15.40

Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Gewalt in Österreich ist ein sehr ernst zu nehmendes Thema. Sie haben gesagt, es hat uns hier schon öfter beschäftigt – und das zu Recht, denn das Ausmaß ist mehr als erschreckend. Der vor Kurzem geschehene Vorfall in Kitzbühel hat auch gezeigt, wohin Gewaltbereitschaft führen kann. Wenn ich jetzt die von Ihnen aufgezählten Maßnahmen hernehme, hätte wohl keine Einzige genau das abgewendet, und der Täter hätte sich schon gar nicht von einem höheren Strafrahmen beeindrucken lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber von dem, was ihr machts, auch nicht!) Da bin ich bei der ersten Expertise, die hierbei vollkommen ignoriert worden ist.

Die Politik hat natürlich nicht nur die Verantwortung, Rahmenbedingungen zu setzen, sondern solche Vorfälle auch zu verhindern. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber das, was die SPÖ die ganze Zeit gemacht hat, hat hier auch nichts verändert!) Die Frage ist, wie macht sie das? – Eine Taskforce einzurichten ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes. Was aber schon bedenklich ist, ist, dass man am Ende eines längeren Prozesses die Experten, Expertinnen vollkommen ignoriert und in einer Law-and-Order-Logik genau das durchsetzt, was man sich vorher überlegt hat. Genau diesen Fehler haben Sie gemacht, und ich denke, dieser Fehler wird sich rächen.

60 fundierte Stellungnahmen haben Sie ignoriert, alle Einschätzungen der ExpertIn­nen – wie erwähnt – torpediert. Ja, ich halte dieses Gewaltschutzpaket für eine gefähr­liche Drohung. Ich denke, es wird sich zeigen, dass es nicht wirksam ist, sondern womöglich auch noch zu Verschlechterungen führt, zumindest sagen das jene, die tagtäglich mit Betroffenen arbeiten, die Opferschutzeinrichtungen, die Interventions­stellen und alle Einrichtungen in den Ländern, denen Sie unter Türkis-Blau Gelder in Höhe von 1 Million Euro für diese wichtige Präventionsarbeit – gerade im Gewalt­schutzbereich – gekürzt haben. Jetzt von Sicherstellung zu sprechen, das ist ein wenig zynisch, Frau Kollegin. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wir wissen, was es bräuchte, und wir können nur erahnen, wozu diese Änderungen, diese Verschlechterungen führen werden. Wir wissen, dass die Verdoppelung der Mindeststrafen dazu führen wird, dass sich die Frauen eher zurückziehen und keine Anzeige erstatten werden. Die sogenannte Anzeigepflicht, auch wenn sie ein bisschen relativiert worden ist, wird dazu führen, dass sich die Frauen überhaupt nicht an Institutionen, an Stellen, an medizinisches Personal wenden, weil sie dann nicht selber entscheiden können, wann der richtige Augenblick für sie ist, das tatsächlich zur An­zeige zu bringen. Wir wissen auch, dass der Strafrahmen aktuell bei Weitem – wirklich bei Weitem! – nicht ausgeschöpft wird und Strafrahmenerhöhungen als mögliche Abschreckung erfahrungsgemäß – und das bestätigen alle Studien zu dem Thema – nicht wirksam sind.

Ich bedanke mich an dieser Stelle auch bei Ihnen (in Richtung Vizekanzler Jabloner), Sie waren hier sehr klar. Genauso wie sich sehr viele Experten und Expertinnen, die in der Taskforce gesessen sind, von diesen Änderungen letztendlich auch distanziert haben, so haben Sie vor allem darauf verwiesen, dass junge Erwachsene im Alter von 18 bis 21 Jahren bei mehreren Delikten jetzt mit Erwachsenen gleichzustellen eigent­lich einem zivilisatorischen Rückschritt gleicht. (Bundesrat Steiner: ... aber 16 ..., super!) Ja, dem kann ich mich nur anschließen und ergänzen – was Sie gesagt haben –, dass es zum Glück für diese nicht „lebenslänglich“ gibt, denn sonst wäre man in das Jahr 1851 zurückgefallen.

Statt der Änderung der Anzeigepflicht bräuchte es eine deutliche Aufstockung der erwähnten Budgetmittel, statt Kürzungen beim Gewaltschutz mehr Strukturen zur Vernetzung der Opfereinrichtungen und eine bessere Finanzierung von Fachberatung, statt auch da die Ressourcen bei Frauen- und Familieneinrichtungen zu kürzen. Es braucht tatsächlich mehr Druck der Politik. Es reicht nicht, sich zu empören wie am Jahresanfang, als diese Debatte rund um die Frauenmorde vor allem von der FPÖ instrumentalisiert worden ist, wo man reduziert, wo man versucht, die Verantwortung abzuschieben und dann am Ende eines so langen Prozesses lediglich eine Anzeige­pflicht einführt, die Jugendliche, statt sie präventiv abzufangen, zu Strafen verdonnert. (Bundesrat Spanring: ... wir hätten sie gar nicht reingelassen!) Zudem war man auch nicht weitblickend genug, zu sehen, dass diese wichtige Verschwiegenheitspflicht einfach wegfällt und es vielen Frauen in Zukunft nicht möglich sein wird, selber ihre Stimme zu erheben, wenn sie von Gewalt betroffen sind.

Sie kennen auch – zumindest hoffe ich das, denn ich habe sie in meinen Reden zu dem Thema immer wieder erwähnt – die Istanbulkonvention. Österreich hat diese ratifi­ziert, aber da gibt es großen Nachholbedarf. Darin ist eigentlich jede einzelne Maßnah­me, die Österreich jetzt umsetzen könnte, recht gut festgelegt – weil Sie sagten: Man muss ja etwas tun, die Bevölkerung erwartet das! Ich frage mich nur, wieso Sie diese Maßnahmen nicht umgesetzt haben, wieso Österreich die Istanbulkonvention nicht endlich umsetzt, wieso wir Strafverschärfungen, Abschreckungsszenarien, eine Law-and-Order-Politik brauchen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), von der alle sagen, dass diese genau das Gegenteil bewirken wird. Ich werde es nicht verstehen (Bundesrat Steiner: Das wissen wir eh!), und leider werden wir wahrscheinlich sehr schnell mit den Auswirkungen dieser Änderungen konfrontiert werden.

Fakt ist auch, dass wir uns weiterhin und zum Glück demnächst auch im Nationalrat mit der Zivilgesellschaft und mit den Opferschutzeinrichtungen dafür stark machen und einsetzen werden, dass es zumindest zu einer Rücknahme in einigen Bereichen bei diesem Gewaltschutzpaket kommt. (Bundesrat Steiner: ... in der Regierung!) Ich hoffe, dass keine weiteren Vorfälle notwendig sein werden, dass Sie zur Vernunft kommen. (Bundesrat Steiner: In der Regierung wünsche ich euch viel Spaß! Viel Spaß wünsche ich!)

Ich selber werde mich zumindest hier im Bundesrat – nicht mehr zu dem Thema äußern. Sie werden wissen, dass das heute meine letzte Sitzung und somit auch meine letzte Rede ist. (Die BundesrätInnen Mühlwerth und Steiner: Gott sei Dank!) Sie können sich vorstellen, dass es für David und mich die letzten zwei Jahre alles andere als einfach war (Bundesrat Steiner: Für uns auch nicht!), nicht nur außerhalb des Bundesrates, sondern auch hier. Ich kann mich gut an das Hohngelächter und die Ignoranz vor allem von Ihnen (in Richtung FPÖ) erinnern. Ich möchte Sie heute daran erinnern, dass wir 10 Prozent gewonnen und Sie 10 Prozent verloren haben. (Bun­desrat Steiner: Gratuliere! – Bundesrätin Mühlwerth: Dahin müsst ihr einmal kom­men! – Bundesrat Steiner: Wenn ihr so viel verliert, seid ihr aus dem Parlament draußen!) Das sollte Ihnen zu denken geben, auch wenn es keine direkte Korrelation in der Wählerstromanalyse gibt.

Zum Abschluss: Die Demokratie braucht uns alle, vor allem jene, die sich den demo­kratischen Prinzipien verpflichtet fühlen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das tun wir alle!) In diesem Sinne wünsche ich dem Bundesrat, euch allen dieser Länderkontrollkammer, weiterhin sehr lebhafte Debatten, einen kollegialen, womöglich wirklich mehr kolle­gialen Umgang miteinander, als das im Nationalrat der Fall ist, aber auch viel Reflexion und vielleicht auch die eine oder andere neue oder andere Perspektive, als sie der Nationalrat hat.

Was uns betrifft: Lauten Einsatz für Umwelt, Frieden, Menschenrechte und Rechts­staatlichkeit braucht es in beiden Kammern, und wir werden das in Zukunft nicht nur hier tun, sondern eben auch im Nationalrat. (Bundesrat Steiner: Aber bitte ohne Pflastersteine!) Ich danke fürs Streiten, fürs Schlichten, fürs Debattieren und dass ich hier mit Ihnen allen, wenn auch mit unterschiedlichen Perspektiven, die Länderinter­essen die letzten knapp vier Jahre vertreten durfte. Ich hoffe, wenn ich einmal auf Besuch bin, dass mich der Präsident dann auf der Galerie begrüßt. In diesem Sinne, vielen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

15.49

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Vielen Dank, Frau Bundesrätin. Persönlich muss ich dazusagen: Danke für die vielen interessanten und wichtigen Beiträge! Wir alle hier im Bundesrat wünschen Ihnen natürlich auch im Nationalrat einen guten Erfolg. Alles Gute für die Zukunft!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. – Bitte.