst zu den Verschärfungen im Strafrecht: Diese werden von nahezu der ge­samten Fachwelt und auch den betreffenden Opferschutzorganisationen als unnötig bis kontraproduktiv abgelehnt. Die Strafsätze um das Doppelte, um das Dreifache, um das Fünffache zu erhöhen und dann zu glauben, man habe etwas Sinnvolles gemacht, ist in Wahrheit eine Frechheit, meine Damen und Herren. Damit können wir höchstens im Wirtshaus um ein paar Schenkelklopfer reicher werden, aber sonst geht es dabei um nichts.

Viele Gewaltakte erfolgen leider Gottes im Affekt, höhere Strafen sind da völlig nutzlos, sie gaukeln nur der Öffentlichkeit vor, es sei diesbezüglich eine Lösung gefunden worden. Höhere Strafen wirken nicht vorbeugend und nicht präventiv, dies bestätigen auch die Richter, die Rechtsanwälte, die Universitäten. Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Sogar die Staatsanwälte, deren Aufgabe es ist, Straftaten wirklich zweckmäßig zu verfolgen und dadurch zu verhindern, haben in Wahrheit vor diesem Schmarrn, den wir heute hier beschließen sollen, gewarnt.

Zu den Fallkonferenzen: Die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen wurden zwischen­zeitig abgeschafft. Sie sollen zwar wieder eingeführt werden, allerdings nur über Ein­berufung durch die Sicherheitsbehörden, die aber möglicherweise aufgrund der gege­benen Rechtslage nicht vollständig über Risikofaktoren, von denen die Opferschutzein­richtungen wissen, informiert sind.

Zu den Anzeigepflichten in den allgemeinen Gesundheitsberufen: Es besteht nach Ansicht der Opferschutzorganisationen die Gefahr, dass manche Opfer dann nicht zum Arzt gehen und Verletzungen durch Gewalt unzureichend oder vielleicht gar nicht be­handelt werden. Die psychologischen und physiotherapeutischen Gesundheitsberufe hängen außerordentlich stark von der persönlichen Vertrauensbeziehung zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten ab. Dieses wichtige Vertrauensverhältnis wird dadurch akut gefährdet – darauf wurde viel zu wenig geachtet –, Sie gefährden damit die medizinische Versorgung von Gewaltopfern.

Es gibt zum Beispiel nicht mehr Mittel für Gewaltschutzeinrichtungen oder für die wich­tige Antiaggressionsarbeit in den Schulen, es gibt nicht mehr Mittel und Ressourcen für Opferschutzeinrichtungen.

Nahezu alle Institute haben vernichtende Stellungnahmen abgegeben (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind aber auch lauter Linke!), das ist auch der Grund dafür, dass Sie nicht einmal mehr eine Sitzung des Justizausschusses dazu einberufen haben. Dass ein so wichtiges Thema wie der Gewaltschutz, der in 25 Gesetzen abgehandelt wird, aufgrund eines Fristsetzungsantrages ohne Behandlung im zuständigen Justizaus­schuss sofort im Plenum des Nationalrates durchgepeitscht wurde, ist eigentlich der eigentliche Skandal dabei. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Wahn­sinn! – Zwischenruf des Bundesrates Krusche. – Bundesrat Samt: Sie wissen, was das Wort „eigentlich“ bedeutet, gell?) – Sie haben recht, Frau Kollegin, eigentlich ein Wahnsinn! Sie haben ausnahmsweise recht. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Es ist also leider Gottes eher ein Gewaltförderpaket als ein Gewalt­schutz­paket.

Die Steiermark zum Beispiel – ich darf auf meine grüne Heimat zu sprechen kommen – ist seit jeher Vorreiterin in Sachen Gewaltschutz. Gestern fand im Landtag Steiermark der dritte Gewaltschutzgipfel mit rund 30 Expertinnen und Experten statt. Auch dort wurde das sogenannte schwarz-blaue Gewaltschutzpaket als inhaltlicher Fehlschlag bewertet und bezeichnet. Um dem Problemfeld künftig trotzdem ganzheitlich begegnen zu können, wird in der Steiermark ein Gewaltschutzbeirat eingerichtet. Dieser Beirat soll die bisherigen Initiativen weiterführen, in Fachkreisen thematisch aufarbeiten und auch in den Regionen der Steiermark wirken. Der Beirat soll in regelmäßigen Abstän­den zusammentreten, um den fachlichen Austausch intensiv zu pflegen. Meine Kolle­ginnen und Kollegen, ich kann nur sagen: Lernen Sie ein wenig von der Steiermark! (Bundesrat Samt: Ich sage jetzt lieber nichts dazu, Herr Kollege!)

Nun aber zum ASVG und zu den Betriebskrankenkassen – auch dieses Thema wird ja jetzt abgehandelt –: Die ersten Betriebskrankenkassen in der Steiermark wurden be­reits vor über 150 Jahren gegründet, wir blicken also auf eine sehr, sehr lange tolle Erfolgsgeschichte zurück. Vorläufer war der sogenannte Bruderladen. Die Wurzeln reichen bis ins Mittelalter zurück, als alle Bergarbeiter solidarisch eingezahlt haben, zunächst als Selbsthilfeorganisation, um eben für Krankenbehandlungs- und Sterbe­geld zu sorgen und um Vorsorge für Arbeitsunfähigkeit zu treffen.

Diese Betriebskrankenkassen haben also die Monarchie, zwei Weltkriege und den Wiederaufbau Österreichs überstanden und überlebt. Es musste erst die Ibizakoalition kommen, um diese einzigartige Erfolgsgeschichte in Österreich zu zerstören.

In den rund 116 Jahren seit der Entstehung der Betriebskrankenkassen wurde kein einziger Cent von der öffentlichen Hand beziehungsweise vom Steuerzahler in diese Einrichtung investiert. Sie finanzierten und finanzieren sich ausschließlich selbst. Wir sprechen da immerhin von rund 30 000 Versicherten in den vier bestehenden Betriebs­krankenkassen, drei davon in der Obersteiermark: Im Dachverband der Voestalpine sind es 13 000 bei den Bahnsystemen, fast 10 000 in der Betriebskrankenkasse in Kapfenberg, rund 4 000 in Zeltweg; in Niederösterreich sind es bei Mondi rund 2 500 An­spruchsberechtigte.

Die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen bedeuten, dass die meisten Betriebskran­kenkassen schließen, sozusagen aufgelöst werden. Die versicherten Arbeitneh­merIn­nen können nur mehr zusehen und haben keinerlei Entscheidungseinfluss, unabhängig davon, dass sie einen großen Beitrag zum Bestehen dieser Betriebskrankenkassen leisten und sich enorm mit ihrer Versicherung identifizieren.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Regelungen für Betriebskrankenkassen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der sichergestellt wird, dass die derzeitigen Be­triebskrankenkassen in betriebliche Gesundheitseinrichtungen umgewandelt werden, die ex lege errichtet werden und weiterhin als vollwertige Krankenversicherungsträger mit allen bisherigen Rechten und Pflichten fungieren.“

*****

Ich ersuche um Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

15.32

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „faire Rege­lungen für Betriebskrankenkassen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.