Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

897. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 10. Oktober 2019

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

897. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 10. Oktober 2019: 9.00 – 18.09 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Kör­per­schaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuer­ge­setz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Ver­sicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Elektrizitäts­abgabegesetz, das Erdgasabgabegesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzge­richts­gesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Tabaksteu­er­gesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Punzierungsgesetz 2000, das Wohnbauförderungsbeitragsgesetz 2018, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Finanz­ausgleichsgesetz 2017 geändert werden (Steuerreformgesetz 2020 – StRefG 2020)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschaden­ge­setz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2020 – PAG 2020)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss auf­grund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2019 und 2020 erlassen wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über ein Stiftungseingangs­steu­ergesetz (StiftEG) geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Digitalsteuergesetz 2020 und das EU-Melde­pflichtgesetz erlassen werden sowie das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatz­steuergesetz 1994, das Finanzstrafgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Werbe­ab­gabegesetz 2000, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Finanzausgleichs­gesetz 2017 und das EU-Amtshilfegesetz geändert werden (Abgabenänderungs­ge­setz 2020 – AbgÄG 2020)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 2

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung und das Bundesgesetz über die personellen Maßnahmen auf­grund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung sowie das Produktpirate­rie­gesetz 2020 erlassen werden, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 auf­ge­hoben wird und die Bundesabgabenordnung, die Abgabenexekutionsordnung, das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, das Alkoholsteuergesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungs­gesetz, das Altlastensanierungsgesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Artenhandelsgesetz 2009, das Arzneimittel­ge­setz, das ASOR-Durchführungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Außenwirt­schaftsgesetz 2011, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bewertungs­gesetz 1955, das Biersteuergesetz 1995, das Biozidproduktegesetz, das Bodenschät­zungsgesetz 1970, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz 2015, das Chemikaliengesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Erdölbevorratungsgesetz 2012, das EU-Polizeikooperationsgesetz, das EU-Voll­streckungsamtshilfegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Fern­sprechentgeltzuschussgesetz, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Finanzmarkt­aufsichtsbehördengesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusammen­arbeits­ge­setz, das Firmenbuchgesetz, das Flugabgabegesetz, das Gebührengesetz 1957, das Gefahrgutbeförderungsgesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Gesund­heits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Glücksspielgesetz, das Grunderwerb­steuergesetz 1987, das Grundsteuergesetz 1955, das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Handelsstatistische Gesetz 1995, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Kommunalsteuergesetz, das Körperschaftsteuer­ge­setz 1988, das Kraftfahrgesetz 1967, das Kriegsmaterialgesetz, das Lebensmittel­sicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungsgesetz, das Marktordnungsgesetz 2007, das Meldegesetz 1991, das Mineral­ölsteuergesetz 1995, das Mineralrohstoffgesetz, das Niederlassungs- und Aufent­halts­gesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Privatstiftungsgesetz, das Bundes­gesetz über Produkte, deren Ein- und Ausfuhr sowie Inverkehrbringen aus Tierschutz­gründen verboten ist, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Punzierungsgesetz 2000, das Saatgutgesetz 1997, das Schaum­weinsteuergesetz 1995, das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, das Stabilitätsabgabe­gesetz, das Stadterneuerungsgesetz, das Stiftungseingangssteuergesetz, das Tabak­monopolgesetz 1996, das Tabaksteuergesetz, das Tierseuchengesetz, das Transpa­renzdatenbankgesetz 2012, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbe­werb 1984, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Ver­fassungsgerichtshofgesetz 1953, das Vermarktungsnormengesetz, das Verrechnungs­preisdokumentationsgesetz, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Verwaltungsge­richtshofgesetz 1985, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Wirtschaftliche Eigen­tümer Registergesetz, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Zollrechts-Durchführungsgesetz geändert werden (Finanz-Organisationsreformgesetz – FORG)

8. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeinde­bun­des und des Österreichischen Städtebundes geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz ge­ändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 3

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen (Blutsicherheitsgesetz 1999 – BSG 1999), BGBl. I Nr. 44/1999, geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Pharmazeutische Ge­haltskasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 2002) geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensände­rungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregisterge­setz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musik­the­rapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungs­hilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewaltschutzgesetz 2019)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinar­ge­setz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militär­befugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003, das Militär­auszeichnungsgesetz 2002, das Verwundetenmedaillengesetz und das Trup­pen­aufent­haltsgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 – WRÄG 2019)

*****

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des Bundesministers a. D. Rudolf Hundstorfer        ............................................................................................................................... 18

Angelobung der Bundesrätin Johanna Miesenberger ............................................... 18

Erklärung der Landeshauptfrau von Niederösterreich Mag. Johanna Mikl-Leitner gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“ – Bekanntgabe .......... 19

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ....................... 19

Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner ........................................................... 20

Debatte:

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 24

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ..... 26


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 4

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 28

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................... 30

Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner ........................................................... 32

Schreiben der Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung von Dr. Johannes Hahn zum Mitglied der Euro­päischen Kommission für die Periode 1. November 2019 bis 31. Oktober 2024 ............................................................................................................ 40

Schreiben der Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Aus­schuss der Regionen für die Periode 2020 bis 2025   ............................................................................................................................... 43

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Man­datsverzicht des Bundesrates Anton Froschauer sowie eines Ersatz­mitglieds des Bundesrates beziehungsweise Wahl eines Mitglieds und eines Ersatzmitglieds des Bundesrates .................................................. 48

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl von zwei Ersatzmitgliedern des Bundesrates ............................................................................... 51

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kunst und Kultur, Frauen und Gleichstellung sowie Familien und Jugend durch den Bundespräsidenten          ............................................................................................................................... 55

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Vertrag zwischen der Republik Öster­reich und der Argentinischen Republik über die Auslieferung durch den Bundes­präsidenten ..................................................................................................................... 58

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen über die Haftung bei grenzüberschreitenden Flugsicherungsdiensten durch den Bundespräsidenten ........................................................................................................ 61

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfen für junge Erwachsene“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 18. De­zember 2019 zu setzen – Ablehnung ...................................................................  66, 187

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Ausschuss für Verkehr zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 262/A(E)-BR/2019 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zweigleisigen Ausbau der Nordwestbahnstrecke zwischen Stockerau und Holla­brunn“ eine Frist bis 18. Dezember 2019 zu setzen – Ablehnung .......................  66, 187

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 118

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 119

Trauerkundgebung aus Anlass des Anschlags in Halle ............................................ 137

Bundesregierung


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 5

Schreiben der Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung gemäß Art. 74 Abs. 3 B-VG bei gleichzeitiger Betrauung der Mitglieder der scheidenden Bundesregierung, darunter die Bundesminister im Bundeskanzleramt Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. und Mag. Ines Stilling in dem sich aus den Entschließungen vom 5. Juni 2019 ergebenden Umfang gemäß Art. 71, gemäß Art. 71 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 sowie gemäß Art. 71 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 4 B-VG und Betrauung ihrer Person mit der Fortführung der Verwaltung und dem Vorsitz in der einstweiligen Bun­des­regierung durch den Bundespräsidenten ................................................................................................. 65

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 66

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 66

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 33

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatz­steuer­ge­setz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versiche­rungs­steuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Elektrizitäts­abgabegesetz, das Erdgasabgabegesetz, das Energieabgabenvergütungs­ge­setz, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bun­desfinanzgerichtsgesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Alkoholsteuer­gesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Tabak­monopolgesetz 1996, das Punzierungsgesetz 2000, das Wohnbauförderungs­beitragsgesetz 2018, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden (Steuerreformgesetz 2020 – StRefG 2020) (984/A und 687 d.B. sowie 10234/BR d.B. und 10246/BR d.B.) ...................................................... 66

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 68

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kriegs­opferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschaden­ge­setz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pen­sions­gesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensions­gesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2020 – PAG 2020) (688 d.B. sowie 10235/BR d.B. und 10247/BR d.B.)  ............................................................................................................................... 67

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 68

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2019 und 2020 erlassen wird (689 d.B. sowie 10236/BR d.B. und 10248/BR d.B.) ..................................................... 67

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 68


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 6

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über ein Stiftungsein­gangssteuer­ge­setz (StiftEG) geändert wird (690 d.B. sowie 10237/BR d.B. und 10249/BR d.B.) ............................................................................... 67

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 69

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird (691 d.B. sowie 10250/BR d.B.) ........................................................... 67

Berichterstatter: Peter Samt ......................................................................................... 69

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Digitalsteuergesetz 2020 und das EU-Melde­pflicht­gesetz erlassen werden sowie das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatz­steuergesetz 1994, das Finanzstrafgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Wer­beabgabegesetz 2000, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Finanz­aus­gleichsgesetz 2017 und das EU-Amtshilfegesetz geändert werden (Abgaben­än­de­­rungsgesetz 2020 – AbgÄG 2020) (983/A und 686 d.B. sowie 10251/BR d.B.) ............ 67

Berichterstatter: Peter Samt ......................................................................................... 69

RednerInnen:

Elisabeth Mattersberger ........................................................................................ ..... 69

Dr. Gerhard Leitner ................................................................................................ ..... 71

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ..... 73

Klara Neurauter ....................................................................................................... ..... 76

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 77

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 79

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ..... 81

Korinna Schumann ................................................................................................ ..... 83

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 85

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ............................................................................ ..... 87

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 88

Bundesminister Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA ..................................................... 89

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Prüfung des legistischen Anpassungsbedarfs in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“ – Annahme (E 263-BR/2019) .....................................................................................  75, 92

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Prüfung der Auswirkungen durch Be­schlussfassungen vom 19.9.2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“ – Annahme (E 264-BR/2019) ...............  82, 92

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „abschlagsfreie Pensionen mit 540 Beitragsmonaten“ – Ablehnung ......................  84, 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 92


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 92

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung und das Bundesgesetz über die personellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung sowie das Produktpirateriegesetz 2020 erlassen werden, das Abgabenverwaltungs­organi­sationsgesetz 2010 aufgehoben wird und die Bundesabgabenordnung, die Abga­benexekutionsordnung, das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, das Alkoholsteuer­ge­setz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Altlastensanierungsgesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Artenhandelsgesetz 2009, das Arzneimittelgesetz, das ASOR-Durchfüh­rungs­ge­setz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Außenwirtschaftsgesetz 2011, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bewertungsgesetz 1955, das Biersteuergesetz 1995, das Biozidproduktegesetz, das Bodenschätzungsge­setz 1970, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Bundes-Stiftungs- und Fonds­gesetz 2015, das Chemikaliengesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Erdölbevorratungsgesetz 2012, das EU-Polizeikooperationsgesetz, das EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstraf­zusammenarbeitsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Flugabgabegesetz, das Gebührengesetz 1957, das Gefahrgutbeförderungsgesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Glücksspielgesetz, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Grundsteuer­ge­setz 1955, das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Handelsstatistische Ge­setz 1995, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Kapitalabfluss-Melde­ge­setz, das Kommunalsteuergesetz, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Kraft­fahrgesetz 1967, das Kriegsmaterialgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das Marktordnungsgesetz 2007, das Meldegesetz 1991, das Mineralöl­steuer­gesetz 1995, das Mineralrohstoffgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthalts­gesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Privatstiftungsgesetz, das Bun­desgesetz über Produkte, deren Ein- und Ausfuhr sowie Inverkehrbringen aus Tierschutzgründen verboten ist, das Bundesgesetz über die Prüfung lohn­abhängiger Abgaben und Beiträge, das Punzierungsgesetz 2000, das Saat­gut­gesetz 1997, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Sozialbetrugsbekämp­fungsgesetz, das Stabilitätsabgabegesetz, das Stadterneuerungsgesetz, das Stif­tungseingangssteuergesetz, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Tabaksteuer­ge­setz, das Tierseuchengesetz, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, das Umgrün­dungs­steuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Verfassungsgerichts­hof­ge­setz 1953, das Vermarktungsnormengesetz, das Verrechnungspreis­dokumen­tationsgesetz, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Verwaltungs­gerichts­hofgesetz 1985, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Wirtschaftliche Eigen-


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 8

tümer Registergesetz, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Wohn­haus-Wiederaufbaugesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Zollrechts-Durchführungsgesetz geändert werden (Finanz-Organisationsreformgesetz – FORG) (985/A und 692 d.B. sowie 10252/BR d.B.) ...... 93

Berichterstatter: Gerd Krusche .................................................................................... 94

RednerInnen:

Günter Kovacs ........................................................................................................ ..... 95

Mag. Doris Schulz ................................................................................................... ..... 96

Martin Weber ........................................................................................................... ..... 97

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 98

Bundesminister Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA ................................................... 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 103

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bun­desverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemein­debundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden (928/A und 685 d.B. sowie 10241/BR d.B. und 10253/BR d.B.) .................................................... 103

Berichterstatter: Gerd Krusche .................................................................................. 103

RednerInnen:

Korinna Schumann ................................................................................................ ... 104

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ... 106

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .......................................................................................... ... 108

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ... 110

Ingo Appé ................................................................................................................. ... 113

Klara Neurauter ....................................................................................................... ... 115

Rudolf Kaske ........................................................................................................... ... 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 118

Ablehnung des Antrages des Berichterstatters, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen (namentliche Abstimmung)           ............................................................................................................................. 119

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................... 119

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (941/A sowie 10238/BR d.B. und 10255/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 120

Berichterstatterin: Marlies Steiner-Wieser ................................................................. 120

RednerInnen:

Marianne Hackl ........................................................................................................... 120

Mag. Bettina Lancaster .............................................................................................. 121

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 122

Bundesministerin Mag. Dr. Brigitte Zarfl ............................................................ ... 124

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 125


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 9

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (577/A sowie 10245/BR d.B. und 10256/BR d.B.) ............................................................................. 125

Berichterstatterin: Marlies Steiner-Wieser ................................................................. 125

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ....................................................................................... ... 125

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ... 126

Josef Ofner .............................................................................................................. ... 127

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 129

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen (Blutsicherheitsgesetz 1999 – BSG 1999), BGBl. I Nr. 44/1999, geändert wird (927/A sowie 10239/BR d.B. und 10257/BR d.B.) ...................................................................................................... 129

Berichterstatter: Martin Preineder .............................................................................. 129

RednerInnen:

Christoph Steiner ................................................................................................... ... 129

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ......................................................................... ... 130

Eva Prischl ............................................................................................................... ... 132

Bundesministerin Mag. Dr. Brigitte Zarfl ............................................................ ... 133

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 134

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehalts­kasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 2002) geändert wird (936/A sowie 10258/BR d.B.) ............................................................................... 134

Berichterstatter: Martin Preineder .............................................................................. 135

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................... 135

Ingo Appé .................................................................................................................... 135

Rosa Ecker, MBA ....................................................................................................... 136

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 137

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018) (536/A sowie 10240/BR d.B. und 10259/BR d.B.) ................................................................... 138

Berichterstatter: Gottfried Sperl ................................................................................. 138

RednerInnen:

Robert Seeber ......................................................................................................... ... 138

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ... 139

Josef Ofner .............................................................................................................. ... 140

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 142


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 10

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 144

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensän­derungs­gesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregister­ge­setz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen be­stimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebam­men­gesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assis­tenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psycholo­gengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewaltschutzgesetz 2019) (970/A sowie 10242/BR d.B. und 10260/BR d.B.) ....................................................... 144

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................ 144

RednerInnen:

Martin Weber ........................................................................................................... ... 144

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ... 147

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .......................................................................................... ... 149

MMag. Dr. Michael Schilchegger .......................................................................... ... 151

Bundesministerin Mag. Ines Stilling .................................................................... ... 153

Bundesminister Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner .................................................. ... 156

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 156

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 158

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ... 160

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 162

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Regelungen für Betriebskrankenkassen“ – Ableh­nung .......................................  146, 164

Antrag der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kolle­gen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend das Gewaltschutz­gesetz 2019 (970/A sowie 10242/BR d.B. und 10260/BR d.B.) gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR Einspruch zu erheben – Ablehnung .......................  156, 164

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 164

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (966/A sowie 10243/BR d.B. und 10262/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 164

Berichterstatterin: Marianne Hackl ............................................................................. 164

RednerInnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ...................................................................................... 165

Günther Novak ..................................................................................................  167, 177

Michael Bernard ...................................................................................................... ... 168

David Stögmüller .................................................................................................... ... 170


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 11

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ... 174

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 175

Bundesministerin Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA ...................................................... 176

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................... 178

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinar­ge­setz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militär­befugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002, das Verwundetenmedaillengesetz und das Truppenaufenthaltsgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 – WRÄG 2019) (509 d.B. sowie 10244/BR d.B. und 10254/BR d.B.) ................................................................... 178

Berichterstatterin: Marlies Steiner-Wieser ................................................................. 179

RednerInnen:

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 179

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ... 180

Michael Wanner ...................................................................................................... ... 182

Gottfried Sperl ........................................................................................................ ... 183

Bundesminister Mag. Thomas Starlinger ........................................................... ... 185

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 187

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend weiterer Details zum ÖVP-Familienfest (3678/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesregierung betreffend weiterer Details zum ÖVP-Familienfest (3679/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3680/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3681/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3682/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digi­talisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stel­lungnahmen des Bundes (3683/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3684/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 12

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3685/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3686/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3687/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3688/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3689/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stel­lungnahmen des Bundes (3690/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellung­nahmen des Bundes (3691/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Relevanz der Kinder­rechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3692/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3693/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3694/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3695/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3696/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3697/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3698/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Relevanz der Kinder­rechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3699/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 13

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Relevanz der Kinder­rechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3700/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3701/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3702/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3703/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3704/J-BR/2019)

Mag. Bettina Anna Lancaster, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend KTM MOTOHALL GmbH (3705/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ausbau des Hochschulverbunds der Internationalen Bodensee-Hochschule (IBH) in eine Euro­päische Universität (3706/J-BR/2019)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien auf die Anfrage der Bun­desrätInnen David Stögmüller, Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strafzahlungen wegen Nichteinhaltung der Klimaziele (3382/AB-BR/2019 zu 3652/J-BR/2019)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Exportgarantien der Österreichischen Kon­trollbank für den Export landwirtschaftlicher Zuchttiere (3383/AB-BR/2019 zu 3654/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ÖVP EU-Spitzenkandidaten Karas und Mandl machen parteipolitische Werbung an den niederösterreichischen Schulen (3384/AB-BR/2019 zu 3653/J-BR/2019)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen gegen LGBTI-Personen in Tschetschenien (3385/AB-BR/2019 zu 3655/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsparungen in der Grundversorgung durch erwerbstätige Asylwerbende (3386/AB-BR/2019 zu 3657/J-BR/2019)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsparungen in der Grundversorgung durch erwerbstätige Asylwerbende (3387/AB-BR/2019 zu 3658/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 14

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsparungen in der Grundversorgung durch erwerbstätige Asylwerbende (3388/AB-BR/2019 zu 3656/J-BR/2019)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anzeigen der Österreichischen Lotterien in der „Neuen Freien Zeitung“ (3389/AB-BR/2019 zu 3659/J-BR/2019)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende – Wird Österreich der EU-Richtlinie nachkommen? (3390/AB-BR/2019 zu 3662/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende (3391 zu 3663/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Dr. Gerhard Leitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ustascha-Treffen in Bleiburg/Pilberg (3392/AB-BR/2019 zu 3665/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strafanzeigen aufgrund des Zei­gens einer Israelflagge (3393/AB-BR/2019 zu 3664/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend EuGH-Entscheidung und die Auswirkungen auf die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten (3394/AB-BR/2019 zu 3677/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3395/AB-BR/2019 zu 3681/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluie­rung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3396/AB-BR/2019 zu 3691/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Upskirting“ (3397/AB-BR/2019 zu 3668/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluie­rung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3398/AB-BR/2019 zu 3682/J-BR/2019)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3399/AB-BR/2019 zu 3688/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluie­rung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3400/AB-BR/2019 zu 3683/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 15

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lipizzaner als Weltkulturerbe“ (3401/AB-BR/2019 zu 3676/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3402/AB-BR/2019 zu 3690/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend EuGH-Entscheidung und die Auswirkungen auf die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten (3403/AB-BR/2019 zu 3671/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (3404/AB-BR/2019 zu 3670/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bun­desrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend den ökologischen Zustand österreichischer Fließgewässer (3405/AB-BR/2019 zu 3675/J-BR/2019)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3406/AB-BR/2019 zu 3685/J-BR/2019)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3407/AB-BR/2019 zu 3684/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitsbedingungen von Beamt*innen bei Abschiebeflügen (3408/AB-BR/2019 zu 3666/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3409/AB-BR/2019 zu 3687/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3410/AB-BR/2019 zu 3689/J-BR/2019)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lipizzaner als Weltkulturerbe“ (3411/AB-BR/2019 zu 3667/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bun­desrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Instrumente für die Sicherstellung eines naturverträglichen Ausbaus der Wasserkraft (3412/AB-BR/2019 zu 3673/J-BR/2019)

der Bundeskanzlerin auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend weiterer Details zum ÖVP-Familienfest (3413/AB-BR/2019 zu 3678/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 16

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und betreffend der Wasserkraftnutzung und deren Förderung (3414/AB-BR/2019 zu 3674/J-BR/2019)

der Bundeskanzlerin auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3415/AB-BR/2019 zu 3680/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der DSGVO und der Stellungnahmen des Bundes (3416/AB-BR/2019 zu 3686/J-BR/2019)

der Bundeskanzlerin auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend weiterer Details zum ÖVP-Familienfest (3417/AB-BR/2019 zu 3679/J-BR/2019)

der Bundeskanzlerin auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einstufung der Identitären als eindeutig rechts­extrem durch den deutschen Verfassungsschutz (3418/AB-BR/2019 zu 3669/J-BR/2019)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen betreffend öffentliche Forderungen für konkrete Beschaffungsvorgänge samt Lieferant und Preisangabe durch den Präsi­denten des Nationalrates (3419/AB-BR/2019 zu 3672/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3420/AB-BR/2019 zu 3695/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend auf die Anfrage der Bun­desrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3421/AB-BR/2019 zu 3692/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3422/AB-BR/2019 zu 3703/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3423/AB-BR/2019 zu 3693/J-BR/2019)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3424/AB-BR/2019 zu 3698/J-BR/2019)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3425/AB-BR/2019 zu 3702/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3426/AB-BR/2019 zu 3699/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 17

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3427/AB-BR/2019 zu 3697/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3428/AB-BR/2019 zu 3704/J-BR/2019)

des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Bundes­rätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3429/AB-BR/2019 zu 3701/J-BR/2019)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun­desrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3430/AB-BR/2019 zu 3700/J-BR/2019)

der Bundeskanzlerin auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Da­niela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3431/AB-BR/2019 zu 3694/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Relevanz der Kinderrechte in der Arbeit Ihres Ressorts (3432/AB-BR/2019 zu 3696/J-BR/2019)

 

 

 

 

 


 


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09.00.53Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Karl Bader, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vize­präsident Hubert Koller, MA.

09.00.55*****


Präsident Karl Bader: Einen wunderschönen guten Morgen, meine sehr geehrten Kol­leginnen und Kollegen! Ich eröffne die 897. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 896. Sitzung des Bundesrates vom 11. Juli ist aufgelegen, wurde nicht beanstandet und gilt daher als genehmigt.

09.01.15Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des
Bundesministers a. D. Rudolf Hundstorfer

09.01.16


Präsident Karl Bader: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch immer stehen wir unter dem Eindruck des allzu frühen Todes einer Persönlichkeit, an die ich zu Be­ginn der Sitzung erinnern darf. Der ehemalige Sozialminister Rudolf Hundstorfer war ein Politiker, dessen gesamtes Leben auf ganz besondere Art und Weise der gewerk­schaftlichen Bewegung gewidmet war.

Rudolf Hundstorfer war aber auch ein Parlamentarier der ganz besonderen Art: Er war Mitglied des Wiener Landtages, er war über lange Zeit Erster Vorsitzender des Wiener Gemeinderates, und die Diskussion in den gesetzgebenden Körperschaften war ihm immer ein hohes Anliegen, egal ob als Mandatar oder später als Minister. Das Ge­spräch, die Diskussion war für ihn ein ganz wesentlicher Bestandteil seiner politischen Arbeit, wenngleich er seiner Überzeugung meist sehr standhaft treu geblieben ist.

Rudolf Hundstorfer war als Mensch eine ganz besondere Persönlichkeit, und dies hat ihm auch in seinem beruflichen und politischen Wirken jene Anerkennung gebracht, die er sich verdient hat. Wir werden ihm als Minister, als Gewerkschafter und als Parla­mentarier immer ein ehrendes Andenken bewahren.

Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gilt in dieser Stunde vor allem seiner Familie. Der österreichische Bundesrat dankt, der österreichische Bundesrat gedenkt seiner.

Ich darf Sie ersuchen, sich im Gedenken an Herrn Bundesminister Rudolf Hundstorfer von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.)

Ich danke Ihnen für das Zeichen der Trauer. (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

09.03.11Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Karl Bader: Eingelangt sind die Schreiben

des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht be­ziehungsweise Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates sowie

des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl von zwei Er­satzmitgliedern des Bundesrates.


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Da Bundesrat Anton Froschauer und sein Ersatzmitglied auf ihr Mandat verzichtet haben, ist die Wahl eines neuen Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bun­des­rates vom Oberösterreichischen Landtag beziehungsweise die Wahl zweier neuer Er­satzmitglieder vom Niederösterreichischen Landtag entsprechend durchgeführt wor­den.

Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Ich verlese die Gelöbnisformel für die Mitglieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Bundesrätin Johanna Miesenberger leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)


Präsident Karl Bader: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates Johanna Miesenberger sehr herzlich im Kreise der Bundesrätinnen und Bundesräte und wün­sche ihr viel Freude bei dieser Arbeit. Ich freue mich auf gute Zusammenarbeit mit ihr.

09.05.18Ankündigung einer Erklärung der Landeshauptfrau von Niederösterreich gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR


Präsident Karl Bader: Es ist mir eine besondere Freude, die Landeshauptfrau von Niederösterreich, Mag.a Johanna Mikl-Leitner, sehr herzlich bei uns im Bundesrat zu begrüßen. Sie hat ihre Absicht bekundet, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“ abzugeben. (Allgemeiner Beifall.)

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die von der Landeshauptfrau von Niederösterreich abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres nachkommen.

*****

Bevor ich der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner das Wort erteile, darf ich darauf hinweisen, dass es eine neue interaktive Mediathek auf der Parlamentshomepage gibt, über die diese und auch die kommenden Sitzungen live mitverfolgt werden können.

Zusätzlich zum bereits bekannten Livestream besteht jetzt auch die Möglichkeit, die Redebeiträge der einzelnen Mitglieder des Bundesrates als Video-on-Demand abzu­rufen oder downzuloaden. Ich bitte, davon reichlich Gebrauch zu machen. Mein beson-


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derer Dank gilt den MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion, die dieses Projekt so rasch umgesetzt haben.

*****

Auf der Besuchergalerie darf ich sehr herzlich eine Gruppe des Seniorenbundes aus dem Bezirk Lilienfeld willkommen heißen. Ich freue mich, dass ihr heute bei uns zu Gast seid. (Allgemeiner Beifall.)

Ich erteile nun der Landeshauptfrau von Niederösterreich zur Abgabe ihrer Erklärung das Wort. – Liebe Landeshauptfrau, du bist am Wort.

09.07.19Erklärung der Landeshauptfrau von Niederösterreich zum Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“


9.07.20

Landeshauptfrau von Niederösterreich Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geschätz­ter Herr Präsident, lieber Karl Bader! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Hoher Bundesrat! Es ist für mich eine ganz große Ehre und Freude, heute hier im Bundesrat zu Gast sein zu dürfen. Ich glaube, dieses Zusammentreffen fällt, so wie der gesamte Vorsitz Niederösterreichs, in eine sehr spannende, heraus­fordernde und vor allem sehr bewegte Zeit.

Wir alle wissen, seit Mai haben wir eine Regierung ohne stabile Mehrheit im Parla­ment – eine sogenannte Übergangsregierung, eine sogenannte Beamtenregierung. Wir alle wissen auch, dass diese Übergangsregierung die einzelnen Ressorts mit großem Engagement und viel Einsatz verwaltet, aber aufgrund der fehlenden Mehrheit im Parlament natürlich nur bedingt gestalten kann.

Der Herr Präsident hat es gesagt: Wir alle stehen noch unter dem Eindruck der Natio­nalratswahl – einer Nationalratswahl mit sehr vielen Emotionen, mit sehr vielen An­griffen, einer Nationalratswahl nicht ganz nach den Vorstellungen der Bevölkerung. Wir sind alle noch geprägt von dieser Nationalratswahl, aber jetzt geht es um diese Re­publik.

Wir alle wissen, dass fast fünf Millionen Österreicherinnen und Österreicher von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und fünf Parteien ins Parlament gewählt haben. Ange­sichts der laufenden Sondierungsgespräche zwischen den Parteien ist es mir wichtig, zu betonen, dass jede Partei, die im Parlament vertreten ist, eine staatspolitische Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern und vor allem auch gegenüber der Republik hat – eine Verantwortung zur Zusammenarbeit für unser Land und vor allem über die Parteigrenzen hinweg.

In den nun laufenden Gesprächen, die sicherlich nicht einfach sind und sicherlich auch nicht einfach werden, muss meines Erachtens ganz sensibel und vor allem mit Wert­schätzung und Respekt ausgelotet werden, in welcher Form eine Zusammenarbeit stattfinden kann, auf welche Art und Weise eine Zusammenarbeit möglich ist, denn wer politische Verantwortung trägt, der muss vor allem im Sinne der Republik handeln und muss vor allem auch die Anliegen der Menschen ernst nehmen.

Dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, geschätzter Bundesrat, ist es not­wendig, nahe an den Menschen zu sein und ihre Anliegen in den Mittelpunkt zu stellen. Gerade diese Nähe zu den Menschen ist uns unglaublich wichtig. Warum sage ich das? – Weil nur Nähe Vertrauen schaffen kann; und nur wenn es Vertrauen gibt, kann man gemeinsam die Zukunft gestalten und den Weg nach vorne beschreiten. Daher


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kommt auch dem Motto des niederösterreichischen Vorsitzes eine ganz große Be­deutung zu, dieses Motto kommt nicht von ungefähr. „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“ – ein Motto, das uns in der politischen Arbeit immer als Leitbild, aber vor allem auch als Wegweiser dienen soll; ein Anspruch, den Sie alle als politische Ver­antwortungsträger mit Leidenschaft im Herzen tragen. Für dieses Engagement, für diese Ernsthaftigkeit, für dieses positive Denken, vor allem aber für die Bereitschaft, sich für Land und Leute und für diese Republik einzusetzen, sage ich Ihnen allen, ge­schätzte Damen und Herren des Bundesrates, ein großes und herzliches Dankeschön!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte BundesrätInnen! Wir befinden uns in einer sehr bewegten Zeit, ja, ich würde sagen, in einem historischen Zeitab­schnitt, einem der wohl turbulentesten Zeitabschnitte der österreichischen Innenpolitik. Wir alle wissen: Die Übergangsregierung ist nach wie vor im Amt, und parallel dazu müssen, wollen und sollen vor allem auch die Weichen für die Zukunft gestellt werden, es müssen Überlegungen angestellt werden, wie es weitergeht. Dessen sind wir uns auch bewusst: Vieles ist noch offen, unklar und ungewiss.

In einer derartigen Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, braucht es Institu­tionen, die für Stabilität und für Kontinuität stehen, wichtige Konstanten in unserer Re­publik wie die Bundesländer und den Bundesrat – den Bundesrat als Länderkammer, als eine unverzichtbare und weit hörbare Stimme, sei es als aktive Stimme für die Anliegen der Menschen in den unterschiedlichsten Parteien und in den unterschied­lichsten Gremien in den Ländern, Bezirken und Gemeinden, sei es als mahnende Stimme für die Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg und vor allem auch über Parteigrenzen hinweg. Gerade mit Ihrer Kompetenz, mit Ihrem Engagement und mit Ihrem Herzblut verleihen Sie dieser Stimme der Bundesländer in ganz Österreich starkes Gehör und vor allem auch eine große Stärke. Auch dafür sage ich Ihnen allen ein ganz großes und herzliches Dankeschön.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landeshauptleutekonferenz und der Bundesrat sind zwei starke Stimmen für Zusammenarbeit, zwei starke Säulen des föderalen Österreichs. Da ist es mir schon wichtig, zu betonen, Föderalismus bedeutet nicht: jeder für sich, jeder gegen jeden oder alle gegen einen. Föderalismus bedeutet für mich: miteinander reden, voneinander lernen und vor allem auch füreinander da sein. Genau diese Tugenden braucht es, wenn wir in Richtung Zukunft schauen, wenn wir uns mit zentralen Zukunftsthemen beschäftigen. Es gibt viele Zukunftsthemen, die uns vor allem fordern und herausfordern werden.

Ich denke da an die Digitalisierung, die wir in allen Bereichen und auf allen Ebenen spüren, sei es im privaten, aber auch im beruflichen Umfeld. Ich denke an die Aus­wirkungen des Klimawandels, bezüglich derer wir immer wieder betonen müssen: Ja, wir müssen etwas tun. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass Österreich auch schon sehr viel bewirkt hat. Zudem denke ich an die Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern.

Wenn es um die Zukunftsthemen geht, darf ich auch dem Präsidenten des Bun­desrates, Karl Bader, der hier im Rahmen seines Vorsitzes wichtige Akzente setzt, Danke sagen. Für diese Akzente bin ich dankbar, lieber Herr Präsident, weil du ein ganz wichtiges und zentrales Thema in den Mittelpunkt stellst, nämlich den Masterplan ländlicher Raum. Du bist einer, der diesen ländlichen Raum kennt, der ihn auch schon seit vielen Jahren geprägt und gestaltet hat und dem vor allem auch bewusst ist, welch wertvolle Ressourcen wir im ländlichen Raum haben. Daher sollen das Thema länd­licher Raum und dieser Masterplan ländlicher Raum den Bundesrat auch die nächsten Jahre begleiten. Jedes Bundesland soll sich auf ein Spezialthema fokussieren und sich mit diesem Spezialthema intensiv auseinandersetzen.


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Niederösterreich setzt nun im Rahmen der Präsidentschaft von Karl Bader auf das Thema Dezentralisierung. Ich bin froh darüber, sehr geehrter Herr Präsident, dass du dieses Thema gewählt hast, weil wir seitens Niederösterreichs auch mit einer ganz großen Dezentralisierungsoffensive vorangehen.

Was ist diese Dezentralisierungsoffensive? – Wir haben uns in Niederösterreich dazu entschlossen und uns darauf committet, dass wir 500 Arbeitsplätze direkt aus der Verwaltung von St. Pölten in die ländlichen Regionen verlagern. Jetzt kann sich der eine oder andere fragen, warum. – Und ich sage Ihnen nur: Die Antwort liegt ganz klar auf der Hand. Wir schaffen mit der Verlagerung von 500 Arbeitsplätzen aus St. Pölten Arbeitsplätze in den Regionen; wir machen es dadurch möglich, dass Bürgerinnen und Bürger weniger Zeit und weniger Kilometer in Kauf nehmen müssen, wenn sie ein Anliegen haben. Wir sehen vor allem auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon profitieren, dass sie einen wohnortnahen Arbeitsplatz haben.

Das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger und zentraler Beitrag zur Stärkung der ländlichen Region und vor allem auch ein ganz wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit, denn gemeinsam wollen und müssen wir darauf schauen, dass der ländliche Raum keine Region zum Wegziehen, sondern ein Platz zum Bleiben ist. Damit der ländliche Raum auch weiterhin attraktiv bleibt, braucht es aber noch mehr: Es braucht auf jeden Fall die Sicherung der ärztlichen Versorgung – im stationären Bereich, vor allem aber auch im niedergelassenen Bereich. Ich bin fest davon überzeugt, dass gerade in diesem Bereich eine der größten Herausforderungen vor uns liegt.

Lassen Sie mich das am Beispiel Niederösterreichs festmachen: Schon jetzt umfasst der Bereich Gesundheit, Soziales und Pflege 4,5 Milliarden Euro unseres Budgets, also fast die Hälfte unseres Budgets wird für Gesundheit, Pflege und Soziales auf­gewendet. Wir alle wissen: Die Ausgaben dafür werden nicht weniger, sondern die Ausgaben werden aufgrund verschiedener Ursachen steigen. Ich schaue so in die Runde und sehe die Verantwortungsträger der einzelnen Bundesländer – und ich weiß, dass das auch in den anderen Bundesländern nicht anders gelagert ist und dass es sich in einer ähnlichen Dimension bewegt.

Wir in Niederösterreich nehmen diese Herausforderung an und setzen auch ganz kon­krete Maßnahmen. An vorderster Stelle arbeiten wir an der größten Strukturreform, die es in Niederösterreich jemals gegeben hat. Wir arbeiten an einer Gesundheitsagentur, wir arbeiten an unserer Landesgesundheitsagentur, womit wir in Zukunft Gesundheit und Pflege unter ein gemeinsames Dach stellen und unter diesem gemeinsamen Dach managen, planen und steuern wollen. Das heißt, wir wollen unsere 27 Kliniken, unsere 28 Pflege- und Betreuungszentren und unsere zwei Pflege- und Förderzentren unter einem Dach vereinen. Unter diesem Dach werden dann an die 27 000 Beschäftigten arbeiten – 27 000 Beschäftigte, die sich rund um die Uhr um Pflege und Gesundheit der niederösterreichischen Landsleute kümmern.

Wir wollen vor allem in der Verwaltung sparen und wir wollen vor allem in der Versor­gung gewinnen. Wir wollen, dass noch mehr Pflege- und Gesundheitsmaßnahmen bei den niederösterreichischen Landsleuten ankommen. Wenn wir aber von Versorgung sprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist mir schon bewusst: Es gibt diesbezüglich noch viel mehr zu tun.

Ein Problemfeld möchte ich hier im Bundesrat offen ansprechen, nämlich das Thema Ärztemangel. Sie alle spüren es, wenn Sie draußen vor Ort unterwegs sind, immer wieder werden wir darauf angesprochen: die Sorge, dass der praktische Arzt nicht nachbesetzt werden könnte, die Sorge, dass vielleicht ein Fachmediziner nicht nach­besetzt werden könnte. Tag für Tag werden wir mit dieser Sorge und mit diesem Thema


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konfrontiert, und das ist auch richtig so. Die Menschen haben dafür ein sehr gutes Gefühl, und die Zahlen, Daten und Fakten zeigen es auch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzter Bundesrat! In Österreich wer­den Jahr für Jahr weniger Mediziner ausgebildet, als benötigt werden. Lassen Sie mich das auch mit einigen Zahlen unterlegen: Noch vor 20 Jahren gab es allein in Wien 2 000 Medizinstudienplätze, heute sind es an allen Universitäten in Wien, Linz, Graz und Innsbruck 1 680 Studienplätze. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass 25 Prozent der Studienplätze für Nicht-Österreicher reserviert sind, bleiben 1 260 Stu­dien­plätze für unsere Jugend, für die Österreicherinnen und Österreicher. 1 260 sind es heute, während es im Vergleich dazu vor 20 Jahren allein in Wien 2 000 waren.

Wenn man dann auch noch vor Augen hat, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre etwa 50 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Pension gehen, und wenn man vor allem auch an die demografische Entwicklung denkt, dann erkennt man, dass es da Handlungsbedarf gibt. Deshalb werden wir mit der Forderung nach einer Verdoppelung der Medizinstudienplätze nicht lockerlassen, wir werden auf dieser Forderung drauf­bleiben. Damit selbstverständlich auch die Qualität in der Ausbildung erhalten bleibt – dessen sind wir uns natürlich bewusst –, braucht es mehr Geld für die Universitäten, mehr Geld für die Medizinstudierenden, mehr Geld für die Erhöhung der Zahl und vor allem für die Qualitätserhaltung.

Mir ist bewusst, dass diese Maßnahme allein das Gesamtproblem des Ärztemangels nicht lösen wird, aber es ist auf alle Fälle ein Problem, bei dem es rasch zu handeln gilt, bei dem wir rasch Taten setzen müssen, denn wir wissen, wie lange die Aus­bildung eines Arztes, eines Mediziners dauert. Wir brauchen diese Ärzte, wir brauchen sie, um den Menschen eine bestmögliche Versorgung garantieren zu können. Genau das muss unser gemeinsames Ziel sein, und diesem Ziel muss vor allem auch unsere gemeinsame Kraftanstrengung gehören, zum Wohle unserer Landsleute und zum Wohle unseres Landes. Es ist mir bewusst, dass es vor allem auch da die Unter­stüt­zung des Bundesrates braucht.

Sie sehen also, die Herausforderungen sind vielfältig, wenn wir an die Stärkung des ländlichen Raumes, an die Sicherung der Gesundheitsvorsorge, an die Sicherung des Pflege- und Betreuungsangebotes oder an die Schaffung von Arbeitsplätzen denken.

Unsere Aufgabe, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist klar: nahe dran zu sein an den Anliegen der Menschen und vor allem die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen und sie ins Zentrum unserer politischen Arbeit zu stellen – im Bund, im Land und in den Gemeinden, im Nationalrat, im Bundesrat, im Landtag und in den Gemein­deräten. Alle Ebenen sind gleichermaßen wichtig und alle Ebenen sind gleichermaßen gefordert. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf es gerade in einer so entscheidenden Phase nicht zu einem Gegeneinander kommen, sondern es muss bei einem Miteinander bleiben. Wir müssen die Zusammenarbeit hochhalten, wir müssen miteinander reden, voneinander lernen und vor allem auch füreinander da sein. Nur so werden wir Österreich, unsere Länder, unsere Regionen und unsere Ge­meinden auch erfolgreich in die Zukunft führen können.

Ich freue mich, meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates, auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit, auf eine gute Zusammenarbeit mit der Bundes­regie­rung, auf eine weitere gute Zusammenarbeit mit dem Nationalrat, mit dem Bundesrat, mit den Gemeinderäten, im Sinne der Bevölkerung, im Sinne der Republik und im Sinne der Länder.

Ich darf mich bei Ihnen für die Einladung in den Bundesrat herzlich bedanken, allen voran beim Präsidenten – Gratulation zu deiner professionellen und vorbildlichen Prä­sidentschaft! –, darf mich bei Ihnen für Ihr großartiges Engagement bedanken und


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wünsche Ihnen und uns allen für die Zukunft, für die Herausforderungen, die vor uns liegen, alles Liebe, alles Gute und ein herzliches Glückauf! (Allgemeiner Beifall.)

9.26


Präsident Karl Bader: Sehr geehrte Landeshauptfrau, ich danke dir sehr herzlich für deine Ausführungen und ich freue mich auch außerordentlich, dass wir in einem gut gelebten Miteinander, wie wir es in Niederösterreich kennen, für den Vorsitz im Bun­desrat in diesem halben Jahr und in der Landeshauptleutekonferenz ein gemeinsames Motto gewählt haben und dadurch auch zum Ausdruck bringen, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile dieses.


9.27.24

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Landeshauptfrau! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Damen und Herren! „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“: Das ist das Motto des Landes Niederösterreich für den Vorsitz im Bundesrat und in der Landeshaupt­leute­konferenz. Es ist dies aber nicht nur ein Motto für ein halbes Jahr, sondern es ist dies fast die DNA des Landes Niederösterreich und der niederösterreichischen Landes­po­litik – ein Dank an dich, Frau Landeshauptfrau, dass du heute die Gelegenheit wahr­nimmst und im Bundesrat die Anliegen und Sorgen des Landes Niederösterreich prä­sentierst und uns deine Linien näherbringst.

Der Bundesrat ist ein Teil des Landes auf der Bundesebene und in der Bundespolitik, und wir sind auch jene, die diese Landespolitik hier auf Bundesebene entsprechend zu vertreten haben. Die Nationalratswahlen haben gezeigt, dass es wichtig ist, mit den Menschen zu reden, dass es wichtig ist, die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen, Lösungen vorzuschlagen und an diesen Lösungen auch entsprechend zu arbeiten. Genau diese Einstellung wird vom Wähler auch entsprechend goutiert, und gerade Niederösterreich ist das beste Beispiel dafür. Die Landtagswahlen 2018 haben dies auch gezeigt. Sie haben es gezeigt, weil das Miteinander eine Geisteshaltung ist, die unser Land prägt, und dieses Miteinander in Niederösterreich gelebt wird.

Dieses Miteinander gilt es auch innerhalb der Kommunen zu leben, nämlich ein Mit­ei­nander zwischen den Städten und ein Miteinander – und das ist auch ein entsprechen­der Schwerpunkt – mit dem ländlichen Raum. Danke, dass der Masterplan ländlicher Raum ein Schwerpunkt der Arbeit des Bundesrates in diesem halben Jahr ist, denn viele Studien beweisen es und wir erleben es im täglichen Dasein: Es gibt Wan­derungsbewegungen von den ländlichen, von den peripheren Räumen hin zu den Zentralräumen. Da gilt es entsprechend entgegenzuwirken, indem Verkehrsverbin­dun­gen attraktiviert werden, indem Bildung auch dezentral ermöglicht wird – und das in hohem Maße. Die Fachhochschulen in Niederösterreich seien hier als positives Bei­spiel genannt.

Es ist aber auch wichtig – du, Frau Landeshauptfrau, hast es schon angesprochen –, dass die medizinische Versorgung, vor allem die medizinische Versorgung im länd­lichen Raum, entsprechend gewährleistet ist. Das bedeutet eine dezentrale Versor­gung im Bereich der Landeskrankenhäuser, das bedeutet aber auch, Landärzte ent­sprechend zu fördern und zu fordern. Es gilt aber auch, qualitativ hochwertige Arbeits­plätze in dezentralen Räumen anzubieten, und auch da gibt es entsprechende Vor­schläge des Landes Niederösterreich.


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Wir hatten gestern eine Enquete zum Thema Dezentralisierung – dir, Herr Präsident, dafür ein herzliches Dankeschön –, denn Dezentralisierung von Bundesstellen zeigt letztlich die Ernsthaftigkeit eines Bundesstaates. Es gilt da wiederum Vorsorge zu tragen, und Experten haben gestern auch zum Ausdruck gebracht, dass es möglich ist, nach einer guten Ausbildung auch wieder in die ländlichen Räume zurückzukehren, dort zu wohnen, zu arbeiten; und das gilt speziell für junge Frauen.

Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Klimawandel ist ein weltweites Thema. Fürs Klima handeln ist aber Marke Niederösterreich, und nicht erst seit Fridays for Future oder seit Greta Thunberg wissen wir das. Ich habe das hautnah erlebt: Letzte Woche konnte ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Bundesrat 25 Jahre Fern­wärmegenossenschaft Krumbach feiern, und das zeigt, dass wir uns schon sehr lange mit dem Thema Klimaschutz und erneuerbare Energie beschäftigen. 350 Klimabünd­nisgemeinden in Niederösterreich sind ein Beispiel dafür, und es sollen mehr werden. Wir können auch mit Stolz darauf verweisen, dass 100 Prozent des Stroms in unserem Bundesland aus erneuerbarer Energie stammen. Das heißt letztlich, bereit für die Zukunft zu sein.

Geschätzte Damen und Herren, es gibt sie aber auch in Niederösterreich, die Dörfer, wo der Greißler, der Bäcker und der Fleischer schon lange geschlossen haben und wo der letzte Wirt gegangen ist, wo die Jungen in die Stadt ziehen und wo die Alten geblieben sind – die Alten und die Bauern. Darum ist es mir auch besonders wichtig, dass den bäuerlichen Betrieben Perspektiven gegeben werden und dass bei den Jungen die Freude am Zuhausebleiben gestärkt wird, denn nur dann werden wir die ländlichen Räume entsprechend entwickeln und erhalten können.

Es besteht ein besonders hoher gesellschaftlicher Anspruch an die Landwirtschaft, es ist nämlich die Erwartung da, Ressourcen zu erhalten, Landschaft zu schützen und Tierschutz und Pflanzenschutz zu betreiben. Wenn wir das wollen, dann müssen wir das auch entsprechend honorieren und wertschätzen, und das am besten durch den Kauf von regionalen Produkten, die gerade diese Anforderungen erfüllen.

Meine Damen und Herren, als Bundesrätinnen und Bundesräte gehören wir zu jenen, die Beruf und politisches Engagement entsprechend miteinander verbinden. Diese Verbindung ist auch eine Chance, wieder näher an der Lebensrealität der Menschen zu sein und damit unserem Motto gerecht zu werden. Ich darf mich auch bei jenen besonders bedanken, die dies in unserer Gesellschaft auf politischer Ebene am stärksten tun. Es sind dies unsere Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, unsere Bürgermeister vor Ort. Sie sind den Menschen am nächsten, sie kennen sie persönlich und sie sind jene, die der Politik das beste Gesicht geben.

Das Land Niederösterreich und der Bundesrat sind Partner der Gemeinden. Ich darf mich hier bei allen Bürgermeistern recht herzlich bedanken, besonders beim Bürger­meister meiner Heimatgemeinde Lanzenkirchen, weil ich weiß, was es heißt, tagtäglich mit den Menschen in Diskussion und vor Herausforderungen zu stehen.

Nur wenn wir gemeinsam, gemeinsam als Gemeinden, gemeinsam als Länder, die wir vertreten, gemeinsam als Bundesstaat und gemeinsam in der Europäischen Union handeln, werden wir die Herausforderungen der Zukunft annehmen, sie mit den Men­schen teilen und nach Lösungen suchen können. Und das wird uns auch in Zukunft leiten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.35


Präsident Karl Bader: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.



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09.35.56

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich zunächst einmal meinen Dank auch an Sie, Frau Landeshauptfrau, dafür aussprechen, dass Sie an dieser Stelle die Bedeutung, die Wichtigkeit des Bundesrates auch noch einmal unterstrichen und hervorgehoben haben! Ich glaube, das kann man auch in Richtung der Öffentlichkeit nicht oft genug wiederholen. Wir alle üben unsere Tätigkeit mit viel Herzblut aus, und das natürlich gemeinsam, in Kooperation mit den Ländern und mit den Gemeinden. Das kann man nicht oft genug unterstreichen – vielen Dank dafür! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich möchte aber nun auf ein Thema eingehen, das auch in der Enquete, die gestern hier stattgefunden hat, behandelt wurde. Das Land Niederösterreich hat ja diese 3D-Strategie – Digitalisierung, Dezentralisierung und Deregulierung – ins Zentrum des politischen Handelns gestellt. Wir haben auch soeben noch einmal vom Masterplan ländlicher Raum gehört. Ich glaube, es ist unbestritten, dass wir die digitale Revolution nicht vor uns haben, sondern dass wir vielmehr mittendrin stecken. Die Digitalisierung greift natürlich in alle unsere Lebensbereiche, in alle Wirtschaftsbereiche, in alle gesellschaftlichen Bereiche ein, mit allen Vor- und Nachteilen, mit allen Chancen und Risken, die wir an dieser Stelle bereits mehrfach und ausgiebig diskutiert haben.

Dass das Land Niederösterreich verschiedene Offensiven im Bereich digitale Bildung und Breitbandausbau vorantreibt, neue Arbeitsmodelle wie zum Beispiel Teleworking, Crowdworking und vieles andere mehr ermöglicht, ist natürlich begrüßenswert, und natürlich unterstützen wir das auch. So ist es ja nicht zuletzt die Aufgabe der Politik, darauf zu achten, dass die Menschen auch die Möglichkeit haben, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, sodass eben kein digitales Prekariat entsteht, worauf auch, wenn ich darauf hinweisen darf, Hannes Androsch in seiner Funktion als Aufsichts­ratsvorsitzender des Austrian Institute of Technology immer wieder aufmerksam ge­macht hat.

Wir wissen, durch die Digitalisierung nehmen prekäre Beschäftigungen, also unsichere, oft befristete Arbeitsverhältnisse, leider genauso zu wie Arbeitsverhältnisse, bei denen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben, auch jene zwischen ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn zunehmend verschwimmen. Da hat die Politik entsprechend gegen­zusteuern und entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Politik und damit auch politische Entscheidungen dürfen aus meiner Sicht aber nicht Selbstzweck sein, sondern müssen in erster Linie und generell – und damit komme ich zum zweiten D, nämlich der Dezentralisierung – die Rahmenbedingungen dafür schaf­fen, dass die Menschen ein in den unterschiedlichsten Aspekten gelingendes Leben führen können. Das betrifft das Wohnen genauso wie die Arbeit, die Gesundheit und die Pflege, die Bildung, den Bereich der Sicherheit und der Versorgungssicherheit, ja, auch Dinge wie zum Beispiel Mobilfunk und Glasfaseranschluss, aber auch Möglich­keiten im Bereich Freizeitaktivitäten gehören eindeutig dazu. Ich glaube, da werden Sie mir alle zustimmen, da sind wir uns einig.

Wo wir uns aber anscheinend doch massiv unterscheiden, ist im Grunde – wenn ich es flapsig formulieren darf – so ein bisschen wie die Frage nach Henne und Ei, nämlich darin, was prioritär zu sehen ist und was in der politischen Anstrengung auch Priorität haben muss. Dass durch die Dezentralisierung und Dekonzentration, wie wir es ges­tern gehört haben, Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen angesiedelt werden sollen, um damit die Abwanderung in die Städte abzuschwächen, ist natürlich nicht per se abzulehnen. Ein Arbeitsplatz in einer unter Umständen infrastrukturell noch eher


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schwach ausgebauten Region wird mich als Betroffene aber nicht dazu bringen, mich dann auch dort anzusiedeln, wenn dort beispielsweise der öffentliche Verkehr nicht gut genug ausgebaut ist, wenn mir dort Kinderbetreuung nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, wenn es dort vielleicht keinen Hausarzt, keinen Gemeindearzt gibt und wenn der nächste Bankomat 10 Kilometer entfernt ist. Das alles sind Grundvoraus­setzungen, die gegeben sein müssen, und es bedarf natürlich auch aller Anstrengun­gen der Politik, um den ländlichen Raum entsprechend zukunftsfit zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Dank gilt an dieser Stelle unserem Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl, der in diesem Zusammenhang nämlich ein sehr umfassendes Modell, einen Zehn-Punkte-Plan, für Niederösterreich vorgestellt hat, der genau diesem Ziel, nämlich den ländlichen Raum zu stärken, auch tatsächlich Rechnung trägt.

Wie Dezentralisierung nicht geht, das haben wir dagegen am Beispiel des Umwelt­bundesamtes gesehen – und bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, ich bin ja eine Vertreterin des betroffenen Bezirks Tulln; da geht es um die Umsiedlung des Umwelt­bundesamtes nach Klosterneuburg. Natürlich wären 500 Arbeitsplätze dort prinzipiell sehr erfreulich und positiv zu bewerten, aber das, muss man auch dazusagen, ginge auf Kosten einer anderen Stadt, nämlich der Stadt Wien, und noch dazu unter dem Deckmantel der Stärkung des ländlichen Raums. Wohlgemerkt sprechen wir bei Klos­terneuburg von der drittgrößten Stadt Niederösterreichs, die noch dazu exakt 3,3 Kilo­meter vom aktuellen Standort des Umweltbundesamtes entfernt ist. Das wirkt für mich dann doch ein wenig doppelzüngig.

Die geschätzten Kosten der Übersiedlung von rund 50 Millionen Euro kommen dann aus meiner Sicht noch sehr erschwerend hinzu. Ich habe dazu eine kleine Rechnung für meinen Bezirk angestellt: Mit dieser Summe könnte man nämlich im Bezirk Tulln die ganztägige Betreuung aller Kinder in den rund 180 Kindergartengruppen, die wir haben, für die nächsten zehn Jahre sicherstellen – und das für die Eltern völlig kosten­los. Ich glaube, das wäre eine wirkliche Investition in die Zukunft unseres Landes und in dem Fall in unseren Bezirk. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ja gestern im Rahmen der Enquete und auch heute im Bundesrat immer wieder betont worden, dass eine Dezentralisierung nur im Miteinander der Städte und der ländlichen Regionen und ganz besonders auch im Miteinander mit den betroffenen Bediensteten passieren kann. Auch in dieser Hinsicht wird das Umweltbundesamt wohl keinen Best-Practice-Preis gewinnen. Es zeigt eher, wie es nicht geht und dass das vielzitierte Miteinander dann doch nur ein Lippenbekenntnis geblieben ist. Anders ausgedrückt: Es ist nicht alles Gold, was glänzt, auch in Niederösterreich nicht.

Außerdem erscheint es mir mehr als widersprüchlich, auf der einen Seite eine Stär­kung des ländlichen Raums zu betonen und auf der anderen Seite durch den Be­schluss der Schuldenbremse genau das Gegenteil davon wirklich umzusetzen. Ohne entsprechende Investitionen in all den Bereichen, die ich vorhin genannt habe – besonders jetzt, da wir uns langsam, aber sicher von der Phase der Hochkonjunktur verabschieden müssen –, wird es nicht gehen. Eine Schuldenbremse und aus meiner Sicht de facto eine Investitionsbremse wird zu einer Schwächung des ländlichen Raums führen, wenn wir nicht entsprechend gegensteuern.

In diesem Sinne brauchen wir auch über den Speckgürtel der Städte hinaus ent­sprechend leistbaren Wohnraum als eine wichtige Grundvoraussetzung ganz beson­ders für die Jungen, wie wir heute auch schon gehört haben. Wir brauchen einen Aus­bau des öffentlichen Verkehrs – das 365-Euro-Ticket ist immer noch nicht angegangen worden –, einen Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuung sowie natürlich auch der ganztägigen Bildung in Ganztagsschulen. Ich muss darauf hinweisen, dass es in Nie-


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derösterreich immer noch nur eine einzige verschränkte Ganztagsmittelschule gibt – also ich glaube, da haben wir noch viel Luft nach oben. Ein bisschen stolz darf ich darauf sein, dass diese verschränkte Ganztagsmittelschule ausgerechnet in meinem Bezirk entstanden ist, nämlich in unserer SPÖ-geführten Gemeinde im Bezirk, in Zwentendorf. Diesbezüglich haben wir aber, wie gesagt, noch viel Luft nach oben.

Wir brauchen eine optimale Gesundheitsversorgung, und ich glaube, alleine die Erhöhung der Zahl von Studienplätzen wird es nicht sein, die den Hausärztemangel bekämpfen wird. Wir müssen uns um die Pflegenahversorgung Sorgen machen, und dabei geht es nicht um großvolumige Pflegeeinrichtungen, sondern natürlich auch um die Möglichkeit, möglichst zu Hause pflegen zu können.

Wir brauchen eine Sicherstellung der wichtigsten Nahversorgungsinfrastruktur, wie eben Lebensmittelversorger, Postämter, Bankomaten und vieles dergleichen mehr. Wir brauchen das alles natürlich auch in Kombination mit sozial verträglichen Klimaschutz­maßnahmen. Ich glaube, das ist der wirklich notwendige Masterplan ländlicher Raum. Das ist wirklich nah an den Menschen und das wird dann auch die Menschen wirklich bereit für die Zukunft machen.

Das muss, so glaube ich, bei all den unterschiedlichen Meinungen und unter­schied­lichen Ansichten unsere gemeinsame Anstrengung sein: dass wir die Gemeinden, natürlich auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht alleine lassen und dafür sorgen, dass der ländliche Raum entsprechend aufgewertet wird. – Vielen Dank. (Bei­fall bei der SPÖ.)

9.45


Präsident Karl Bader: Ich darf eine Schülergruppe aus dem Bezirk Lilienfeld, nämlich aus dem BG/BRG Lilienfeld, als Besucher unserer Sitzung sehr herzlich willkommen heißen. – Schön, dass ihr da seid und euch für den Bundesrat interessiert. (Allge­mei­ner Beifall. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Es wird heute auch noch eine dritte Besuchergruppe aus dem Bezirk Lilienfeld er­wartet – aller guten Dinge sind drei. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Gerade die SPÖ-Fraktion kann gespannt sein, wer das ist.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


09.46.18

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Landeshauptfrau! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Vielen Dank, Frau Landeshauptfrau, dass Sie sich die Zeit genommen haben, heute hier im Bundesrat zu sein. Das Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“ ist so wie sehr viele Themen der ÖVP, im Speziellen auch der ÖVP Niederösterreich, etwas, das sehr gut klingt und das man natürlich auch sehr gut verkaufen kann. Da muss ich für die ÖVP ganz ehrlich eine Lanze brechen: Wenn sie etwas gut kann, dann ist das kampagnisieren und Pflöcke bei Themen einschlagen, die gut klingen, die jedermann unter die Haut gehen, ganz egal, wie leer die Phrasen dahinter in Wirklichkeit sind. Das ist perfekter ÖVP-Polit­sprech in Reinkultur.

Ja, meine Damen und Herren, meine Kritik mag etwas hart klingen, das tut sie jedoch nicht ohne Grund. Ich bin dankbar dafür, heute hier als gelernter Niederösterreicher im buchstäblichen Sinne – ich bin nämlich ein Zuagroaster aus der Steiermark (Bundes­rätin Eder-Gitschthaler: Ja, ja!) – stellvertretend für viele Kollegen ein paar Worte direkt an Sie, Frau Landeshauptfrau, richten zu können, und ja, einiges ist kritisch, weil


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eben nicht alles, wie wir das auch von meiner Vorrednerin bereits gehört haben, in Niederösterreich so tadellos funktioniert, wie es nach außen immer vorgespielt wird.

Wenn man in Niederösterreich geboren wurde und von klein auf das System der ÖVP Niederösterreich kennt, dann fällt einem das vielleicht gar nicht so auf, dann ist das so wie bei einem Hummer, der im warmen Wasser auf der Herdplatte steht – es wird wärmer, heißer und heißer, bis man letztendlich komplett eingekocht ist –, wenn man aber als Zuagroaster quasi in das kochende Wasser springt oder geworfen wird, dann spürt man schon ganz deutlich, dass da einiges nicht passt, und dazu passend kann man sagen: Da wird einem auch manchmal ein bisschen schwarz vor Augen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Frau Landeshauptfrau, das von Ihnen so gern gebrauchte „Wir“ und das „Mitei­nander“ – ich weiß nicht, ob der eine oder andere mitgezählt hat, wie oft wir heute schon vom Miteinander gehört haben – sind leider auch nicht viel mehr als ein sau­teurer und – zugegeben! – sehr guter, wirksamer Werbeschmäh. Beispiele dafür gibt es genug.

In Niederösterreich ist es etwa Usus, dass Gemeinden neben dem Regelbudget, den sogenannten Bedarfszuweisungen, auch immer wieder Sonderzuwendungen vom Land Niederösterreich erhalten. Das kann man sich dann so vorstellen: Da pilgern dann die Bürgermeister nach St. Pölten, um Zuschüsse für diverse Projekte zu erbet­teln. Und so wie im alten Rom kann man sich vorstellen, wie dann entweder (eine entsprechende Geste machend) der Daumen nach oben oder eher nach unten geht, ob und wie viel Geld man bekommt. Und natürlich, meine Damen und Herren, ist das dann sehr wohl davon abhängig, wie wohlwollend die Politik gegenüber der ÖVP Niederösterreich ist. (Ruf bei der ÖVP: Geh, was redest du denn? – Ruf: Er muss es wissen!) Wer das nicht glaubt, der frage einmal einen SPÖ-Bürgermeister! (Bundesrat Weber: Das ist wie im alten Rom!) Da frage ich mich dann: Ist das das Wir und das Miteinander, von dem Sie sprechen, Frau Landeshauptfrau?

Ein Beispiel aus meinem Bezirk – ich komme ebenfalls aus dem Bezirk Tulln –; es stammt noch aus der Zeit, als Polizeiposten geschlossen wurden, also als Sie oder auch Herr Sobotka noch Innenminister waren, denn unter Herbert Kickl sind ja keine Posten geschlossen worden, da haben wieder welche aufgesperrt: Von 22 Gemeinden im Bezirk Tulln waren in acht Gemeinden Polizeiposten. Raten Sie einmal: In welcher Gemeinde wurde der Polizeiposten geschlossen? – Natürlich in einer rot geführten Gemeinde. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Alles Zufall oder einfach das ganz normale Miteinander der ÖVP?

Bei Veranstaltungen: Es ist erst wenige Wochen her, bei der Garten Tulln – ich bin selbst dabei gewesen; die SPÖ-BundesrätInnen, die dabei waren, werden es vielleicht auch bestätigen können – waren viele hochrangige Politiker vor Ort. Reden durften natürlich ausschließlich ÖVP-Politiker, und obwohl Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl anwesend war, durfte er nicht einmal mit aufs Bild! (Bundesrat Weber: Stell dir vor!)

Verstehen Sie mich richtig: Ich bin hier nicht der Verteidiger der SPÖ (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Weber winkt den Redner zu den Sitzreihen der SPÖ), ich will aber damit das Miteinander der ÖVP aufzeigen, und ich will darstellen, wie sich das schöne Wort von der unschönen Realität unterscheidet.

Nein, meine Damen und Herren, das ist kein Einzelfall, sondern das zieht sich wie ein schwarzer Faden von Veranstaltung zu Veranstaltung durch ganz Niederösterreich. Und nein, das ist auch kein Zufall, das ist System: Das ist das System der ÖVP in Niederösterreich.


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Menschen werden von Bürgermeistern – das wollen Sie jetzt wahrscheinlich gar nicht gerne hören – eingeschüchtert, wenn sie sich deklarieren, für eine andere Partei als die ÖVP für den Gemeinderat kandidieren zu wollen. Auch dafür habe ich Beispiele. Das geht dann teilweise sogar so weit, dass man ihnen mit der Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz droht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Boah!) Ja, Sie hören richtig, und ja, das erinnert eher an totalitäre Systeme als an Österreich. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.) Da frage ich mich, ist das das Miteinander in Österreich? Ist das das „Nah an den Menschen“, und ist das etwas, das in Richtung Zukunft geht?

Vor wenigen Wochen, meine Damen und Herren, wurde vereinbart, dass ein Nicht-ÖVP-Landesrat, also ein Mitglied der niederösterreichischen Landesregierung, bei einem Verein eine Ehrung von verdienten Mitgliedern machen soll. Dann hat doch glatt ein ÖVP-Stadtrat dem Vorsitzenden dazu geraten, und zwar mit Nachdruck, das eher nicht zuzulassen. (Ruf: Unglaublich!) Ja, wo sind wir?! Frau Landeshauptfrau, ist das das Miteinander und das Wir, von dem Sie immer sprechen?

Ich könnte ewig so mit Beispielen weitermachen, etwa dass man uns aus Fotos herausschneidet, damit wir, die wir einer anderen Partei angehören, nicht einmal in der Zeitung vorkommen, und, und, und. All das gibt es, wie gesagt: unzählige Beispiele für das Wir und das Miteinander, das zwar nach außen nett klingen mag, aber in Wahrheit nicht gelebt wird. Ehrlicher wäre es da, wenn Sie plakatieren und sagen würden: wir ÖVPler – dann würde es passen, dann würde es stimmen –, oder wenn Sie statt miteinander untereinander sagen würden. Auch das würde passen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Dann würden sich die Menschen wenigstens auskennen, und es wäre ehrlich.

Da schließt sich für mich auch wieder der Kreis mit dem Slogan „Nah an den Men­schen. Bereit für die Zukunft“. Ich würde mir wünschen, dass Sie das ernst meinen, als gelernter Niederösterreicher habe ich daran jedoch meine berechtigten Zweifel.

Frau Landeshauptfrau, Sie haben es in der Hand: Lassen Sie künftig die beiden Wörter Wir und Miteinander weg oder, noch viel besser, ändern Sie bitte dieses System in Niederösterreich! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

9.54


Präsident Karl Bader: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Mar­lene Zeidler-Beck. Ich erteile dieses.


9.54.30

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Lilienfelderinnen und Lilienfelder! Ich möchte mich diesem Verfolgungswahn, diesen Unterstellungen, diesem Gegeneinan­der eigentlich nicht anschließen, weil ich glaube, dass es der Würde dieses Hauses und der Debatten, die wir in diesem Haus erleben, nicht entspricht. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Samt: Na geh! – Bundesrat Weber: Weil es die Wahrheit ist! – Bundesrat Samt: Die Wahrheit ist zumutbar! Die Wahrheit ist zumutbar!)

Ich möchte mich auch deswegen nicht anschließen, weil es auch den Wahlergebnissen nicht entspricht und weil es auch nicht das ist, was die Leute beschäftigt. (Beifall bei der ÖVP.)

Seid ihr im Bundesrat eigentlich auch von der Übergangsregierung betroffen? Wirst du jetzt auch neu gewählt? Ihr im Bundesrat, ihr seid ja gerade viel in den Schlagzeilen, aber könnt ihr auch wirklich aktiv etwas einbringen? Und: Sind Sie in Ihrem Alter nicht noch ein bisschen jung für den Bundesrat? – Als ich in den letzten Wochen und Monaten unterwegs war, waren das die Fragen, mit denen ich konfrontiert wurde. Das


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waren Gespräche, in denen Menschen nach der Abwahl der Regierung wegen dem verunsichert waren, was in der Politik gerade passiert. Immer wieder gab es auch Situationen, in denen die politischen Möglichkeiten des Bundesrates – das muss man hier ganz offen sagen – auch durchaus kritisch hinterfragt wurden.

Keine Frage, es sind turbulente politische Zeiten, die wir gerade erleben, Zeiten, in de­nen das Interesse der Menschen an der Politik gestiegen ist. Es wird unglaublich viel debattiert, politisiert, nicht nur bei unzähligen Wahlkonfrontationen im Fernsehen, son­dern am Arbeitsplatz, am Stammtisch, im Verein, in der Familie, im Freundeskreis.

Die Politik ist wieder ganz nah bei den Menschen angekommen, und für mich als Bun­desrätin war es gerade in diesen Zeiten besonders schön, unterwegs zu sein und immer wieder zu betonen: Der Bundesrat ist jetzt das Gremium, das für parlamen­tarische Kontinuität in dieser Republik steht! Und: Wir als Bundesrat haben ganz starke Partner: die Bundesländer, die Landeshauptleutekonferenz bis hin zu den Gemeinden und Städten in Österreich. Ich glaube, gerade die heutige Diskussion zeigt einmal mehr, wie lebendig diese Partnerschaft ist. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Vielen Dank für deine Wertschätzung gegenüber unserer Arbeit, liebe Frau Landeshauptfrau! Ich sage auch Danke für deine klare Einladung, dieses Land im Miteinander zu gestalten und diese Republik zukunftsfit zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin fest davon überzeugt, wir brauchen dieses Miteinander und wir brauchen die­sen Gestaltungswillen, weil die Herausforderungen, vor denen wir stehen, vielfältig sind. Es liegt jetzt an uns, die Herausforderungen der Gegenwart anzunehmen und sie zu echten Chancen für unser Land zu machen.

Da haben wir in Niederösterreich in den letzten Jahren vieles getan. Das klingt nicht nur gut, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist auch richtig gut. Das sind ganz viele einzelne Maßnahmen, mit denen wir das Land entwickelt haben, dank derer Nieder­österreich heute beispielsweise im Bereich der Wirtschaftspolitik ganz besonders gut dasteht, für die Niederösterreich als europäische Unternehmerregion ausgezeichnet wurde und womit wir Programme geschaffen haben, mit denen wir den Strukturwandel vom Agrar- und Industrieland zum Forschungs- und Technologieland ganz aktiv mit­begleitet haben.

Wir in Niederösterreich setzen immer wieder Benchmarks, wenn es um die Umwelt geht. Wir haben längst 100 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie. Wir arbeiten auch ganz gezielt daran, die Infrastruktur im gesamten Land bereit für die Zukunft zu machen. (Bundesrat Samt: Wo kommt die her? Das ist eine ÖVP-Erfindung!)

Wir gehen mit einer Breitbandoffensive voran, mit der wir 100 000 Haushalte mit Glas­faser versorgen, ganz gezielt dort, wo der kommerzielle Wettbewerb nicht fruchtet. In den ländlichen Regionen, wo sonst keiner etwas machen würde, dort sind wir.

Gleichzeitig stellen gerade wir im Bundesrat uns auch immer wieder den brennenden Fragen der Zeit. Wir haben gestern eine Enquete erlebt, und es gibt eine Geset­zesinitiative unseres Präsidenten Karl Bader, bei der es darum gehen wird, für eine ausgewogene Verteilung von Bundesbehörden auf das gesamte Bundesgebiet zu sorgen. Damit zeigen wir, glaube ich, ganz klar, welche gestalterische Kraft der Bun­desrat hat. – Vielen Dank an dich, lieber Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP.)

Dann natürlich noch zur Frage der Jugend. Ich glaube, wir erleben immer mehr junge Menschen, die politisch engagiert sind und die auch die Möglichkeit haben, politisch mitzusprechen, mitzugestalten, und wir erleben, wie gut das ist. Als eine der jüngsten VertreterInnen dieser Gruppe hier im Bundesrat freut es mich ganz besonders, dass ich Stimme für die Jungen sein darf und insbesondere auch junge Ideen, junge Per­spektiven einbringen darf.


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Vielen Dank für dieses persönliche Vertrauen, liebe Frau Landeshauptfrau, vor allem aber auch vielen Dank dafür, dass du das Miteinander der Generationen so pflegst und dass dir die Einbindung der Jugend immer ein besonderes Anliegen ist.

Als Fridays for Future aufgekommen ist, als es um die Frage ging: Dürfen Schüler während der Schulzeit streiken oder nicht?, hat Niederösterreich eine beispielhafte Initiative gesetzt. Da hat unsere Landeshauptfrau zur Jugendklimakonferenz eingela­den und dazu, über das Klima nicht nur zu diskutieren, sondern auch gemeinsam konkret Handlungsvorschläge zu erarbeiten.

Wir in Niederösterreich waren die Ersten, die 2013 die Jugendgemeinderäte gesetzlich verankert haben. Wir stellen damit sicher, dass junge Leute ganz besonders in ihrem Umfeld, dort, wo sie daheim sind, in ihren Heimatgemeinden, gehört werden. Damit wird Politik auch für Junge erlebbar und gestaltbar, und ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rohrbach an der Gölsen, der Heimatgemeinde unseres Präsidenten, über Krems, Rappottenstein, Thaya bis hin zu Klosterneuburg, Lanzenkirchen und last but not least meiner Heimatgemeinde Maria Enzersdorf! Ein Blick auf die Heimatgemeinden meiner niederösterreichischen Bundesratskolleginnen und -kollegen ist fast ein bisschen ein Spiegel der Vielfalt unseres Landes, von kleiner Gemeinde bis hin zu größerer Stadt, von ländlicher Region bis zum städtischen Bal­lungsraum, von grenznaher Gegend bis zum zentrumsnahen Speckgürtel, ein Spiegel der Vielfalt, der auch symbolisch für das Miteinander von ländlichem und urbanem Raum in Österreich steht.

Ich denke, es liegt an uns allen, dass dieser Spiegel nicht nur Spiegel ist, sondern dass er auch Kompass, Richtungsweiser für unsere politische Arbeit ist, mit politischen Entscheidungen, die nah an den Bedürfnissen unserer Heimatregionen dran sind, an dem, was die Menschen bewegt, und dass wir dabei dennoch stets den Blick auf das große Ganze wahren. So stellen wir sicher, dass die Länderkammer echte Zukunfts­kammer bleibt und dass das Miteinander stetiger Motor in unserem Land ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.02


Präsident Karl Bader: Nochmals zu Wort gemeldet hat sich die Landeshauptfrau von Niederösterreich Johanna Mikl-Leitner. Ich erteile es ihr.


10.03.09

Landeshauptfrau von Niederösterreich Mag. Johanna Mikl-Leitner: Hochgeschätzter Herr Minister! Herr Präsident! Hochgeschätzter Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank für Ihre Impulse, vielen Dank für Ihre Beiträge! Wenn ich mir diese letzte Nationalratswahl vor Augen führe und sie mit vielen anderen Nationalratswahlen oder auch mit anderen Wahlen vergleiche, dann ist dieser Natio­nalratswahlkampf wohl einer der untergriffigsten Wahlkämpfe überhaupt gewesen. Deshalb finde ich es einfach wichtig, diesen Wahlkampf Revue passieren zu lassen und daraus zu lernen.

In diesem Wahlkampf haben die gegenseitige Wertschätzung und der Respekt zwi­schen den Parteien gefehlt. Wenn wir etwas daraus lernen sollten, dann das, dass es diese Wertschätzung und diesen Respekt zwischen den politischen Parteien auch braucht (Beifall bei der ÖVP – Bundesrat Schennach: Ist das Selbstkritik?), auch deswegen, weil sich sonst die Menschen von der Politik abwenden, weil sich vor allem junge Menschen wie Marlene Zeidler-Beck nicht mehr in der Politik engagieren werden.


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Ich will, dass auch in Zukunft junge Menschen in die Politik gehen, sich junge Men­schen in den Dörfern, in den Gemeinden, in den Städten, im Bundesrat, im Landtag und natürlich auch im Nationalrat engagieren. Ich will, dass wir Demokratie leben. Gerade jetzt, in den nächsten Wochen und Monaten, braucht es diesen gegenseitigen Respekt und die gegenseitige Wertschätzung.

Egal, ob man bei der Nationalratswahl verloren hat oder ob man gewonnen hat, jede Partei hat eine staatspolitische Verantwortung, einen Beitrag zu leisten und vor allem auch bei den Gesprächen mit dabei zu sein: Wie schaffen wir eine gemeinsame Zusammenarbeit für die Zukunft? Diese Zusammenarbeit und dieses Miteinander sind mir persönlich sehr wichtig: ein Miteinander zwischen Bund und Land, zwischen Län­dern und Gemeinden, zwischen Land, Politik und der gesamten Bevölkerung.

Dieses Miteinander, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist auch seitens der niederösterreichischen Landsleute gewählt worden, und wir in Niederösterreich werden uns nicht davon abbringen lassen, dieses Miteinander zu leben, weil es Vorbild ist (Bundesrat Steiner: Für wen?), Vorbild für alle politischen Ebenen, und weil gerade im Miteinander mehr für Land und Leute erreichbar ist.

Das Miteinander muss man aber auch annehmen. Daher lade ich Sie alle ein, dieses Miteinander hier im Bundesrat, im Parlament, auf Bundesebene, auf Landesebene, auf Gemeindeebene, wo auch immer zu leben, weil ich fest davon überzeugt bin, dass gerade im Miteinander die Kraft für den Weg nach vorne liegt.

Ich darf mich bei Ihnen für dieses Positive und Konstruktive, das es zum Großteil gibt, herzlich bedanken. Ich werde mich nicht davon abbringen lassen, dieses Miteinander auch zu leben.

Ich wünsche Ihnen und uns vor allem viel Erfolg auf dem Weg in die Zukunft in dieser so wichtigen und schwierigen Zeit. Gerade in so herausfordernden Zeiten sind der Bundesrat und die Länder gefordert, für Stabilität und für Sicherheit zu sorgen. Das ist unsere Verantwortung, und die würde ich gerne mit Ihnen leben. – Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP.)

10.07


Präsident Karl Bader: Vielen herzlichen Dank, Frau Landeshauptfrau!

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bedanke mich bei dir als Landeshauptfrau von Niederösterreich, liebe Johanna, sehr herzlich für deine Wertschätzung für den Bundesrat und für deinen Besuch im Bundesrat. Ich wünsche dir und deinem Team alles Gute für die Zukunft, viel Kraft, viel Freude und auch weiterhin viel Erfolg! (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA (den Vorsitz übernehmend): Wir begrüßen den Herrn Finanzminister in unserer Runde sehr herzlich. – Herzlich willkommen im Bun­desrat! (Allgemeiner Beifall.)

10.08.16Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen,

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungs­ge­setz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt,


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der Unterrichtungen der Bundeskanzlerin gemäß Art. 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend

Nominierung des österreichischen Kommissionsmitgliedes für die Periode 1. November 2019 bis 31. Oktober 2024 und

Nominierung der österreichischen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ausschusses der Regionen für die Periode 2020 bis 2025,

der Schreiben der Präsidenten des Oberösterreichischen und Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte beziehungsweise Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates,

der Schreiben des Generalsekretärs im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz,

eines Schreibens der Bundeskanzlerin betreffend Amtsenthebung der Bundesregie­rung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Betrauung der Mitglieder der scheidenden Bundesregierung, darunter die Bundesminister im Bundes­kanzleramt Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. und Mag.a Ines Stilling in dem sich aus den Entschließungen vom 5. Juni 2019 ergebenden Umfang gemäß Art. 71, gemäß Art. 71 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 sowie gemäß Art. 71 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes und der Betrauung der Bundes­kanzlerin mit der Fortführung der Verwaltung durch den Bundespräsidenten

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und de­ren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

(Anlage 1) (siehe auch S. 36)

2. Eingelangte Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2018 (III-292 d.B. und 684 d.B.)

3. Schreiben der Bundeskanzlerin gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nomi­nierung:

von Herrn Dr. Johannes Hahn zum Mitglied der Europäischen Kommission für die Periode 1. November 2019 bis 31. Oktober 2024 (Anlage 2)

und

der österreichischen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ausschusses der Regionen für die Periode 2020 bis 2025 (Anlage 3)


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4. Schreiben der Landtage:

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandats­verzicht bzw. Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates (Anlage 4)

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Ersatzmitgliedern des Bundesrates (Anlage 5)

5. Unterrichtungen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Schreiben des Generalsekretärs im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres betreffend Aufnahme von Verhandlungen

über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kunst und Kultur, Frauen und Gleichstellung sowie Familien und Jugend (Anlage 6)

und

über den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Argentinischen Republik über die Auslieferung (Anlage 7)

sowie

über ein Übereinkommen über die Haftung bei grenzüberschreitenden Flugsicherungs­diensten (Anlage 8)

6. Schreiben der Bundeskanzlerin:

betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Betrauung der Mitglieder der scheidenden Bun­desregierung, darunter die Bundesminister im Bundeskanzleramt Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. und Mag.a Ines Stilling in dem sich aus den Entschließungen vom 5. Juni 2019 ergebenden Umfang gemäß Artikel 71, gemäß Artikel 71 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 sowie gemäß Artikel 71 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes und der Betrauung der Bundeskanzlerin mit der Fortführung der Verwaltung durch den Bundespräsidenten (Anlage 9)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder:

Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über technische Unterwegskontrollen in den Jahren 2017 & 2018 (III-691-BR/2019 d.B.)

zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr

und

Grüner Bericht 2019 (III-692-BR/2019 d.B.)

zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Verbin­dungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Andreas Reichhardt von 9. bis 12. Oktober 2019 in Baku, Aserbaidschan, bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister für Finanzen sowie öffentlichen Dienst und Sport Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA mit seiner Vertretung.

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Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 bis 6 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Dies ist nicht der Fall.

Fristsetzungsanträge


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich be­kannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 betreffend „Hilfen für junge Erwachsene“ eine Frist bis 18. Dezember 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Frist­set­zungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich weiters bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein­gebracht hat, wonach dem Ausschuss für Verkehr zur Berichterstattung über den Ent­schließungsantrag 262/A(E)-BR/2019 betreffend „zweigleisigen Ausbau der Nordwest­bahnstrecke zwischen Stockerau und Hollabrunn“ eine Frist bis 18. Dezember 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

10.13.031. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­ge­setz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das


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Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungs­steuer­gesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Elektrizitäts­abgabe­gesetz, das Erdgasabgabegesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanz­gerichtsgesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Tabakmono­polgesetz 1996, das Punzierungsgesetz 2000, das Wohnbauförderungsbeitrags­gesetz 2018, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozial­ver­sicherungsgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden (Steu­er­reformgesetz 2020 – StRefG 2020) (984/A und 687 d.B. sowie 10234/BR d.B. und 10246/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferver­sorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geän­dert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2020 – PAG 2020) (688 d.B. sowie 10235/BR d.B. und 10247/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Ab­schaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in statio­nären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2019 und 2020 erlassen wird (689 d.B. sowie 10236/BR d.B. und 10248/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz über ein Stiftungseingangssteuergesetz (StiftEG) geändert wird (690 d.B. sowie 10237/BR d.B. und 10249/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird (691 d.B. sowie 10250/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Digitalsteuergesetz 2020 und das EU-Meldepflichtgesetz er­lassen werden sowie das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuer­ge­setz 1994, das Finanzstrafgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Werbeab­ga­begesetz 2000, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Finanzausgleichs­gesetz 2017 und das EU-Amtshilfegesetz geändert werden (Abgabenänderungs­gesetz 2020 – AbgÄG 2020) (983/A und 686 d.B. sowie 10251/BR d.B.)



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Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 6, über welche die Debatten unter einem durch­geführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 1 bis 4 ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Bericht­er­statter zu den Punkten 5 und 6 ist Herr Bundesrat Peter Samt. – Ich bitte um die Be­richte.


10.14.40

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuer­ge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerb­steuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuer­ge­setz 1992, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Erdgasabgabegesetz, das Energieabga­benvergütungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Bundesabgabenord­nung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Alkohol­steuergesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Tabak­monopolgesetz 1996, das Punzierungsgesetz 2000, das Wohnbauförderungsbeitrags­gesetz 2018, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden (Steuerreform­gesetz 2020 – StRefG 2020).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heim­opferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (Pensionsanpassungs­ge­setz 2020 – PAG 2020).

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters komme ich zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2019 und 2020 erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur An­tragstellung.


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Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über ein Stiftungseingangssteuergesetz (StiftEG) geändert wird.

Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Ich danke für die Berichte.

Bitte, Herr Bundesrat Samt.


10.17.32

Berichterstatter Peter Samt: Herr Präsident! Ich komme zum Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Digitalsteuergesetz 2020 und das EU-Meldepflichtgesetz erlassen werden sowie das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Finanzstrafgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Werbeabgabegesetz 2000, das Gemeinsamer Mel­destandard-Gesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2017 und das EU-Amtshilfegesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2020 – AbgÄG 2020).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Bitte sehr.

10.19.36


Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuse­herinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich spreche heute zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 6, mit denen Bundesgesetze geändert, erlassen oder genehmigt werden sollen.

Es handelt sich bei den zu ändernden Bundesgesetzen unter anderem um den ersten Teil des Steuerreformpakets. Dieser erste Teil des Steuerreformpakets beinhaltet eine Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsentlastung, eine Entlastung von kleineren und


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mittleren Unternehmen, und darin sind indirekt auch Maßnahmen im Umweltbereich enthalten.

Meine Damen und Herren, ich beginne mit Tagesordnungspunkt 1, mit der richtigen, überaus wichtigen und erfreulichen Entlastung für Menschen mit niedrigem Einkom­men. Menschen mit geringem Einkommen gibt es leider in allen Kategorien, wie un­selbstständig und selbstständig Erwerbstätige, Land- und Forstwirte und Land- und Forstwirtinnen sowie Pensionistinnen und Pensionisten. So wird zum Beispiel eine Friseurin oder eine Verkäuferin, die ein Bruttoeinkommen von 1 200 Euro bezieht, jähr­lich mit 300 Euro entlastet, eine Pensionistin mit einer Pension in Höhe von 1 100 Euro wird mit 200 Euro pro Jahr entlastet.

Geringverdiener zahlen keine Lohnsteuer, deshalb kann eine Entlastung nur über das Absenken der Krankenversicherungsbeiträge oder über die Rückerstattung der Sozial­ver­sicherungsbeiträge stattfinden. Die Entlastung soll auf die einfachste Weise, näm­lich über die Arbeitnehmerveranlagung, stattfinden.

Vom Steuerreformpaket profitieren auch Unternehmen, und zwar speziell die Klein- und Mittelbetriebe beziehungsweise die Einpersonenunternehmen, auf die ich auch noch kurz eingehen möchte. Die Kleinunternehmergrenze wird von 30 000 Euro auf 35 000 Euro angehoben und dadurch unter anderem der Zugang zu einer einfacheren Pauschalierung erleichtert. Der Zugang zur Pauschalierung bedeutet, dass der administrative Aufwand für Aufzeichnungen viel geringer ist und sich die Unternehmen damit unnötige Kosten ersparen können.

Des Weiteren wird die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter von 400 Euro auf 800 Euro angehoben. Das ist ein durchaus sinnvoller Schritt, denn damit können in Zukunft zum Beispiel Handys, Drucker und so weiter sofort abgeschrieben werden, ihre Abschreibung muss nicht auf mehrere Jahre aufgeteilt werden. (Bundesrat Schennach: ... fünf Jahre!)

Bei Tagesordnungspunkt 2 diskutieren wir unter anderem das gemeinsame Ergebnis der Seniorenverbände beim Pensionsgipfel. Ich möchte da speziell die Pensionserhö­hung von 3,6 Prozent für Pensionen bis 1 111 Euro hervorheben.

Meine Damen und Herren! Es gibt speziell in den ländlichen Gebieten sehr viele Pensionistinnen und Pensionisten, die mit 1 000 Euro Pension auskommen müssen. Es ist richtig und gerade für diese Gruppe sehr wichtig, die Pensionen stärker anzu­heben. Bei einer Bruttopension von 1 000 Euro reden wir von jährlich circa 500 Euro, die die Pensionsanpassung den Pensionistinnen und Pensionisten ab dem Jahr 2020 bringen wird.

Zudem werden, wie schon bei Tagesordnungspunkt 1 ausgeführt, die Krankenver­siche­rungsbeiträge gesenkt und der Pensionistenabsetzbetrag erhöht, was den Pen­sionisten zusätzlich 200 Euro jährlich bringen wird. Damit kann auch ihre Kaufkraft angehoben werden. Es ist ja für viele unserer Pensionistinnen und Pensionisten auch nach der Pensionserhöhung noch schwierig genug, mit der Pension das Auslangen zu finden.

Des Weiteren möchte ich noch auf Tagesordnungspunkt 3, Pflegeregress und Pflege­finanzierung, eingehen. 2017 wurde der Pflegeregress abgeschafft. Zu diesem Zeit­punkt konnte der tatsächliche Einnahmenentfall für Gemeinden und Länder noch nicht genau beziffert werden, durch anschließende Erhebungen in den Gemeinden und Ländern kann der Entfall nun mit jährlich 300 Millionen Euro beziffert werden. Wir be­schließen heute mit einem Sondergesetz, dass in den nächsten zwei Jahren 300 Millio­nen Euro an die Länder und Gemeinden refundiert werden.


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Dieser Beschluss zeigt aber auch, dass die stationäre Pflege sehr kostspielig ist. Sei­tens der Volkspartei bekennen wir uns ausdrücklich dazu, die Pflege zu Hause zu stärken, zu intensivieren und natürlich auch finanziell zu unterstützen. Es ist uns seitens der Volkspartei besonders wichtig, dass unsere betagten Menschen mit geeig­neter Unterstützung so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden leben können. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Zudem wird mit dem Tagesordnungspunkt 6 der Beschluss gefasst, dass Internet­giganten wie Facebook, Google oder Amazon in Zukunft mit einer 5-prozentigen Steuer auf Onlinewerbeumsätze belastet werden. Dagegen kann wahrscheinlich niemand etwas haben.

Zusammengefasst beschließen wir heute unter anderem ein Maßnahmenpaket, welches speziell Menschen mit geringerem Einkommen – egal, ob Arbeitnehmerin und Arbeiter­nehmer, Unternehmerin und Unternehmer, Land- und Forstwirte und Land- und Forst­wirtinnen oder Pensionistinnen und Pensionisten – entlastet und unterstützt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätinnen Mühlwerth und Steiner-Wieser.)

10.25


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke schön. – Wir dürfen nun auch die Bundes­ministerin für Soziales und Gesundheit, Frau Dr.in Brigitte Zarfl, begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. – Bitte.


10.26.20

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn meiner heutigen Rede gleich die Gelegenheit nutzen, Danke zu sagen, und zwar jenen Menschen, die dafür verantwortlich sind, dass es heute eine dringend notwendige Erhöhung der Pensionen gibt. Der Applaus gilt Peter Kostelka, dem Präsidenten des Pensionistenverbandes, der sich gemeinsam mit den Spitzen des Seniorenrings  – Werner Neubauer – und des Seniorenbundes – Ingrid Korosec – dafür eingesetzt hat, dass das Jahr 2019 dazu genutzt wird, mit dem Pensionsgipfel für die Pensionistinnen und Pensionisten in diesem Land Druck zu machen. Dafür sind wir ihnen zu Dank verpflichtet, und diesen möchte ich ihnen heute von dieser Stelle aus auch aus­drücklich aussprechen. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Der Seniorenrat ist in seiner Gesamtheit stark. Im Gesetz ist festgehalten, dass der Seniorenrat ein Sozialpartner ist, daher ist er zu hören und in die Verhandlungen miteinzubeziehen. Das war in der Vergangenheit nicht immer Realität, das dialogische Prinzip wurde nicht beachtet. Erst durch den heuer einberufenen Seniorengipfel hat auch der Seniorenrat wieder an Bedeutung gewonnen. Es geht bei dieser bedeutenden sozialpolitischen Frage nicht um parteipolitisches Hickhack. Der Seniorenrat setzt sich für alle älteren Menschen ein und ist daher in seiner Gesamtheit stark.

Abgesehen davon möchte ich aber schon auch auf das Volumen der Pensionen hinweisen, und zwar auf jenes, das die einzelnen Pensionistinnen und Pensionisten bekommen. Wir sprechen da von der größten Erhöhung der jüngeren Geschichte und von bis zu 3,6 Prozent Steigerung, vor allem bei den kleinen Pensionen. Es sind bis zu 480 Euro im Jahr, die die Menschen netto mehr bekommen; das sind unglaubliche 1,1 Milliarden Euro. 91 Prozent der Pensionistinnen und Pensionisten profitieren davon, sie sind somit die GewinnerInnen, und das ist gut so.


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Denn vergessen wir nicht: Fast die Hälfte des Kaufkraftvolumens liegt bei den Men­schen über 50 Jahren. Fast jeder dritte Euro des privaten Konsums wird von der Gene­ration 60 plus ausgegeben. Besonders hoch ist das Einkommen bei den Menschen zwischen 50 und 59 Jahren, also bei jenen, die am Zenit des Berufslebens stehen. Das bedeutet – und das ist keine Überraschung –, dass danach, also mit dem Eintritt in die Pension, die Kaufkraft wieder sinkt, und das, obwohl gerade diese Kaufkraft besonders standorttreu ist, die Ausgaben also besonders stark vor Ort getätigt werden. Gerade deshalb halten wir auch die Erhöhung der Pensionen für einen wirtschaftlich wichtigen Schritt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Verbraucherpreisindex, auf den sich die politischen Entscheidungen gründen, stimmt für die Pensionistinnen und Pensionisten nicht. Die im Warenkorb gelisteten Produkte sind für die ältere Generation nicht relevant. Bei den Pensionen geht es darum, den Lebensstandard von Menschen zu sichern, die ihr ganzes Leben durchaus hart gearbeitet haben, und zwar langfristig zu sichern, und es geht auch darum, die Kaufkraft zu sichern.

Es ist meines Erachtens eine Frage von Verlässlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit, dass diese Menschen für ihr weiteres Leben auch faire und anständige Pensionen bekommen. Deshalb ist es eine Freude, dass heute die Pensionen angepasst werden, vor allem für jene Menschen, die es bitter notwendig haben. Sichere Pensionen statt Altersarmut, das ist der österreichischen Sozialdemokratie stets ein großes Anliegen.

Außerdem konnten wir im Nationalrat einen weiteren Erfolg verbuchen, den wir heute im Bundesrat wiederholen werden. Für die Pensionistinnen und Pensionisten in diesem Land ist der Entfall der Wartezeit für die Pensionsanpassung extrem wichtig. Gelungen ist er jedoch erst durch Nachbesserungen auf unsere Initiative hin. Da konnten wir gegensteuern und aufgrund unserer überzeugenden Argumente auch die Unterstüt­zung anderer Parteien gewinnen. Wir waren es, die da wirklich Verbesserungen um­setzen konnten. Darauf sind wir ehrlich und berechtigt stolz. Die ÖVP, und das möchte ich hier auch in aller Deutlichkeit sagen, hat das leider nicht für notwendig erachtet. Ich hätte mir gewünscht, dass sie da auf die Expertise des Seniorenbundes gehört hätte.

Lassen Sie mich auch die Gelegenheit nutzen, über das Thema der aktuellen Präsi­dentschaft, die Dezentralisierung, zu sprechen. Gestern haben wir immer wieder die Forderung gehört, dass Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, eine umfassende Dezentralisierung wünschen. Das ist im Grunde positiv. Die Diskussion, wie sie gestern geführt wurde, ist als politische Positionsbestimmung grundsätzlich zu begrüßen. Die politische Realität der letzten eineinhalb Jahre steht allerdings in starkem, in diametralem Gegensatz zu den gestern gemachten Vorschlägen und Anre­gungen.

Wie haben Sie es denn bei der Frage der Krankenkassen gehandhabt? Sie haben zentralisiert, das Ergebnis ist die Österreichische Gesundheitskasse, die die Patientin­nen und die Patienten um die dringend gebrauchte Milliarde bringt – 1 Milliarde Euro, die das Gesundheitssystem dringend gebraucht hätte und die jetzt in Umstrukturie­rungs­maßnahmen versickert.

Schon bei Bekanntwerden der ersten Details der durchgepeitschten Zerschlagung des GKK-Systems haben wir davor gewarnt, dass die als großartig angekündigte Reform der Fusionierung zur ÖGK nicht wie versprochen funktionieren kann und funktionieren wird. In über 80 Stellungnahmen von ausgesprochen kompetenten Expertinnen und Experten wurde Kritik geäußert und vor einer Umsetzung gewarnt.

Wir sind nicht gegen Reformen, gegen Anpassungen und erforderliche Veränderun­gen, wenn sie notwendig sind, sie müssen aber Sinn haben und erfolgreich durchge­führt werden. Die österreichische Gesundheitskassenreform ist offensichtlich ein Geld-


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fass ohne Boden, sie verursacht erhebliche Mehrkosten für weniger und sicherlich auch für schlechtere Leistungen.

Noch ein Punkt zur Dezentralisierung: Wer hat denn damals die Polizeiposten im Lande eingespart, als Wolfgang Schüssel regiert hat, als Sie erstmals in der schwarz-blauen Kombination in einer Regierung waren? – Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP! (Bundesrätin Mühlwerth: Wer hat die Postämter geschlossen?) Sie und die Innenministerin, Frau Landeshauptmann Mag. Mikl. (Bundesrat Schennach: ... massenhaft eingespart!) Sie waren diejenigen, die ein Unsicherheitsgefühl gebracht haben und dazu beigetragen haben, dass die Menschen gerade am Land, wo Posten geschlossen wurden, heute nicht mehr die beste Sicherheitsinfrastruktur vorfinden – von Dezentralisierung keine Spur! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Und wer wird heute noch der Neuordnung der Finanz zustimmen und damit zu einer schlechteren Betreuung der Kundinnen und Kunden in der Region beitragen? (Bundesrat Krusche: Unglaublich!) – Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dezentralisierung ist, wie es scheint, nur ein Schlagwort. Oder bedeutet Dezentra­lisierung für Sie, dass sich die Kärntnerin, die sich über ihren Steuerausgleich infor­mieren will, mit dem Berater in Vorarlberg austauschen soll? Das ist ein eigenartiges Verständnis und auch ein Kniefall vor der Wirtschaft, wo jedes Unternehmen seinen eigenen Betreuer hat beziehungsweise bekommt. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wissen Sie, wieso ich Ihnen das heute im Rahmen dieser Debatte erzähle? – Weil es genau jene Zielgruppen trifft, die auch durch eine verfehlte Pensionspolitik getroffen worden wäre: die Seniorinnen und Senioren in unserem Lande. Sie sind es, die echte Chancen im Leben verlieren, weil sie nicht in der Lage sind, die neuesten Techno­logien direkt zu nutzen, um am Leben teilzuhaben.

Das haben wir bei den Banken gesehen. Da mussten die Menschen auf den Entfall der Schalter damit reagieren, dass sie eine Vertrauensperson bitten, ihnen Zugriff auf ihr Erspartes zu ermöglichen und ihre Bankgeschäfte zu erledigen. Sie sind abhängig geworden. Dasselbe wird jetzt auch durch die Zentralisierung der Finanz passieren, die aus den Regionen abgezogen wird.

Seien wir ehrlich: So geht weder eine sinnvolle Dezentralisierung, die nachhaltig den ländlichen Raum stärkt, und schon gar keine generationengerechte, selbstermäch­tigende Politik. Vielleicht denken Sie daran, wenn Sie heute dem Finanz-Organi­sa­tionsreformgesetz zustimmen werden, und vielleicht denken Sie auch daran, wie es ihren Familienmitgliedern gehen würde, die Sie vielleicht unterstützen! Die haben das Glück, sich auf Sie verlassen zu können. (Bundesrätin Schulz: Zur Tagesordnung! Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Es geht nicht allen Menschen im Alter so, und auch an die müssen wir denken, denn wir sind überzeugt, dass Menschen ihr Leben lang ein selbstbestimmtes Dasein führen können sollen, egal, in welchem Alter. Für mich ist vollkommen klar: Wir sind gewählt, um hier unsere Arbeit zu tun, und unsere Arbeit heißt, das Leben der Menschen in Österreich zu verbessern. Deshalb sitzen wir hier und deshalb arbeiten wir hier. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.36


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte sehr.


10.36.34

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kolle-


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gen! Werte Zuschauer! Die beste Regierung, die dieses Land je hatte, nämlich Türkis-Blau, hat allein in 17 Monaten mehr zustande gebracht als vorangegangene Regierun­gen in Jahrzehnten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Weber: Das ist Ansichts­sache! Rufe bei der SPÖ: Oje!) Ich bin daher bass erstaunt, was Kollege Leitner uns jetzt bezüglich der Senioren erzählt hat. Sie hatten doch viele Jahrzehnte die Gelegenheit, das in eine andere Richtung zu lenken! (Bundesrat Schennach: ... das ganze Sozialsystem aufgebaut! – Bundesrätin Schumann: Bitte nehmt uns wieder in die Regierung!)

Vielleicht schaut er sich das Protokoll (ein Schriftstück in die Höhe haltend) meines Redebeitrags vom 20. Dezember noch einmal an, ich hatte gedacht, er hätte es verstanden, aber anscheinend nicht. 2017 haben die sozialdemokratischen Minister die Senioren mit 0,8 Prozent abgespeist, obwohl wir damals eine Inflation von 1,5 Prozent gehabt haben. Es braucht also eine moderne Regierung, wie Türkis-Blau es war, damit einmal für alle Menschen und speziell für die Senioren in diesem Land etwas weiter­geht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: So ist es! – Bundesrätin Schumann: Zack, zack, zack! Bundesrat Novak: Spitzenvizekanzler!)

Den Menschen ist etwas in der Geldtasche geblieben, ohne dass man Steuern er­höhen musste, ohne dass man neue Steuern einführen musste. Wir beschließen heute ein Maßnahmenpaket, das wieder eine Erleichterung für die Menschen in diesem Land bringt, das die Menschen wieder entlastet und mit dem ihnen etwas im Geldbörserl bleibt. Egal ob Arbeiter, Unternehmer, Bauern, Pensionisten, alle werden von diesen Maßnahmen profitieren, und die Menschen mit geringem Einkommen ganz besonders.

Wir haben es ja von den Kollegen heute schon gehört: Bei den Senioren mit kleinen Pensionen wird es eine Pensionserhöhung von 3,6 Prozent geben. Wir werden ein erstes Steuerentlastungspaket haben, das den Senioren ebenfalls eine Erleichterung bringt. Ich bringe ein Rechenbeispiel: Ein Pensionist, der eine Pension in Höhe von 1 000 Euro brutto hat, bekommt durch die Pensionsanpassung von 3,6 Prozent rund 500 Euro im Jahr, durch die Steuerentlastung bleiben ihm rund 200 Euro im Jahr, somit können wir den Senioren etwas geben beziehungsweise zurückgeben, nämlich in Summe rund 700 Euro im Jahr.

Das werden sie spüren und das freut mich. Es freut mich, dass wir den Menschen das geben können. Es sind immerhin rund 205 000 Menschen in diesem Land, die von dieser Steuerentlastung und von dieser Pensionsanpassung profitieren können. Das ist richtig und gut, eine Wertschätzung der älteren Generation, die ihr Leben lang hart gearbeitet hat.

Das ist für mich das Stichwort, nämlich Arbeit: Wer arbeitet, zahlt Steuern. Wer Steuern zahlt, kann sich vielleicht bei einer Steuerentlastung etwas zurückholen. Es heißt ja auch Steuerentlastung – wer arbeitet, zahlt Steuern und kann sich bei der Steuerentlastung etwas zurückholen. Darum ist mir doch ein bisschen angst und bange, wenn ich an eventuelle zukünftige Regierungskonstellationen denke: Da habe ich schon Befürchtungen, dass, sagen wir, die ganzen Willkommensklatscher wieder ins Boot geholt werden und unser Steuergeld Menschen in die Hand gegeben wird, die nie Steuern in diesem Land bezahlt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wer sein ganzes Leben lang hart gearbeitet und entsprechende Beiträge geleistet hat, soll auch im Alter gute und nachhaltige finanzielle Versorgung erhalten. Unsere ältere Generation hat es sich verdient, dass ihre Leistungen und ihr lebenslanger Einsatz in der Pension entsprechende Wertschätzung erfahren, ein Altern in Würde gewährleistet ist und die soziale Sicherheit vorhanden ist.

Die hier vorliegende erste Steuerreform, die ja unter Türkis-Blau ausgearbeitet wurde, ist umzusetzen, das darf aber nur ein erster Schritt sein. Wir müssen weiterhin in


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Richtung 40-Prozent-Abgabenquote gehen, und das Credo dabei muss sein: keine neuen Schulden, keine neuen Steuern, ein ausgeglichenes Budget und eine Umset­zung der richtigen Reformen, damit die fleißigen und arbeitenden Menschen in diesem Land am Monatsende noch immer etwas im Geldbörsl finden. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit das auch für alle Versicherten gewährleistet ist, sowohl für ASVG-Versicherte als auch für Versicherte im öffentlichen Dienst, speziell im Bereich Langzeitversicherte und Schwerarbeiter, dürfen die Bundesräte Rosa Ecker und Marlies Steiner-Wieser zu Tagesordnungspunkt 2 einen Entschließungsantrag einbringen, welchen ich jetzt verlese:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prü­fung des legistischen Anpassungsbedarfs in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Öffentlicher Dienst und Sport werden ersucht, dem Bundesrat ehestmöglich einen Bericht mit folgendem Inhalt zuzuleiten:

Auf der Grundlage der Beschlussfassung des Nationalrats vom 19. September 2019 betreffend die Abschlagfreistellung von Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit bzw. aus der Schwerarbeiterregelung soll der Anpassungsbedarf legistisch und finanziell geprüft werden

- ob und in welcher Art und Weise eine analoge Regelung für Beamtinnen und Beamte, insbesondere auch im Exekutivdienst, dh. etwa bei Polizei, Justizwache oder Bundes­heer und anderen ähnlichen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes legistisch umzu­setzen ist und welche finanziellen Auswirkungen das kurz-, mittel- und langfristig haben kann.

- ob und in welcher Art und Weise eine analoge Regelung für jene Jahrgänge, die nach Abschaffung der Langzeitversichertenregelung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Ab­schlägen trotz 540 Beitragsmonaten zuerkannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neube­rech­nung ihrer Pensionsleistung ohne Abschläge legistisch umzusetzen ist und welche finanziellen Auswirkungen das kurz-, mittel- und langfristig haben kann.

- ob und in welcher Art und Weise in diesem Zusammenhang mit den oben genannten Anpassungen Beitragsmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit durch Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden können.“

*****

Mit der Beschlussfassung des Nationalrates vom 19. September wurden ja die Pen­sionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit sowie Schwerstarbeiter­regelung abschlagsfrei gestellt. Das gilt aber leider nicht für Versicherte im öffentlichen Dienst oder jene, die aufgrund des Stichtags hinausfallen. (Bundesrätin Schumann: Wärt ihr im Nationalrat mitgegangen!)

Wir ersuchen mit diesem Antrag um Reparatur dieses Gesetzes beziehungsweise um Prüfung, ob man das reparieren kann. – Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

10.44



BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 76

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten Steiner-Wieser, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Prüfung des legis­tischen Anpassungsbedarfs in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin KIara Neurauter. Ich erteile ihr dieses.


10.45.09

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Werte Zuhörer! Heute haben wir wirklich ein sehr großes Steuer­entlastungspaket zu beschließen, und ich finde, dass das insbesondere für die Senio­ren hilfreich und gut ist.

Die Beschlüsse des Nationalrates, die wir jetzt unter einem debattieren, sind vielfältig, umfangreich und erleichtern in verschiedenster Weise das Leben unserer Mitbürger. Ich möchte nur einige herausgreifen, weil meine Kolleginnen und Kollegen vor mir schon verschiedene Punkte ausführlich behandelt haben.

Die Erhöhung der Freibetragsgrenzen für Menschen mit Behinderung und der Entfall der NoVA beim Kauf eines Pkws durch einen behinderten Menschen kommen vielen Mitbürgern zugute, denen wir damit das Alltagsleben sehr erleichtern. Im ASVG werden für die niedrigen Einkommen die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt. Dies betrifft natürlich in besonderer Weise auch die Senioren, wobei die Auszahlung im Rahmen des Jahresausgleichs geschieht.

Bei der Pensionsanpassung ab 1.1.2020 wird die Erhöhung bei den kleinen Pensionen 3,6 Prozent betragen – durch die Verdoppelung des Wertes der Inflationsrate ist das eine sehr spürbare Erhöhung –, und bis 2 500 Euro gibt es eine Einschleifregelung auf 1,8 Prozent, die Teuerungsrate. Aber auch die höheren Pensionen werden angepasst. Für Pensionen bis 5 220 Euro gibt es eine Erhöhung von 1,8 Prozent, sodass auch diese Pensionisten die Abgeltung der Teuerung bekommen. Der Fixbetrag von 94 Euro wird dann jenen Pensionisten zugutekommen, die eine über diesen Betrag hinaus­gehende Pension erhalten.

Wie gesagt, als Seniorenvertreterin freue ich mich, dass es nach langen Jahren, in denen es oft nicht sehr gerecht zugegangen ist, nun ein besonderes Ergebnis gegeben hat.

Der Gesetzesbeschluss über den Zuschuss des Bundes an die Länder für die Ab­schaffung des Pflegeregresses für 2019 und 2020 auf Basis der Endabrechnung 2018 ist ebenfalls hilfreich und vor allem fair, um den betroffenen Ländern den Einnahmen­ausfall zu refundieren und auch viele Familien vor finanziellen Sorgen zu bewahren.

Sehr positiv finde ich auch die Sicherung des Finanzrahmens von 11 Milliarden Euro nach dem Auslaufen der Verkehrsdienstverträge, denn damit wird ein klares Bekennt­nis zum öffentlichen Verkehr abgelegt, ein möglichst attraktives Angebot an die Nutze­rinnen und Nutzer ermöglicht und vor allem natürlich auch dem Klimaschutz gedient.

Ich möchte auch auf die Ausführungen des Herrn Bundesrates Leitner eingehen und sagen: Als Opposition kann man alles fordern und alles kritisieren, wenn man aber Verantwortung trägt, muss man das große Ganze im Auge behalten und den Leis­tungen der Steuerzahler auch Gegenleistungen anbieten, die deren Lebensumstände verbessern und leichter machen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch Dank an den Seniorenrat, und zwar an alle politischen Vertreter im Seniorenrat, aussprechen: Sie haben an einem Strang gezo­gen, und deshalb ist es auch zu diesem guten Ergebnis gekommen!

Summa summarum kann man sagen, dass alle dargestellten Gesetzesvorhaben posi­tiv zum Leben der Menschen beitragen und die Lebensumstände vieler Menschen verbessern, weswegen, wie ich meine, all diese Gesetzesvorhaben die Zustimmung hier im Bundesrat verdienen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.49


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


10.49.58

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu den Tagesordnungspunkten spreche und da wir das heute noch nicht gemacht haben – und ich hoffe, Herr Vizepräsident, dass die Präsidenten darüber vielleicht eine kurze Konferenz abhalten –, möchte ich doch erwähnen, wie erschüttert wir sind, dass über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts Menschen in einer Synagoge am höchsten Feiertag um ihr Leben zittern mussten und einige dabei getötet wurden.

Herr Vizepräsident! Vielleicht besteht heute die Möglichkeit – etwa beim Staats­bürger­schaftsgesetz, weil da ein inhaltlicher Zusammenhang besteht –, eine Gedenkminute einzulegen. (Allgemeiner Beifall.)

Das Zweite, das unfassbar und schockierend ist, ist, dass seit gestern ein Angriffskrieg gegen ein anderes Land und ein anderes Volk rollt, und zwar gegen ein Volk, das in erster Linie den IS am Boden bekämpft hat, das den Jesiden zum Überleben verholfen hat, und jetzt werden diese Menschen aus der Luft und auf dem Boden mit Bomben überhäuft. Man soll nicht vergessen, dass es die Kurden sind, die derzeit die hoch­gefährlichen IS-Kämpfer in sogenannten Gefängniscamps halten. Da kann Europa nicht zuschauen! Es sind wieder massenhaft Menschen auf der Flucht. Allein der wahn­sinnige Gedanke, zwei Millionen Menschen in diesen Abschnitt, der freigekämpft worden ist und wo mittlerweile die Infrastruktur zerbombt ist, umzulagern, verdient die Gesamtreaktion der Völkergemeinschaft, des Weltsicherheitsrates, aber – wie ich hoffe – auch der Europäischen Union.

In diesem Sinne komme ich zurück: Vielen ist gestern aufgefallen, dass die SPÖ, unsere Fraktion, anders als im Nationalrat der Steuerreform zugestimmt hat. Dazu die berühmte Frage: Ist ein Glas halb voll oder halb leer? – In diesem Falle haben wir das diskutiert und haben uns an Jürgen Weiss erinnert: Jürgen Weiss hat als ÖVP-Präsident und als Vizepräsident eine einstimmige Initiative des Bundesrates dahin gehend zustande gebracht, und zwar nicht nur einmal, sondern zweimal, dass es in einer modernen Demokratie doch auch möglich sein muss – und auf den Bundesrat kommt es ja in vielen Fragen immer wieder an –, ein Teileinspruchsrecht zu haben.

Jürgen Weiss hat mit dieser Initiative quasi auch gefordert, dem Nationalrat zu ver­bieten, uns Sammelgesetze vorzulegen, weil wir dann mit einer einzigen Abstimmung bis zu 92 Gesetze ändern. Das ist eine Art Schutzmantel beziehungsweise Zwangs­weste. Wir haben das diskutiert, und da wir nur eine einzige Abstimmung zu diesem Gesetz haben, haben wir gesagt: Wir werden dem zustimmen, und zwar deswegen, weil 60 Prozent der Vorschläge, die sich darin finden, die SPÖ in den letzten Monaten eingereicht hat. – Ich denke, das ist gut so.


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Wenn wir auf die Steuer- und Abgabenquote der letzten 25 Jahre in Österreich zurückschauen – ich nehme an, der Finanzminister wird mir da auch zustimmen –, so sehen wir, dass diese relativ stabil ist. Es gab nur zwei Ausreißer: Einer, der viele verblümte Dinge gesprochen und das Gegenteil getan hat, war ein gewisser Finanz­minister Grasser, damals gab es einen ordentlichen Anstieg, und auch seit 2018 ist zum Beispiel im Vergleich zu 2016 und 2017 die Steuer- und Abgabenquote gestiegen. Dass wir das nun senken, ist klar.

Das Fazit, wenn wir uns das Ganze anschauen, ist: Die Steuer auf Arbeit ist viel zu hoch, und umgekehrt ist die Steuer auf Vermögen und Kapital viel zu gering. Diese Diskrepanz haben wir, da kann man Vergleiche mit der Schweiz und selbst mit den USA oder mit Deutschland anstellen.

Nach dem heutigen Beschluss werden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen geringere Steuern und Abgaben zahlen, insbesondere jene mit einem geringen Einkommen, egal ob das jetzt auch über den Sozialversicherungsbonus läuft. Ich glaube, meine Vor­rednerin hat ja die 300 Euro schon angesprochen.

Weshalb gibt es diese unterschiedliche Abstimmung zwischen Nationalrat und Bundesrat? – Im Nationalrat konnten wir beim Teileinspruch sagen und klarmachen: Das soll bitte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wirksam werden wie für Bauern, Bäuerinnen und Selbstständige! Das gilt für 2020. Wieso die einen 2020 und die anderen 2021?

Es gibt natürlich noch eine ganze Reihe von Beispielen, bei denen wir mit den Steuern heruntergehen müssen, zum Beispiel beim selbsterzeugten Strom, diesen müssen wir steuerfrei machen. Und wir müssen die Bahn steuerfrei machen, damit diese gerade unter dem gesamten Blickwinkel des Klimawandels gegenüber den Billigfluglinien konkurrenzfähig ist. Es ist ja unglaublich, wie wenig Flugtickets kosten, weil keine Steuern auf Kerosin zu zahlen sind, während die Bahn Elektrizitätssteuer zahlen muss.

Die Digitalsteuer wurde hier gelobt, und es wurde von den Giganten gesprochen, gegenüber welchen sie ausgesprochen wurde. – Ich würde vorschlagen: Lassen wir das Kalb im Stall! Diese Digitalsteuer bringt – Herr Finanzminister, Sie können mir das vielleicht auch bestätigen – weniger als unsere niedrigste Steuer, die Schaumwein­steuer. Wollen wir mit Giganten kämpfen, wenn sie weniger bringt als die Schaum­weinsteuer? Wir fragen uns nämlich schon manchmal, wofür wir eigentlich die Schaumweinsteuer brauchen, wenn sie so wenig bringt.

Auf der anderen Seite ist es aber natürlich so, dass Maschinen in Zukunft viele Millionen Umsatz bringen und gleichzeitig die Arbeit nach wie vor viel zu hoch besteuert wird. In Anbetracht dessen wurden zum Beispiel auch Vorschläge gemacht, die Steuerfreiheit bei Essensgutscheinen auf 8 Euro anzuheben und bei der ganzen Progressionsfrage überhaupt die Hälfte abzugelten.

Die Pendler- und Pendlerinnenpauschale wirkt sozial überhaupt nicht. Wenn man ehrlich ist, muss man einmal schauen, wie falsch in sozialer Hinsicht die Pendler- und Pendlerinnenpauschale wirkt.

Familien ohne Kinder profitieren vom Familienbonus nicht. Auch das muss man ein bisschen auf die Waagschale legen.

Eine weitere Diskussion war, dass Hygieneprodukte für Frauen künftig zu den steuer­lich am meisten begünstigten und nicht zu den am höchsten besteuerten Artikeln gehören sollen und so weiter und so fort.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass die Sozialpläne in den Betrieben begünstigt bleiben und die Bemessungsgrundlage von 20 000 auf 40 000 Euro erhöht wird.


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Kollege Leitner hat über die Pensionen ausführlich und klar gesprochen und hat auf das Problem der Korridorpension hingewiesen. Das betrifft vier Jahre, und diese Ab­schläge von 15,3 Prozent begleiten die Menschen dann ihr Leben lang. Ich glaube, da ist Handeln angesagt. Dazu wird auch meine Kollegin, Frau Schumann, noch Stellung nehmen.

In diesem Sinne: Wir werden der Steuerreform heute unsere Zustimmung geben. Ich hoffe aber gleichzeitig, dass wir alle miteinander wieder einen Vorstoß wagen, was das Teileinspruchsrecht betrifft. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätIn­nen der ÖVP.)

10.59


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte sehr.


11.00.02

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eingangs eine kleine kritische Anmerkung: Sehr geehrter Herr Präsident, mir ist nicht ganz klar, warum diese wichtige Steuerreform, eine großartige Arbeit des Finanzministeriums – Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, sowie dem Protagonisten, unserem ehemaligen Staatssekretär Fuchs, herzlichen Glückwunsch zu dieser gelungenen Arbeit! –, nicht ein eigener Tagesordnungspunkt ist; auch der Pflegeregress hätte sich einen eigenen Tagesordnungspunkt verdient. Ich glaube, wir hier im Bundesrat hätten genügend Zeit, um darüber auch ausführlich debattieren zu können. Wie gesagt, meine Achtung an das Finanzministerium, weil das Sozialministerium in der jetzigen Besetzung diesbezüglich ausgelassen hat!

Ich werde mir daher von diesen sechs Tagesordnungspunkten zwei herausnehmen, nämlich die Digitalsteuer und die wichtige Steuerreform.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen aus eigener Erfahrung berichten, dass wir Unternehmer, also die gesamte Unternehmenslandschaft Öster­reichs, insgesamt im Durchschnitt 51,5 Prozent Steuern und Abgaben jährlich zu bezahlen haben. Das ist ein unheimlich enormer Betrag und liegt 12 Prozentpunkte – allen Ernstes 12 Prozentpunkte! – über dem EU-Schnitt.

Nehmen wir die digitale Transformation her: Sie ist ein Selbstläufer, ein technischer Wandel, der uns zufriedenstellt, der uns glücklich macht, der die Produktivität erhöht, der das Leben in jedem Sinne vereinfacht. Die Großen geben den Takt vor. Die Großen sind die US-Amerikaner. Warum kommt alles aus den USA? – Weil dort die freie Marktwirtschaft, die Flexibilität, die Innovationskraft, die Leistungsbereitschaft und der Wille dazu in jedem Sinn befeuert werden. In Europa ist das leider etwas anders. Vor Kurzem hat der designierte französische Kommissar gemeint, Europa brauche weniger Wettbewerb, brauche mehr staatlichen Einfluss im Sinne von Monopol- und Kartellbildungen. – Da weiß man also, wohin in Europa die Reise geht!

Bleiben wir aber bei der digitalen Besteuerung: Die Großen zahlen im Durchschnitt, wenn sie ihre Produkte in Österreich verkaufen, nicht mehr als 8 bis 9 Prozent Steuern; wir zahlen 51,5 Prozent. Diese Differenz ist weder fair noch steuergerecht. Die Steuer dieser Großen wird man nie auf 51,4 Prozent anheben können, das will niemand, außer vielleicht eine SPÖ-Grün-Regierung, oder mit ÖVP-Hilfe, wie immer die Regie­rung in Zukunft ausschauen wird. Wir von der FPÖ wollen das auf keinen Fall.

Die Steuern für diese digitalen Giganten sollen – so ist ein OECD-Übereinkommen für nächstes oder übernächstes Jahr geplant – auf einheitlich 13,5 Prozent angehoben


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werden. Wie man auf 13,5 Prozent kommt, ist mir nicht ganz klar, aber das ist faktisch der höchste Ansatz, der da vorgegeben wird. Österreich soll bei 51,4 Prozent blei­ben? – Nein, mit Sicherheit nicht! Wir von der FPÖ, wir von der Freiheitlichen Wirt­schaft fordern ganz klar, dass die Steuern in Österreich im Sinne einer Meistbegünsti­gungsklausel, wie es bei Zöllen üblich ist, diesen 13,5 Prozent angeglichen werden, damit der analoge und der digitale Handel endlich einmal gleichgeschaltet sind.

Bei Mitarbeitern ist es ja das Gleiche: Mit den Lohnzusatzkosten macht es für Unter­nehmer das Doppelte dessen aus, was ein Mitarbeiter netto in seiner Tasche hat – das muss man sich einmal vorstellen!

Das zweite Beispiel ist Deutschland – da würde ich den Herrn Finanzminister er­suchen, das in seinem Ministerium einmal durchrechnen zu lassen; das ist eigentlich nicht schwer –: In Deutschland werden in Summe 30 Milliarden Euro an Körperschaft­steuer gezahlt, in Österreich sind es sage und schreibe 9 Milliarden Euro. Mit dem Zehnerfaktor gerechnet, müssten es bei uns analog dazu 3 Milliarden Euro sein. Rechnet man die unterschiedliche Körperschaftsteuer von 15 und 25 Prozent mit ein, ist man bei ungefähr 5 Milliarden Euro – das sind noch immer nicht die 9 Milliarden Euro. Was ist die Differenz? – 80 Prozent der Differenz kommen von der berühmt-be­rüchtigten Bemessungsgrundlage, das ist jener Betrag, von dem die Steuer berechnet wird. Das macht 80 Prozent aus. Wenn wir also permanent über die KÖSt-Senkung oder die Senkung der Einkommensteuertarife reden, vergessen wir die Einkommen­steuerbelastung, die Tarifbelastung im Sinne der Bemessungsgrundlage, die fast das Doppelte ausmacht – das Doppelte! Das heißt, wenn wir die Steuer von 25 Prozent auf die Hälfte, nämlich 12,5 Prozent senken, haben wir erst den Gleichklang zu Deutsch­land mit 25 Prozent, also gesetzt den Fall, die hätten 25 Prozent.

Das passt ja überhaupt nicht zusammen! Und warum ist das passiert? – Damit hat sich ja noch nie jemand auseinandergesetzt. Der Investitionsfreibetrag wurde reduziert, gekürzt, gestrichen, der Gewinnfreibetrag reduziert, die Abschreibungszeit auf über 50 Jahre verlängert, die in Wirklichkeit überhaupt kein Mensch erleben kann. Ein ganz kleines Beispiel ist das Auto: Allein beim Auto sieht man, dass in Deutschland dessen Abschreibungszeit halb so lange ist wie in Österreich – halb so lange! Daher verdienen die doppelt so viel, im Sinne von thesauriertem Eigenkapital für das eigene Unter­nehmen.

Das Ergebnis zeigt sich da ganz klar, das Ergebnis zeigt sich im Wirtschaftswachstum, und das Wirtschaftswachstum in Österreich ist nicht investitionsgetrieben. Ich kenne viele Firmen, die in Österreich investieren, aber alle Konzerne investieren im Ausland. Tschechien, Slowakei, Ungarn, das sind die bevorzugten Destinationen der internatio­nalen Unternehmerschaft. Die österreichische Wirtschaft ist konsumgetrieben – Konfe­renztourismus, Geschäftstourismus, Tanktourismus und so weiter und so fort. Dieses innerbetriebliche Eigenkapital, das gehört im Sinne von Steuersenkungen gefördert.

Zur Steuerreform: Die Richtung hat die alte Regierung vorgegeben, die wirklich gut war, alle Achtung! Es ist aber ein Torso geblieben. Drei Etappen hätten es werden sollen, die erste Etappe wird heute vollzogen. Es ist zumindest ein Beginn, und der Trend geht in die richtige Richtung. Die Entlastung der niedrigen Einkommen, die Senkung der viel zu hohen SV-Beiträge, die sofortige Abschreibung geringfügiger Wirtschaftsgüter, das ist wichtig für Einpersonenunternehmen, für die Klein- und Mittelbetriebe im Sinne der Angleichung an Deutschland.

Die zweite und dritte Etappe kommen nicht zur Vollendung, weil die Regierung ge­sprengt wurde: die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer für alle, die Ausweitung


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der Forschungsprämie; die dritte Etappe: die Senkung der KÖSt und – angedacht und das Wichtigste überhaupt – endlich die Abschaffung der völlig ungerechten kalten Pro­gression. Das alles hätte es werden sollen.

Gerhard Hofer schrieb vor Kurzem in der Tageszeitung „Die Presse“ in einem Leit­artikel – ich zitiere –: „Die größte Gefahr für den Sozialstaat“ in Österreich „ist nicht das vielzitierte Kaputtsparen, sondern das praktizierte Kaputtbesteuern.“ – Er hat völlig recht, es zeigt, wie wir später beim Thema Schuldenbremse noch hören werden, wie schlecht diese hohe Besteuerung für die österreichische Mitarbeiterschaft, Arbeitneh­merschaft und die Unternehmerschaft jedenfalls ist.

Werfen wir jetzt einen Blick zurück – Frau Kollegin Schumann, du liebst ja den Rück­blick, ich habe für dich extra einen Rückblick gemacht (Bundesrat Schennach: Für wen?); für euch, für die lieben Sozialisten – ins Jahr 1896! Damals wurde die sogenannte progressive direkte Personalsteuer eingeführt, das heißt: Einkommen­steuer. Wie hoch war diese damals? – Zwischen 1,5 und 4,5 Prozent. Damals hat man diskutiert: Ist 0,5 Prozent zu hoch, soll man vielleicht nur um 0,2 Prozent steigern, weil sonst die Leistungsträger ins Ausland abwandern? – Das war der erste Diskussions­punkt. Der zweite Diskussionspunkt war: Diese Steuer ist zu hoch, weil dadurch die Belastung zu hoch wird und die Leistungsbereitschaft sinkt. Also müssen wir die Unter­nehmenssteuer senken, damit wir die Einkommensteuer auf maximal 4,5 Prozent anheben können. – Das wurde vollzogen. Über 100 Jahre später haben wir eine Ein­kommensteuer, Lohnsteuer, wie wir wissen, mit einem Höchstsatz von 55 Prozent.

Was lag in diesen 100 Jahren? – Sozialismus in Reinkultur. Es ist höchst an der Zeit, dass wir uns von diesem Trend verabschieden und ein neues Zeitalter einläuten. Der Horror des Sozialismus des 20. Jahrhunderts wird im 21. Jahrhundert sicher nicht mehr fortgesetzt, egal in welchem Mäntelchen der Sozialismus auch daherkommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Trendwende ist gegeben, die Staatsschulden sinken in absoluten Zahlen wirklich. Es ist zwar noch die unglaubliche Summe von 280 Milliarden Euro, aber sie gehen schon einmal unter 300 Milliarden Euro Gesamtverschuldung. Auch in Prozentpunkten gesehen geht der Staatsschuldenschnitt von unglaublichen über 80 Prozent in Rich­tung unter 70 Prozent.

Es geht also zumindest in die richtige Richtung: mehr Einkommen zum Auskommen, vor allem für unsere Familien, für die Unternehmen und die Mitarbeiter, damit die Wirtschaft und die Menschen in Österreich wieder dort hinkommen, wohin sie gehören. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.09


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte sehr.


11.09.15

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und via Livestream, wo immer Sie uns jetzt zuhören! Meine Stimme ist leider etwas angeschlagen, ich bin erkältet und werde versuchen, mich kurz zu halten.

Kollege Schennach hat mich zu einer kurzen Replik gleich zu Beginn motiviert: Fami­lienbonus Plus: 1 500 Euro direkt weniger Einkommensteuer. Er heißt deswegen Fam­ilienbonus, weil er für Kinder ist.


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950 000 Familien, 1,6 Millionen Kinder sind davon betroffen. Ich lasse mir diese größte steuerliche Entlastung für Familien von dir, lieber Kollege (in Richtung Bundesrat Schennach), nicht schlechtreden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Habe ich das gesagt?) Wir haben das im Wahlkampf immer wieder gehört, die Menschen wissen das sehr wohl sehr positiv zu schätzen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Auch ich möchte an dieser Stelle für diese größte Pensionserhöhung der letzten 25 Jahre einen Dank an unsere Präsidentin Ingrid Korosec und an den Seniorenrat aussprechen – Kollegin Neurauter und Kollege Leitner haben das auch schon getan. Dazu noch einmal die Eckdaten: Erhöhung der Negativsteuer als Teil der Steuer­reform, keine Anrechnung der Negativsteuer auf die Ausgleichszulage, keine Wartezeit mehr auf die erste Pensionsanpassung, jährliche Valorisierung des Pflegegelds und Finanzierung der Abschaffung des Pflegeregresses. Das ist alles in diesem ganzen Paket, das wir jetzt verabschieden.

Über diese Pensionsanpassung haben wir schon sehr viel gehört, und auch wir freuen uns. Ich bin ja auch Seniorenbundfunktionärin und habe gerade vorhin mit den Senio­rinnen und Senioren aus Lilienfeld reden können, die sind sehr, sehr glücklich darüber. Und diese Anpassung zeigt, wie Kollegin Marlies Steiner-Wieser schon gesagt hat, die Wertschätzung für unsere Seniorinnen und Senioren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.) – Danke.

Was uns aber an diesem Paket nicht gefällt, ist die Wiedereinführung der ab­schlags­freien Pension mit 62 Jahren nach 45 Jahren Erwerbstätigkeit aufgrund eines Abände­rungsantrages der SPÖ. Das ist an sich ein reines Männerprogramm (Bun­desrat Beer: Frauen kriegen keine Pension?), es betrifft rund 7 000 Männer mit einer Durchschnitts­pension von 2 400 Euro, meine Kolleginnen und Kollegen, und die erhalten nun noch einmal 300 Euro dazu, also 2 700 Euro. Die Abschläge wurden unter dem auch von uns sehr hochgeschätzten Sozialminister Hundstorfer, dem wir heute leider gedenken mussten, weil er im Sommer verstorben ist, im Jahr 2014 eingeführt, sodass Langzeit­versicherte mit 2,4 Prozent Abschlägen pro Jahr ab dem vollendeten 62. Lebensjahr in Pension gehen konnten. Das haben also nicht wir verursacht, sondern ihr und der auch von uns sehr hochgeschätzte Sozialminister Hundstorfer. Und jetzt geht man wieder den anderen Weg. (Bundesrätin Schumann: Die Pensionsreform ist aber von Schwarz-Blau beschlossen worden! – Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schennach.)

Wir bringen daher heute folgenden unselbständigen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung der Auswirkungen durch Beschlussfassungen vom 19.9.2019 in den Be­reichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Öffentlicher Dienst und Sport werden ersucht, dem Bundesrat ehestmöglich einen Bericht mit folgendem Inhalt zuzuleiten:

Auf der Grundlage der Beschlussfassung des Nationalrats vom 19. September 2019 betreffend die Abschlagsfreistellung von Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit bzw. aus der Schwerarbeiterregelung soll dargestellt werden, welche Auswirkungen auf das Pensionssystem durch die neue Regelung zu erwarten


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sind, welche finanzielle Auswirkung kurz-, mittel- und langfristig zu erwarten ist und welche Personengruppen diese Regelung in Anspruch nehmen können (Geschlecht, zu erwartende Pensionshöhe, Berufsgruppen).“

*****

Ich ersuche Sie, diesem Prüfungsantrag zuzustimmen. Wir werden unsererseits dem Antrag der FPÖ, eingebracht von Kollegin Steiner-Wieser, der in eine ähnliche Rich­tung geht, auch zustimmen, denn wir glauben, da braucht es dringend Sicherheit da­rüber (Bundesrat Schennach: Ah, so geht das!), wie viel uns das dann wirklich kos­tet. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.14


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Prüfung der Auswirkungen durch Beschlussfassungen vom 19.9.2019 in den Be­reichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


11.14.44

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf zu Tagesordnungspunkt 2 sprechen, weil ein wichtiger Schritt gegen eine große Ungerechtigkeit im Pensions­system gesetzt wird.

Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben, oft unter schweren körperlichen oder auch psychischen Belastungen, können ab 1.1.2020 abschlagsfrei in Pension gehen. (Bun­desrat Preineder: Die können nicht ...! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Reines Männergesetz!) Davon profitieren Langzeitversicherte nach der sogenannten Hackler­regelung ab dem 62. Lebensjahr – da fallen Abschläge von 12,6 Prozent weg. Die Schwerarbeitspension ermöglicht einen Pensionsantritt ab dem 60. Lebensjahr, wenn 45 Versicherungsjahre erworben wurden und in den letzten 20 Jahren zehn Jahre Schwerarbeit vorliegen – da erspart man sich Abschläge von 13,8 Prozent. Auch einige Fälle der Invaliditätspension profitieren von der Abschlagsfreiheit. Auch das Sonder­ruhe­geld für NachtschichtschwerarbeiterInnen gebührt ab Veröffentlichung des Geset­zes abschlagsfrei – da profitiert man von bis zu 13,8 Prozent weniger Abschlägen. Für die Betroffenen bedeutet das deutlich höhere Pensionszahlungen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wichtig ist, zu betonen, dass neben den ASVG-Versicherten auch Bauern und Selbst­ständige profitieren. Selbstverständlich ist, dass die Regelung auch für Frauen Anwen­dung finden muss. Frauen erhalten die Kindererziehungszeiten angerechnet, und zwar im Ausmaß von 60 Monaten. Ab 2024, mit dem Beginn der Angleichung des Pensions­antrittsalters von Frauen und Männern, wird diese positive Regelung auch für Frauen schlagend werden, wobei grundsätzlich gesagt werden muss, dass es längst überfällig ist, Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersarmut von Frauen zu setzen.

Die nächste Regierung, wie immer sie auch zusammengesetzt sein mag, kann sich diesem Thema nicht – wie die letzte, die türkis-blaue Regierung – durch einfaches Weg­schauen verschließen. Die von der Sozialdemokratie erreichte gesetzliche Anrech­nung der Karenzzeiten war ein wichtiger Schritt, aber es müssen weitere folgen.


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Nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension – wie gesagt, da geht es nicht um Statistiken, es geht um Menschen, die ihr Leben lang schwer gearbeitet haben. Sie haben mit 15 Jahren zu arbeiten begonnen und können oft nach 45 Jahren schwerer Arbeit nicht mehr bis zum 65. Lebensjahr durchhalten: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Bau, ArbeitnehmerInnen in der Produktion, Menschen, die in großer Hitze, in Kälte, unter Temperaturunterschieden arbeiten, im Bereich der Kühllogistik zum Beispiel. ArbeitnehmerInnen arbeiten unter der Belastung von Strahlung, von Chemikalien, sie tragen und heben schwere Lasten. Die Liste der Beispiele wäre noch lange fort­zu­setzen. Das alles sind Arbeitsplätze, die höchst belastend für den Körper sind. Es geht aber auch um Arbeitsplätze, die psychisch höchst anstrengend sind, und vor allen Dingen geht es um den Respekt vor der Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer.

Die FPÖ ist den ersten Schritt im Nationalrat mitgegangen, die ÖVP hat dagegen ge­stimmt. Es ist unverantwortlich und nicht nachvollziehbar, dass ÖVP und FPÖ dann ver­hindert haben, dass auch die Jahrgänge 1954 bis 1957 ab 1.1.2020 die Möglichkeit haben, ohne Abschläge in Pension zu gehen. Weiters haben sie verhindert, dass Präsenz- und Zivildienstzeiten angerechnet werden, und sie haben blockiert, dass auf den Weg gebracht wird, dass Beamtinnen und Beamte ebenfalls nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen können. Das Verhalten der FPÖ ist völlig unverständ­lich – wie oft hat hier im Bundesrat gerade Kollege Spanring eindrücklich und völlig zu Recht von den hohen Belastungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz gesprochen?

Wir wollen, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, die so große Leistungen erbringen, abschlagsfrei nach 45 Jahren beziehungsweise 40 Jah­ren in Pension gehen können.

Wir stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ab­schlagsfreie Pension mit 540 Beitragsmonaten“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der

• in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit aner­kannt werden,

• der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog der Bestimmungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie

• die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit dem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Bei­tragsmonaten aufweisen. Diese Leistungen sollen ab dem 1.1.2020 ohne Abschläge ausbezahlt werden.“

*****

So weit unser Antrag. – Und nun zu den Entschließungsanträgen von ÖVP und FPÖ: Ganz ehrlich, wir wollen keine Berichte, wir wollen nicht, dass etwas geprüft wird, und


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wir wollen kein Sollte oder Könnte oder Wollte oder Möchte, sondern es soll umgesetzt werden. Das ist unser Ziel. (Beifall bei der SPÖ.)

Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind die Anliegen der arbeitenden Menschen wirklich wichtig, und wir zeigen Respekt – echten Respekt – vor ihrer Arbeitsleistung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.20


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „abschlags­freie Pensionen mit 540 Beitragsmonaten“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte sehr.


11.21.21

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann nur sagen: Was lange währt, wird endlich gut. – Ich muss das noch einmal wiederholen: Die Hebung der Wertgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter war uns wirklich ein Anliegen. Wir haben 37 Jahre darauf gewartet, wir waren also sehr geduldig. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Verdoppelung, Herr Minister, klingt sehr gut, aber angesichts dessen, was die Dinge vor 37 Jahren im Vergleich zu jetzt gekostet haben, glaube ich, dass unser Wunsch nach einer weiteren Erhöhung gerechtfertigt ist. Wir hätten uns ja vorgestellt, gleich auf 1 500 Euro zu erhöhen; vielleicht ist aber noch etwas drinnen. (Beifall bei der ÖVP.) Noch einmal ein herzliches Dankeschön, dass diese Anhebung überhaupt möglich war. Wir sind ja aus der Wirtschaft und wissen daher ganz genau: Wenn du etwas kriegst, musst du immer aufpassen, dass du nicht auf der anderen Seite wieder etwas einzahlst. (Heiterkeit des Bundesrates Seeber.) Das ist uns deshalb ganz einfach wichtig.

Diese Kleinunternehmerregelung ist auch etwas ganz Wesentliches, weil sie zwei Aspekte hat: Es ist auf der einen Seite einfach wichtig, dass es da Erleichterungen gibt, indem man eben kein Wareneingangsbuch und keine Anlagenkartei mehr führen muss. Es bräuchte auch keine Aufzeichnungen bei den Ausgaben, aber da sage ich als Unternehmerin: Okay, aufpassen, denn du musst den Überblick bewahren! Für mich ist die Kleinunternehmerregelung etwas für jene Phase, in der jemand ins Unterneh­merleben einsteigt. Es heißt ja: Umsatzgrenze – das sind 2 900 Euro im Monat. Ich denke, wenn man als Unternehmerin oder Unternehmer tätig ist, muss man auch schauen, dass man in die Gewinnzone kommt, und schon aufpassen, dass man nicht sagt: Okay, schaut ja, dass ihr unter 35 000 Euro bleibt! Die Möglichkeit zu einer Ver­einfachung und Erleichterung ist jedoch wichtig, auch für jene, die als Nebenerwerbs­unternehmer tätig sind.

Wir dürfen auch nicht vergessen – es ist heute schon sehr viel darüber gesprochen worden –, dass solche Regelungen natürlich auch Auswirkungen auf die Pension haben; das muss man auch dazusagen. Noch einmal aber: Vielen Dank, dass es das überhaupt gibt, dass diese Möglichkeit jetzt geschaffen wurde.

Ein wesentlicher und wichtiger Punkt ist unseres Erachtens – und dafür sage ich schon Danke schön –, dass die Steuerbefreiung für Kleinsendungen aus Drittländern – da war die Grenze bei 22 Euro – abgeschafft wurde. Das ist etwas ganz Wesentliches und Wichtiges, weil diese Regelung hinsichtlich Kleinsendungen einen ungeheuren Wettbewerbsnachteil für den österreichischen Handel gegenüber dem ausländischen Handel bedeutet hat, der dadurch seine Produkte billiger verkaufen konnte. Teilweise


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ist es bei einigen Importen aufgrund der Freigrenze auch zu falscher, nämlich niedri­gerer Angabe des Warenwerts gekommen.

Beim innergemeinschaftlichen Versandhandel – das ist auch wichtig – entfällt die Lieferschwelle von derzeit 35 000 Euro. Da handelt es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Grundsätzlich werden Lieferungen an Privatpersonen innerhalb der EU somit am Empfängerort versteuert. Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten zahlen bei Versandhandelsumsätzen an österreichische Private grundsätzlich bereits ab dem ersten Cent. Es gibt eine Ausnahme für Kleinstunternehmer bis 10 000 Euro – da erfolgt die Besteuerung im ansässigen Staat.

Ein Dankeschön sage ich auch dafür, dass für unsere Reisebüros die Erleichterung bei der USt bis 31.12.2021 verlängert wurde.

Die Digitalsteuer ist schon angesprochen worden – immerhin, ich bin sehr froh, dass diese Möglichkeit geschaffen wird. Wir sagen ganz einfach: Kleinvieh macht auch Mist – auch wenn es nicht so großartige Einnahmen bedeuten wird. Die Digitalsteuer wird künftig 5 Prozent des Entgeltes betragen, das Onlinewerbeleister für Online­werbeleistungen mit Inlandsbezug von ihren Auftraggebern erhalten. 

Wer ist ein Onlinewerbeleister? – Das ist ein Unternehmen, das Onlinewerbeleistungen gegen Entgelt erbringt oder dazu beiträgt sowie innerhalb eines Geschäftsjahres einen weltweiten Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro und im Inland einen Umsatz von zumindest 25 Millionen Euro aus der Durchführung von Onlinewerbeleistungen er­zielt.

Ein herzliches Dankeschön auch dafür, dass es bei der Werbeabgabe eine Ausweitung des Bagatellbereichs auf 10 000 Euro pro Jahr gibt. Bis zu dieser Bemessungs­grund­lage ist keine Werbeabgabe mehr zu entrichten. Wie war das bisher? – Bisher haben wir keine Abgabepflicht, wenn die Werbeabgabe weniger als 50 Euro pro Monat be­trägt.

Ein weiteres herzliches Dankeschön möchte ich für die Neuregelung der NoVA für Wohnmobile sagen. Das ist mir ganz wichtig, weil es eine ganz kleine Gruppe von Unternehmen betrifft, aber das ist, glaube ich, schon auch unsere Aufgabe als Interessenvertreter – wir sind so vielfältig, dass wir auch auf die schauen, die sich allein nicht rühren könnten.

Da hätte nämlich die vorgesehene NoVA eine Erhöhung von 40 Prozent bedeutet, und man kann sich schon vorstellen, dass unsere Betriebe da ganz einfach nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen wären. Natürlich könnte man sagen: Wie viele betrifft das überhaupt? Wir haben aber allein in Niederösterreich zehn Unternehmen mit circa 80 Mitarbeitern, österreichweit sind es 60 Unternehmen mit 350 Mitarbeitern. Da bin ich schon sehr froh, dass wir jetzt diese Neuregelung haben, denn sonst hätten wir diesen Betrieben ihre Existenzgrundlage genommen. Wohnmobile, die um so viel teurer sind, haben ganz einfach keine Chance, verkauft zu werden.

Außerdem wäre die ursprüngliche Berechnung sehr, sehr aufwendig gewesen, denn da geht es ja nicht nur um den CO2-Ausstoß, sondern es wird auch geschaut, welche Ausstattung ein Wohnmobil hat, und das wäre eine unnötige und aufwendige Büro­kratie gewesen. Noch einmal ein herzliches Dankeschön, dass doch eine Korrektur möglich war und unsere Betriebe weiterhin die Chance haben, wettbewerbsfähig zu sein.

Ein herzliches Dankeschön auch dafür, dass wir als Selbstständige und Landwirte eine Senkung unserer Sozialversicherungsbeiträge um 0,85 Prozent erhalten.


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Natürlich ist es so – auch das wurde heute schon angesprochen –, dass das jetzt sozusagen der erste Teil der Steuerreform ist. Wir bitten darum und wir erwarten uns, dass wir da weitermachen. Eine KÖSt-Senkung ist ganz einfach wichtig, damit unser Standort weiterhin wettbewerbsfähig ist. Es erleichtert natürlich auch die Eigen­kapital­bildung und die Investitionen, wenn mehr zur Verfügung steht, und damit fördern wir Wachstum und Beschäftigung.

Auch Gewinnfreibetrag und Einkommensteuer sind uns große Anliegen. Ein Punkt ist auch: Es hat ja einen Vorschlag gegeben, dass Unternehmen bis zu 10 Prozent des Gewinns steuerfrei an Mitarbeiter ausschütten können, gedeckelt mit 3 000 Euro pro Person und Jahr. Damit könnten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unkomp­liziert von ihrem Einsatz profitieren. Das ist unseres Erachtens eine Möglichkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren und sie am Erfolg unserer Unternehmen teilhaben zu lassen. Das stärkt unseren Wirtschaftsstandort, denn wie wir alle wissen können wir nur dann weiterhin erfolgreich sein und unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unternehmerinnen und Unternehmer an einem Strang ziehen.

Ich sage ein herzliches Dankeschön und wünsche und erwarte mir im Sinne der Wirtschaft weitere Schritte. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­des­rätInnen der FPÖ.)

11.30


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner. – Bitte sehr.


11.30.21

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer auf der Besuchergalerie und zu Hause via Livestream und ORF! Wir haben ja zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 6 jetzt einiges gehört. Meine Vorrednerin Sonja Zwazl hat vor allem die wirt­schaft­liche Seite sehr, sehr gut beleuchtet, da schließe ich mich vollinhaltlich an.

Ich möchte aber jetzt noch einen Punkt herausgreifen, der meiner Meinung nach zwar schon diskutiert wurde, aber noch nicht eingehend genug, und zwar das Digital­steuer­gesetz 2020, in Summe dann das Abgabenänderungsgesetz 2020.

Die Frage, die wir uns gestellt haben – und wenn man sich diese Frage noch nicht gestellt hat, dann sollte man das tun –, ist folgende: Wie besteuert man eigentlich ein Unternehmen, das keinen realen Firmensitz in einem Land hat, sondern seine Um­sätze in der virtuellen Welt, im Internet macht? Wie besteuert man ein Unternehmen, welches sich das billigste Land aussucht und dadurch weniger Steuern zahlt als unsere heimischen Klein- und Mittelunternehmen? – Die Antwort liegt auf der Hand und ist auch heute schon einige Male gefallen: mit einer Digitalsteuer für mehr Fairness im Internet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Mit dieser österreichischen Lösung (Bundesrat Schennach: Putzige Lösung!) ist zumindest jetzt einmal der Anfang für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit im Netz in ganz Europa geschaffen worden. (Bundesrat Schennach: Na, net wirklich! – Bundesrätin Schumann: Nein!)

Meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen! Wen soll es treffen? – Wir haben das ja jetzt schon einige Male gehört: Es sind natürlich die US-Konzerne Google, Amazon, Facebook, Apple, aber es betrifft noch viele mehr, es betrifft noch rund 30 weitere Unternehmen aus den USA, China, Deutschland, Spanien, Großbritannien, darunter auch bekannte Vermittlungsplattformen wie zum Beispiel Uber und Airbnb. (Bundesrat Schennach: Irgendwann muss man auf ...!)


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Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, das Ziel haben wir schon gehört: eine Steuer von 5 Prozent auf den online gemachten Umsatz, ausgenommen sind jetzt der Internethandel, digitale Dienstleistungen und so weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Kollege Schennach die digitalen Giganten verschonen möchte, so sind diese Giganten aus dem Silicon Valley diejenigen, die nur 0,8 Prozent an Körperschaftsteuer zahlen. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Auf ihre Einnahmen aus der Onlinewerbung entrichten sie überhaupt keine Abgaben. Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen, wozu das führt: zu Wett­be­werbsnachteilen für unsere Unternehmen, für unsere heimischen Unternehmen, denn die traditionellen Unternehmen zahlen jetzt im Schnitt 23 Prozent Steuern auf ihre Ge­winne, die digitale Wirtschaft 8 bis 9 Prozent. Wir wissen, was Google, Apple, Facebook und Co zahlen.

Schauen wir uns dieses Abgabenänderungsgesetz 2020 noch einmal an: Es umfasst ja mehrere Punkte. Wir haben ja einige schon gehört, zum Beispiel dieses Digital­steuer­paket, das eine wichtige und richtige Maßnahme ist. Die zweite Maßnahme betrifft die digitalen Vermittlungsplattformen. Es wird eine Informationsverpflichtung und, verein­facht gesagt, auch eine Haftungsklausel geben, die hiermit geschaffen wird. Und der dritte Punkt, den auch meine Vorrednerin, Kollegin Zwazl, schon angesprochen hat, ist die Besteuerung von Kleinwertsendungen. Auch das ist eine wichtige und richtige Maßnahme, um unsere Wirtschaft, die österreichische Wirtschaft, zu stärken.

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, wir sind aber sicherlich noch nicht am Ziel, da ist noch einiges zu tun. Länder wie Irland, Luxemburg, die Niederlande oder Finnland dienen leider innerhalb der EU noch immer quasi als Steueroasen. Die müssen auch eingebunden werden, denn sonst wird es wieder so sein, dass sich viele Unternehmen das billigste Land aussuchen – deshalb sind wir hier definitiv auf dem richtigen Weg.

Zum Schluss kommend: Eines steht fest: Österreich übernimmt mit einer 5-prozentigen Digitalsteuer für mehr Fairness im Internet eine Vorreiterrolle. Ein Steuersystem für das 21. Jahrhundert muss auf dem aufbauen, was heute von Wert ist, und das sind Daten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Samt.)

11.35


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


11.35.12

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Kollegin, Sie kommen ja von einem Unicampus und sollten sich eigentlich ein bisschen mehr der Wahrheit und dem Ge­sprochenen verpflichtet fühlen. (Rufe bei der ÖVP: Na he!)

Wenn Sie wollen, können Sie das gerne im Protokoll nachlesen: Ich habe auf Frau Mattersberger reagiert und gesagt, im Kampf gegen die US-Giganten hilft so eine Mickymaussteuer nicht, die weniger bringt als die Schaumweinsteuer. Niemand hat da etwas gesagt, um diese US-Giganten in Schutz zu nehmen. Bitte bleiben Sie bei der Wahrheit! Ich tue das auch. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das war jetzt wieder notwendig!)

11.35


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zum Abschluss der Debatte zu diesen sechs Punk­ten hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Kfm. Eduard Müller zu Wort gemeldet. Ich er­teile ihm das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 89

11.36.00

Bundesminister für Finanzen Dkfm. Eduard Müller, MBA, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Gäste! Zukunft gestalten heißt Zukunft haben, hat einmal Peter Drucker, Vater des modernen Mana­gements mit österreichische Wurzeln, gesagt. Sie haben heute zahlreiche Beschlüsse auf Ihrer Tagesordnung, die sehr weit in die Zukunft unseres Landes reichen.

Erlauben Sie mir, dass ich daher aus Sicht des Finanzministers, des Finanzminis­te­riums zuerst einmal einen kurzen Überblick über die Auswirkungen dieser Beschlüsse gebe, dann auch auf den budget- und den wirtschaftspolitischen Hintergrund eingehe und anschließend auch in gebotener Kürze auf die beiden zentralen Betroffenheiten unseres Hauses, das Steuerreformgesetz und das Abgabenänderungsgesetz, repli­ziere.

Ich habe über Ersuchen des Budgetausschusses von den Experten unseres Hauses die Auswirkungen sämtlicher über den Sommer gefassten oder jetzt in Beschluss­fassung stehenden Beschlüsse bewerten lassen und dieses Ergebnis auch den Bud­get­sprechern aller Fraktionen zur Verfügung gestellt. Da sind zum einen – und das ist das, was jetzt unmittelbar auch in der Diskussion steht – die Steuerreform und das Abgabenänderungsgesetz mit einem Volumen von 2,8 Milliarden Euro – wir rechnen immer in vierjährigen Bundesfinanzgesetzzeiträumen – und einer Gegenfinanzierung von circa 0,8 Milliarden Euro, im Wesentlichen durch die erwähnten Maßnahmen aus dem Abgabenänderungsgesetz, der Digitalsteuer und Ähnlichem mehr.

Da war im Juli aber auch eine Beschlussfassung mit Themen wie Pflegegeld­valorisie­rung oder Pensionsbonus, um nur zwei Beispiele zu nennen, mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro. Im September kamen die Pensionsanpassung, die quasi außer­ordentliche, die wir nicht eingepreist hatten, der Pflegeregress mit 1,8 Milliarden Euro und zum Schluss dann mit den diversen Abänderungsanträgen Beschlüsse betreffend abschlagsfreie Pension bei 45 Beitragsjahren, die Abschaffung der Wartezeiten und einige andere Maßnahmen mit in Summe 1,2 Milliarden Euro. Zusammengerechnet ergibt das ein Volumen von 6,3 Milliarden Euro für die nächsten Jahre, also 2020 bis 2023.

Sie wissen es, ich habe es auch schon im Plenum des Nationalrates und auch im Budgetausschuss gesagt, wir haben von diesen 6,3 Milliarden Euro nur die 2 Milliarden Euro rund um die Steuerreform eingepreist und auch im Stabilitätspakt nach Brüssel gemeldet. Das heißt, wir haben im Hinblick auf das, was wir zur Erreichung eines ausgewogenen Haushalts, auch zur Senkung der Steuer- und Abgabenquote, zum Abbau der Schulden geplant haben, jetzt eine Herausforderung – lassen Sie mich das so umschreiben – von 4,3 Milliarden Euro.

Vor welchem Hintergrund stehen diese Beschlüsse? – Wir hatten in den Jahren 2017/18 eine Phase der Hochkonjunktur, zuletzt mit einem realen BIP-Wachstum von 2,4 Prozent. Wir merken, dass sich dieses Wachstum abschwächt. Wir werden heuer – die Prognosen klaffen noch etwas auseinander, aber nicht allzu weit – irgendwo in Richtung 1,5 Prozent zu liegen kommen.

Wir werden – und ich glaube, das sollte uns alle nachdenklich stimmen – jetzt mit die­sen guten Wirtschaftsdaten der Vergangenheit erstmals seit 1955 ein im adminis­trativen, also im Finanzierungshaushalt ausgeglichenes Budget auf Ebene des Bundes vorlegen können – erstmal seit dem Jahr 1955, also seit 64 Jahren! Sie können davon ausgehen, dass auch in diesen 64 Jahren wirtschaftlich gute und natürlich auch wirt­schaftlich schlechte Zeiten dabei waren.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 90

Das ist jetzt nicht mein Verdienst, das ist, glaube ich, das Verdienst der Österreiche­rinnen und Österreicher und auch vieler Politiken aus der Vergangenheit. Ich glaube aber, es sollte uns bewusst machen, wie fragil diese budgetäre und damit aber auch die wirtschaftliche Entwicklung ist, umso mehr, als wir jetzt aktuelle Wirtschafts­pro­gnosen für Österreich haben.

Ich war gestern auf europäischer Ebene tätig. Wir hatten das Eurogruppenmeeting und das Eurogruppen-Plus-Meeting, und auch dort, auf europäischer Ebene, ist klar, dass diverse Handelskonflikte und sonstige politische Entwicklungen – Herr Bundesrat Schennach hat jetzt eine ganz aktuelle, wirklich sehr, sehr bedrückende und wahr­scheinlich in der Auswirkung noch gar nicht abzuschätzende Krisensituation in Syrien angesprochen – es nicht leichter machen.

Daher haben das auch die Wirtschaftsforschungsinstitute schon in ihren Prognosen mehr oder weniger drinnen, und da sagen uns beide mit kleinen Differenzen – das haben sie auch schon gemacht –, dass es jedenfalls im Wachstum mit 1,4 oder 1,3 Prozent – da klaffen die beiden Organisationen noch auseinander – weiter zurück­gehen wird; sie rechnen aber auch mit Szenarien, die noch weiter hinuntergehen könn­ten.

Was ist die Folge? – Wenn wir uns diese nicht budgetierten Beschlüsse ansehen, wenn wir auch im Hinterkopf behalten, dass wir bei diesem Stabilitätsprogramm noch eine andere wirtschaftliche Entwicklung zugrunde gelegt haben, dann wird das wohl eine Herausforderung sein. Eines muss ich hier auch in meiner Verantwortung als Finanzminister, der hoffentlich ein gutes Budget 2019 übergeben wird, aber auch quasi eine Art Kassasturz für die Zukunft an den Nachfolger, die Nachfolgerin wird übergeben müssen, sagen, nämlich dass der Spielraum für die Gestaltung der Zukunft Österreichs eingeschränkt ist, denn ich habe eigentlich in allen Redebeiträgen schon vernommen, dass über die grundsätzlichen Ziele – also Senkung der Abgabenquote, Senkung der Schuldenquote und damit ein zumindest über einen mittelfristigen Zeitraum ausgeglichener Haushalt – kein grundsätzlicher Dissens besteht.

Lassen Sie mich nun ganz kurz – vieles ist schon gesagt worden – auf die Eckpunkte der Steuerreform eingehen. Ich teile sie immer in drei große Blöcke – das ist verein­fachend, aber auch der Zeit geschuldet. Erstens: Entlastung aller Österreicherinnen und Österreicher; zweitens: Entlastung im Bereich der KMU-Wirtschaft; drittens: Maß­nahmen im Umweltbereich.

Bei der Entlastung der Österreicherinnen und Österreicher ist, glaube ich, der Ansatz so, dass sowohl ArbeitnehmerInnen, als auch Pensionisten, als auch Selbstständige und Landwirte insbesondere – Sie werden sagen: nicht nur – im unteren Einkom­mensbereich mit zwei unterschiedlichen Modellen – für mich als Experte jetzt auch nicht ganz zufriedenstellend – entlastet werden, nämlich einmal durch eine Negativ­steuer und einmal durch eine Senkung der KV-Beiträge. Es ist einmal, wie es ist, im Ergebnis führt das für ArbeitnehmerInnen in diesem Bereich zu einer steuerlichen Ent­lastung von bis zu 300 Euro, für Pensionistinnen und Pensionisten von bis zu 200 Euro jährlich, und – auch das ist schon gesagt worden – mit anderen Maßnahmen zusam­men wird das eine entsprechende und auch entsprechend spürbare Entlastung für die Menschen, insbesondere in den unteren Einkommensbereichen, ergeben.

Aus dem Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch der Wirtschaft ins­gesamt möchte ich nur zwei Maßnahmen herausgreifen: Ich glaube tatsächlich, dass diese Anhebung der Kleinunternehmergrenze von 30 000 auf 35 000 Euro – auf euro­päischer Ebene wird man wahrscheinlich jetzt gerade noch einen Schritt weiter ge­hen – nicht nur eine finanzielle Erleichterung bringt, sondern auch eine bürokra­ti­sche,


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und zwar für alle Seiten, sowohl – Sie wissen, ich komme aus der Finanzver­waltung – für die Verwaltung, aber klarerweise vor allem auch für die Wirtschaft.

Eine zweite Maßnahme betreffend die geringwertigen Wirtschaftsgüter, dass diese nach so vielen Jahren endlich angepasst werden, ist ebenfalls finanziell nur ein Vor­zieheffekt, also der Totalgewinn bleibt ja gleich, aber man erspart sich dann auch wieder das Anlageverzeichnis für diese Dinge. Das ist durchaus eine administrative Erleichterung.

Der dritte Block ist im Umweltbereich angesiedelt, auch das wurde heute hier schon angesprochen. Dieses Umweltpaket beinhaltet Maßnahmen, mit denen zum Beispiel die Normverbrauchsabgabe in Summe zwar aufkommensneutral gestellt wird, auch sozial verträglich, aber eben ökologisch auf CO2-Ausstoß umgestaltet wird, oder – ebenfalls heute schon adressiert – Maßnahmen, mit denen die Eigenstromsteuer für Photovoltaikanlagen abgeschafft wird.

Jetzt kann man sagen: Das Volumen, dieses Anreizvolumen von ungefähr 55 Millionen Euro, ist nicht hoch genug!, aber ich denke, es ist ein erstes und wichtiges Signal in die richtige Richtung. Die Gegenfinanzierung – und ich glaube, dass das jedenfalls auch den wirtschaftlichen Entwicklungen und auch dem Thema Wettbewerbsgleichheit geschuldet ist – erfolgt mit diesem Abgabenänderungsgesetz, in dem wir Pakete, die da Betrugsbekämpfungspaket und Digitalsteuerpaket geheißen haben, legistisch auch – eben auf Initiative des Nationalrates – zusammengezogen haben, in dem mit diesen 5 Prozent eine digitale Werbeabgabe eingeführt wird, die in Wahrheit vor allem – das muss man sagen, auch wenn es uns vonseiten Amerikas auch schon Kritik eingebracht hat und wir da sehr, sehr vorsichtig sein müssen – eben die Inter­net­giganten trifft.

Ich glaube auch, dass die Erfassung dieser Kleinwertsendungen, der 22-Euro-Sen­dungen, nicht nur sozusagen eine Gleichbehandlung auf steuerlicher Ebene ist, son­dern tatsächlich auch ein Wirtschaftsimpuls sein kann. Ich verhehle nicht, dass wir diese Maßnahme – wir reden von derzeit circa 8 Millionen zusätzlichen Sendungen im Jahr, Wachstumstendenz an die 10 Prozent jährlich – in der Steuer- und Zollver­wal­tung auch erst einmal verwalten müssen. Wir brauchen dazu auch die Post, denn wenn wir die Daten nicht erhalten, dann wird uns das auch nicht gelingen. Diese Maß­nahme soll ebenfalls, genauso wie eben die Versandschwelle, die auch schon ange­sprochen wurde, zu Wettbewerbsgleichheit beitragen.

Lassen Sie mich eine zusammenfassende Einschätzung – und das ist jetzt keine in­haltliche Bewertung der verschiedenen Maßnahmen, die zum Teil eben auch außer­halb der Steuergesetze getroffen wurden, sondern die Einschätzung aus Sicht eines Finanzministers – treffen:

Die Steuer- und Beitragssenkungen, aber auch der Bürokratieabbau für die Verwal­tung, für die Wirtschaft, die ökologischen Anreize und vor allem auch die neuen Rah­menbedingungen für die österreichische Wirtschaft im Wettbewerb mit den Internet­giganten stellen aus meiner Sicht sehr wohl einen notwendigen Impuls dar, gerade eben im Hinblick auf die sich abflachende konjunkturelle Entwicklung. Diese Maßnah­men erfordern aber – und das habe ich schon erwähnt – von der Verwaltung ent­sprechend intensive Vorbereitungsmaßnahmen: organisatorisch, technologisch, perso­nell.

Ich darf Ihnen versichern, dass wir als Exekutive alles daran setzen werden, um die im Hohen Haus beschlossenen oder zu beschließenden Maßnahmen rechtzeitig – vieles tritt ja schon mit 1. Jänner in Kraft – und bestmöglich umzusetzen, und dabei werden wir selbstverständlich die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft ent­sprechend unterstützen, damit all diese Maßnahmen bei jenen ankommen, für die sie


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bestimmt sind. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.49

11.49.07


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Septem­ber 2019 betreffend ein Steuerreformgesetz 2020.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Pensionsanpassungsgesetz 2020.

Dieser Beschluss des Nationalrates ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfas­sungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse ange­nommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Prüfung des legistischen Anpassungs­bedarfs in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 263-BR/2019)

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Prüfung der Auswirkungen


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durch Beschlussfassungen vom 19.9.2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 264-BR/2019)

Es liegt überdies ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „abschlagsfreie Pensionen mit 540 Beitragsmonaten“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt. (Bundesrat Schennach: Schade! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unter­bringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2019 und 2020 erlassen wird. 

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Sep­tember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über ein Stif­tungseingangssteuergesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Sep­tember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelas­tungen durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Sep­tember 2019 betreffend ein Abgabenänderungsgesetz 2020.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.54.577. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugs­bekämpfung und das Bundesgesetz über die personellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung sowie das Produkt­piraterie-


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gesetz 2020 erlassen werden, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 aufgehoben wird und die Bundesabgabenordnung, die Abgabenexekutions­ord­nung, das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, das Alkoholsteuergesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Altlastensanierungsgesetz, das Amtshilfe-Durch­führungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Artenhandelsgesetz 2009, das Arzneimittelgesetz, das ASOR-Durchführungsgesetz, das Ausländer­beschäftigungsgesetz, das Außenwirtschaftsgesetz 2011, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bewertungsgesetz 1955, das Biersteuergesetz 1995, das Biozidproduktegesetz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Bundes­finanzgerichtsgesetz, das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz 2015, das Chemikaliengesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Erdölbevor­ra­tungsgesetz 2012, das EU-Polizeikooperationsgesetz, das EU-Vollstreckungs­amtshilfegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Fernsprechent­geltzuschussgesetz, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Finanzmarktauf­sichts­behördengesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Flugabgabegesetz, das Gebührengesetz 1957, das Gefahrgutbeförderungsgesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Glücksspielgesetz, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Grundsteuergesetz 1955, das Güterbeför­derungsgesetz 1995, das Handelsstatistische Gesetz 1995, das Insolvenz-Ent­geltsicherungsgesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Kommunalsteuer­gesetz, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Kraftfahrgesetz 1967, das Kriegsmaterial­gesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das Marktordnungsgesetz 2007, das Meldegesetz 1991, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Mineralrohstoffgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Privatstiftungsgesetz, das Bundesgesetz über Produkte, deren Ein- und Ausfuhr sowie Inverkehrbringen aus Tierschutzgründen verboten ist, das Bun­desgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Pun­zierungsgesetz 2000, das Saatgutgesetz 1997, das Schaumweinsteuer­ge­setz 1995, das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, das Stabilitätsabgabegesetz, das Stadt­erneuerungsgesetz, das Stiftungseingangssteuergesetz, das Tabakmonopol­ge­setz 1996, das Tabaksteuergesetz, das Tierseuchengesetz, das Transparenz­datenbankgesetz 2012, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Verfas­sungsgerichtshofgesetz 1953, das Vermarktungsnormengesetz, das Verrechnungs­preisdokumentationsgesetz, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Verwal­tungsgerichtshofgesetz 1985, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Wirtschaft­liche Eigentümer Registergesetz, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Zollrechts-Durchführungsgesetz geändert werden (Finanz-Organisations­reformgesetz – FORG) (985/A und 692 d.B. sowie 10252/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. – Ich bitte um den Bericht.


11.55.18

Berichterstatter Gerd Krusche: Hohes Präsidium! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses betreffend den Beschluss des National­rates vom 19. September 2019 über die Änderung von insgesamt circa 85 Gesetzen, die ich jetzt nicht alle aufzählen werde, sondern zusammengefasst unter dem Begriff Finanz-Organisationsreformgesetz benenne.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke schön für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte sehr.


11.56.20

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Minister! Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in die Debatte einsteige, möchte ich einen aktuellen Bericht des Rechnungshofes zitieren: Der Rechnungshof stellt fest, dass im Jahr 2017 rund 9 Prozent der Planstellen nicht besetzt waren. Für den Rechnungshof war nicht nachvollziehbar, warum das Ministerium damals mit Engpässen argumen­tierte, obwohl Planstellen in der Steuer- und Zollverwaltung nicht besetzt waren. Diese restriktive Personalpolitik des Ministeriums bewirke Einbußen in der Qualität der Auf­gabenerfüllung – womit ich jetzt gleich schon beim Thema, beim Finanz-Organisations­reformgesetz wäre, das aus unserer Sicht in mehreren Punkten nicht in Ordnung ist. Als Mitglied des Bundesrates sage ich ganz klar: Es bringt auch einen Nachteil für alle Österreicherinnen und Österreicher.

Was mit dem Finanzamt Österreich einhergeht, ist die Zentralisierung des Fach­wis­sens in Ballungszentren, vor allem in den Städten, etwas, das in Österreich ohnehin sehr, sehr stark ausgeprägt ist. Andere Staaten, aber auch Bundesländer setzen be­wusst Akzente, um den ländlichen Raum zu stärken, und siedeln auch Bundes- und Landesbehörden an. Das sichert natürlich – und das ist jetzt ganz wichtig –Arbeits­plätze vor Ort und damit die Infrastruktur im ländlichen Raum.

Vordergründig, meine Damen und Herren, macht sich die ÖVP für die ländlichen Re­gionen sehr stark, die reale Politik sieht jedoch ganz anders aus. Wir hatten gestern die Enquete zur Dezentralisierung. Was ist da auffällig? – In Tirol zum Beispiel werden Bezirksgerichte geschlossen; oder die Gebietskrankenkassen werden zentralisiert. Von Dezentralisierung ist also keine Rede, es wird zentralisiert. Die Finanzämter werden zentralisiert, auch da ist von Dezentralisierung keine Rede.

Was bemerkenswert ist: Man sagt das eine und lebt das andere. Die Selbstver­waltung – das habe ich gestern bei der Enquete schon erwähnt – gibt man völlig auf. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Wir Sozialdemokraten sind strikt gegen Zentralisierungsmaßnahmen und Einsparun­gen im ländlichen Raum. Wie gesagt: Die Menschen vor Ort haben keine Ansprech­partner mehr, diese kommen quasi abhanden, und außerdem wird noch zusätzlicher Verkehr produziert.

Meine Damen und Herren, die türkis-blaue Regierung hat es damals geschafft, schon die Justiz auszuhungern, und das Gleiche droht jetzt auch in vielen anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, die für das Funktionieren einer Demokratie aber klarer­weise notwendig sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass Einsparungen beim Personal der Finanzverwaltung gegenteilig wirken: Weniger Personal bedeutet mehr Steuerver­meidung und Steuerbetrug. Es zahlen also jene drauf, die ehrlich Steuern zahlen, die das ganze Jahr hart für ihr Geld arbeiten.


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Meine Damen und Herren! Wir reden davon, dass mit einer Digitalisierungsoffensive vieles von daheim aus erledigt werden kann, wir wissen aber auch, dass der Breit­bandausbau in vielen ländlichen Gebieten noch nicht ausreichend fortgeschritten ist. Wenn dann auch noch die Ansprechpersonen vor Ort – wie vorhin erwähnt – abhan­denkommen, leidet das Bürgerservice enorm. Vor allem aber haben unsere älteren Menschen nicht die dafür notwendige digitale Kompetenz; das wird auch durch die Warteschlangen in den Infocentern bei den Finanzämtern – das sehen wir auch überall – sehr, sehr deutlich.

Die hervorragende Leistung unserer Kolleginnen und Kollegen ist ein Garant für Rechtsstaatlichkeit, für Sicherheit, für ein bestfunktionierendes Bildungssystem sowie qualitätsvolle Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung. (Beifall bei der SPÖ.) Aus diesen Gründen, sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, plädiere ich dafür, von diesem Beschluss heute Abstand zu nehmen. Überdenken Sie noch einmal Ihre Entscheidung!

Die SPÖ wird – klarerweise – diesem Gesetz jedenfalls nicht zustimmen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Doris Schulz. Ich erteile es ihr.


12.01.32

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass ich jetzt darstellen darf, wie das Finanz-Organisationsreformgesetz – unter dem anderen Titel Finanzamt Neu – tatsächlich funktioniert und aussieht. Es ist ein Moder­nisierungsgesetz. Aus 40 Finanzämtern werden digital ab 1. Juli 2020 das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe, neun Zollämter werden zu einem Zollamt Österreich zusammengelegt, und es wird ein Amt für Betrugsbekämpfung nationaler und internationaler Betrügereien eingerichtet. Als E-Government-Flaggschiff Öster­reichs ist dieses Finanzamt Neu international ausgezeichnet.

Finanzonline kennen Sie, und dieses digitale Service, Finanzonline, wird bereits jetzt von 4,9 Millionen Personen genutzt, von Unternehmen oder Privatpersonen. Von den Privatpersonen machen immerhin schon 70 Prozent ihre Arbeitnehmerveranlagung; 30 Prozent der Unterlagen werden eingescannt. Also die Aussage, dass es für ältere Personen nicht entsprechend ist, kann nicht stimmen, denn sie können ihre Unterlagen so wie bisher abgeben; sie werden gescannt und ins System eingespielt. (Bundesrätin Grimling: Das stimmt nicht! Bitte, Doris!)

Es ist eine Verwaltungsreform, worüber sich alle AkteurInnen und Stakeholder einig sind. Vielleicht eine Zahl: Seit dem Jahr 2003 sind 213 Millionen Erklärungen und An­träge bearbeitet worden.

Die Finanzämter bleiben bestehen. Es werden keine Mitarbeiter abgebaut, sondern die Aufgabenverteilung wird klarer dargestellt. Ein Beispiel: Betriebsprüfungen. Ein Finanz­amt in Wien oder in einer großen Stadt wie Linz hat, weil es viele Unternehmen gibt, viel mehr zu tun als kleinere Finanzämter. 11 000 Mitarbeiter sind österreichweit bei den Finanzämtern beschäftigt, und das sollen sie auch bleiben.

Das Finanz-Organisationsreformgesetz ist ein Modernisierungsgesetz. Es macht Öster­reich zukunftsfit. Mit einem Mausklick – durch die Digitalisierung – ist es möglich, schnel­ler seine Meldungen abzugeben und auch schneller zu etwaigen Rückzahlungen zu


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kommen. Sie alle werden es vermutlich im täglichen Gebrauch ohnehin schon erlebt haben. – Die ÖVP stimmt für dieses Modernisierungsgesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

12.04


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile es ihm.


12.04.53

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kovacs hat vorhin schon sehr ausführlich erklärt und ausgeführt, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen werden. Meine Vorrednerin, Frau Kollegin Schulz, hat teilweise recht mit ihren Ausfüh­rungen – es ist nicht alles zu verurteilen, was in diesem Finanz-Organisationsreform­gesetz steht –, in ihrer Hauptaussage allerdings – sie hat es zweimal gesagt –, dass es sich dabei um ein Modernisierungsgesetz handelt, bin ich nicht ihrer Meinung. Es ist in Wahrheit ein Zentralisierungsgesetz; das geht ganz klar hervor.

Mit den geplanten Änderungen in diesem Finanz-Organisationsreformgesetz sind meh­rere Punkte verbunden; in Summe sind es 91 Artikel. Im Gesamten lehnen wir, die SPÖ, dieses Gesetz ab; das hat mein Kollege Kovacs schon erwähnt.

Es gibt aber auch Vorteile und auch Positives zu berichten – wenn auch nicht viel. Positiv an und für sich ist, dass die neue theoretisch mögliche Arbeitsverteilung eine gerechtere Aufteilung der anfallenden Akten herbeiführen soll. Wenn ein Finanzamt einmal weniger Arbeit hat, kann es woanders aushelfen. Wie oft das in der Praxis tatsächlich der Fall sein wird, bei dieser chronischen personellen Unterbesetzung, wird sich zeigen. Aber grundsätzlich: sich gegenseitig zu unterstützen kann nur positiv sein.

Die Personalausstattung ist allerdings bei Weitem nicht geklärt; und damit bin ich auch schon beim Negativen.

Was mit dem großen Moloch Finanzamt Österreich einhergeht, ist ganz klar die Zentralisierung des Fachwissens. Ab Juli 2020 werden aus den bisherigen 40 Finanz- und neun Zollämtern, der Steuer- und Zollkoordination, der Großbetriebsprüfung, der Finanzpolizei und der Steuerfahndung aufgrund dieser Maßnahme der alten schwarz-blauen Bundesregierung fünf Ämter; wir haben es heute schon gehört. Diese neuen Ämter haben bundesweite Zuständigkeit. Wer verliert dabei? – Das ist ganz klar: Es sind die Länder, und das kann uns als Bundesrat wohl nicht ganz recht sein, sonst haben wir, glaube ich, verkannt, warum es den Bundesrat – der nämlich die Länder­kammer ist – überhaupt gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

In anderen Staaten werden bewusst Akzente gesetzt, um den ländlichen Raum zu fördern. Man kann da die BRD, Deutschland, erwähnen und hier Bayern als positives Beispiel anführen. Was machen wir? – Wenn wir überhaupt etwas machen, machen wir es komplett falsch! Stichwort: Übersiedlung Umweltbundesamt von Wien nach Klosterneuburg, ganze 15 Kilometer. Das wurde uns als Stärkung des ländlichen Raums verkauft. – Da lachen ja die Hühner, und zwar nicht nur die am Land! 45 Millio­nen Euro, manche Experten sprechen sogar von bis zu 50 Millionen Euro, wird das den Steuerzahler kosten.

Sonst machen wir es gar nicht und mit diesem Gesetz machen wir komplett das Gegenteil: Wir dünnen den ländlichen Raum noch mehr aus! Vordergründig macht sich die ÖVP für den ländlichen Raum stark – aber auch nur in den Medien –, in der realen Politik sieht es leider anders aus. (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz.) Österreich ist verfassungsrechtlich eine föderale Republik und besteht aus neun Bundesländern – ich hoffe, dass ich das hier niemandem erklären muss –, und dann ermöglichen wir als


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Länderkammer dem zuständigen Minister, die Finanzverwaltung weiter in Ballungs­räumen zu zentralisieren?! (Bundesrätin Schulz: Die Finanzämter bleiben ja beste­hen!) – Wo steht das? – Das steht in Ihrer Rede, aber sonst nirgendwo! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Jede große Bundesbehörde ist zu Recht in den Ländern vertreten und hat dort ihre Landesvertretung, aber wir schaffen hier am Ende des Tages mehr Zentralismus. Es hat gestern hier in diesem Haus eine Enquete gegeben, „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung“ war der Titel. In Wahrheit hätte er lauten müssen: Weg von den Menschen. Bereit für diesen Blödsinn. – Chancen der Zentralisierung. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein, nein, nein!)

Der Herr Präsident ist heute nicht da. Was er mit dieser Aussage, raus aus Wien, schon wieder meint, ist mir klar. Das kann man in das übliche bekannte Wienbashing einreihen: ein Hinschlagen, ein weiteres Hinschlagen auf unsere Bundeshauptstadt.

Ich bin strikt gegen weitere Zentralisierungsmaßnahmen und Einsparungen im länd­lichen Raum, dadurch werden Arbeitsplätze in den Regionen vernichtet. Es mag zutref­fen, dass die Bearbeitung von elektronisch abgegebenen Steuererklärungen nun schneller erfolgen kann, weil die Veranlagung an irgendeinem Standort des Finanzamts Öster­reich durchgeführt wird. Wenn, aus welchen Gründen auch immer, der Finanzminister entscheidet, Standorte zusammenzulegen, sprich, einzelne Finanzämter zu schließen, fehlt den Menschen am Land der Zugang zum Finanzamt. Den Menschen vor Ort kommen Ansprechpartner abhanden. Wir produzieren damit zusätzlichen Verkehr, Stichwort Klimawandel, Stichwort CO2-Ausstoß. Viel Glück all jenen, die für ihre Arbeitnehmerveranlagung ihren aktuellen Sachbearbeiter suchen, um vielleicht Unklar­heiten zu erörtern oder Fragen beantwortet zu bekommen. Sie werden irgendwo in der Endlosschleife hängenbleiben, sie werden nie mehr ihre Sachbearbeiter oder Sachbe­arbeiterinnen vorfinden.

Bis hinein ins letzte Jahrzehnt waren die Standorte der Finanzämter noch gesetzlich festgelegt. Später wurde das durch eine Verordnung geregelt, und künftig gibt es überhaupt nur mehr ein Finanzamt für ganz Österreich. Über die örtliche Organisation, über die Standorte haben wir keinerlei Information aus dem Ministerium.

Weniger Personal beim Finanzamt – wir haben es heute schon gehört – bedeutet auch weniger Steuereinnahmen. Der Rechnungshof hat ja berechnet, dass sich die Betriebs­prüfer und Großbetriebsprüfer ums Zigfache rechnen: Was sie uns kosten, bringen sie zigfach wieder rein.

Die Entmachtung der GKK-Betriebsprüfer wird darin ebenfalls noch einmal festge­schrieben. Das abgeänderte Prüfschema wird der Sozialversicherung mit Sicherheit auf den Kopf fallen. Vielleicht ist das ja auch gewollt, denn die Einhaltung der Arbeits­zeiten, der Stundenaufzeichnungen wird kein Mensch mehr prüfen können und prüfen.

Die Qualität der Arbeit wird also leiden, das Bürgerservice wird leiden, die ländlichen Regionen werden leiden. Wir werden aus diesem Grund, wie gesagt, diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.12


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


12.12.49

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Herr Minis­ter! Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuseher! Die Reden der Herren Günter Kovacs und Martin Weber betreffend: Ich habe mich gefragt, wie Sie es ange-


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hen werden, einer so positiven Materie etwas Schlechtes abgewinnen und vor allen Dingen dann hier glaubhaft vertreten zu können. Ich habe gut zugehört und vernom­men, dass man praktisch die Selbstverwaltung im Finanzbereich und bei den Zoll­ämtern und so weiter schützen möchte. Dem konnte ich nicht ganz folgen, muss ich ganz ehrlich sagen, Kollege Kovacs! (Bundesrätin Schumann: Das wurde auch so nicht gesagt!) Das muss man dann noch einmal - - Doch, doch, die Selbstverwaltung ist vorgekommen; wir werden es dann nachlesen können. Also dem konnte ich nicht ganz folgen.

Martin Kovacs - - (Bundesrätin Grimling: Martin Weber!) Martin Weber – Entschuldi­gung! – hat gesagt, das sei ein Zentralisierungsgesetz. Dazu muss ich auch ganz ehr­lich sagen: Hat er denn irgendwelche Vorstellungen, dass man etwas so dezentra­lisiert, dass dann der österreichische Zoll - - – ich glaube, die Kuenringer waren es mit einer Kette über der Donau –, dass man sich vielleicht dann wieder dort betätigt, oder wie stellt man sich denn das vor?

Natürlich, gewisse Sachen müssen ganz einfach zentral verwaltet werden. Das bringt die Digitalisierung aber auch mit sich, dass man nur ein System braucht, dass man auch die Userplätze und so weiter im Großen und Ganzen kaufen kann, dass die Schnittstellenprobleme endlich weg sind. In den letzten 20 Jahren konnten wir ja in den Ämtern, aber auch in der Privatwirtschaft immer wieder sehen, wie schwierig es war, die Systeme kompatibel zu machen.

Jetzt wird das an und für sich angegangen. Die Globalisierung, die Digitalisierung, die verbundene Gesellschaft ist in Veränderung, und für diese Veränderung bedarf es ganz einfach neuer Leitschienen, neuer rechtlicher Rahmenbedingungen. Es ist auch gut so, dass man das angeht und nicht verschläft, denn die Wirtschaft zum Beispiel ist uns da schon wesentlich voraus – sie wartet nicht auf irgendwelche Erklärungen, die an den Haaren herbeigezogen sind, sondern tut einfach – und überholt uns in der Politik sonst um Lichtjahre.

Dass man aus neun Zollämtern ein Zollamt Österreich macht, dem werdet ihr euch nicht verschließen können. Dass umfassende Organisationsreformen in der Finanz­verwaltung stattfinden müssen, dem werdet auch ihr zustimmen müssen. (Bundesrätin Grimling: Na, müssen tun wir gar nicht!) Oder wollt ihr einfach immer Stillstand? – Das ist es auch nicht. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann mich noch daran erinnern, als ich vor 15 Jahren zum Beispiel über die Frei­heitlichen Arbeitnehmer in einer Vollversammlung in der Arbeiterkammer gefordert habe – das war noch vor Präsident Rudi Kaske, damals war noch Kollege Tumpel Präsident –, als wir gesagt haben: 45 Jahre sind genug! Ich kann mich gut daran erinnern, dass die Sozialdemokratie damals gesagt hat: Das wollen wir nicht, den Antrag lehnen wir ab! In weiterer Folge war das so – ein Begräbnis erster Klasse –, dass das irgendwo in Verhandlungen und Diskussionen gekommen ist und dann weg war. Deswegen freue ich mich in Wirklichkeit, dass sich manche Sachen wieder ergeben und sich dann auch als Gesetz wiederfinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass es ein Amt für Betrugsbekämpfung gibt – da gehe ich auch davon aus, dass euch das nicht stört.

Das Einzige, von dem ich glaube, dass es euch stören wird, ist ganz einfach – und da frage ich mich auch, wie wir das sicherer machen können –, wie die Prüfungen der Kollektivverträge in weiterer Folge stattfinden werden. Es wird natürlich eine gemein­same Prüfung geben, die früher auf der einen Seite in der Finanz und auf der anderen Seite in den Krankenkassen stattgefunden hat – wir wissen, dass die Krankenkassen manchmal als strengere Prüfer, weil auch in der Konsequenz als diejenigen dage­stan­den sind, die praktisch mehr Erfolge für die Arbeitnehmer erzielt haben –, aber deswe-


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gen kann man doch nicht eine Reform und ein Gesetz von Haus aus einmal schlecht­reden und sagen: Dieser neuen gesamten Einheit spreche ich ab, dass sie das kann! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dann bleibt nichts mehr übrig, außer dass man dem zustimmt. Ihr könnt euch also noch immer überlegen, ob das Glas – wie Schennach gesagt hat –, halb leer oder halb voll ist. (Bundesrätin Schumann: In diesem Fall ist es leer! – Bundesrat Weber: Es ist leer!) Ich kann nur sagen, die Wirtschaft wird das brauchen.

Kollegin Zwazl ist jetzt nicht anwesend, deshalb richte ich ihr vielleicht via Bildschirm aus: Wirtschaft sind wir alle, auch ich als Arbeitnehmervertreter bin die Wirtschaft und ich bestehe darauf, dass ich die Wirtschaft bin. Nicht nur die Arbeitgeber sind die Wirtschaft, denn wir wirtschaften gemeinsam für das österreichische Wohl! – Deswe­gen müssen wir heute auch zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desminister Dipl.-Kfm. Eduard Müller. – Bitte, Herr Bundesminister.


12.18.21

Bundesminister für Finanzen Dkfm. Eduard Müller, MBA, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Gäste! Die Finanzver­waltung, das ist, glaube ich, durchgekommen, steht vor großen Herausforde­rungen – einige Punkte haben Sie vor wenigen Minuten hier beschlossen, aber es gibt darüber hinausgehend noch Veränderungen; wir leben in dynamischen Zeiten, ob wir das immer gutheißen oder nicht, steht, glaube ich, nicht zur Diskussion, sie sind Realität –, und diese Herausforderungen heißen Digitalisierung, sie heißen Globalisie­rung, heißen auch Polarisierung im Verhalten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und heißen für die Finanzverwaltung ganz im Speziellen auch Demografie, Alters­struktur unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ich habe es heute schon einmal erwähnt, ich komme aus dieser Verwaltung, ich bin, wenn Sie so wollen, ein Kind der Verwaltung, auch wenn ich zwischendurch in der Wirtschaft war. Ich kenne diese Verwaltung und ich kenne auch die Finanzverwaltung. Es macht – wenn ich mich jetzt in meine frühere Tätigkeit, egal, ob im Innendienst oder als Prüfer, aber auch in meine Funktion in der Wirtschaft als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens zurückversetze – für ein Unternehmen keinen wirklichen Unterschied, ob die Umsätze im Burgenland, in Wien und in Wien vielleicht im 1. oder 2. Bezirk gemacht werden; da rede ich noch gar nicht von den Konzernen.

Als Arbeitnehmer, als quasi Lohnsteuerzahler, schaffe ich es zu meinem Wohn­sitzfinanzamt nicht, weil mein Dienstort eben woanders ist als mein Wohnsitz und damit mein Wohnsitzfinanzamt. Und dass sich Steuerbetrüger nicht an Bezirksgrenzen halten, ich glaube, darüber werden wir wohl alle einer Meinung sein.

Daher bin ich – und da spreche ich wirklich aus der Überzeugung, weil dieses Konzept nicht nur mein Konzept ist, sondern es ist ein Konzept, das aus der Verwaltung in den letzten Jahren gewachsen, entstanden ist und auch, glaube ich, bei allem Widerstand gegen jede Art von Veränderung wirklich auch von der gesamten österreichischen Steuer- und Zollverwaltung mitgetragen wird. Mit diesem Konzept für eine Reorga­nisation haben wir – rechtzeitig noch, bevor das Moment des Handelns weg ist und wir nur mehr im Reagieren sind – jetzt noch die Möglichkeit, die österreichische Finanz­verwaltung fit für die Zukunft zu machen.

Das bedeutet für unsere Kolleginnen und Kollegen in den Dienststellen draußen eine gleichmäßige und damit auch gerechte Arbeitsverteilung, das bedeutet qualitativ hoch-


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wertige Ausbildungs- und auch Entwicklungsmöglichkeiten, auch mit der Möglichkeit zur Spezialisierung – wir sind ja auch auf der anderen Seite, in der Wirtschaft, mit einer immer stärker zunehmenden Spezialisierung konfrontiert –, das bedeutet aber auch für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schnellere Erledigungszeiten, wenn es um ihre Arbeitnehmerveranlagung, um ihre Familienbeihilfe geht.

Sie haben erwähnt: Ja dann weiß ich nicht mehr, wer mein Bearbeiter ist! – Sie dürfen nicht vergessen: Es gibt mittlerweile 5,3 Millionen ArbeitnehmerInnenveranlagungen in Österreich. Als ich – in einem südburgenländischen Finanzamt – in der Finanzver­waltung begonnen habe, waren es knapp über eine Million. Das heißt, wir schaffen diese Mengen ganz einfach nicht mehr, um nur ein plakatives Beispiel zu nennen. Das Zweite ist, dass sich die Zahl der Telefonanrufe – mittlerweile sind wir bei über fünf Millionen – allein in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Das heißt, wir müssen mit diesen Herausforderungen umgehen, und wir glauben – ich werde es noch im Detail erläutern –, dass dieses Gesetz die Rahmenbedingungen, die Möglichkeiten dafür schafft. Dass dann noch etwas passieren muss, um das Gesetz auch mit seiner Zielsetzung auf den Boden zu bringen, das ist allen bewusst.

Die Unternehmen – ich habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich habe die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer erwähnt – erhalten damit ebenfalls klare Ansprech­partner, aber durch diese quasi österreichweite Flexibilität und durch erweiterte Ser­viceangebote auch schnellere Rechtssicherheit bei Auskünften und Ähnlichem.

Die Eckpunkte – sie wurden schon genannt – kann ich kurz zusammenfassen: ein Finanzamt Österreich – anstelle von bisher 40 Finanzämtern – mit einer durchgängig digitalisierten ArbeitnehmerInnenveranlagung. Sie wissen, wir haben mittlerweile fast eine Million ArbeitnehmerInnenveranlagungen, bei denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einfach ein Schreiben erhalten mit den Fragen: Passt diese Gutschrift für Sie? – dann ist das Thema erledigt –, und: Wollen Sie noch Freibeträge geltend machen? – dann gibt es diese Möglichkeit. Es erfolgt dann relativ rasch auch die ent­sprechende Auszahlung des Guthabens. Das heißt, das ist ein Weg, den wir kon­sequent wirklich auch aus der Verwaltung heraus entwickelt haben – und ich bin froh, dass das Parlament das aufgegriffen und eben auch in verschiedenen Etappen beschlossen hat –, das ist der Weg – ich habe jetzt auch kein deutsches Wort dafür –, mit One-Stop- oder, in diesem Fall, No-Stop-Shop-Lösungen Serviceleistungen anzu­bieten.

Ich kann mich noch erinnern, bei der Familienbeihilfe für meine Kinder – da ist man eh stolz und macht das vielleicht gerne – war es noch so, dass man zum Finanzamt und aufs Magistrat und zur Sozialversicherung gehen musste. Auch das ist mittlerweile ein vollständig durchdigitalisierter Prozess, bei dem man im Spital einmal seine Personalia bekannt gibt und das dann automatisch auf digitalem Weg zur Familienbeihilfe führt, ohne dass man dafür noch als Bittsteller irgendwo auf ein Amt gehen muss.

Das ist dieser Weg. Er funktioniert nur mit einem Finanzamt, in diesem Fall eben dem Finanzamt Österreich. Dieses Finanzamt Österreich wird aber eine ganz banale Auswirkung auch in folgendem Zusammenhang haben: Sie müssen derzeit immer, wenn Sie von A nach B übersiedeln oder Ihren Sitz als Unternehmen verlegen, Ihre Aktenabtretung durchführen, kriegen eine neue Steuernummer, müssen das in Ihren Unterlagen ändern, müssen die Kontonummer ändern. Das sind eigentlich Dinge, bei denen die Unternehmen sich mit sich selbst beschäftigen, oder eben mit der Finanz, und wir in der Finanz uns mit uns selber beschäftigen, nur weil jemand vom 1. in den 2. Bezirk oder meinetwegen auch von Vorarlberg ins Burgenland gezogen ist.

Für das Finanzamt für Großbetriebe – Großbetriebe haben spezielle Anforderungen, sind tendenziell auch international tätig – braucht es Spezialisierung, aber diese Spe-


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zialisierung wird auch keine Zentralisierung sein, sondern die Zusammenführung von Prüfungs- und Abgabenbehörde, sodass wir mit sehr schnellen Auskünften – und nicht mit zwei Stellen, die sich abstimmen müssen – diese Rechtssicherheit gewähren kön­nen.

Das Zollamt Österreich – anstelle der bisherigen neun Zollämter –: Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber man kann als Unternehmen an jedem Standort, in jedem Zollamt – nicht nur in Österreich, sondern in der Europäischen Union – verzollen. Wir stehen da einfach auch im Wettbewerb. Da hat es nicht mehr die Logik: Zollamt Graz oder Zollamt Feldkirch, sondern da stehen wir als Österreich im Wettbewerb – und ich glaube, wir sind ein guter Standort für Zollabfertigung, was übrigens auch Arbeitsplätze bringt.

Wir haben auch – das betrifft eine der Maßnahmen, die vorhin auch, ich glaube ein­stimmig, beschlossen wurden – Herausforderungen zu bewältigen, wie jene, dass wir zu den bestehenden vier Millionen Zollabfertigungen jetzt mit diesen Kleinwertsen­dun­gen – 22-Euro-Sendungen – acht Millionen dazubekommen. Wenn Sie sagen, wir krie­gen, ich weiß nicht, 3 000 Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter dazu, dann freue ich mich, sobald ich wieder in meiner alten Funktion bin, aber ich bin mir nicht sicher, wie das dann meine Nachfolgerin, mein Nachfolger auch budgetär bewerkstelligen wird.

Was das Amt für Betrugsbekämpfung betrifft, so denke ich – aber diesbezüglich habe ich auch durchaus Konsens gesehen –, es braucht einfach – auch da gilt ja, wie gesagt, dass Betrüger keine Grenzen kennen, keine Bezirksgrenzen, nicht einmal nationale Grenzen – einen breiteren Ansatz, wo von der Ermittlung über die Prüfung bis hin auch zur Bestrafung – es kommt da die Finanzstrafbehörde, es gibt so etwas ja auch in der Finanzverwaltung – alles in eine Organisationseinheit integriert wird, damit wir ganz einfach den Steuerbetrug wirkungsvoller bekämpfen können und damit aber auch faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Der Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge ist ja nicht Bestandteil dieses Gesetzes – das tritt übrigens auch schon mit 1. Jänner in Kraft.

Erlauben Sie mir noch, weil ich wirklich auch um Ihre Zustimmung, wenn Sie so wollen, um Ihr Verständnis für diese Modernisierung werben möchte, einige Klarstellungen: Das ist keine Zentralisierung – wenn es eine wäre, dürfte ich nie wieder in meine Heimat im Südburgenland gehen, glauben Sie mir das!; das ist jetzt eine persönliche Anmerkung –, das ist die Möglichkeit zur Dezentralisierung. Was passiert denn?

Wir haben auch ein gesellschaftliches Phänomen, das Urbanisierung heißt – alle zie­hen in Richtung der Ballungszentren. Damit ist dort der Standort, wo die Unternehmen zu veranlagen, zu prüfen sind, wo die Familienbeihilfe abzuwickeln ist, wo die Arbeit­nehmerveranlagung durchzuführen ist. Das heißt, wenn wir nichts tun, dann haben wir das Problem, dass durch diese Urbanisierung wirklich alles schön langsam – als Folge, unabsichtlich – zentralisiert wird.

Wir haben aber gleichzeitig die Herausforderung, dass wir aufgrund unserer Demo­grafie – ich habe sie ja als Herausforderung auch beschrieben: wir halbieren uns in den nächsten zehn Jahren ungefähr, was den Mitarbeiterstand in der Finanzverwaltung betrifft – in Wien dann wahrscheinlich überhaupt nicht genug geeignete Arbeitskräfte finden werden. Das heißt, dieses Konzept ist die Möglichkeit einer Dezentralisierung. Es ist aber nicht nur die Möglichkeit, sondern Sie können auf unserer Homepage sehen, was wir derzeit gerade an ausgeschriebenen Stellen haben und was Teil dieses Konzeptes ist, das wir in jedem Fall auch umsetzen wollen, nämlich Arbeit zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verlagern.

Ich nenne jetzt nur zwei Beispiele von vielen, nämlich die sogenannten Finanz­ser­vicecenter – das sind die, wo Sie dann quasi bei Telefon- und Mailanfragen landen,


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und zwar in Villach, in Krems, in Lienz und in Rohrbach – oder Competencecenter für Familienbeihilfe – in der Weststeiermark oder im Burgenland – oder für die Erstattung von Kapitalertragsteuer von Konzernen nach zwischenstaatlichen und national­recht­lichen Bestimmungen im Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart. All das sind entweder schon umgesetzte oder gerade in Aufbau befindliche oder geplante konkrete Maßnah­men, die dann aber den entsprechenden rechtlichen Rahmen brauchen und es uns dann erleichtern, dass wir dort diese Arbeit zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bringen. (Bundesrat Schennach: Bleibt Graz noch für die EU-Bürger?)

Ja, natürlich. Es war niemals in Diskussion, ob Graz für die EU-Bürgerinnen und –Bür­ger bestehen bleibt. Im Gegenteil! Wir werden dort – das ist zwar jetzt nicht unbedingt das flache Land, sondern auch eine Stadt – ein zusätzliches Team aufbauen, weil wir auch eine neue gesetzliche Bestimmung im Zusammenhang mit der Versandschwelle haben, wodurch einfach auch zusätzlicher Arbeitsaufwand in diesem Bereich anfallen wird. – Also ja, das wird in Graz bleiben.

Das heißt, wir wollen und können mit diesem Finanz-Organisationsreformgesetz auch eine Zukunft für die Steuer- und Zollverwaltung im ländlichen Raum schaffen. Ich bin auch wirklich überzeugt davon, denn – und da rede ich gar nicht davon, dass wir damit auch durchaus international zwar nicht ganz Vorreiter, aber einer jener Staaten sind, die in der Verwaltung einen sehr, sehr modernen Weg gehen – wir haben auch einen verfassungsrechtlichen Auftrag, nämlich jenen der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Ich glaube, mit diesem Konzept können wir diesen Auftrag genauso erfüllen, wie wir eine moderne und serviceorientierte Finanzverwaltung anbieten können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.31

12.31.23


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.31.468. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesver­fassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfas­sungs­gesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden (928/A und 685 d.B. sowie 10241/BR d.B. und 10253/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. – Ich bitte um den Bericht.


12.32.09

Berichterstatter Gerd Krusche: Hohes Präsidium! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stim­menmehrheit beziehungsweise – interessanterweise – mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung SPÖ –: Das habt ihr halt ein bisschen verschlafen! Nicht zum ersten Mal!)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.


12.33.22

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Wir Sozialdemokratinnen und Sozial­demo­kraten werden der vorliegenden Gesetzesänderung nicht zustimmen. Uns ist es wich­tig, Österreich den zukünftigen Generationen als ein blühendes, lebenswertes und zukunftstaugliches Land zu übergeben. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, dann solltet ihr aber zustimmen!) Diese Investitionsbremse in der Verfassung würde verhindern, dass wir ökonomisch langfristige Investitionen tätigen können, die zum großen Nutzen der Menschen in unserem Land sind.

Man ist ja von konservativer Seite in den letzten Jahren schon über und über mit Gschichtln eingedeckt worden, mit schönen Erzählungen, die aber leider nie der Reali­tät entsprachen. Ziel aller Erzählungen war es, zu verschleiern, dass man eigentlich die Möglichkeit des staatlichen Handelns einschränken und den Sozialstaat schwächen will. Die Erzählung von der strengen Schuldenbremse ist eine weitere in dieser Reihe. Sparsam mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, umzugehen, ist eindeutig sinnvoll, nur sei davor gewarnt, für eine nette Erzählung so zu tun, als könnte man den Staats­haushalt eins zu eins mit einem Familienhaushalt gleichsetzen.

Nachhaltige Investitionen, die nach Einführung der Schuldenbremse nicht mehr mög­lich wären, sind keine Schulden, sie sind letztlich Bilanzverlängerungen. Denken Sie an eine Firma: Wenn eine Maschine auf Kredit gekauft wird, hat die Firma Verbind­lichkeiten bei der Bank, aber gleichzeitig besitzt sie die Maschine. Sie hat also weniger Barvermögen, aber im gleichen Wert gestiegenes Sachvermögen, das auch so in der Bilanz festgehalten wird. In den Folgejahren sind dann die Abschreibungen zu berück­sichtigen, und man würde keiner Firma raten, nicht für die Zukunftsfähigkeit dieser Firma zu investieren. Es gibt in Österreich bereits eine einfachgesetzliche Schulden­bremse, und das genügt, und sie funktioniert eindeutig. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

Das Budget jedenfalls braucht Flexibilität, um der Politik entsprechenden Gestaltungs­spielraum geben zu können, besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Der Sager: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!, kann im Zusammenhang mit den zu er­wartenden Strafzahlungen aus CO2-Zertifikaten, die zugekauft werden müssen und wofür der Aufwand über 6 Milliarden Euro betragen wird, nur als Zynismus verstanden werden.


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Eine zusätzliche verfassungsmäßig festgeschriebene Investitionsbremse wäre ein­deu­tig eine Klimaschutzbremse. Eine Investitionsbremse im Klimaschutz wäre ganz schlimm. Es ist mir völlig klar, dass Sie gerne die Konnotation Schuldenbremse hätten, aber in Wahrheit ist sie eine Investitionsbremse, eine Zukunftsbremse und eine Klimaschutz­bremse. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

Im Gegenteil, es wäre kräftig in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu investieren – dies auch zur Stärkung der Regionen unter dem Bundesratsmotto: Nah an den Men­schen. Investitionen in die Erneuerung von Kühl- und Heizsystemen und Maßnahmen zur thermischen Sanierung öffentlicher Gebäude, das braucht es jetzt! Mit der Zu­kunftsbremse werden Investitionen in Bildung und Forschung noch schwieriger mög­lich. ÖVP und FPÖ scheinen zu vergessen, dass öffentlichen Schulden immer auch ein öffentliches Vermögen gegenübersteht – Schienennetze, Kanalnetze, Bäder, Parks und so weiter. All das sind Teile einer Infrastruktur, die für die Lebensqualität der Men­schen ganz, ganz wesentlich sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten können nicht die Verantwortung dafür tragen, dass wir der nächsten Generation marode Schulen, marode Universitäten, ein­sturzgefährdete Brücken oder eine schlechte Infrastruktur in den Gemeinden über­geben.

Fakt ist: Es ist mehr als unklug, die günstige Zinslage, eine Negativzinslage, nicht für Investitionen zu nützen. Und Fakt ist auch, dass sich der Staat billiger als privates Kapital refinanzieren kann. Aus Erfahrung zu lernen wäre im Zusammenhang mit dieser Investitionsbremse mehr als ratsam. Deutschland hat die Schuldenbremse und würde sie so gerne wieder loswerden! Viele führende Wirtschaftsexperten betonen, wie schädlich diese angezogene Bremse für Deutschlands Infrastruktur ist. Es wird von einem verlorenen Jahrzehnt für Deutschland gesprochen, wenn man sich die Entwick­lung in der Infrastruktur, im Niedriglohnsektor oder in der Bekämpfung der Altersarmut ansieht.

Völlig zu Recht wird von Experten in Deutschland auch vor der Auswirkung der Bremse in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gewarnt. Das gilt eins zu eins auch für unser Land. Ich darf Sie an die letzte Wirtschaftskrise 2008 erinnern. Was wurde da alles von staat­licher Seite investiert, um die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise für Österreich abzufedern! Es galt, Banken zu retten, die Wirtschaft zu stützen und Arbeitsplätze zu erhalten. Für die Bankenrettung wurden 11 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Es gab Programme der Kurzarbeit: 25 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren von Kurzarbeit bedroht oder betroffen. Geförderte Weiterbildungsprogramme wurden ins Leben gerufen. Das politische Krisenmanagement in dieser Zeit unter sozialdemo­kratischer Führung war ausgezeichnet! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch in den Folgejahren ist es gelungen, das Budget sozial fair und gerecht zu kon­solidieren und zu sanieren. Niemand kann garantieren, dass Österreich nicht wieder in eine derartige Situation kommt. Wie handlungsbehindernd wäre dann eine Schulden­bremse in der Verfassung!

Man kann sich des Eindrucks leider nicht erwehren, dass die Schuldenbremse dazu genützt werden soll, den Sozialstaat noch weiter unter Druck zu bringen. Wo wird denn zuerst eingespart? – In den Leistungen des öffentlichen Dienstes, in den Gesundheits­leistungen, den Leistungen der Pflege, in den Bildungsleistungen. Gleichzeitig steigt durch diese Mittelverknappung der Druck, zu privatisieren. Wir wissen natürlich, dass Investoren bereits auf eine Privatisierungswelle des öffentlichen Eigentums warten, und das werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sicher nicht fördern.


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In diesem Zusammenhang darf ich erwähnen, wie stolz wir sein dürfen, dass es ge­lungen ist, unter der Bundesratspräsidentschaft Appé den Weg zum verfassungsrecht­lichen Schutz des Wassers zu bereiten.

Grundsätzlich spricht die Forderung nach einer Investitionsbremse in der Verfassung von einem tiefgehenden Misstrauen der Politik gegenüber ihrem eigenen Handeln, einem Misstrauen, dem wir sicher nicht Vorschub leisten werden. Wir werden nicht jenen Kräften den Weg ebnen, die mit Höchstgeschwindigkeit Privatisierungen durch­ziehen wollen, die Schwächung des Sozialstaats anstreben und denen Investitionen zum Klimaschutz nur ein Scheinanliegen sind. Uns Sozialdemokratinnen und Sozial­demokraten ist die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen wichtig, heute und auch für die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

12.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann zu Wort. Ich erteile es ihm.


12.40.49

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie hier unseren Beratungen beiwohnen oder über das Fernsehgerät oder auch über Livestream mit dabei sind! Ich habe mir jetzt gedacht, sehr geehrte Frau Kollegin Schumann, es ist spannend, wie sich Ereignisse wiederholen. Es ist mehr als ein Jahrzehnt her, dass ich damals als Mitglied der steiermärkischen Landesregierung, als Landesfinanzreferent eine Schuldenbremse in der Landesverfassung verankern wollte. Die Argumente der Sozialdemokratie sind damals wie heute ähnliche geblieben. (Bundesrätin Schumann: Sind Sie froh in einem Krisenjahr?) Ich habe das damals nicht aus Jux und Tollerei für die Landesverfassung vorgeschlagen, sondern ich habe das damals vorgeschlagen, weil ich das steirische Landesbudget krisenfest machen wollte, weil es mir ein Anliegen war, dass wir mit Sorgfalt mit dem Steuergeld umgehen, und weil ich insbesondere die Finanzierungs­fähigkeit des Landeshaushaltes sicherstellen wollte.

Zudem war damals auch eine wesentliche Frage, wie man das Rating sicherstellen kann, eine Frage, die uns auch heute auf Bundesebene immer wieder beschäftigt. Damals war die Sozialdemokratie der Meinung, dass so etwas nicht notwendig ist. Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise, die zum Zeitpunkt meines Vorschlages noch nicht vor der Tür gestanden ist, haben wir aber sehr bitter erfahren müssen, auch als Bundesland, wie schwierig es damals war, ohne eine solche Schuldenbremse, ohne ein Rating, das stabilisiert war, am Kapitalmarkt Geld aufzutreiben. Der steirische Landeshaushalt musste damals den Weg einer Anleihenbegebung gehen, die uns über Jahre im Landesbudget begleitet und auch meinen Nachfolgern nachhaltig Probleme bereitet hat. (Bundesrätin Schumann: Es wurden Arbeitsplätze gerettet!)

So gesehen, liebe Frau Schumann, verstehe ich Ihre Argumente. Ich verstehe nicht alles, was das Thema der Privatisierung betrifft, denn seinerzeit bei der Bawag wäre eine Spekulationsbremse vielleicht auch ganz nett gewesen, dann hätten wir manche Probleme auch für den Bundeshaushalt so nicht gehabt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich nehme zur Kenntnis, dass der Sozialdemokratie ihr Markenkern erhalten bleibt, dass Ihnen für das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuer­zahler nichts zu teuer ist und dass Sie im Rahmen einer ordentlichen Haushaltsge­barung - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ich verstehe schon, dass Sie das ärgert (Bundesrat Schennach: Es belustigt eher!), aber den Spiegel müssen Sie sich vor­halten lassen.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist denn eine Schuldenbremse? – Eine Schuldenbremse ist ja nichts anderes als eine Be­grenzung staatlicher Haushaltsdefizite oder eine Begrenzung von Staatsschulden. Sie verpflichtet Regierungen beziehungsweise den Finanzminister oder auch Parlamente, wie beispielsweise unseren Nationalrat oder den Bundesrat, gewisse Grenzen einzu­halten. Sie bedeutet aber nicht, dass es eine Investitionsbegrenzung ist, sondern sie bedeutet, dass ein Haushalt permanent zu reflektieren ist und im Rahmen von diesen Spielregeln die entsprechenden Investitionen selbstverständlich durchgeführt werden müssen, dass allerdings auch immer wieder ein gewisser Check eines Budgets erfol­gen muss und manche Investitionen auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft werden müssen.

Ausnahmen – und das wissen Sie ganz genau – solcher Schuldenbremsen sind für ge­wisse Anlassfälle in einzelnen europäischen, aber auch außereuropäischen Ländern durchaus angebracht. Dazu haben wir uns auch immer bekannt. Kommt es beispiels­weise zu wirtschaftlichen Verwerfungen oder zu Naturkatastrophen, ist es eine Selbst­verständlichkeit, dass von solchen Schuldenbremsen abgegangen werden kann.

Wo befinden wir uns denn aktuell? – Wir wissen, dass es solche Schuldenbremsen beispielsweise in Italien gibt, dass es solche Schuldenbremsen beispielsweise in Bul­garien gibt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir wissen, dass wir innerhalb der Europä­ischen Union – Stichwort Konvergenzkriterien vulgo Maastrichtkriterien – Spielregeln haben, was die Staatsverschuldungen betrifft und auch was die Neuverschuldungen betrifft, und dass wir als verantwortungsbewusste Politikerinnen und Politiker auch eine Sorgfaltsverpflichtung haben.

Ich war immer ein Fan davon, dass wir auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kauf­manns oder einer ordentlichen Kauffrau vorgehen, dass wir die Grundsätze der Zweck­mäßigkeit, der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit entsprechend beachten und dass wir auch zur Stabilisierung gesamtstaatlicher Haushalte beitragen. Das gilt für das Bundesbudget gleichermaßen wie für Landdeshaushalte oder die Haushalte unserer Kommunen. So gesehen ist ja auch der innerösterreichische Stabilitätspakt so etwas wie eine Schuldenbremse, wo wir uns eben einfachgesetzlich darauf verständigt haben, nicht mehr als 0,45 Prozent des BIPs Neuverschuldung zu machen. (Bundes­rätin Schumann: Haben wir eh!) – Ja, Sie haben es richtigerweise angesprochen, Frau Schumann, das haben wir, so gesehen würde dem nichts entgegenstehen, eine solche Schuldenbremse auch in der Bundesverfassung zu verankern, wofür eine Zweidrittel­mehrheit notwendig ist.

Sie werden heute den Offenbarungseid leisten. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Wenn ich es richtig gesehen habe, wollen Sie ja auch eine namentliche Abstimmung. Ich begrüße das außerordentlich, finde es sehr gut, denn dann können Sie nämlich beweisen, dass Ihnen das Geld der Steuerzahlerinnen und der Steuerzahler kein Anliegen ist und dass Sie gerne mehr ausgeben, als der Haushalt und der Steuer­zahler hergeben können und hergeben wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine solche Schuldenbremse ist ein politisches Be­kenntnis. Sie haben mit Ihren Ausführungen heute den Offenbarungseid geleistet. Es ist eine Absage an die Schuldenpolitik der Vergangenheit, es ist die Eröffnung von Chancen, insbesondere für die junge Generation. Und es kommt nicht von ungefähr, dass sich Jugendorganisationen heute schon zu Wort gemeldet haben und es sehr bedauern, dass die Sozialdemokratie einer solchen Schuldenbremse nicht beitreten kann. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir künftigen Generationen Chancen eröffnen und nicht nur Hypotheken hinterlassen. Das könnte man mit so einer Schuldenbremse auch als eine politische Willensbildung dokumentieren.


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Es ist sehr zu begrüßen, dass sich der Verschuldungspfad – und der Herr Finanz­minister hat es in seinen Ausführungen auch schon kurz angesprochen – über die Jahre deutlich ins Positive entwickelt hat und dass wir durch die Zielsetzung der voran­gegangenen Bundesregierung, es zu einer Gesamtverschuldung von unter 60 Prozent zu bringen, zumindest auf dem richtigen Weg sind. Ich habe immer gedacht, es sei im politischen Leben eine Selbstverständlichkeit, dass eine Senkung der Abgabenquote und ein ausgeglichener Haushalt Ziele sind. Die Ausführungen der Kollegin Schumann haben heute bewiesen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, und das bedauere ich außerordentlich.

Für meine Gesinnungsgemeinschaft, die Österreichische Volkspartei, ist Folgendes klar: Wir stehen für keine neuen Schulden. Wir stehen für ein ausgeglichenes Budget. Wir wollen keine neuen Steuern. Wir wollen die richtigen Reformen und eine Entlastung statt Belastung. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

12.49


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste gelangt Frau Dr.in Ewa Ernst-Dziedzic zu Wort. Ich erteile es ihr.


12.49.27

Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich finde nicht, dass Sie auf dem richtigen Weg sind, im Gegenteil: Sie sind auf dem Holzweg. In dieser Sache werden wir uns nicht einig, denn – man kann es nicht oft genug wiederholen – die sogenannte Schuldenbremse ist faktisch eine Investitionsbremse, und das ist nicht nur unverantwortlich, sondern mit weitreichenden Konsequenzen für die zukünftigen Generationen verbunden.

Wir finden, dass gerade in Zeiten, in denen öffentliche Investitionen in den Klimaschutz wichtiger denn je sind, die wirtschaftlichen Handlungsspielräume enorm eingeschränkt werden. Hinzu kommt, dass wir ja mit Deutschland eine gute Vergleichsmöglichkeit haben. Der Antrag orientiert sich, wie auch bereits jener von 2017, ganz stark am deutschen Modell, und Sie werden wissen, dass es dort mittlerweile eine breite Front von Experten aus der Wissenschaft gibt, die von diesem Holzweg abgehen möchten. Wieso? – Korinna Schumann hat schon ein paar Konsequenzen aufgezählt, darauf komme ich noch zu sprechen. Es ist mir aber hier im Bundesrat auch noch ganz wichtig, eingangs festzuhalten, dass diese Investitionsbremse vor allem auf die Länder und Gemeinden enorme Auswirkungen hat und diese im Handlungsspielraum enorm einschränken werden, und das wissen Sie! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Fakt ist nämlich, dass die Einführung dieser Investitionsbremse – ich bleibe auch dabei – in einem eklatanten Widerspruch zu ökonomischen, ökologischen, aber auch sozial sinnvollen Maßnahmen und Zielsetzungen steht, deren Inangriffnahme diese Republik jetzt gerade brauchen würde. Wieso? – Zum einen können wir ökonomische wie soziale Krisen einfach nicht bekämpfen, da stehen wir dann als Österreich faktisch auf der Bremse. Bei einer tief greifenden Finanzkrise zum Beispiel, wie wir sie 2008 hatten, ist ja die Handlungsfähigkeit des Staates per se schon eingeschränkt. In solchen Krisen muss der Staat deshalb nicht nur aktiv eingreifen, sondern ökonomisch das Richtige tun, nämlich stabilisieren und investieren. (Bundesrat Schennach: Das hat Frank Stronach nie verstanden!)

Was passiert nämlich in einer ökonomischen Krise? – Die Wirtschaftsleistung geht zu­rück, die Arbeitsplätze gehen verloren. Das führt zu einem Verlust von Erwerbs­ein-


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kommen und das wiederum zu einem Defizit des Staates, da sich erstens die Mehr­ausgaben aufgrund der Arbeitslosenunterstützung erhöhen und zweitens die Minder­ein­nahmen aus der Lohn- und Einkommenssteuer genauso wie aus den Konsum­steuern natürlich auch noch subsumieren. (Bundesrat Schennach: Das müsste die ÖVP jetzt hören, aber es sind zu wenige da!) – Ja, sie hört hoffentlich auch zu.

Wozu führt das jetzt? – Wenn wir da auf der Bremse stehen, aber mit einer Krise konfrontiert sind – und Sie werden wissen, die Krisen stehen vor der Tür, und zwar nicht nur die Klimakrise, sondern, wenn wir nach Deutschland schauen oder uns global umsehen, ist auch eine etwaige weitere Finanzkrise alles andere als ausgeschlossen – und in Österreich während so einer Krisensituation investieren und stabilisieren müss­ten, dann müssen wir beispielsweise bei der sozialen Infrastruktur entsprechend einsparen. Was bedeutet das? – Es bedeutet, dass Investitionen in die Schienen­infrastruktur, ins Gesundheitswesen, überhaupt in den gesamten sozialen Bereich näm­lich nicht nur nicht getätigt werden können, sondern dass es dort Kürzungen geben muss, ganz einfach, um die Balance wiederherzustellen.

Und nein, ich finde nicht, dass diese Ausnahmeregelungen ein geeignetes Mittel sind, um diese problematischen, krisenverschärfenden Wirkungen nur irgendwie aufzu­he­ben; zudem gibt es dazu auch überhaupt keine Methode. Sie haben sich wenig damit beschäftigt. Fakt ist, dass wir, wie ich gesagt habe, uns bereits jetzt in einer Klimakrise befinden; und diese Klimakrise bräuchte keine Bremse, sondern einen Investitions­turbo. Vor allem die NEOS, die ja nicht im Bundesrat vertreten sind, haben ja immer wieder dazugesagt, dass man sich am Schweizer und nicht am deutschen Modell orientieren solle. Fakt ist, dass aber teilweise die wesentlichen Passagen sogar wortident sind, also – auch das ist mir wichtig festzuhalten – dass es da eine Augen­auswischerei gegeben hat.

Man kann es auch nicht oft genug wiederholen, zu welch katastrophalen Zuständen die deutsche Schuldenbremse geführt hat: Jede achte Brücke ist dort in einem sehr schlechten Zustand, was die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Im Bildungsbereich gibt es in Deutschland einen immensen Investitionsstau; unbedingt notwendige Sanie­run­gen an Schulen werden somit auf die lange Bank geschoben. Was hat das zur Folge? – Rissige Decken, Hygienemängel bei Sanitäranlagen, ausfallende Heizungen an Schulen. Ich denke, das ist wahrlich kein Vorbild für Österreich. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Für uns ist auch noch etwas anderes ganz, ganz wichtig festzuhalten, nämlich dass diese Investitionsbremse in einem eklatanten Widerspruch zur Erreichung der Pariser Klimaziele steht. Jede – und das wissen Sie alle hoffentlich mittlerweile – jetzt nicht getätigte ökologische Investition wird sich bei den nächsten Generationen rächen und von diesen teuer bezahlt werden. Das gefährdet den Lebensraum nicht nur in Öster­reich, sondern hat Auswirkungen auf ganz Europa.

Zum Zweiten: Die Schuldenbremse, genannt Investitionsbremse, hebelt aus unserer Sicht auch die Demokratie aus. Sie verpflichtet nämlich das Parlament nicht, sich an gewisse Grenzen zu halten, sondern sie knebelt das Parlament beim Versuch, be­stimmte notwendige Maßnahmen überhaupt erst zu setzen. Hinzu kommt, dass, wenn eine Mehrheit im Parlament sich etwa dafür entscheidet, wegen der Klimakrise – um bei dieser zu bleiben – und deren ökologischen und sozialen Auswirkungen die öffent­lichen Ausgaben zumindest vorübergehend zu erhöhen – was sich ökonomisch im Übrigen auch langfristig rentieren würde –, das mit einer einfachen Mehrheit im Parla­ment in Zukunft nicht mehr möglich wäre. Das heißt, politische Entscheidungen würden so nicht mehr an einer demokratischen Legitimation gemessen werden, sondern wären durch genau diese verfassungsrechtliche Schuldenbremse beschnitten.


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Ein weiteres und letztes Problem aus unserer Sicht ist, dass diese Investitions­bremse – und auch dazu haben wir Erfahrungswerte – zu nichts anderem führt, als dass Bud­gettricks angewandt und Privatisierungen gefördert werden. Es bleibt auch unklar, wie die Konjunktur bei einem administrativen Defizit erfolgen soll und welche Effekte diesbezüglich überhaupt konkret berücksichtigt werden. Ich habe den Antrag von 2017 erwähnt, darin war zumindest noch ein Verweis auf das strukturelle Defizit enthalten. Jetzt wird nur mehr auf das Kontrollkonto des Stabilitätspakts verwiesen, aber eben nicht im Detail, sondern viel zu allgemein und ohne die entsprechenden Methoden anzuführen.

Halten wir also fest: Der jetzige Vorschlag entspricht dem Vorschlag von 2017. Ich weiß, Sie wollen das schon länger. Weiterhin ist das deutsche Modell Vorbild, obwohl wir wissen, welche katastrophalen Konsequenzen gerade in Deutschland aufgrund der Schuldenbremse jetzt sichtbar werden und dass dort mittlerweile eine sehr breite Front dazu rät und dafür plädiert, von diesem Weg abzugehen.

Zweitens: Sie verbauen den zukünftigen Generationen die Zukunft. Sie blockieren drin­gend notwendige Klimamaßnahmen. Sie verunmöglichen damit die Erreichung der Pariser Klimaziele. Sie stehen auf der Bremse und haben tatsächlich Scheuklappen bei der Frage der Bewältigung von Krisen auf, die tatsächlich und faktisch vor unserer Tür stehen.

Und ja, zum Glück ist der Bundesrat eine wichtige Kammer, aber ich denke, in der heu­tigen Sitzung kann er auch ein wichtiges Signal gerade an die Länder und Gemeinden aussenden, nämlich dass diese Investitionsbremse dringend gestoppt gehört und wir hier nicht nur für Stabilität in Österreich sorgen müssen, sondern dafür, dass wirt­schaftliche Handlungsspielräume erhalten bleiben. Diese brauchen wir in der ganzen Republik, aber ganz besonders in den Ländern und in den Gemeinden.

Ich bin der Meinung, Sie haben sich hier verlaufen. Der Bundesrat kann hier heute die Tür Richtung Investitionen in die Zukunft wieder aufmachen, und das ist gut so. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

13.00


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec zu Wort. Ich erteile es ihm.


13.00.21

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich diese ökonomischen – unter Anführungszeichen – „Ausflüsse“ von SPÖ und Grünen vielleicht vereinfacht zusammenfasse, dann heißt das nichts anderes als: Alle Macht geht vom Staat aus (Ruf bei der SPÖ: Nein, vom Volk!), von den selbsternannten Eliten, vom Establishment; keine Macht beim Bürger, keine Rechte beim Bürger.

Was wollen Sie errichten? Was ist der Hintergrund? Ich bin jetzt seit zehn Jahren im Bundesrat und ich glaube kaum, dass ich von den Grünen und von der SPÖ zum Thema Wirtschaft jemals etwas wirklich Essenzielles gehört habe. Sie haben vollkom­men andere Interessen. Das steht Ihnen frei und ist wahrscheinlich für Sie und Ihre Klientelpolitik in Ordnung, aber mit Wirtschaft hat das wenig zu tun.

Sie wollen ein Patrimonialsystem errichten, Abhängigkeiten und Förderungsstrukturen schaffen, damit Sie diese als Investition verkaufen können. Das ist doch der wahre Hintergrund. Das Geld wird ja nicht mehr. Wenn ich Schulden aufnehme, verlagere ich ja diese Schulden in die Zukunft (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl), denn einmal müssen sie ja zurückgezahlt werden. Oder haben Sie vielleicht vor, das Geld zu inflationieren, sodass die Kredite nichts mehr wert sind? Nur: Dann wird auch das


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 111

Vermögen nichts mehr wert sein, dann wird auch das Vermögen enteignet. (Neuer­licher Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Oder noch schlimmer: Haben Sie die Intention, das nicht mehr zurückzahlen? (Rufe bei der SPÖ: Aber geh!) Das geht aber dann schon in Richtung Betrug, würde ich sagen.

Die Schuldenbremse als etwas Wirtschaftsfeindliches zu bezeichnen, ist also art­fremd – um es einmal vereinfacht auszudrücken. (Bundesrätin Schumann: Artfremd!)

Modell für diese Schuldenbremse ist Deutschland. Das steht in den Erläuterungen, aber Deutschland hat das wiederum von der Schweiz abgeschaut. Warum die Schweiz ein um zwei Drittel höheres Volkseinkommen als wir und damit auch um zwei Drittel mehr Steuereinnahmen hat, liegt auf der Hand, aber darauf möchte ich jetzt nicht zurückkommen.

Deutschland ist für Österreich jedenfalls der größte und wichtigste Außenhan­dels­partner. Daher sollte man sich da, wie es auch richtig in den Erläuterungen angeführt ist, ein bisschen an Deutschland orientieren. Dort gibt es keine Diskussion darüber, ob diese Schuldenbremse aufgebrochen werden soll (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl) – außer vielleicht von der linken bis extrem linken Seite, die den Grünen ja so gefällt. Nein, dort gibt es die Diskussion darüber, ob das nicht durch Steuer­senkungen wieder zurückgezahlt werden soll.

Wie schaut das deutsche Budget aus? – Die haben im ersten Halbjahr 2019 bereits 45 Milliarden Euro Überschuss erzielt. Wenn man das aufs ganze Jahr rechnet, dann kommen die heuer, 2019, auf 90 Milliarden Euro. Mit dem Zehnerfaktor wären das in Österreich 9 Milliarden Euro gewesen. Sie haben Überschüsse erwähnt, sehr geehrter Herr Finanzminister. Meine Gratulation dazu, dass Sie ein Nullbudget mit vielleicht 100 oder 200 Millionen Euro an Überschüssen geschafft haben; aber das ist ja nicht die Essenz. Die Essenz ist, von dieser Schuldenpolitik endlich runterzukommen, weil sie der völlig falsche Ansatz ist und die Menschen nicht nur entmündigt, sondern durch die viel zu hohen Steuern auch enteignet. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Eine Schuldenbremse ist nichts anderes als ein wirtschaftspolitisches Steuerungs­ele­ment und beruht eigentlich auf gewissen Grundsätzen (Zwischenruf der Bundesrätin Ernst-Dziedzic) – die kann man natürlich leugnen, aber die sind gang und gäbe, die sind empirisch überprüft –, nämlich: Je höher das Wirtschaftswachstum, desto höher die Steuereinnahmen; je höher die Schulden, desto höher die Abhängigkeit vom inter­nationalen Kapitalmarkt, der gerade von der linken Seite immer so angegriffen wird.

Haben Sie sich schon einmal damit auseinandergesetzt, wie die Schulden in Öster­reich finanziert werden, wohin diese 6 bis 7 Milliarden Euro an Zinsen jährlich fließen? Mindestens 80 Prozent dieses Geldes fließt ins Ausland zu den großen Fonds, zu den ganzen Hedgefonds, zu diesen ganzen Heuschrecken, wie Sie sie nennen. Die werden dadurch gefördert, denn die finanzieren ja diesen Schuldenstaat. Das heißt, dieser internationale Kapitalmarkt wird dadurch befeuert.

Weiters, und das ist das Interessante: Je höher die Schulden, desto geringer das Wirt­schaftswachstum, desto geringer die Steuereinnahmen. Ist Griechenland euer Modell? Unser freiheitliches Modell ist es definitiv nicht. 230 Milliarden Euro haben die von der Europäischen Union an Cash erhalten, von Österreich etwa 8 Milliarden Euro, damit sie am Leben erhalten, am Tropf gehalten werden können.

Das zweite Land – das Damoklesschwert hängt darüber – ist Italien, nämlich mit einer Staatsschuldenquote von 134 Prozent. Das dritte ist Portugal, auch sozialistisch regiert. Es folgt Spanien, das wird interessant. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.)


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Dann kommt noch das Vereinigte Königreich, das ist aber hausgemacht; und dann ist schon Österreich da.

19 Länder stehen also bei der Staatsverschuldung besser da als wir, acht noch schlechter als wir. Wir sind also wieder im obersten Drittel. Wir sind bei der Staats­verschuldung im obersten Drittel, wir sind bei der Steuerquote im obersten Drittel, wir sind bei der Abgabequote im obersten Drittel. Auch bei der Abwanderung der Leistungsträger sind wir im oberen Drittel, das darf man auch nicht vergessen, denn es gibt viele, die sich das in der heutigen internationalen Welt einfach nicht mehr gefallen lassen. (Bundesrat Schennach: ... bleiben Sie, oder?)

Jeder Staatsbürger hat ein Schuldenpaket von 38 000 Euro, jeder Erwerbstätige eines von 65 000 Euro. – Das ist das Modell von SPÖ und Grünen. Wir von der FPÖ sagen dazu: Nein, danke! (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr Argument, Frau Kollegin Schumann (Bundesrat Schennach: Wir haben’s verstan­den!), ist: Es werden Investitionen getätigt, Sie werden das Geld verantwortungsvoll verwenden. Schauen wir uns doch einmal Wien an, wo Rot-Grün seit zehn Jahren re­giert und agiert! (Ruf bei der SPÖ: Bist du ein Wiener?) Seit 2008 sind die Schulden von 2 Milliarden Euro auf 7,5 Milliarden Euro gestiegen, haben sich also praktisch vervierfacht. Was ist der Grund? Schlampigkeit? Bequemlichkeit? Ich möchte nicht sagen: Faulheit? Verantwortungslosigkeit im Umgang mit den Steuergeldern? Ergeb­nis: Krankenhaus Nord – ein Fiasko, ein Desaster für die Steuerzahler! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auch Skylink ist – das muss ich Ihnen als Vielflieger sagen – eine Katastrophe! (Ruf: So ist es!) Schulden bis über die Ohren, nicht einmal bequem für die Passagiere! (Bundesrätin Grimling: Wiener! – Bundesrat Schennach: Ja, ja, passt schon! – Bun­desrätin Mühlwerth: Das hört ihr nicht so gern!) Dass die SPÖ sich am meisten auf­regt, ist klar, denn das Gewissen trägt immer am schwersten.

Nein, wir wollen das nicht. Das Beispiel Wien zeigt, um die Infrastruktur anzusprechen, dass ihr trotz U-Bahn-Steuer, die von den Unternehmern und Arbeitnehmern entrichtet wird, den U-Bahn-Bau nicht voranbringt. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dabei wäre das wirklich eine zukunftsträchtige Infrastruktur; das wird leider, leider nicht gemacht.

Das Gesetz der wachsenden Staatsausgaben gibt es wirklich, da haben Sie schon recht. Man kann Schulden machen, aber dann muss der Multiplikatoreffekt immer höher sein als die Verschuldung. Das Gesetz der wachsenden Staatsausgaben gibt es. Das hat Adolph Wagner vor 140 Jahren gesagt. (Bundesrat Steiner: Das verstehen die Sozialisten nicht!) Dafür ist er bekannt und berühmt geworden. Dieses war ungefähr bis zur ersten Ölkrise gültig, ungefähr bis Bruno Kreisky gekommen ist und sein System hier errichtet hat. Dann wurde nämlich die Schuldenmacherei höher als dieser Multiplikatoreffekt, was Auswirkungen bis in die vergangenen Jahre hatte.

Deswegen sind ja die Schulden so angestiegen. Bruno Kreisky hat angefangen mit 30 Prozent, Klaus hat aufgehört mit 14 Prozent. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bun­desrat Steiner: Zuhören!) Der Spitzensatz liegt heute beziehungsweise lag in Öster­reich bei fast 90 Prozent. Daher sind die exogenen, das heißt, die nutzbringenden Faktoren, einfach nicht mehr vorhanden, die existieren nicht mehr. Das heißt: Inves­titionsbremse, Förderung der Wirtschaft – definitiv nein zum Modell der SPÖ, das ist hinten und vorn widerlegt, wie ich hier kurz anführen durfte und konnte. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Zusammengefasst und beendend: Investitionen nicht exogen fördern! Investitionen endogen fördern, vom eigenen Ergebnis mit der eigenen Kraft! Da zählt jeder dazu,


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jeder hat eine eigene Wirtschaftskraft, das heißt: mehr persönlich verfügbares Ein­kom­men. (Bundesrat Steiner: Das versteht ihr nicht! – Ruf bei der SPÖ: Erklär’s! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Deutschland zeigt es vor, nämlich mit diesem Überschuss von 90 Milliarden Euro. Meine Achtung gilt der Finanzpolitik der Deutschen. Die wollen das mit Steuersen­kun­gen der Bevölkerung zurückgeben, und das wollen wir hier in Österreich auch leisten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.08


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ingo Appé zu Wort. Ich erteile es ihm.


13.08.54

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Besuchergalerie und zu Hause! Gestatten Sie mir kurz einen Sidestep außerhalb der Tagesordnung: Schauen Sie mich und Kollegen Ofner an! Nein, wir sind keine Zwillinge, sondern wir haben heute aus einem guten Grund die Kärntner Landestracht an: Kärnten gedenkt heute der vor 99 Jahren erfolgten Abstim­mung zum Verbleib bei der Republik Österreich. Das ist für uns ein Feiertag. Es ist aber nicht nur deswegen ein Feiertag, sondern auch, weil Peter Handke heute den Literaturnobelpreis erhalten hat. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf aber zum Tagesordnungspunkt 8 kommen, nämlich zum Thema Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung. Wie meine Vorredner bereits pro und contra ausgeführt haben, gehen hier die Meinungen sehr weit auseinander. Der Nationalrat hat beschlossen, dass die Verankerung einer Staatsschuldenbremse in der Verfassung erfolgen soll. Dieses Vorhaben umzusetzen wäre keine gute Idee. Schon im sportlichen Wettkampf gilt: Wer bremst, verliert.

Warum? – Eine Schuldenbremse führt bei Konjunkturabschwung zu wirtschaftsschäd­lichen Budgetkürzungen, öffnet die Tür für politische Willkür und lässt sowohl das aktu­elle Wohlstandspotenzial als auch jenes zukünftiger Generationen unausge­schöpft.

Ich möchte auf die Gründe eingehen, warum diese Schuldenbremse eine Klimaschutz-, eine Investitions- und eine Zukunftsbremse ist.

Keine Investitionen bedeutet Klimakatastrophe und höhere Strafzahlungen. Bis 2030 sind Investitionen von jährlich rund 3 bis 4 Milliarden Euro notwendig. Strafzahlungen von 6,6 bis 10 Milliarden Euro drohen bei Verfehlen der Ziele.

Keine Finanzierung des Klimaplans: Bis dato fehlen die Finanzierungszusagen im Rah­men des Nationalen Energie- und Klimaplans. Klimaschutz ist eine gesellschafts­poli­tische Aufgabe. Die Klimakrise ist ein klassisches Beispiel von Marktversagen. Klima­schutz ist ein öffentliches Gut, das öffentliche Finanzierung braucht. Investitionen kom­men allen zugute.

Schulden und Vermögen sind siamesische Zwillinge. Klimainvestitionen bringen mehr­fach Dividenden. Negative Zinsen – günstigere Investitionsbedingungen als jetzt gibt es kaum. Der Staat kann sich billiger refinanzieren als privates Kapital. Den Struktur­wandel begleitende Maßnahmen müssen ebenfalls finanziert werden: die Aus- und Weiterbildung, die Regionalentwicklung. Ein weiterer Punkt: Die Schuldenbremse wirkt prozyklisch. Sie verstärkt Krisen und gefährdet damit die wirtschaftliche und politische Stabilität. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein wichtiges Faktum, das heute hier schon öfter angesprochen wurde: Deutschland denkt um. Mittlerweile wird erkannt, dass diese Schuldenbremse gerade in der jetzigen


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Situation wirtschaftlicher Unsinn war. Ich denke, dass diese aufgezählten Gründe schon allein ausreichen müssten, um ein Umdenken herbeizuführen.

Es wird eine große Herausforderung für die zukünftige Regierung sein, die Klimakrise entsprechend in Angriff zu nehmen. Es wäre dringend notwendig wie auch ökonomisch und ökologisch sinnvoll und richtig, statt der Schuldenbremse diese Klimaschutz­milliar­de so rasch wie möglich im Nationalrat als Sofortmaßnahme zu beschließen.

Nicht Italien, Bulgarien oder die Schweiz sind das Vorbild für diese Schuldenbremse, sondern Deutschland. Es wurde im Ausschuss auch bestätigt, dass Deutschland als Vorbild für diese Schuldenbremse gilt. Wie schaut der Vergleich zwischen Deutschland und Österreich aus? – Deutschland weist laut Eurostat für das Jahr 2018 staatliche Bruttoanlageinvestitionen, das heißt vor der Abschreibung, im Ausmaß von 2,3 Prozent des BIPs aus, Österreich 3 Prozent, und das nicht erst seit 2018. In den vergangenen zehn Jahren investierte der Staat in Deutschland durchschnittlich 2,2 Prozent des BIPs pro Jahr und in Österreich waren es 3,1 Prozent. Die Zufriedenheit in Wien und Graz mit der Infrastruktur ist auch höher als in deutschen Städten. Eurostat fragte diese Zufriedenheit ab und bezog sich dabei auf 28 deutsche Städte sowie Graz und Wien. In den deutschen Städten waren 80,5 Prozent der Befragten sehr zufrieden oder zufrieden mit den öffentlichen Räumen wie Märkten, Plätzen oder Fußgängerzonen. In Österreich liegt die Zufriedenheit bei 88,5 Prozent. Mit dem Zustand von Straßen, Gebäuden und Umgebung waren in Deutschland 61,8 Prozent zufrieden, in Österreich 87 Prozent.

Deutschland hat ein Jahrzehnt zur Modernisierung verloren. Es wäre vieles möglich gewesen bei dieser guten Konjunktur: der Aufbau von Infrastruktur, der Kampf gegen den Niedriglohnsektor, die Bekämpfung der Altersarmut. Mit Hartz-Riester-Reformen sind Probleme allerdings verschärft worden, auch wenn partiell gegengesteuert wurde. In Summe muss man in Deutschland und damit auch in Europa aber von einem ver­lorenen Jahrzehnt sprechen. Es ist daher dringend erforderlich, diese Zukunftsbremse mit ihren negativen Auswirkungen endlich breit zu diskutieren.

Kollege Buchmann! Sie haben angesprochen, dass man den zukünftigen Generationen verpflichtet ist. Es bedarf dringend eines Mehr an Investitionen, denn Generationen­gerechtigkeit heißt nicht, marode Schulen, marode Straßen, marode Brücken, marode Krankenhäuser, ein wehrunfähiges Bundesheer, zu wenig Polizeistationen, zu wenig Pflegeheime und eine nicht intakte Umwelt zu vererben. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns als Bürgermeister stellt sich die Frage: Welche Auswirkungen hat diese Schul­denbremse auf die Gemeinden? Als ich einen Auskunftsbeamten in einer Sitzung des Finanzausschusses mit dieser Frage konfrontiert habe, erhielt ich folgende Antwort – diese wird Sie überraschen –: Er konnte es uns nicht sagen, da die Verhandlungen mit dem Österreichischen Städtebund und dem Gemeindebund noch gar nicht abge­schlossen sind. – Und wir sollen heute hier als Länderkammer die Zustimmung zur Verankerung eines Gesetzes im Verfassungsrang erteilen, obwohl hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen für unsere Gemeinden heute keiner sagen kann, wohin die Reise geht!

Hier im Bundesrat sitzen 15 BürgermeisterInnen und VizebürgermeisterInnen. Schon jetzt haben es die Bürgermeister schwer und unser Job ist nicht einfach. Mit dem Be­schluss der Schuldenbremse stehen die Bürgermeister mit einem Fuß im Kriminal. (Bundesrat Samt: Das ist jetzt aber schon leicht übertrieben! – Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.) Es kann nämlich passieren, dass wir im Feber auf Basis der Konjunkturprognosen die Erbauung eines Kindergartens beschließen, und ein Jahr später sind die Konjunkturprognosen nicht so wie vorhergesagt, die Finanzierung ist nicht mehr gewährleistet und wir haben ein Defizit gebaut. Was ist dann? – Die Bür-


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germeister, die die Investitionen vorangetrieben haben, kommen in die Situation, die Verfassung gebrochen zu haben. Wollen wir das wirklich? Oder bauen wir damit wie­der ein zusätzliches Szenario auf, um künftig noch mehr Menschen von der politi­schen Arbeit abzuschrecken?

Rückblickend auf die Enquete des gestrigen Tages möchte ich feststellen: Diese hat ganz deutlich zutage gebracht, dass bei der Stärkung des ländlichen Raums und bei der Bekämpfung der Abwanderung in die Zentralräume der Bund, die Länder und die Gemeinden vor großen finanziellen Herausforderungen stehen. Eine Investitions- und Zukunftsbremse wäre ein Todesstoß für diese Regionen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Städte und Gemeinden sind in Österreich Wirtschaftsmotoren, die sehr stark dazu beitragen, die Konjunktur zu stabilisieren und damit Beschäftigung vor Ort speziell für Klein- und Mittelbetriebe zu sichern. Denn wie heißt es so schön? – Geht es den Menschen und Gemeinden gut, geht es auch der Wirtschaft gut. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Klara Neurauter zu Wort. Ich erteile es ihr.


13.19.02

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer! Als letzter Redner, glaube ich, zu diesem Punkt (Ruf bei der SPÖ: Nein! – Bundesrat Schennach: Rednerin!) – als vorletzte – kann ich mich über manche Dinge, die von meinen Vorrednern gesagt wurden, nur wundern.

Zum Teil unsachlich, zum Teil demagogisch wurde uns ein einstürzender Staat vorge­gaukelt. Worum geht es uns aber wirklich? – Drei Fraktionen wollen eine sogenannte Schuldenbremse in die Verfassung bringen, eine Begrenzung der Defizite der öffent­lichen Haushalte. Von einer Investitionsbremse oder -sperre keine Spur!

Angesichts der öffentlichen Verschuldung im letzten Jahrzehnt ist das Vorhaben wich­tig, in konjunkturell hervorragenden Jahren einen Überschuss für notwendige Inves­titio­nen in mageren Jahren zu schaffen. In Österreich wäre der Haushalt dann über einen kompletten Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen. Ich darf daran erinnern, dass es im Jahr 2016 noch eine Verschuldung von 83 Prozent des BIPs gegeben hat, 2017 hat das die Regierung schon auf 78,8 Prozent heruntergebracht. (Bundesrat Schennach: Wer war da in der Regierung?) 2018 war das noch besser, nämlich bei 73,8 Prozent, und für 2023 haben wir uns vorgenommen, die Staatsverschuldung auf unter 60 Pro­zent zu drücken. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, ja, wir haben derzeit eine gute Kon­junktur, und wir müssen den Unternehmen und den Betrieben mit allen ihren tüchtigen Mitarbeitern für ihre Steuerleistungen danken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir müssen die Mittel mit Augenmaß verwenden und dürfen keine neuen Schulden machen. (Bundesrat Schennach: Die Bankenrettung habt ihr vergessen!) Ja, wir wollen, dass es gut weitergeht und auch künftig keine neuen Schulden auf Kosten der nachfolgenden Generationen gemacht werden. Wir wissen alle: Einmal müssen die Schulden zurückgezahlt werden.

Warum soll die Schuldenbremse in die Verfassung? – Wir haben ja bereits eine Art Schuldenbremse durch den europäischen Stabilitätspakt, mit dem aber bisher immer wieder sehr kunstvoll umgegangen wurde. Ein Gesetz im Verfassungsrang hat, wie Sie alle wissen, eine besondere Bedeutung und würde zeigen, dass wir es mit dem Sparen in der guten Zeit wirklich ernst meinen, um dann in konjunkturell schwierigen Zeiten ein


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prall gefülltes Konto für Investitionen und Anreize für ein Anspringen der Konjunktur zur Verfügung zu haben.

Ich wiederhole: Eine Schuldenbremse ist keine Investitionsbremse. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Doch! – Bundesrat Schennach: Aber voll!)

Damit sagen wir nur einfach ganz klar: Wir wollen weiterhin eine Politik ohne neue Schulden. Die Argumentation, dass besonderen Notwendigkeiten wie zum Beispiel dem Klimaschutz nicht mehr entsprochen werden könnte, kann man nicht gelten las­sen. Sie stimmt nicht. (Bundesrat Schennach: Das wird nur behauptet, aber nicht erklärt!) Sie sprechen hier wider besseres Wissen! Besonderen, außergewöhnlichen Notwendigkeiten kann man immer begegnen, dafür gibt es Ausnahmen.

Wir wollen mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einfach sorgsam um­gehen und es in die richtigen Maßnahmen - - (Bundesrat Schennach: Wir auch!) Ja, in die richtigen Maßnahmen investieren! Denken Sie an die letzten Jahrzehnte! (Bundes­rätin Grimling: Da wart ihr immer dabei!) Das war schon schwierig, und auf Wien möchte ich gar nicht erst eingehen. (Heftiger Widerspruch bei der SPÖ.)

Budgettricks werden vermieden. Die Zukunft wird ermöglicht. Die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse bezeugt den gemeinsamen Willen, die Ausgaben in guten Zeiten zu beschränken, um in schlechten Zeiten von den Überschüssen zehren zu können. Bitte stimmen Sie diesem guten Gesetzesvorhaben zu! Es gibt kein echtes Argument dagegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.23


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile es ihm. (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Kaske –: Ist der Becher halb voll? – Bundesrat Kaske: Der ist voll! – Bundesrätin Mühlwerth: Oder halb leer?)


13.24.06

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Galerie und Damen und Herren, die via Livestream und ORF III dabei sind! Wider besseres Wissen plädieren ÖVP, FPÖ und NEOS für eine Schuldenbremse in der Verfassung. Ich sage Ihnen, meinen Damen und Herren: Wer heute nicht in die Zukunft investiert, verspielt die Zukunft unseres Landes! (Beifall bei der SPÖ.)

Erinnern wir uns doch an die Jahre 2008, 2009! Hätte es damals eine Schuldenbremse in der Verfassung gegeben, hätte die Regierung während der Wirtschaftskrise keinen Ent­scheidungsspielraum gehabt. Weder Investitionen – das wurde heute schon ange­sprochen – noch die Stützung der Sozialausgaben, noch Krisenprogramme wie Kurz­arbeit oder staatliche Garantien für Bankguthaben wären möglich gewesen. Rück­blickend sind wir dank einer klugen Politik viel besser durch die Krise gekommen als viele andere europäische Staaten. Und das erlaube ich mir als Sozialdemokrat zu sagen: Das ist der sozialdemokratischen Handschrift zu verdanken, auch wenn Sie das vielleicht nicht wahrhaben wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Stimmt! Wir sehen, was wir den Sozialdemokraten zu verdanken haben!)

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ – die NEOS sind ja nicht im Bundesrat vertreten –, Sie wollen eine Investitionsbremse, Sie wollen eine Wachstumsbremse und Sie wollen eine Zukunftsbremse in der Verfassung verankern. (Bundesrat Samt: Stimmt nicht! Stimmt nicht! Stimmt nicht! Und wenn Sie es noch dreimal sagen, es wird dadurch nicht wahrer! Wir wollen eine Zukunft ohne Schulden für die jungen Men­schen!) Der klare Verstand würde Ihnen eigentlich sagen, dass Ihr Ansinnen, eine ver-


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fas­sungsrechtliche Schuldenbremse einzuführen, ein Irrweg ist, der verschiedenste öffentliche Investitionen verhindern würde. (Präsident Bader übernimmt den Vorsitz.)

Es wurde heute schon angesprochen: In der Bundesrepublik Deutschland ist spät aber doch zumindest unter Wissenschaftlern die Erleuchtung eingekehrt, dass eine staatliche Schuldenbremse der falsche Weg ist. Wie schon Kollegin Schumann aus­geführt hat, spricht man heute von einem verlorenen Jahrzehnt für die Bundesrepublik. In vielen öffentlichen Bereichen sind in der Bundesrepublik Investitionen im wahrsten Sinn des Wortes auf der Strecke geblieben. Der Vergleich macht uns sicher, wenn man zum Beispiel die Investitionen in die österreichische Bahn mit jenen in die deutsche Bundesbahn vergleicht. Daher plädieren immer mehr Verantwortungsträger in der Bundesrepublik für eine Abkehr von diesem Irrweg.

Jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt hat, weiß doch, dass öffentliche Schulden per se nicht schlecht sind, denn nachhaltige öffentliche Investitionen sind keine Schul­den, sondern eine Bilanzverlängerung. (Bundesrat Preineder: Ja, das dauert alles noch länger!)

Übrigens halten auch die NEOS von der deutschen Schuldenbremse nichts. Auch das wurde schon angesprochen. Sie wollen eher eine Ausgabenbremse nach Schweizer Vorbild.

Interessant, meine Damen und Herren von der ÖVP beziehungsweise FPÖ, finde ich auch Ihre ständigen Anwürfe, dass wir nicht in der Lage wären, keine Schulden zu machen. Ich darf festhalten, dass die Investitionen von heute für die kommenden Ge­nerationen unschätzbare Vorteile bringen, sei es in der Infrastruktur, sei es in der Bildung, sei es aber auch beim Klimaschutz. All diese generationsübergreifenden Investitionen machen unser Land so lebenswert, so stark und auch so nachhaltig. Daher braucht es heute Investitionen, die vorfinanziert werden, damit wir morgen weiterhin in einem Land leben, das von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität geprägt ist. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Übrigens, meine Damen und Herren, weil Sie sich gerade so alterieren: Spannend finde ich, dass Sie sich so vehement für eine Schuldenbremse in der Verfassung aussprechen. Wenn es jedoch um Ihren eigenen Klingelbeutel geht, sprich um die Parteifinanzen, ist von Schuldenbremse keine Rede. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist die Wahrheit. Ich zitiere aus einer der letzten Ausgaben einer Wochen­zeit­schrift. Dort stand zu lesen: „Die ÖVP ganz ohne Schuldenbremse“. Da schreibt der Redakteur: „Wenn eine Partei Wirtschaftskompetenz und ein Ende der Schuldenpolitik verspricht und selbst mit Millionen in der Kreide steht, ist die Glaubwürdigkeit dahin.“ (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Köck: Falter? – Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.)

Das gilt übrigens auch für die FPÖ, möchte ich bei der Gelegenheit auch sagen. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, die Wahrheit ist zumutbar, Frau Kollegin. Das möchte ich bei der Gelegenheit auch sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Im Gegensatz zur SPÖ ist die FPÖ nicht pleite!)

Daher, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, wird es diese verfas­sungsrechtliche Bestimmung nicht mit uns geben, denn wir stehen für Investitionen, für Innovationen und für Klimaschutz. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Der Haufen ist total pleite!)

Meine Damen und Herren! Eine Gefährdung von österreichischen Arbeitsplätzen, Pensionen und der gesamten österreichischen Wirtschaft kommt für uns nicht infrage.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 118

Daher sagen wir klar Nein zu dieser Schuldenbremse in der Verfassung, denn das darf kein schwarzer Tag für Österreich und für Österreichs Zukunft werden.

Lassen Sie es mich daher auf den Punkt bringen, beziehungsweise möchte ich Ihnen von der ÖVP und Ihnen von der FPÖ Folgendes mit auf den Weg geben: Wer bremst, verliert! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Ja, das seid jetzt ihr!)

13.31

13.32.00


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit von Mitgliedern des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsge­mäße Zustimmung zu erteilen.

Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesrätinnen und Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzu­führen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“, was keine Zustimmung bedeutet. Ich bitte um deutliche Stimmabgabe.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesrätinnen und Bun­desräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Beer geben die BundesrätInnen ihr Stimmver­halten mündlich bekannt.)

*****


Präsident Karl Bader: Jawohl, ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 119

Für die Stimmenauszählung unterbreche ich kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13.39 Uhr unterbrochen und um 13.41 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Ich nehme somit die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungs­ergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, bei 61 abgegebenen Stimmen 38 „Ja“-Stimmen und 23 „Nein“-Stimmen. (Bundesrat Schennach: Schaden ist abgewehrt!)

Der gegenständliche Antrag ist somit nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen. Ein Beschluss, dem vorliegenden Beschluss gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist mangels der erforderlichen Zweidrittelmehrheit nicht zustande gekommen.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Aschenbrenner;

Bader, Berger-Grabner, Bernard, Brunner, Buchmann;

Ecker, Eder-Gitschthaler, Ess;

Gfrerer;

Hackl, Holzner;

Köck, Krusche;

Längle;

Mattersberger, Miesenberger, Mühlwerth;

Neurauter;

Ofner;

Pisec, Preineder;

Raggl, Rösch;

Samt, Saurer, Schererbauer, Schilchegger, Schulz, Schwindsackl, Seeber, Spanring, Sperl, Steiner, Steiner-Wieser;

Wagner;

Zeidler-Beck, Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé;

Beer;

Ernst-Dziedzic;

Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 120

Hahn;

Kahofer, Kaske, Koller, Kovacs;

Lancaster, Leitner;

Novak;

Prischl;

Reisinger;

Schabhüttl, Schennach, Schumann, Stögmüller;

Wanner, Weber;

Zaggl.

*****

13.42.209. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (941/A sowie 10238/BR d.B. und 10255/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Ich begrüße dazu wieder Frau Bundesministerin Dr. Brigitte Zarfl.

Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Ich bitte dich um den Bericht.

13.42.52


Berichterstatterin Marlies Steiner-Wieser: Sehr geehrter Vorsitzender! Werte KollegInnen! Geehrte Regierungsmitglieder! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 19.9.2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. Ich erteile ihr dieses.


13.43.39

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Wir alle brauchen Arbeit, und die suchen wir. Wir sind verpflichtet, Arbeit zu suchen, und auch der Arbeitsmarkt ist verpflichtet und aufgefordert, da aktiv zu sein.

Das gemeinsame Bestreben muss es auch sein, ältere Personen, die länger arbeitslos waren, wieder in Beschäftigung zu bringen. Erfreulich entwickeln sich die Arbeitslosen­zahlen, die Beschäftigung steigt. Trotzdem waren Anfang September 331 000 Perso­nen ohne Beschäftigung, mehr als 94 000 arbeitssuchende Personen sind über 50 Jahre


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alt. Diese Zahlen tun weh, denn diese Personen haben großartige Qualifikationen und blicken auf eine langjährige Berufserfahrung zurück.

Wir wissen, dass die Unternehmen viele qualifizierte Arbeitskräfte benötigen. Es ist wichtig, dass wir Unternehmer und Arbeitssuchende zusammenbringen.

Die bisherigen Bemühungen, wie die Aktion 2 000, die von der SPÖ gewünscht war, war leider nicht zu Ende gedacht. (Bundesrat Schabhüttl: 20 000!) 20 000, aber ihr wisst, was ich meine! (Bundesrätin Schumann: Ja!) Die war leider nicht zu Ende gedacht. Sie hat dem aktiven Arbeitsmarkt nicht wirklich gedient, da sie nicht alle betroffenen Arbeitslosen über 50 im Fokus hatte. Die Aktion war gut gemeint, aber schlecht umgesetzt, denn die SPÖ-Förderung hat sich bei 94 000 Arbeitssuchenden über 50 nur an 20 000 gerichtet, es wurde auf öffentliche Rechtsträger und gemein­nützige Unternehmen beschränkt, die Wirtschaft wurde ausgeschlossen.

Die ist aber der eigentliche Jobmotor in unserer Republik, deshalb war die Aktion 20 000 von Anfang an völlig zu Recht sehr umstritten und wurde 2017 richtigerweise einge­stellt, denn es hat sich gezeigt: Mit dem Ende der Förderung im öffentlichen Bereich war auch der Job weg. (Bundesrat Schabhüttl: Das war ... SPÖ ...!)

Wenn man bedenkt, dass die Kosten pro Arbeitsplatz zwischen 27 000 und 39 000 Euro lagen, sind diese wegen der fehlenden Nachhaltigkeit einfach zu hoch. Mit diesem Geld hätte man auf jeden Fall in der Privatwirtschaft viel mehr fördern können. Es wundert mich schon sehr, dass da teilweise verantwortungslos argumentiert wird, denn verantwortungsvolle Politik hat für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen sowie zukunftsweisend zu sein, und die Arbeitsmarktpolitik hat echte Akzente für nachhaltige Arbeitsplätze zu setzen, bei denen durch Leistung auch Geld verdient werden kann.

Es braucht aber auch bei einer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik gute praxisorientierte und arbeitsschaffende Ideen und keine schnellen Rezepte, die, wie wir wissen, nicht funktionieren können.

In diesem Gesetzentwurf wird nicht nur der öffentliche Bereich sondern auch die Wirtschaft berücksichtigt, daher können wir diesem nur zustimmen. Ich hoffe auf praxistaugliche Anwendungen – ohne zusätzliche Bürokratie – für die Wirtschaft, denn die Wirtschaft möchte Arbeitsplätze schaffen, durch die man mit Leistung Geld verdient.

Zum Schluss möchte ich noch festhalten, dass auch wir in der Wirtschaft alles daran­setzen, Personen über 50, die auf Jobsuche sind, die Perspektiven für einen neuen Job mit Qualifizierungen, Schulungen, Kombilohn und Eingliederungshilfen zu erwei­tern. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.48


Präsident Karl Bader: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Bet­tina Lancaster. Ich erteile ihr dieses.


13.48.43

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Minister! Geschätzte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor Ort und via Livestream! Ältere Arbeitnehmer und -nehmerinnen haben es am Arbeitsmarkt trotz oftmals guter Ausbildung schwer und sind überdurchschnittlich oft von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen.

In Oberösterreich, meinem Heimatbundesland, hat sich die Zahl der Arbeitslosen 50 plus in den letzten sieben Jahren verdoppelt. Wer einmal als älterer Arbeitsloser abgestempelt wird, hat schlechte Chancen, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzufinden.


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Die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ist für diese Gruppe ohne spezielle Unterstützung oder Förderung nur sehr schwer möglich.

Kern und Mitterlehner haben im Juni 2017 die Aktion 20 000 gestartet, um dieser Gruppe bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu helfen. Es wurden in öffentlichen und gemeinnützigen Einrichtungen sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen. Den Staat hat es pro Anstellung geringfügig mehr gekostet als die Arbeitslosigkeit.

Menschen, die ihre Hoffnung auf Arbeit längst aufgegeben hatten, fanden neuen Lebensmut. In der Modellregion Villach haben 36 Menschen, die die Hoffnung schon aufgegeben hatten, durch die Aktion 20 000 einen Job bekommen. Die Aktion 20 000 half aber nicht nur den Betroffenen selbst, wie das Beispiel Ebensee gezeigt hat. In dieser großen Gemeinde in Oberösterreich haben Langzeitarbeitslose ältere Men­schen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, zum Preis eines Öffitickets zum Arzt gefah­ren.

Durch die Aktion 20 000 sollten 20 000 ältere Arbeitslose bis Juni 2019 in Beschäfti­gung gebracht werden. Das wäre geglückt, hätte die Regierung Kurz/Strache nicht die Aktion 20 000 abgeschafft. Anstelle der beschlossenen 20 000 Arbeitsplätze wurden 3 755 umgesetzt. (Bundesrat Spanring: Hat sogar das AMS gesagt, dass es Blödsinn ist!) – Hätte man die Aktion 20 000 konsequent fortgesetzt, hätte man in dieser Altersgruppe zumindest einen Rückgang der Arbeitslosigkeit um mehr als 20 Prozent erreichen können. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist unrealistisch!)

In der Nationalratssitzung am 29. September wurden auf Initiative der Sozialdemo­kratie 50 Millionen Euro zusätzliche Förderungen für Langzeitarbeitslose über 50 auf den Weg geschickt. (Beifall bei der SPÖ.) Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über die Aktion 20 000 Beschäftigung gefunden haben, können nun auch über den Förderzeitraum hinaus gefördert werden. Dem AMS steht quer über alle Maßnahmen für die Zielgruppe 50 plus für die Jahre 2019 und 2020 mehr Geld zur Verfügung. Dies ist dringend notwendig; derzeit sind rund 94 000 Menschen über 50 arbeitslos. Es ist höchste Zeit zu handeln, denn die Prognosen zeigen einen weiteren Anstieg der Ar­beitslosigkeit für das kommende Jahr.

Als Sozialdemokratin bin ich höchst erfreut, dass es zu einem Konsens über die För­derung von älteren Arbeitslosen gekommen ist. Die alten Bestimmungen der Aktion 20 000 werden erweitert. Wir Sozialdemokraten sprechen von der Aktion 20 000 Neu. Frisches Geld wird für die Zielgruppe der Aktion 20 000 investiert: Ziel erreicht! Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gelangt Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile das Wort.


13.53.13

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Wir alle sind uns darüber einig, dass die Bevölkerungsgruppe der über 50-Jährigen ein Problem am Arbeitsmarkt hat.

Die aktuelle Statistik vom September zeigt leider gerade bei dieser Gruppe – neben der Gruppe der Behinderten – wieder einen leichten Anstieg der Arbeitslosenrate. Nun, wenn man sich damit ernsthaft befassen will, dieses Problem zu lösen, muss man sich den Ursachen widmen. Was sind denn die Ursachen dafür, dass ältere Menschen mehr von Arbeitslosigkeit betroffen sind als die übrigen Bevölkerungsgruppen? – Es sind einmal die Kosten für die Betriebe. Wir haben ein Entlohnungssystem in Öster-


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reich – das will ich jetzt nicht kritisieren –, das ist folgendermaßen: Je älter ein Arbeit­nehmer ist, desto mehr Lohnkosten verursacht er.

Unternehmen haben auch Angst vor verlorenen Investitionen, beispielsweise durch Qualifizierungsmaßnahmen. Wenn ich als Unternehmen Geld in einen älteren Arbeitnehmer investiere, habe ich dann noch einen entsprechenden Return on Invest­ment oder geht der Arbeitnehmer dann schon vorher in Pension?

Es gibt auch die Angst vor mehr Krankenständen in dieser Bevölkerungsgruppe. Tat­sächlich ist die Krankenstandsquote in dieser Gruppe ansteigend, bemerkens­werter­weise mit ungefähr derselben Steigerung wie die Arbeitslosenquote. Das betrifft aber interessanterweise hauptsächlich lange Krankenstände und keine Kurzzeitkranken­stände. Bemerkenswert ist, dass bei den Arbeitnehmern über 65 die Krankenstands­quote wieder auf das Niveau der 30- bis 40-Jährigen absinkt. Man kann also davon ausgehen, dass offensichtlich jene, die freiwillig länger arbeiten, tatsächlich auch ent­sprechend gesund sind. (Bundesrätin Schumann: Ja besonders am Bau!)

Dann gibt es noch sonstige, schwerer greifbare und nicht wissenschaftlich so leicht belegbare Ängste der Arbeitgeber: Ältere sind langsamer, sie sind weniger belastungs­fähig, nicht so stressbelastbar oder resistent gegen Veränderungen – Change heißt das jetzt im modernen Slang. Wohl aber bin ich der Überzeugung, dass diese Ängste oder diese Gefahren für einen Arbeitgeber durch die positiven Effekte älterer Arbeit­nehmer, nämlich ihre Erfahrung, ihre Routine und vor allem ihr Wissen, kompensiert werden. Das beweist auch die Tatsache, dass ältere Menschen überwiegend nicht des­halb arbeitslos sind, weil sie sozusagen aus „Jux und Tollerei“ – unter Anführungs­zeichen – entlassen werden, sondern weil sie durch sonstige Umstände – Firmen­pleiten, Personalreduktionen genereller Art, was auch immer – in die Arbeitslosigkeit kommen und dann keinen neuen Arbeitgeber finden.

Um diese Ursachen zu bekämpfen und um die Arbeitslosigkeit zurückzudrängen, muss man also bei diesen Ursachen ansetzen. Eine Möglichkeit, aber natürlich mit lang­fristiger Wirkung, sind auch entsprechende Investitionen in die Gesundheitspolitik, Ge­sundheitsvorsorge et cetera.

Eine ganz wichtige Möglichkeit ist die steuerliche Entlastung von Arbeit. Wir haben heute einen ersten Schritt gesetzt; leider sind die folgenden Schritte durch die Tatsache, dass die ÖVP die Regierung hat platzen lassen (Heiterkeit bei der ÖVP), jetzt ins Stocken geraten. (Bundesrat Samt: Das ist so, da gibt es nichts zu lachen!)

Was wir mit diesen 50 Millionen Euro für zwei Jahre heute hier beschließen, ist also sozusagen eine Art Soforthilfemaßnahme, um möglichst schnell eine Wirkung erzielen zu können. Ziel darf es dabei nicht sein, die älteren Menschen – ich sage das jetzt unter Anführungszeichen – „zu beschäftigen“, sondern sie müssen als produktiver Teil der Arbeitswelt integriert werden. Da bin ich nicht ganz bei Frau Kollegin Lancaster, denn beschäftigen allein ist zu wenig (Beifall bei der FPÖ), denn beschäftigen muss nicht eine persönliche Befriedigung in der Arbeit bedeuten.

Wenn Sie ein Beispiel von 36 Personen nennen und im selben Atemzug sagen, es geht um über 90 000 Arbeitslose in dieser Altersgruppe, so ist das nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf der Bundesrätin Lancaster.)

Ich hoffe, dass diese Maßnahme, die wir heute beschließen, zielgerichteter sein wird und tatsächlich wieder mehr Menschen in eine sinnvolle und für sie befriedigende Beschäftigung bringen wird. Das entbindet die zukünftige Bundesregierung aber nicht von ihrer Verantwortung, langfristig Lösungsansätze zu finden, um dann nicht wieder in


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die Situation zu kommen, kurzfristig irgendwelche Schnellschüsse machen zu müssen, um die größte Not zu lindern. Das Problem muss wirklich nachhaltig gelöst werden.

Das wird nicht von heute auf morgen gehen, aber mit einer guten Arbeitsmarktpolitik, mit einer guten Steuerpolitik wird das hoffentlich gelingen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.59


Präsident Karl Bader: Als Nächste ist Frau Bundesministerin Dr. Brigitte Zarfl zu Wort gemeldet.

Bevor ich ihr das Wort erteile, darf ich mit den Worten: Aller guten Dinge sind drei!, eine weitere Besuchergruppe aus meinem Heimatbezirk Lilienfeld begrüßen. Dieses Mal ist die Besuchergruppe der Pensionistenverband meiner Gemeinde Rohrbach an der Gölsen mit dessen Vorsitzender Monika Fasching. Herzlich willkommen im Plenum des Bundesrates, ich freue mich, dass ihr da seid! (Allgemeiner Beifall.)

Liebe Frau Bundesministerin, nun gelangen Sie zu Wort. – Bitte.


14.00.39

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Dr. Brigitte Zarfl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Liebe Lilienfelder und Lilienfelderinnen! Ich rede hier nun als Arbeits­ministerin zu Ihnen.

Wir haben in den letzten Jahren eine sehr gute Arbeitsmarktlage zu verzeichnen ge­habt, die auch der sehr guten Wirtschaftsentwicklung geschuldet war. Der Herr Bun­desrat, der vor mir gesprochen hat, hat aber darauf hingewiesen, dass wir in den letzten Monaten dennoch wieder im Bereich der älteren Beschäftigten am Arbeitsmarkt Entwicklungen gesehen haben, die gezeigt haben, dass wir weiterhin Bemühungen in diesem Bereich setzen müssen.

Die Gruppe der älteren Beschäftigten ist eine, die nicht nur von der positiven Wirt­schaftsentwicklung allein abhängig ist, sondern sie wird auch aufgrund der demo­grafischen Entwicklung an sich wachsen.

Das heißt, wir sind insgesamt dazu aufgefordert, ein weiteres Maßnahmenbündel zu schnüren, mit dem wir Menschen qualifiziert in Beschäftigung halten können, um unserem Arbeits- und Wirtschaftssektor die erforderlichen Kompetenzen, die wir in den nächsten Jahren ohne Zweifel brauchen werden, zur Verfügung zu stellen.

Die heute schon mehrfach angesprochene Aktion 20 000 ist derzeit noch nicht ab­schließend zu beurteilen, weil mir als zuständiger Ressortministerin die Ergebnisse der Evaluierung noch nicht vorliegen. Die Aktion endete erst im Sommer und jede sach­gemäße Evaluierung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen braucht eine Nach­lauf­zeit von drei Monaten. Das heißt, wir werden valide Evaluierungsergebnisse dazu im November präsentieren können, und ich werde diese natürlich auch dem Parlament zur Verfügung stellen.

Die nun beschlossenen zusätzlichen Mittel für das Arbeitsmarktservice für die weiteren Aktivitäten im Bereich der Älteren sind aber dennoch wichtig und werden im nächsten Jahr, auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem Evaluierungsergebnis der Aktion 20 000, für neue spezifische Maßnahmen verwendet werden.

Es freut mich besonders, dass es dem Finanzminister und mir gelungen ist, die Finan­zierung für das Arbeitsmarktservice insgesamt für die Zeit des Budgetprovisoriums im kommenden Jahr außer Streit zu stellen, sodass die grundlegenden Maßnahmen, die


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das AMS in die Wege geleitet hat, ohne budgetbedingte Einschnitte weitergeführt wer­den können. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.03

14.03.48


Präsident Karl Bader: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.04.22 10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. September 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Land­arbeitsgesetz 1984 geändert werden (577/A sowie 10245/BR d.B. und 10256/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Nunmehr gelangen wir zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Ich bitte um den Bericht.


14.04.47

Berichterstatterin Marlies Steiner-Wieser: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte und liebe Zuschauer! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Be­schluss des Nationalrates vom 26. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Ich danke sehr herzlich für den Bericht.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Bevor ich die erste Rednerin zu Wort kommen lasse, darf ich auf der Galerie Herrn Bundesratspräsidenten außer Dienst Edgar Mayer sehr herzlich willkommen heißen – grüß Gott! (Allgemeiner Beifall.)

Als Erste ist Frau Bundesrätin Andrea Holzner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


14.06.15

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesminister! Liebe Gäste auf der Galerie! Geehrte Zu­schauer via Livestream! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf meine Rede mit ein paar Zahlen beginnen: 2017 hat es in Österreich 2 634 Pflegekarenzgeldbezieher gegeben. Davon entfällt der Großteil, nämlich über 60 Prozent, auf die Pflege von älteren Menschen, 22 Prozent auf die Begleitung schwer kranker Kinder und 21 Pro­zent auf die Sterbebegleitung, also die Familienhospizkarenz.


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Mit diesem nun vorliegenden Entwurf wird eine freiwillige Vereinbarung in einen Rechtsanspruch umgewandelt, und zwar in einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz beziehungsweise Pflegeteilzeit für die Dauer von vier Wochen in Betrieben ab fünf Mitarbeitern. Das Ganze wird auch vom Staat getragen, beispielsweise im Jahr 2017 mit Kosten von 7,8 Millionen Euro.

Das bedeutet für die zu Pflegenden einfach Sicherheit, weil damit der Zeitpuffer vor­handen ist, der notwendig ist, um etwas neu organisieren zu können, und für die pfle­genden Angehörigen Erleichterungen, weil es ein gewaltiger Stress ist, wenn plötzlich jemand zu pflegen ist, sich der Zustand drastisch verschlechtert oder Betreuungs­personal ausfällt. Für die Unternehmen bedeutet das natürlich einen großen organi­sato­rischen Aufwand, aber Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, und wir alle sind bereit, ein Altern in Würde zu ermöglichen und pflegende Angehörige zu entlasten.

Es ist Konzept der Volkspartei, dass man darauf schaut, dass es für alle zu Pflegenden das Angebot gibt, das für sie passt, sei es in den eigenen vier Wänden oder in einer Einrichtung, wenn es daheim nicht mehr geht.

Ich möchte an dieser Stelle allen pflegenden Angehörigen und dem gesamten Pflege­personal in den Pflegeeinrichtungen höchsten Dank ausrichten und ihnen gegenüber meinen größten Respekt zum Ausdruck bringen, denn es ist eine unwahrscheinlich wertvolle Aufgabe, die da erfüllt wird – herzlichen Dank!

Ich denke, es gibt einen einstimmigen Beschluss zu diesem Antrag. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

14.08


Präsident Karl Bader: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.


14.08.57

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseherinnen und Zuseher, Zuhörer und Zuhörerinnen zu Hause! „Geben Sie dem Arbeiter das Recht auf Arbeit, solange er gesund ist, sichern Sie ihm Pflege, wenn er krank ist, sichern Sie ihm Versorgung, wenn er alt ist.“

Mit dem zum Beschluss vorliegenden Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz geändert werden, wird dieser Forderung – die übrigens nicht von einem Sozialdemokraten stammt, obwohl es die Inhalte der Sozialdemokratie sind, sondern von Otto von Bismarck geprägt wurde – in hohem Ausmaß Rechnung getragen.

Als Sozialdemokratin kann ich und als Sozialdemokraten können wir den Fortschritt und die Verbesserungen, die dieses Gesetz mit sich bringt, nur positiv bewerten und natürlich nur unsere Zustimmung erteilen.

Wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, entsteht nun ein Rechtsanspruch, und zwar auf die ersten vier Wochen, die jemand zur Pflege benötigt – natürlich mit dem notwendigen Nachweis. Zwei Wochen können gleich angetreten werden, auch wenn die Zustimmung des Arbeitgebers noch nicht vorliegt, und dann folgen weitere zwei Wochen.

Ich bin schon davon überzeugt, dass es nicht im Sinne der Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land ist, einem Mitarbeiter Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit nicht zu genehmigen, aber manchmal gibt es eben Situationen, in denen einfach schnelles Handeln notwendig ist – und wie überall bestätigen Ausnahmen die Regel.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 127

Jemand, der pflegen will beziehungsweise pflegen muss, ist nun kein Bittsteller mehr, weil es einen Rechtsanspruch gibt.

Für uns von der Sozialdemokratie war die Pflege immer ein ganz wichtiger Bereich. Wie wir wissen, wurde 1993 unter Sozialminister Josef Hesoun das Pflegegeld einge­führt, und 2011 haben wir den Pflegefonds eingerichtet. Natürlich sind für uns Arbeit­nehmerInnenrechte auch sehr wichtig, weswegen dieser Rechtsanspruch nur zu be­grüßen ist.

Die Arbeiterkammer hatte schon 2014 die Möglichkeit der Pflegekarenz und der Pflegefreistellung geschaffen, allerdings auf Vereinbarungsbasis und eben ohne den Rechtsanspruch, den es nun in Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitern gibt. Wenn diese ersten vier Wochen konsumiert werden, werden diese natürlich auf den ge­samten Pflegezeitraum angerechnet.

Ich möchte mich meiner Vorrednerin anschließen: Es gilt, Danke zu sagen – den Menschen, die die Pflege zu Hause übernehmen, sei es die Pflege von älteren Men­schen, sei es im Palliativbereich oder im Hospizbereich, in dem man jemanden auch in den Tod begleitet, sei es die Pflege von Kindern oder Partnern.

Diese Menschen haben psychisch wie physisch sehr, sehr viel zu leisten, sie tragen aber auch ganz wesentlich zur Volkswirtschaft bei – ich denke, wir alle wissen, was ein Pflegeplatz kostet. Wir wissen auch – ich weiß das aus Niederösterreich –, dass es oft sehr schwer möglich ist, schnell einen Pflegeplatz zu bekommen. Zusätzlich wissen wir hinsichtlich der Genesung, dass man, wenn man zu Hause betreut und gepflegt wird, also im gewohnten Umfeld und von Menschen, die man kennt, schneller genesen kann.

Es ist sicherlich auch die finanzielle Entlastung des Staates beziehungsweise des Landes – im Falle der Pflegeheime – ein relevanter Aspekt, denn natürlich entsteht für diese Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit auch ein Entgeltanspruch in Höhe des Arbeitslosengeldes, aber wenn man das mit dem vergleicht, was ein Pflegeplatz kostet, dann, glaube ich, wissen wir, wo unterm Strich weniger herauskommt.

In diesem Sinne ist es wirklich so:

„Geben Sie dem Arbeiter das Recht auf Arbeit, solange er gesund ist,“ – dieser Punkt wird erfüllt, denn die ArbeitnehmerInnen haben nun einen Kündigungsschutz, wenn sie wegen Pflege zu Hause bleiben; das gibt ihnen Sicherheit und das Recht auf die Arbeitsstelle – „sichern Sie ihm Pflege, wenn er krank ist,“ – auch das wird mit diesem Gesetz nun erfüllt, nämlich eine rasche und gute Pflege und die Sicherheit, dass diese Pflege gewährleistet ist – „sichern Sie ihm Versorgung, wenn er alt ist“ – das ist hiermit ebenso gut erfüllt.

Wir können diesem Gesetz nur zustimmen. Wir sind froh, dass dieser Fortschritt, diese Verbesserung nun erfolgt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Brunner.)

14.14


Präsident Karl Bader: Der Nächste auf der Rednerliste ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Ich bitte dich ans Rednerpult.


14.15.06

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen hier im Hohen Haus! Vor allem aber liebe Zuhörer auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Wenn wir uns dem Thema Pflege in seiner Vielseitigkeit widmen, so ist klar – ich glaube, das ist auch einhellig von den Kolleginnen und Kollegen bestätigt worden –, es ist ein wichtiges


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 128

Zukunftsthema, nicht nur hinsichtlich der Ausgestaltung von Pflege, sondern vor allem auch hinsichtlich der Finanzierung.

Ich glaube, dass wir auf jeden Fall den politischen Diskurs darüber noch verstärken werden müssen, denn wir wissen, dass wir nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung diesbezüglich akuten Handlungsbedarf haben, um einerseits die best­möglichen Lösungen für die Betroffenen sicherzustellen und zu entwickeln und ande­rerseits die entsprechende Finanzierung aufzustellen.

Mit diesem Gesetz haben wir einen wichtigen Baustein dahin gehend geschaffen, dass es berufstätigen Angehörigen möglich wird, sich – nun auch mit Rechtsanspruch – über einen gewissen Zeitraum hinweg um die zu betreuenden Menschen in ihrer nächsten Umgebung zu kümmern und sie vor allem zu betreuen.

So ist auch diese Gesetzesvorlage eine weitere Öffnung. Gerade wir als Freiheitliche sind sehr von einer Pflege zu Hause angetan, weil diese eben die Möglichkeit bietet, wie auch die Vorrednerin gesagt hat, dass die Menschen in ihrer gewohnten Umge­bung gepflegt werden können.

Wichtig ist aus unserer Sicht, dass ein Rechtsanspruch für diese vier Wochen besteht. Darüber hinaus können selbstverständlich auch, so wie es bisher üblich war, ent­sprechende Vereinbarungen getroffen werden. Es ist aber nicht mehr so, dass grundsätzlich eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber getroffen werden muss.

Man muss natürlich trotzdem bedenken, dass es für Unternehmen mit einer geringen Mitarbeiterzahl nicht leicht ist, wenn plötzlich ein Mitarbeiter ausfällt. So wie immer bei solchen sozialen Gesetzen ist, glaube ich, ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unerlässlich, damit ein Unternehmen gut funktioniert. Es sind natürlich auch die entsprechenden Nachweis- und Mitteilungspflichten vorgesehen, um da auch den Unternehmen entgegenzukommen.

Diesem Gesetzentwurf werden wir als Freiheitliche selbstverständlich gerne unsere Zustimmung geben, weil dieser Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit ebenso wie die Anpassung des Pflegegeldes, die nun auch umgesetzt wird – sie ist ab 2020 vorgesehen –, auch eine langjährige Forderung von uns war.

Wie ich bereits ausgeführt habe, ist es eben sinnvoll, die Möglichkeiten für die Pflege zu Hause zu erweitern, wenn es für die zu Pflegenden möglich ist, denn das ist noch immer die beste Lösung für alle Beteiligten. Daher wird es auch notwendig sein, noch mehr finanzielle Mittel aufzustellen und bereitzustellen, um die Pflege zu Hause zu attraktivieren.

Zu den entsprechenden Maßnahmen zählt nicht nur die Erhöhung des Pflegegeldes, sondern auch die Unterstützung der pflegenden Angehörigen – denen natürlich auch von unserer Seite größter Dank ausgesprochen wird –, vor allem aber auch die finan­zielle Sicherstellung der Langzeitpflege, denn wie gesagt ist neben allen menschlichen Aspekten auch zu berücksichtigen, dass im Vergleich zur stationären Pflege die Pflege zu Hause für die öffentliche Hand die weitaus günstigere Betreuungs­form ist.

Da dieser Gesetzentwurf eine Besserstellung für die Arbeitnehmer und die Betroffenen bedeutet, werden wir dazu gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

14.19

14.19.31


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 129

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest, der Antrag ist somit ange­nommen.

14.20.0111. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbe­stand­teilen in Blutspendeeinrichtungen (Blutsicherheitsgesetz 1999 – BSG 1999), BGBl. I Nr. 44/1999, geändert wird (927/A sowie 10239/BR d.B. und 10257/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Ich bitte dich um deinen Bericht.


14.20.22

Berichterstatter Martin Preineder: Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen geändert wird.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Danke sehr herzlich für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Erste auf der Rednerliste ist Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte.


14.21.09

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Minister! Kollegen Bundesräte! Liebe Zuseher hier und zu Hause! Wenn Sie eine Bluttransfusion be­nötigen, dann interessiert Sie mit Sicherheit nicht, ob diese Konserve von einer stationären, einer ambulanten oder einer mobilen Blutspendeeinrichtung kommt. Was Sie als Empfänger einzig und allein interessiert, ist ganz einfach: Ist dieses Blut gesund? Als im Frühjahr dieses Jahres der Fall einer Patientin bekannt wurde, die nach einer Hüft-OP eine Bluttransfusion benötigte, mit Malaria infiziert wurde und in der Folge daran verstorben ist, gab es eine große Diskussion über Kontrollen unserer Blutkonserven.

Wie konnte das nur passieren? – Die Spenderin hatte ganz einfach nicht angegeben, dass sie im Ausland war. Nun stehen sowohl die Spenderin als auch der Mitarbeiter des Roten Kreuzes wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Danach wurde bekannt, dass die Konserven bis dato nicht auf den Malariavirus kontrolliert wurden, und nun wollen SPÖ und ÖVP diese ohnedies schon nicht hohen Standards weiter senken. Wie macht man das? – Man rationalisiert jetzt Ärzte im Bereich der ärztlichen Befundung weg. Diejenigen, die die Befundung eines Spenders bis jetzt vorgenommen haben, lässt man einfach weg. Gerade im Lichte des Vorfalles, den ich geschildert habe, und angesichts des noch laufenden Verfahrens sehen wir diesen gesundheitspolitischen Harakiriweg der ÖVP und der SPÖ als katastrophal für unsere Gesundheit an. (Beifall bei der FPÖ.)

Hinzu kommt noch, dass wir ja in der nächsten Zeit wieder mit Krankheiten, Keimen und Viren, die durch die vielen Flüchtlinge ins Land importiert werden (Rufe bei der


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SPÖ: Ach Gott! Nein, nein!) – ob es uns nun passt oder nicht –, konfrontiert sind, von denen wir alle längst glaubten, dass wir diese überwunden hätten. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Wunderbar!) – Wenn über so etwas gelacht wird, zeigt mir das das Niveau der SPÖ: tief, tief, tief. (Beifall bei der FPÖ.)

Allein diese Entwicklung wird uns noch vor große gesundheitspolitische Herausfor­de­run­gen stellen, und wir wissen alle noch nicht, ob und wie wir diese Herausforderungen dann überhaupt stemmen können. Man möchte doch meinen, dass der Staat seiner Verpflichtung zum Schutz seiner Bürger auch im Gesundheitsbereich nachkommt, doch heute beschließen ÖVP und SPÖ in vollem Wissen um diese Entwicklungen eine enorme Verschlechterung unserer Sicherheit bei der Abnahme von Spenderblut. Die verpflichtende ärztliche Untersuchung eines Blutspenders ist von enormer Bedeutung für die Gesundheit des Spenders selbst, aber vor allem unabdingbar für die Gesund­heit der Empfänger. Wir wollen ja alle sicher sein und uns auch darauf verlassen können, dass dieses Blut, das wir bekommen, auch gesund ist.

Den vom Roten Kreuz vorgebrachten Mangel an Ärzten lassen wir als Argument so sicherlich auch nicht gelten, denn im Ausschuss wurde ja ein Experte dazu befragt, der eine klare Aussage gemacht hat. Der Experte hat im Ausschuss auf die Frage, die Kollegin Ecker gestellt hat, ob denn schon jemals eine Blutspendeaktion aufgrund eines Mangels an Ärzten irgendwo in Österreich hätte abgesagt werden müssen, ge­antwortet, nein, davon wisse er nichts, dazu gebe es auch keine Zahlen, Daten und Fakten.

Ihr beschließt heute ein Gesetz, das einfach auf einer Befürchtung beruht, die total unbegründet ist, denn wenn schon der Experte im Ausschuss sagt, dass es dazu keine Zahlen, Daten, Fakten gibt, dann ist dieses Argument für uns auch nicht haltbar. Der Präsident der Ärztekammer hätte ebenfalls seine Hilfe zugesichert. Mit zusätzlichen Werkverträgen, die mit den Ärzten abgeschlossen werden könnten, wäre ein Engpass an Ärzten schnell behoben. Man schlägt nun Warnungen vieler Ärzte und der Ärzte­kammer in den Wind, das heißt, man geht wieder den alten – ich habe eh schon Angst, dass das wieder kommt – rot-schwarzen Weg des geringsten Widerstandes zulasten aller Patienten, die eine Bluttransfusion benötigen.

Für uns wären eine einheitliche, standardisierte Vorgangsweise bei allen Fragebögen und Arbeitsabläufen sowie die Gleichbehandlung von stationären und mobilen Blut­spendeeinrichtungen ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Gott sei Dank haben wir mit unserem Antrag im Nationalrat die Richtung wieder einmal vorgegeben!

Deshalb gibt es von uns heute auch keine Zustimmung, denn die Freiheitlichen werden nie einer Verschlechterung im Gesundheitssystem zustimmen, sondern nur Verbesse­run­gen. (Bundesrätin Schumann: Ja! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Daher – liebe Sozialisten, aufpassen! – können wir diesem Rückschritt in Sachen Patien­ten­sicherheit natürlich nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.27


Präsident Karl Bader: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses.


14.27.36

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kommen wir vom Rückschritt, vom rück­schrittlichen Gedanken und von einer Märchenstunde meines lieben Kollegen (Rufe bei der FPÖ: Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar!) wieder in die Zukunft und kom­men wir vor allem wieder zurück zu den Fakten! (Beifall bei der ÖVP.)


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Im Feuerwehrhaus in Tribuswinkel, in der ÖAMTC-Zentrale in Wien, in der Volksschule in Oberwölz und im Gemeindezentrum in Flaurling: Das sind einige Beispiele für Orte, an denen mobile Blutspendeaktionen gerade jetzt, während wir hier sitzen, stattfinden. (Bundesrat Steiner: Ja, mit Arzt!)

Es sind mobile Blutspendeaktionen, wie sie vom Roten Kreuz, von engagierten Mitar­beitern und Helfern (Bundesrat Steiner: Aber mit Arzt, oder?!) im ganzen Land orga­nisiert, beworben und sehr erfolgreich durchgeführt werden. (Bundesrat Steiner: Mit Arzt oder ohne Arzt?!) Es sind mobile Blutspendeaktionen, die Jahr für Jahr – du warst grad dran, Herr Kollege, jetzt bin ich dran! (Bundesrat Steiner: Ja, mit Arzt oder ohne Arzt?!) – landauf, landab Tausende von Spenderinnen und Spendern nutzen, um ihr Bestes zu geben, um sich Blut abnehmen zu lassen.

Sie alle leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung der Blutversorgung, denn die mobilen Blutspendeaktionen sind eine tragende Säule im österreichischen Blutspendewesen und ein echtes rot-weiß-rotes Erfolgsmodell (Bundesrat Steiner: Ja, mit Ärzten!), und dafür möchte ich zuallererst einmal Danke sagen. Ich glaube, beim Dankesagen sind wir uns einig. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Wanner.)

Ich möchte jenen Danke sagen, die Blutspendeaktionen überhaupt erst möglich machen, die sie organisieren, die sie durchführen. Ich möchte jenen Danke sagen, die hingehen, die mitmachen, die Mehrfachspender sind, die – gerade bei mobilen Aktionen – wis­sen: Da findet die Blutspendeaktion bei mir daheim, in meinem Wohnort im Feuer­wehrhaus statt, und da gehe ich hin, da mache ich selbstverständlich mit. (Bundesrat Steiner: Bei den Ärzten noch bedanken!)

Gerade diese mobilen Blutspendeaktionen sind gefährdet. Alleine im vergangenen Jahr – so hört man es – mussten 100 Aktionen abgesagt werden, weil nicht genügend Ärztinnen und Ärzte vorhanden waren (Bundesrat Steiner: Von wem haben Sie die Zahlen?!), Tendenz steigend, würde ich sagen. (Bundesrat Steiner: Woher kommen diese Zahlen? Der Experte hat gesagt, es gibt keine Zahlen!) – Allein in meinem Heimatbundesland Niederösterreich – das sind Fakten – werden in den nächsten zehn Jahren 50 Prozent der Hausärzte in Pension gehen. Wir steuern in diesem Bereich einem Mangel entgegen, der zukünftig noch größer wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Den habt ihr aber ordentlich befeuert! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Dazu kommt, dass auch die Spendebereitschaft der Menschen nicht steigt und es leider auch schwieriger wird, junge Menschen anzusprechen und als Mehrfachspender zu gewinnen. Ich glaube, wir müssen Hürden abbauen und nicht Barrieren aufbauen. Vor diesem Hintergrund und mit diesem Wissen müssen wir in unser aller Interesse alles tun, um das Blutspendewesen zukunftsfit zu machen und dafür zu sorgen, dass die Blutversorgung auch in Zukunft gesichert ist.

Eine solche Weichenstellung nehmen wir heute vor. Der gehobene Pflegedienst wird Blutspendeaktionen künftig eigenständig mit einem standardisierten Anamnesebogen durchführen dürfen. Wir haben das gehört. Dieser Anamnesebogen wird auch über­arbeitet, wird noch genauer, noch treffsicherer gemacht. (Bundesrat Steiner: Auf An­trag der FPÖ!) Wir garantieren so auch weiterhin vollste Sicherheit für Spender und für potenzielle Empfänger – immer im Wissen, dass man jederzeit einen Arzt hinzu­rufen kann und dass innerhalb kürzester Zeit Erste Hilfe geleistet werden kann. So geht Zukunftspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! (Bundesrat Steiner: Das ist unser Antrag! Danke für das Lob! – Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Die Möglichkeit, dass diplomiertes Pflegepersonal eigenständig solche Blutspende­ak­tionen durchführen kann, ist nicht neu. Das ist keine neue österreichische Idee, sondern etwas, was in vielen Teilen Europas schon sehr, sehr gut funktioniert. Ich glaube, gerade das österreichische diplomierte Pflegepersonal braucht international


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absolut keinen Vergleich zu scheuen, weshalb ich überzeugt bin, dass das in Zukunft gut funktionieren wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, während ich heute hier gesprochen habe, waren es – gemessen an der Durchschnittszeit – vermutlich drei Blutkonserven, die gebraucht wurden; drei Konserven, die, egal ob in einem akuten Notfall, bei einer geplanten OP oder bei einer schweren Erkrankung, hoffentlich Leben retten konnten; drei Konserven, die in der Zwischenzeit hoffentlich in Tribuswinkel, in Oberwölz, in Wien oder in Flaurling bei einer mobilen Blutspendeaktion gespendet wurden. Sorgen wir dafür, dass das auch in Zukunft möglich ist! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.32


Präsident Karl Bader: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile es ihr.


14.33.02

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Blut zählt im Normalfall, und zwar Blut im Notfall und von Operationen her betrachtet, vom Unfall bis zur Geburt – Herr Kollege Steiner, vielleicht darf ich auch um Ihre Aufmerksamkeit bitten –, zu den wichtigsten Medikamenten und ist bis heute nicht künstlich herstellbar. (Ruf bei der FPÖ: Mitschreiben! – Bundesrätin Mühlwerth: Muss er nicht!) – Na, mitschreiben muss er nicht, das verlange ich nicht.

Nur drei von hundert Österreicherinnen und Österreichern spenden überhaupt Blut, und aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Situation immer schlimmer. Ich habe ebenfalls die Zahlen von Niederösterreich recherchiert. Alleine in den Kliniken in Niederösterreich sind 55 000 Blutkonserven im Jahr – das ist wirklich eine große Zahl – notwendig. Alle 90 Sekunden wird in Österreich eine Blutkonserve – die Kollegin vor mir hat es schon gesagt – für eine Transfusion benötigt. Jedes Jahr brauchen Kranke und Unfallopfer in Österreich 350 000 Blutkonserven.

Ich muss ehrlich sagen, wenn ich jetzt ein Unfallopfer wäre – Blut ist immer rot –, wäre es mir in dieser Situation egal, ob es von einem Flüchtling oder von einem Österreicher stammt. (Bundesrat Steiner: Aber gesund soll’s sein! Hoffentlich ist’s g’sund und die richtige Blutgruppe!) – Entschuldigung, aber das muss ich ehrlich sagen, denn diese Aussage ist furchtbar, ja. (Beifall bei der SPÖ.) – Ja, ja, gesund soll es schon sein, aber ich habe auch Vertrauen - - (Bundesrat Steiner: Hoffen wir, dass es g’sund ist und die richtige Blutgruppe hat, und nicht nur rot, denn sonst können wir Rotwein auch nehmen!) – Ah ja, aber Sie haben kein Vertrauen zu unserem Personal, das habe ich schon. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ja, ja, danke.

Vor allem im Osten Österreichs mussten aufgrund des Ärztemangels – die Frau Lan­deshauptfrau hat von einem Ärztemangel in Niederösterreich gesprochen, Sie haben das vielleicht auch schon gehört – Blutspendetermine abgesagt werden. Deswegen brauchen wir eine Novellierung (Bundesrat Steiner: Seitdem novellieren wir nach unten!), wie es der Nationalrat schon vorgeschlagen hat.

Um die Versorgung der Bevölkerung mit Blutkonserven bestens zu gewährleisten, soll es bei den mobilen Blutspendeaktionen Erleichterungen geben. Das ist ganz wichtig. Die wesentliche Änderung ist, dass bei Blutabnahmen der sogenannte Arztvorbehalt wegfällt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Bisher galt die Regelung, dass der Arzt oder die Ärztin da ist. Es gibt aber in anderen Ländern, so etwa in einigen EU-Ländern – das wurde auch im Ausschuss besprochen – und im Nachbarland Schweiz, Beispiele dafür, dass speziell geschulte Mitarbeiter des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege die Blutabnahme durchführen. Ich vertraue diesen Leuten total. Als


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Frau kann ich sagen, während einer Geburt ist auch nicht immer der Arzt anwesend, da habe ich die Hebamme und der vertraue ich. – Okay?

Die Sicherheit, da gebe ich Ihnen recht, sowohl für die BlutspenderInnen als auch für die EmpfängerInnen muss natürlich oberste Priorität haben. (Rufe bei der FPÖ: Mit der habt’s ihr kein Problem?!) – Nein, es ist ja auch vorgesehen, dass ein Arzt, eine Ärztin jederzeit telefonisch erreichbar ist, sodass im Bedarfsfall Rücksprachen erfolgen kön­nen. (Ruf bei der FPÖ: Das nützt dann viel! – Bundesrat Steiner: Da muss man z’erst anrufen, wenn einer daliegt!) – Ja, ja. – Selbstverständlich gibt es auch einen standar­disierten Fragebogen, der, wie uns der Kollege im Ausschuss bestätigt hat, ge­rade über­arbeitet wird. (Bundesrat Steiner: Das war ja der Antrag ...!) – Ja, ja, ja, auf Antrag, mhm.

Die Zulassung zur Blutspende erfolgt auf Basis von streng standardisierten Vorgaben, und die Abläufe werden regelmäßig (Zwischenrufe bei der FPÖ) – ganz sicher – von den AmtsärztInnen überprüft. Das kann man auch nachlesen.

Der Großteil dieser Blutkonserven kommt in den Wiener Krankenhäusern zum Einsatz. Der Facharzt für Transfusionsmedizin am AKH Wien, ein Herr Dr. Dieter Schwartz, hat auch wiederholt Befürchtungen geäußert, dass ohne Gesetzesänderungen lebens­not­wendige Eingriffe wie Transplantationen ausfallen könnten, da diese ohne ausreichen­de Blutkonservenvorräte nicht durchgeführt werden.

Ich möchte jetzt etwas Persönliches anführen. Auf der Fahrt hierher zum Bundesrat bin ich im Zug zufällig mit einem Bekannten zusammengekommen, der kurz vor einer Lebertransplantation steht, weil er ein Gewächs auf der Leber hat. Wir haben über dieses Thema gesprochen, und er hat gesagt, ihm ist es wichtig, dass er genug Blut­konserven bekommt, wie sie ja bei der OP benötigt werden, und nicht, was wir da heute besprechen, ob das jetzt ein Arzt oder sonst jemand aus der gehobenen Verwaltung macht. Das wollte ich jetzt nur aus seiner Sicht ergänzen. Ich habe das jetzt für mich verarbeitet, weil ich mir gedacht habe, er ist in einer Situation, in der er das wirklich benötigt. Wir reden ja nur darüber, er aber braucht das wirklich, denn in absehbarer Zeit hat er diese Transplantation. Ich denke, das ist eine wichtige Mitteilung. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Um das geht’s ja nicht!) – Es geht schon darum.

Es ist auch so, dass der Generalsekretär des Roten Kreuzes damit einverstanden ist und Erleichterung zum Ausdruck gebracht hat. Wir haben also auch Fachleute diesbezüglich befragt. (Bundesrat Steiner: Die Ärztekammer nicht!) Nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Bundesländern ist ein Mangel an Blutkonserven gegeben. Um die Versorgungssicherheit mit Blutkonserven in Österreich zu gewährleisten, wird die sozialdemokratische Fraktion diesem Antrag jedenfalls zustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38


Präsident Karl Bader: Als Nächste ist die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Liebe Frau Bundesministerin, bitte sehr.


14.38.16

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Dr. Brigitte Zarfl: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren im Bun­desrat! Liebe Zuseher! Das Blutsicherheitsgesetz in Österreich ist seit 1997 in Kraft. Eine der tragenden Säulen dieses Blutsicherheitsgesetzes ist, dass die Qualität der durch Blutspenden gesammelten Blutkonserven hoch ist.

Ein Element, um diese Qualität sicherzustellen, ist es, durch Anwendung stan­dardi­sier­ter und auf breiten wissenschaftlichen Ergebnissen beruhender Fragebögen auszu-


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 134

schließen, dass ein Spender ein gesundheitliches Risiko birgt. Diese Arbeit mit den Fragebögen war immer in der entsprechenden Verordnung zum Blutsicherheitsgesetz geregelt. Diese Verordnung wird derzeit begutachtet. Die Begutachtungsfrist dazu en­det Ende Oktober.

Wir, die Experten meines Hauses, haben die Wochen während des Sommers genützt, um der Initiative im Nationalrat auch entsprechende weitere Klarstellungen betreffend die Änderung, wer eine Blutspende abnehmen kann, hinzuzufügen. Dies wird also das diplomierte Personal nach Anwendung eines weiterentwickelten Anamnesefrage­bo­gens sein, aber immer mit der Möglichkeit, im Zweifel einen Arzt zu konsultieren.

Dieses System wird gerade finalisiert, und wir werden im November auch einen aktu­alisierten Fragebogen zur Anwendung bringen können, der noch viel besser als bisher dabei unterstützt, herauszufinden, ob beim Spender ein Risiko vorliegt oder nicht.

Wir haben also eine Überarbeitung des Gesetzes, die auf Initiative des Nationalrates zur Beschlussfassung gelangt und jetzt auch dem Bundesrat vorliegt. Wir als Ressort haben flankierend dazu eine Verordnung in Begutachtung geschickt, und als dritten Schritt, den wir jetzt setzen werden, wird es einen Erlass geben, der letztendlich einen standardisierten Algorithmus für das Personal, das die Blutspende durchführt, zur Anwendung bringen wird.

Wichtig ist uns, dass in stationären Einrichtungen weiterhin Ärzte unverzichtbare Be­standteile des dort eingesetzten Teams darstellen müssen. Die Ihnen jetzt zur Be­schlussfassung vorliegende Fassung betrifft ausschließlich mobile Blutspendeein­rich­tungen und wird mit weiterführenden, klarstellenden und unterstützenden Handlungs­anweisungen für das in Österreich, glaube ich, wirklich unbestritten gut ausgebildete diplomierte Personal zur Anwendung gelangen.

Wir haben ein System, das seit über 20 Jahren in Anwendung ist und das über die Jahre hinweg die Qualität – auch im Hinblick auf die Sicherheit der Blutspende für Spender und Blutkonservenempfänger – sichergestellt hat, weiterentwickelt. Durch die entsprechenden Algorithmen werden wir auch dafür Sorge tragen und weiter daran arbeiten, dass die Sicherheit der Blutspenden auch in Zukunft gewährleistet ist. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

14.42

14.42.44


Präsident Karl Bader: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.43.1412. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 2002) geändert wird (936/A sowie 10258/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Nunmehr gelangen wir zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Für die Berichterstattung wurde Herr Bundesrat Martin Preineder nominiert. – Ich bitte um den Bericht, Herr Kollege.


14.43.34


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 135

Berichterstatter Martin Preineder: Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 2002) geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Danke für den Bericht, Herr Kollege.

Frau Dipl.-Ing. Andrea Holzner ist zu Wort gemeldet. – Liebe Frau Bundesrätin, ich erteile dir dieses.


14.44.22

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Beim vorliegenden Entwurf geht es um Änderungen im Gesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse.

In aller Kürze: Zum einen macht der Fachkräftemangel auch vor der Apothekerkammer nicht halt. Es werden EDV-Fachkräfte mit Berufserfahrung gesucht. Die dienst­ord­nungsgemäßen Gehaltshöhen sind nicht marktkonform, das heißt, einfach gesagt: Man findet niemanden. – Aus diesem Grund können Sonderverträge abgeschlossen wer­den. Bisher war der Vorstand der Gehaltskasse für diese Sonderverträge zuständig. Diese Befugnis soll an die Obleute der Landesgeschäftsstellen delegiert werden, was den Apotheken ein flexibleres und zeitnahes Agieren ermöglicht.

Die zweite Änderung betrifft die Dotierung der Reserveeinlagen. Diese sollen um die Hälfte verringert werden. Es ist mir versichert worden, dass dies, wie die Erfahrung zeige, ausreichend ist. Das bedeutet für die Apotheken, dass nicht unnötigerweise Geld gebunden wird und ihnen dieses Geld für Investitionen und Sonstiges zur Verfü­gung steht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die öffentlichen Apotheken sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Gesundheitssystems. Mit diesen Beschlüssen tragen wir dazu bei, dieses System aktuellen Erfordernissen anzupassen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

14.46


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm dieses.


14.46.15

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­des­ministerin! Geschätztes Plenum! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Meine Vorrednerin hat diese Materie schon erschöpfend erläutert, und dem ist nichts hinzuzufügen. Deshalb möchte ich mich nicht mit Wiederholungen aufhalten und darf Ihnen mitteilen, dass auch unsere Fraktion diese Vorlage für in Ordnung hält und ihr zustimmen wird. – Herzlichen Dank. (Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth. – Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

14.46



BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 136

Präsident Karl Bader: Nunmehr ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrat Samt: Rosa, du hast jetzt 20 Minuten Zeit! – Heiter­keit bei der FPÖ.)


14.47.13

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geschätzte Frau Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Jetzt könnte ich es mir einfach machen und sagen: Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Nein, das mache ich jetzt nicht. (Bundesrat Samt: Das stimmt jetzt auch nicht!) – Genau!

Trotzdem noch ein paar Worte zur Pharmazeutischen Gehaltskasse. Ich denke, es werden nicht alle Zuseher wissen, worum es da wirklich geht. Die Pharmazeutische Gehaltskasse ist das Sozial- und Wirtschaftsinstitut der Apotheker in Österreich. Seit 1959 gibt es in dieser Pharmazeutischen Gehaltskasse einen Reservefonds. Dieser Reservefonds dient quasi als Sicherheitsnetz, damit die Bezahlung auch gewährleistet ist, falls es Zwischenfälle gibt.

Nicht hier im Redoutensaal, aber im Parlamentsgebäude erfolgte 2002 eine Ge­setzes­änderung. Durch diese Gesetzesänderung wurde die Einzahlung der Mindestdotierung in diesen Fonds auf mindestens zwei und höchstens vier Monatsbeträge geändert, und der Überschuss geht seit damals an die Umlagenkasse. (Vizepräsident Koller über­nimmt den Vorsitz.)

Damit man auch versteht, warum diese Dotierung jetzt geändert werden soll: Der Reservefonds hat per 31.12.2001 11,5 Millionen Euro umfasst, aufgrund der Geset­zesänderung 2002 und aufgrund der Zuführung aus der Umlagenkasse waren es beispielsweise 2016 schon 19,85 Millionen Euro. Somit hat sich dies mit einer Dotie­rung von zusätzlichen 8,3 Millionen Euro zum Positiven ausgewirkt.

Es ist natürlich verständlich, dass die Apothekerbetriebe ihr Geld in diesem Ausmaß lieber selbst nutzen möchten, als dass es im Reservefonds geparkt wird. Darum ist die geplante Reduzierung der Monatsbeträge von derzeit vier auf höchstens 1,5 Monats­beträge absolut verständlich, und die Erleichterung ist schon dargestellt worden. Es ist bestätigt worden, dass das Sicherheitsnetz im Fall des Falles trotzdem funktionieren wird. – So weit zu diesem Tagesordnungspunkt; wir werden natürlich zustimmen.

Ich möchte meine verbleibende Redezeit auch dazu nutzen, Danke zu sagen. Ich werde in den Nationalrat wechseln und aus dem Bundesrat ausscheiden. Daher ein paar Worte zum Bundesrat: Ich kam in den Bundesrat, als Gottfried Kneifel, ein Ober­österreicher, Bundesratspräsident war. Das ist doch schon wieder ein paar Jahre her (Bundesrat Stögmüller: Das ist schon ein paar Jahre her!), und damals gab es auch einen Infonachmittag, den ich mir sehr zu Herzen genommen habe. Gottfried Kneifel hat nämlich betont, dass die Bundesräte die bestinformierten Politiker Österreichs sein könnten, wenn sie denn wollten. Warum? – Die Bundesräte gehören dem Landtags­klub an und wissen so, was im eigenen Bundesland Sache ist. Die Bundesräte gehören dem Parlamentsklub auf Bundesebene an und wissen daher, was im Bund aktuell los ist. Zusätzlich dürfen Bundesräte bei jeder Landtagssitzung dabei sein und können an den Ausschusssitzungen des Nationalrates teilnehmen. Das ist schon eine ganze Menge, die man da so an Wissen zusammensammeln kann.

Ich habe, je nach meinen zeitlichen Ressourcen, all diese Möglichkeiten genutzt und kann nur bestätigen, was er gesagt hat. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich in all diesen Zusammenhängen sammeln durfte. Ich werde mich bemühen, die Kultur des Bundesrates auch in den Nationalrat mitzunehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Stögmüller.)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 137

Das heißt für mich: sachpolitisch agieren, hart in der Sache – das kennen wir auch hier im Bundesrat (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, genau!) –, moderat im Ton. Wir bemühen uns alle.

Ich sage Danke an die Bundesratskanzlei, die uns in allen Belangen wirklich sehr gut unterstützt. Ich bedanke mich als Vorsitzende des Gesundheitsausschusses auch be­sonders bei den Mitarbeitern, die in den Ausschüssen an unserer Seite sitzen.

Herzlichen Dank an jene Kollegen, die über Parteigrenzen hinweg auch einmal die Zeit gehabt oder sich diese genommen haben für ein anderes, ein zwischenmenschliches, ein fachliches Gespräch beziehungsweise das Interesse an einem solchen gehabt haben.

Mein besonderer Dank geht aber an meine Fraktionskollegen, an meine Fraktions­chefin. Wir sind wirklich ein tolles Team. Wir sind eine gute Gemeinschaft. Wir sind eine freiheitliche Familie, und ich bin überzeugt: Darum beneiden uns ganz viele. (All­gemeiner Beifall. – Bundesrat Schererbauer hält ein Blatt Papier mit der Aufschrift „Danke Rosa“ in die Höhe.)

14.51

14.51.48


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Vielen Dank, Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Auch vom Präsidium aus wünsche ich dir alles, alles Gute im Nationalrat! Du hast es ja richtig gesagt, dass es auch wichtig ist, diese Erfahrung aus dem Bundesrat mitzu­nehmen: Dem Nationalrat würde es wirklich nicht schaden, wenn es dort so zuginge wie hier im Bundesrat, hier herrscht eine wirklich familiäre Atmosphäre. Alles Gute weiterhin!

Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.52.48Trauerkundgebung aus Anlass des Anschlags in Halle


14.52.49

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Bevor wir in der Behandlung der Tagesordnung fortsetzen, ist es mir ein Bedürfnis, in Absprache mit dem Herrn Präsidenten darauf hinzuweisen, dass wir noch immer zutiefst erschüttert unter dem Eindruck des gestri­gen Attentats in Halle an der Saale im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt stehen.

Der österreichische Bundesrat verurteilt diese schreckliche Tat, die sich am jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur vor einer jüdischen Synagoge ereignete und zwei Todes­opfer forderte, auf das Schärfste. Dieser Terroranschlag ist ein Zeichen dafür, dass der Kampf gegen jegliche Form des Antisemitismus aktueller denn je ist und dass der internationalen Vernetzung auch in Zukunft eine ganz entscheidende Bedeutung zu­kommt. Als Vizepräsident des Bundesrates ist für mich das entschiedene Auftreten gegen Antisemitismus ein Teil der österreichischen Identität, und es gilt, diesen Auftrag vor allem im Bildungsbereich nachhaltig zu verankern.

Ich darf Sie ersuchen, sich zum Zeichen des Gedenkens an die Opfer dieses verab­scheuungswürdigen Terroranschlags von Ihren Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.) – Ich danke Ihnen für die Anteilnahme. (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 138

14.54.2413. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürger­schaftsrechtsänderungsgesetz 2018) (536/A sowie 10240/BR d.B. und 10259/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. – Ich bitte um den Bericht.


14.54.53

Berichterstatter Gottfried Sperl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 19. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich erteile ihm dieses.


14.55.45

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zu Beginn meiner Rede zu diesem Tagesordnungspunkt, dem ja ein einstimmiger Beschluss zugrunde liegt und der auch einem Mehrparteienantrag folgt, noch einmal (in Richtung Vizepräsident Koller) deine Worte unterstreichen. Vor diesem Hintergrund ist es umso erfreulicher, dass wir heute ein Gesetz beschließen können, das es uns Bürgern in Österreich ermöglicht, der politischen Verantwortung gerecht zu werden. Dieser Hintergrund passt also sehr gut zu diesem einstimmigen Beschluss, der heute erfolgen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um das Staatsbürgerschafts­rechts­änderungsgesetz. Es geht um einen gemeinsamen Antrag und es geht auch darum, ein bestehendes Unrecht, so wie ich es sehe, zu beseitigen, das lange bestanden hat, denn eigentlich erst vor 30 Jahren hat man begonnen, die Geschichte und die Gräueltaten des NS-Regimes entsprechend aufzuarbeiten. Mit diesem Gesetz zollen wir auch den Opfern Respekt und wir zeigen auch eine staatspolitische, historische Verantwortung den Verbrechen gegenüber, die an den Jüdinnen und Juden begangen wurden. Die aktuellen Geschehnisse legen ja ein beredtes Zeugnis davon ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele Jüdinnen und Juden, die in Konzen­trationslagern interniert waren, konnten damals ja nicht fliehen. Sie waren dort unter grauenhaften Umständen interniert und konnten eigentlich erst in der Besatzungszeit auswandern beziehungsweise emigrieren und haben dann auch die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. Das heißt, mit diesem Gesetz wird ein Unrecht bereinigt.

Österreich – das muss ich hier ganz selbstkritisch sagen – hat dem lange nicht die Bedeutung beigemessen, die diesem Problem zukommt. Man hat sich also nicht, so wie ich es sehe, seiner Verantwortung gestellt; aber auch in der Nachkriegszeit hat man sich diesbezüglich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Ich habe es vorhin erwähnt:


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 139

In das Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher ist diese Problematik erst vor 30 Jahren gekommen. Wir erinnern uns ja alle noch an das Problem Waldheim, den ehemaligen Bundespräsidenten. Da ist diese Thematik virulent geworden.

Es war der seinerzeitige Bundeskanzler Franz Vranitzky, der zu diesem Thema in seinen Reden sehr gut argumentiert und praktisch eine Trendwende eingeleitet hat. Seit diesem Zeitpunkt, beginnend mit Vranitzky, haben sich auch die nachfolgenden Regierungen und Bundeskanzler dieser Thematik angenommen. Es ist zu Wiedergut­machungen gekommen, auch im Zusammenhang mit geraubtem Eigentum, auch so­ge­nannte Restitutionen wurden durchgeführt und Staatsbürgerschaften wurden seit der damaligen Zeit ermöglicht.

Als Beispiel in der jüngeren Vergangenheit darf ich vielleicht erwähnen, dass auch Sebastian Kurz in seiner Zeit als Außenminister und dann auch als Bundeskanzler auch im Ausland die richtigen Worte bei diesem sehr sensiblen Themenkreis gefunden hat. Er hat nicht nur die richtigen Worte gefunden, sondern er hat auch Taten sprechen lassen. Im Jahr 2018 wurde bereits der Grundsatzbeschluss gefasst, dieses beste­hende Unrecht auszumerzen beziehungsweise auszuräumen.

Man darf ja nicht vergessen, dass es bis zum Jahr 1920 praktisch gesetzlich unmöglich war, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Das wurde durch ein Gesetz verunmöglicht, und dieses Gesetz hat man nun mit diesem gemeinsamen Antrag bereinigt. Ich sehe es so, dass sich Österreich da seiner politisch-historischen Verant­wortung stellt – auch in der heutigen Zeit nach wie vor hochaktuell.

Ich möchte mich an dieser Stelle natürlich auch bei den anderen Parteien – bei SPÖ, FPÖ und auch bei den NEOS – bedanken, die das unterstützt haben. Wir bekennen uns damit zu unserer historischen Verantwortung und ich bedanke mich für diese Einstimmigkeit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

15.00


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Ich darf den Herrn Bundesminister für Inneres Dr. Wolfgang Peschorn begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. – Bitte.


15.01.11

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Bildschirmen! Es war ursprünglich eine Initiative der SPÖ, die im Nationalrat nun erwirkt hat, was schon längst überfällig war und was uns die letzte Regierung und der letzte Innenminister schuldig geblieben sind, nämlich dass nicht nur – wie bisher – politisch Verfolgte des nationalsozialistischen Regimes, sondern auch deren direkte Nachkommen und auch deren Adoptivkinder die Möglichkeit bekommen sollen, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Man erwartet sich in der nächsten Zeit einige Tausend solcher Anträge, was für die Behörden bestimmt eine große Herausforderung bedeutet. Betroffen davon ist haupt­sächlich die Magistratsabteilung 35 in Wien, die dafür zuständig ist. VertreterInnen des Innenministeriums und VertreterInnen dieser Magistratsabteilung haben mit den Ver­treterInnen der Parlamentsklubs schlussendlich gemeinsam über die Ausformung die­ser Gesetzesänderung beraten.

Der Nationalrat hat in seiner letzten Sitzung richtigerweise auch gleich eine Entschließung angenommen, in der die Regierung aufgefordert wird, auch die entsprechenden Res-


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sourcen zur Bewältigung dieser Herausforderung bereitzustellen – nicht nur für diese Magistratsabteilung, sondern auch für die Konsulate in Tel Aviv, New York, London und so weiter.

Abgesehen von diesen technischen und organisatorischen Herausforderungen möchte ich mich meinem Vorredner Kollegen Seeber anschließen: Es geht da um einen wirklich bedeutenden historischen Beschluss, und es geht nicht zuletzt darum, die historische Verantwortung als Republik wahrzunehmen, um eine Geste, ein Symbol an die Verfolgten des Naziregimes.

Viele der direkt Betroffenen sind ja bereits verstorben. Wir wissen alle, die Zeitzeu­ginnen und Zeitzeugen werden immer weniger. Umso mehr gilt es, ihr Vermächtnis in Erinnerung zu behalten. Es gilt, die aktuelle und auch die nächsten Generationen mit deren Geschichten, mit deren Erlebnissen zu konfrontieren, so grausam das ist. Das Erinnern ist aber absolut notwendig, damit sich diese Gräuel nicht wiederholen, damit wir die Lehren aus der Geschichte ziehen. Das Erinnern und Gedenken ist unsere Pflicht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

Unsere Pflicht ist aber nicht nur das Erinnern, sondern auch das Wachsamsein – das Wachsamsein, wenn Gruppen von Menschen gegeneinander ausgespielt werden, wenn Sündenböcke kreiert werden, wenn Angst und Neid geschürt werden und –selbstkritisch gesehen – auch wenn wie hier im Hohen Haus immer wieder rassistische Äußerungen zu hören sind. Es gilt für uns, wachsam zu sein, es aufzuzeigen und zu benennen und auch dagegen aufzustehen. Das sind wir den Opfern des Natio­nalsozialismus, den Verfolgten und ihren Familien schuldig. Wir sind es uns aber auch selber als Menschen schuldig.

Die Nachkommen, die jetzt das Recht bekommen, die österreichische Staatsbür­ger­schaft zu beantragen, werden diese Möglichkeit ab dem 1. September 2020 haben. Es wurde auch vereinbart, dass man da nicht über Gebühr strenge Kriterien, sprich: keine unverhältnismäßig hohen Maßstäbe, anlegt. Wenn es in der Recherche schwierige Fälle gibt, soll auch auf das Know-how und die Expertise des Nationalfonds der Republik Österreich zurückgegriffen werden.

Ich finde, wir beschließen hier im Sinne einer verantwortungsvollen Politik einen historisch wichtigen Schritt, und ich bedanke mich bei allen, die dabei mitmachen. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

15.05


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir begrüßen nun auch die Frau Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag.a Ines Stilling. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte sehr.


15.06.03

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Wenn wir mit der heutigen Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes einen Schritt setzen, so ist dies ein längst notwendiger legistischer Schritt, vor allem aber ist es ein Zeichen des Respekts für die Opfer des NS-Regimes und vor allem auch für deren Nachkommen.

Die Umsetzung der Möglichkeit, dass auch die Nachkommen eine entsprechende Staatsbürgerschaft in Österreich beantragen können, und vor allem die Tatsache, dass dieser Schritt im Regierungsprogramm verankert ist, ist auch der ehemaligen Bun-


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desregierung zu verdanken, denn sie hat das als wichtig erachtet, weil damit auch die klare Verantwortung Österreichs zum Ausdruck gebracht wird.

Vor mehr als 25 Jahren, im Jahr 1993, wurde erst spät nach Ende des Zweiten Welt­kriegs die Möglichkeit geschaffen, dass aberkannte Staatsbürgerschaften von NS-Opfern wiedererlangt werden können. Es hat mehr als 25 Jahre gedauert, aber es ist nunmehr umso erfreulicher, dass wir heute die gesetzliche Möglichkeit schaffen werden, damit dies auch für die Nachkommen von NS-Opfern in die Tat umgesetzt wird. Vor allem die Tatsache, dass es gemeinsam mit allen politischen Fraktionen um­gesetzt wird, ist in diesem Punkt sehr erfreulich, ich kann mich da auch vollinhaltlich den Worten meiner Vorredner anschließen.

Das Regierungsprogramm hat aber hinsichtlich der Staatsbürgerschaften auch einen weiteren Schritt vorgesehen, nämlich die Möglichkeit des Erwerbs der Doppel­staats­bürgerschaft für unsere Landsleute in Südtirol. So hat es auch in der Sitzung des Nationalrates am 19. September einen entsprechenden Entschließungsantrag gege­ben, der gemeinsam von FPÖ und ÖVP eingebracht und von diesen auch mehrheitlich beschlossen wurde. Auch da ist es, 100 Jahre nach dem Abschluss des Friedens­vertrags von St. Germain, im Sinne des europäischen Gedankens an der Zeit, natürlich in Abstimmung mit Italien und Südtirol, eine Möglichkeit auf den Weg zu bringen, damit dem Anliegen vieler Südtiroler entsprochen werden kann.

Wenn ich gerade am heutigen Kärntner Landesfeiertag, der 99. Wiederkehr der Kärnt­ner Volksabstimmung, diesen Friedensvertrag von St. Germain erwähne: In diesem ist festgeschrieben worden, dass eine Volksabstimmung über Südkärnten durchzuführen ist, darüber, ob man künftig zu Österreich oder zu Jugoslawien gehören möchte. Man muss aber auch wissen, dass dieser Volksabstimmung ein entbehrungsreicher, aber erfolgreicher Kärntner Abwehrkampf vorausgegangen ist, wodurch Südkärnten nach der Abhaltung der Volksabstimmung in der jungen Ersten Republik verbleiben konnte.

Ich trage daher diese Kärntner Landestracht nicht nur am Landesfeiertag, sondern bei vielen festlichen Anlässen mit Stolz, aber vor allem mit Dankbarkeit und Wertschätzung unseren mutigen Vorfahren gegenüber, so wie es Kollege Appé heute auch ausgeführt hat und wie wir das auch gemeinsam, entgegen der Tradition des Kärntner Landes­hauptmannes, tun. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Aufgrund des Kärntner Abwehrkampfs und der Volksabstimmung in Kärnten ist uns nämlich ein Schicksal wie Südtirol mit einer territorialen Zuweisung an Italien erspart geblieben, vor allem aber sind uns im Fall Kärnten der SHS-Staat und der Kommunis­mus erspart geblieben. Daher ist unser Zugang, dass wir auch für die Südtiroler die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft schaffen.

Erlauben Sie mir aber im Hinblick auf das 100-Jahr-Jubiläum der Kärntner Volks­ab­stimmung einen Appell an Sie, geschätzte Mitglieder der Bundesregierung, denn es wird auch die Bundesregierung gefordert sein, Verletzungen, die aus Kriegen entstan­den sind, entsprechend zu bereinigen und eine lückenlose geschichtliche Aufarbeitung der dokumentierten Verbrechen der Tito-Partisanen vor allem nach Ende des Zweiten Weltkriegs sicherzustellen; auch die Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien gemäß dem Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz natio­naler Minderheiten gehört eingefordert. Zudem ist der slowenische Staat selbstver­ständlich aufzufordern, der deutschsprachigen Minderheit Zuwendungen und eine Infrastruktur angedeihen zu lassen, wie wir es in Kärnten machen (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber), denn wir in Kärnten haben auch im Sinne eines gemeinsamen Europa diese positive Volksgruppenpolitik vorgelebt; man nehme neben allen Unterstützungen für die slowenische Volksgruppe vor allem die Lösung der Orts­tafelfrage als Beispiel.


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So sind meines Erachtens neben der wichtigen heutigen Beschlussfassung, die wir gemeinsam vornehmen werden, in den anderen genannten Bereichen noch zahlreiche Schritte zu setzen, zur Reparatur und zur Ausbesserung der Folgewirkungen und Ausflüsse des Zweiten wie auch des Ersten Weltkriegs, die nicht mehr dem Zeitgeist eines 21. Jahrhunderts und eines gemeinsamen Europa entsprechen, um damit die Demokratie in Österreich, aber vor allem das europäische Friedensprojekt gestärkt in die Zukunft weiterentwickeln zu können. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.12


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.12.39

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Zuerst ein Danke an das Präsidium, dass Sie meiner Anregung betreffend eine Gedenkminute für Halle auf­grund der Vorgänge und Morde dort gefolgt sind. Ich glaube, das war wichtig und das war jetzt auch der richtige Zeitpunkt.

Was wir hier vor uns haben, ist ein Antrag, der im Gedenkjahr 2018 eingebracht wurde; dann gab es drei Fristsetzungsanträge – und nichts bewegte sich. Jetzt können wir sowohl als Symbol wie auch aus einer moralischen Verpflichtung rechtzeitig, bevor es eine neue Bundesregierung gibt und alles unter Umständen noch einmal verlängert wird, hier ein Signal setzen und die vorgeschlagene Änderung des Staatsbürger­schafts­gesetzes bewirken. Diese bedeutet viel für Menschen, die vor 1938 zur Flucht aufbrechen mussten, und für Menschen, die zwischen 1945 und 1955 zur Flucht auf­brechen mussten oder nicht zurückkehren konnten – immerhin wurde zum Beispiel mehr als ein Drittel aller Wiener Apotheken arisiert. Jetzt kann ich Sie fragen: Wie viele Apotheken wurden seit 1945 bis heute zurückgegeben? – Ein Promille! Das heißt, für viele Leute war die Existenzgrundlage nach 1945 zerstört.

Und dann gibt es jene, die das unfassbare und für uns nie verständliche Leid erlebt haben, die letzten Zeitzeugen – ein berühmter und wichtiger aus Salzburg, der auch im Parlament gesprochen hat, ist vor Kurzem gestorben –, und auch sie konnten sich unter diesen Verhältnissen nicht zurechtfinden und mussten gehen. Das Wichtige an dieser Gesetzesänderung ist deswegen, dass sie nicht nur die unmittelbaren Nach­kommen betrifft, sondern auch jene, die an Kindes statt angenommen wurden. Das betrifft Staatsbürger und ehemalige Bewohner der gesamten Doppelmonarchie, aller­dings mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet von Österreich.

Ich glaube, es ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt, den wir hier setzen, denn eines darf man nicht vergessen: dass viele jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen durch die Nürnberger Rassengesetze ihre Staatsbürgerschaft verloren haben.

Bundeskanzler Vranitzky ist heute – das ist erfreulich – schon von verschiedenen Fraktionen angesprochen worden. Er hatte die Größe – wie zuvor Willy Brandt –, zu sagen, wir müssen aufhören mit der Geschichte, dass wir das erste Opfer waren. – Nein, wir waren Opfer wie Mitläufer, aber gerade, was den Holocaust betrifft, waren Österreicher an vorderster Front. Dieses Eingeständnis ist wichtig, und deshalb ist es auch wichtig, dass wir heute diesen Schritt setzen.

Ich darf nur an die großartige Initiative erinnern, Porträts von Holocaustüberlebenden an der Ringstraße zu platzieren. Diese wurden aber immer und immer wieder ver­wüstet, Nachtwachen mussten gebildet werden, und Jugendorganisationen haben Tag


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und Nacht die Bilder der Holocaustüberlebenden beschützt. In welchem Klima leben wir?

Jetzt stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Zwischen 1945 und 1955 hat die Entnazifizierung in vielen Bereichen noch überhaupt keine Früchte getragen, nicht in den Schulen, nicht im Justizwesen – weil der Herr Justizminister gerade gekommen ist. Zwischen 1945 und 1955 war der österreichische Staat ja noch vielfach eher blind und hat die Entnazifizierung nicht in der Form weiterverfolgt.

Heute kann man in jedes Bundesland gehen, in dem jüdische Friedhöfe sind: Jedes Jahr gibt es Schändungen von jüdischen Friedhöfen – ob im Burgenland, ob in Wien, wo auch immer. Das heißt, in Europa hat wieder ein Klima des Antisemitismus Einzug gehalten. Der Europarat hat darüber auch einen Bericht gemacht, der aussagt, wie schrecklich das ist, und in dem Fall ist, glaube ich, gerade so ein symbolischer Akt richtig.

Zur Südtiroldebatte: Mein Familienname sagt aus, dass wir, obwohl wir in Nordtirol leben, irgendwann nicht dort gelebt haben. Wenn man das Ch am Ende streicht, kommt Schenna heraus, und Schenna ist eine Ortschaft in Südtirol bei Dorf Tirol.

Ich bin sehr vertraut mit der Situation in Südtirol. – Herr Ofner, Sie wissen, dass es einen Brief aus Südtirol gegeben hat, den eine Minderheit unterstützt hat, keine einzige maßgebliche Persönlichkeit. Sie können dieses Südtirolgesetz beschließen, nur zerstört es eine sehr gute Beziehung und sehr gute diplomatische Kontakte. Das Süd­tirolpaket hat dem Land sehr viel gebracht, in jeder Richtung. Es hat auch zu einem Zusammenleben geführt, das man durch den Versuch, mit verschiedenen Staats­bürgerschaften irgendeinen Revanchismus hervorzurufen, nicht zerstören darf. (Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring.)

Ich kenne aktuell – außer in irgendwelchen nationalistischen Sekten – in Südtirol nie­manden, der eine österreichische Staatsbürgerschaft möchte; die sind alle sehr glück­lich damit, wie es ist. (Bundesrat Steiner: Weil du nur linke Freunde hast in Südtirol!)

Ach Gott! Lieber Herr Steiner (Bundesrat Steiner: Na, also ich bin ... Tirol!), wir reden jetzt zum Beispiel über die Opfer des Nationalsozialismus. (Bundesrat Steiner: Darü­ber haben wir jetzt nicht geredet!) Da wäre ich an deiner Stelle ein bisschen leiser, denn du bist persönlich dafür verantwortlich, dass in deiner Ortschaft kein zweiter Stolperstein zur Erinnerung verlegt wurde, nachdem der erste Stolperstein, also ein Erinnerungsstein, installiert worden ist. (Bundesrat Steiner: Jetzt verwechselst du etwas! Du verwechselst etwas!) – Nein, ich verwechsle nichts! Du weißt, was da war, und das ist nicht gut. (Bundesrat Steiner: Ich und die ÖVP! Ich und die ÖVP haben das verhindert!)

Das heißt, wir müssen die Erinnerungskultur leben, wir müssen die gute Nachbarschaft mit Südtirol leben. Wir brauchen keinen Revanchismus, aber wir brauchen gerade in einer Zeit, in der unsere jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen so behandelt werden, Moral (Bundesrat Spanring: Ihr seid ja moralisch so überlegen!) und symbolische Gesten. (Bundesrat Steiner: Danke für den Vortrag, Herr Professor!) – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Das ist moralische Überheblichkeit!)

15.20

15.21.00


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Meine Damen und Herren! Wir begrüßen den Herrn Vizekanzler und Bundesminister für Justiz, Universitätsprofessor Dr. Clemens Jabloner, der inzwischen eingetroffen ist. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allge­mei­ner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.21.4014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichts­gesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Til­gungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einst­weilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärzte­gesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardio­technikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahn­ärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psycho­the­rapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechens­opfer­gesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grund­sätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugend­liche geändert werden (Gewaltschutzgesetz 2019) (970/A sowie 10242/BR d.B. und 10260/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.


15.22.02

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend das Gewalt­schutzgesetz 2019, mit dem verschiedene Materiengesetze geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile ihm dieses.


15.22.47

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig – wir waren uns dies auch am Dienstag in der Sitzung des Justizaus­schus­ses –, wir alle gemeinsam müssen uns mehr dafür einsetzen, dass wir Menschen, insbesondere Kinder und Frauen, besser und wirksamer vor Gewalt schützen können.


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Alle miteinander waren wir uns auch grundsätzlich darin einig, für eine Verbesserung des Gewaltschutzes einzutreten, und Sie können mir glauben: Ich als Sicherheits­sprecher würde das hier sehr gerne begrüßen, gerne mitunterstützen und mittragen. Was jedoch diesen uns vorliegenden Gesetzentwurf und zahlreiche Bestimmungen daraus betrifft, so sind die Änderungen entweder komplett unausgegoren, stark fehler­haft oder für den Gewaltschutz sogar kontraproduktiv, also Maßnahmen, arge Ver­schlechterungen, die das Gegenteil von dem bewirken, was wir eigentlich wollen. Die außerordentlich vielen kritischen Stellungnahmen von Expertinnen und Experten, von Opferschutzeinrichtungen und vielen anderen im Begutachtungsverfahren beweisen dies ganz deutlich.

Zunächst zu den Verschärfungen im Strafrecht: Diese werden von nahezu der ge­samten Fachwelt und auch den betreffenden Opferschutzorganisationen als unnötig bis kontraproduktiv abgelehnt. Die Strafsätze um das Doppelte, um das Dreifache, um das Fünffache zu erhöhen und dann zu glauben, man habe etwas Sinnvolles gemacht, ist in Wahrheit eine Frechheit, meine Damen und Herren. Damit können wir höchstens im Wirtshaus um ein paar Schenkelklopfer reicher werden, aber sonst geht es dabei um nichts.

Viele Gewaltakte erfolgen leider Gottes im Affekt, höhere Strafen sind da völlig nutzlos, sie gaukeln nur der Öffentlichkeit vor, es sei diesbezüglich eine Lösung gefunden worden. Höhere Strafen wirken nicht vorbeugend und nicht präventiv, dies bestätigen auch die Richter, die Rechtsanwälte, die Universitäten. Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Sogar die Staatsanwälte, deren Aufgabe es ist, Straftaten wirklich zweckmäßig zu verfolgen und dadurch zu verhindern, haben in Wahrheit vor diesem Schmarrn, den wir heute hier beschließen sollen, gewarnt.

Zu den Fallkonferenzen: Die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen wurden zwischen­zeitig abgeschafft. Sie sollen zwar wieder eingeführt werden, allerdings nur über Ein­berufung durch die Sicherheitsbehörden, die aber möglicherweise aufgrund der gege­benen Rechtslage nicht vollständig über Risikofaktoren, von denen die Opferschutzein­richtungen wissen, informiert sind.

Zu den Anzeigepflichten in den allgemeinen Gesundheitsberufen: Es besteht nach Ansicht der Opferschutzorganisationen die Gefahr, dass manche Opfer dann nicht zum Arzt gehen und Verletzungen durch Gewalt unzureichend oder vielleicht gar nicht be­handelt werden. Die psychologischen und physiotherapeutischen Gesundheitsberufe hängen außerordentlich stark von der persönlichen Vertrauensbeziehung zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten ab. Dieses wichtige Vertrauensverhältnis wird dadurch akut gefährdet – darauf wurde viel zu wenig geachtet –, Sie gefährden damit die medizinische Versorgung von Gewaltopfern.

Es gibt zum Beispiel nicht mehr Mittel für Gewaltschutzeinrichtungen oder für die wich­tige Antiaggressionsarbeit in den Schulen, es gibt nicht mehr Mittel und Ressourcen für Opferschutzeinrichtungen.

Nahezu alle Institute haben vernichtende Stellungnahmen abgegeben (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind aber auch lauter Linke!), das ist auch der Grund dafür, dass Sie nicht einmal mehr eine Sitzung des Justizausschusses dazu einberufen haben. Dass ein so wichtiges Thema wie der Gewaltschutz, der in 25 Gesetzen abgehandelt wird, aufgrund eines Fristsetzungsantrages ohne Behandlung im zuständigen Justizaus­schuss sofort im Plenum des Nationalrates durchgepeitscht wurde, ist eigentlich der eigentliche Skandal dabei. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Wahn­sinn! – Zwischenruf des Bundesrates Krusche. – Bundesrat Samt: Sie wissen, was das Wort „eigentlich“ bedeutet, gell?) – Sie haben recht, Frau Kollegin, eigentlich ein Wahnsinn! Sie haben ausnahmsweise recht. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin


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Mühlwerth.) Es ist also leider Gottes eher ein Gewaltförderpaket als ein Gewalt­schutz­paket.

Die Steiermark zum Beispiel – ich darf auf meine grüne Heimat zu sprechen kommen – ist seit jeher Vorreiterin in Sachen Gewaltschutz. Gestern fand im Landtag Steiermark der dritte Gewaltschutzgipfel mit rund 30 Expertinnen und Experten statt. Auch dort wurde das sogenannte schwarz-blaue Gewaltschutzpaket als inhaltlicher Fehlschlag bewertet und bezeichnet. Um dem Problemfeld künftig trotzdem ganzheitlich begegnen zu können, wird in der Steiermark ein Gewaltschutzbeirat eingerichtet. Dieser Beirat soll die bisherigen Initiativen weiterführen, in Fachkreisen thematisch aufarbeiten und auch in den Regionen der Steiermark wirken. Der Beirat soll in regelmäßigen Abstän­den zusammentreten, um den fachlichen Austausch intensiv zu pflegen. Meine Kolle­ginnen und Kollegen, ich kann nur sagen: Lernen Sie ein wenig von der Steiermark! (Bundesrat Samt: Ich sage jetzt lieber nichts dazu, Herr Kollege!)

Nun aber zum ASVG und zu den Betriebskrankenkassen – auch dieses Thema wird ja jetzt abgehandelt –: Die ersten Betriebskrankenkassen in der Steiermark wurden be­reits vor über 150 Jahren gegründet, wir blicken also auf eine sehr, sehr lange tolle Erfolgsgeschichte zurück. Vorläufer war der sogenannte Bruderladen. Die Wurzeln reichen bis ins Mittelalter zurück, als alle Bergarbeiter solidarisch eingezahlt haben, zunächst als Selbsthilfeorganisation, um eben für Krankenbehandlungs- und Sterbe­geld zu sorgen und um Vorsorge für Arbeitsunfähigkeit zu treffen.

Diese Betriebskrankenkassen haben also die Monarchie, zwei Weltkriege und den Wiederaufbau Österreichs überstanden und überlebt. Es musste erst die Ibizakoalition kommen, um diese einzigartige Erfolgsgeschichte in Österreich zu zerstören.

In den rund 116 Jahren seit der Entstehung der Betriebskrankenkassen wurde kein einziger Cent von der öffentlichen Hand beziehungsweise vom Steuerzahler in diese Einrichtung investiert. Sie finanzierten und finanzieren sich ausschließlich selbst. Wir sprechen da immerhin von rund 30 000 Versicherten in den vier bestehenden Betriebs­krankenkassen, drei davon in der Obersteiermark: Im Dachverband der Voestalpine sind es 13 000 bei den Bahnsystemen, fast 10 000 in der Betriebskrankenkasse in Kapfenberg, rund 4 000 in Zeltweg; in Niederösterreich sind es bei Mondi rund 2 500 An­spruchsberechtigte.

Die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen bedeuten, dass die meisten Betriebskran­kenkassen schließen, sozusagen aufgelöst werden. Die versicherten Arbeitneh­merIn­nen können nur mehr zusehen und haben keinerlei Entscheidungseinfluss, unabhängig davon, dass sie einen großen Beitrag zum Bestehen dieser Betriebskrankenkassen leisten und sich enorm mit ihrer Versicherung identifizieren.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Regelungen für Betriebskrankenkassen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der sichergestellt wird, dass die derzeitigen Be­triebskrankenkassen in betriebliche Gesundheitseinrichtungen umgewandelt werden,


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die ex lege errichtet werden und weiterhin als vollwertige Krankenversicherungsträger mit allen bisherigen Rechten und Pflichten fungieren.“

*****

Ich ersuche um Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

15.32


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „faire Rege­lungen für Betriebskrankenkassen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.


15.32.58

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir haben hier im Bundesrat schon sehr oft das Thema Gewalt gegen Frauen thematisiert. Wir, meine Fraktion, haben immer gesagt: Null Toleranz bei Gewalt gegen Frauen und Kinder! Diesen Satz möchte ich auch heute meinem Rede­beitrag voranstellen, es ist nämlich traurige Realität, dass Österreich, speziell was Gewaltdelikte gegen Frauen betrifft, keine Insel der Seligen ist. Ich habe mir eine Statistik heraussuchen lassen, demnach gab es im Jahr 2015 18 Frauenmorde, im Jahr 2016 26, im Jahr 2017 33, im Jahr 2018 32, und heuer sind es schon 25, wobei ich glaube, dass die zwei Kitzbüheler Morde da noch nicht mitgezählt sind.

Immer wieder ist mir vonseiten unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger die Frage gestellt worden: Was tut ihr dagegen? – Unsere sehr engagierte Staatssekretärin a.D. Karoline Edtstadler hat sich ja mit der Taskforce auf den Weg gemacht, wir alle haben dieses Thema im Nationalrat und im Bundesrat mehrmals abgehandelt. Wir haben mit mehr als hundert Expertinnen und Experten gesprochen und das ist das Ergebnis dieses langen Prozesses. Darum kann man, wie Kollege Schennach im Ausschuss gesagt hat, nicht sagen, es war eine Husch-Pfusch-Geschichte. Vielmehr haben sich diese Expertinnen und Experten und alle anderen, die daran beteiligt waren, wirklich Mühe gemacht. – Dafür ein herzliches Dankeschön an die Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Kollege Weber jetzt „Schenkelklopfer“ sagt, finde ich das bei diesem ernsten Thema nicht sehr passend. Sie können anderer Meinung sein, das ist Ihr gutes Recht, dafür stehen wir hier und haben eine gute Debattenkultur. Das Thema aber ist wirklich ein ernstes (Bundesrat Weber: Ja, schon!), wir sollten es auch mit dem nötigen Ernst angehen; das ist mir sehr wichtig. Das, was Sie gesagt haben, hat uns Herr Sek­tionschef Pilnacek nicht bestätigt. Es gab einen Ministerialbeschluss, der sehr wohl in Begutachtung gegangen ist. Danach haben die ehemaligen Regierungsparteien – weil es die Regierung in dieser Form dann nicht mehr gab – den vorliegenden Gesetz­entwurf eingebracht.

Es hat auch eine Konferenz im Justizministerium stattgefunden – das werden Sie, Herr Vizekanzler, bestätigen können –, bei der diese Dinge sehr wohl ausführlich erörtert wurden. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.) Man kann also nicht sagen, das sei jetzt schnell erfolgt, sondern es haben sich viele Menschen Gedanken gemacht, mitgearbeitet, und wir sind sehr froh, dass wir heute diesen Gesetzentwurf vorliegen haben. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


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Kollegen von der SPÖ, wir handeln! Wir können da nicht länger zuwarten und sagen, wir schauen uns das noch an. Angesichts der Zahlen, die ich Ihnen vorhin genannt habe, müssen wir politisch Verantwortlichen etwas vorweisen. Die Menschen fragen uns: Was tut ihr? – Und wir machen, wir handeln! (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn. Bundesrat Weber: Das Richtige ist das ...! Bundesrätin Mühlwerth: Aus unserer Sicht ist es ja das Richtige!)

Folgende Punkte dieses Entwurfes darf ich kurz anführen, sie sind mir besonders wichtig: Die Ausnützung einer Autoritätsstellung, das Vergehen an unmündigen Opfern und besondere Brutalität und Gewalt werden künftig schärfer bestraft, ebenso Rück­falltäter. Bei Vergewaltigung wird die Mindeststrafe von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht und die gänzlich bedingte Strafe bei diesen Delikten ausgeschlossen.

Es gibt ein Bündel an weiteren Regelungen, die den Opfern helfen sollen: So wird für minderjährige Opfer die Frist zur Beantragung der Entschädigung nach dem Ver­brechensopfergesetz auf drei Jahre verlängert; die 30-jährige Verjährungsfrist für Schadensersatzklagen gegen den Täter beginnt nicht schon bei der Tatbegehung, sondern erst, wenn das 18. Lebensjahr des Opfers erreicht wird; und Gewaltopfer haben die Möglichkeit, zu ihrem Schutz – das erscheint mir schon sehr wesentlich – die Sozialversicherungsnummer zu ändern, denn damit bekommen sie auch eine neue Identität.

Opfer von Wohnungseinbrüchen können nun Krisenintervention in Anspruch nehmen und auch Psychotherapie beantragen. Das Betretungsverbot – auch das ist mir wichtig –, das Gewalttäter aus der gemeinsamen Wohnung verbannt, wird nunmehr zu einem Annäherungsverbot, das heißt, damit schützen wir gefährdete Personen in einem Umkreis von 100 Metern, egal, wo sie sich befinden. Für Stalker – das ist ein Thema, das auch uns teilweise betrifft –, die ihre Opfer länger als ein Jahr beharrlich verfolgen, wird es eine Erhöhung des Strafrahmens auf drei Jahre geben.

Ich denke, meine Kolleginnen und Kollegen, das sind wichtige Maßnahmen, um betroffene Frauen und Kinder wirklich zu schützen, und, wie schon gesagt, das muss Ziel unserer politischen Arbeit sein, dafür werden wir ja auch gewählt.

Feststellen möchte ich auch, dass in letzter Zeit die Gewaltbereitschaft speziell gegen Angehörige sogenannter helfender Berufe – gegen Ärzte, Rettungssanitäter, Feuer­wehrleute – zugenommen hat; wir lesen das ja auch in den Medien und hören davon. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schützen wir diese Personengruppen und auch das Verwaltungspersonal in den Krankenhäusern und Ordinationen. Ich glaube, auch das ist eine ganz wichtige Sache.

Im Rahmen von verpflichtenden Gewaltpräventionsberatungen – das haben wir im Ausschuss ebenfalls besprochen – durch geeignete Gewaltpräventionszentren, wie zum Beispiel Männerberatungseinrichtungen, Neustart, wollen wir mit den Tätern arbei­ten – das ist uns wichtig –, damit sie nicht mehr rückfällig werden und keine Gewalt­taten gegen Frauen und andere Menschen begehen.

Es ist uns wichtig, dass wir uns in der neuen Bundesregierung gemeinsam dafür ein­setzen, dass die notwendigen finanziellen Mittel für mehr Plätze in Unterstützungs­einrichtungen, für den Ausbau der Beratungsstellen, für Verträge mit Gewaltschutzein­richtungen und für mehr Übergangswohnungen für von Gewalt betroffene Frauen zur Verfügung gestellt werden können. Da können wir alle uns sicher sehr gut und aktiv einbringen.

Ich bin der Meinung, dass wir mit diesem Gewaltschutzpaket jedenfalls zahlreiche wirk­same Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder gesetzt haben. Es ist auch eine Evaluierung vorgesehen. Natürlich gibt es Verbesserungspotenzial, keine Frage,


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wir können auch nachschärfen, doch ich denke, mit dem vorliegenden Entwurf ist ein wichtiger Schritt für den Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt getan. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.39


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Drin. Ewa Ernst-Dziedzic. Ich erteile ihr dieses.


15.40.10

Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Gewalt in Österreich ist ein sehr ernst zu nehmendes Thema. Sie haben gesagt, es hat uns hier schon öfter beschäftigt – und das zu Recht, denn das Ausmaß ist mehr als erschreckend. Der vor Kurzem geschehene Vorfall in Kitzbühel hat auch gezeigt, wohin Gewaltbereitschaft führen kann. Wenn ich jetzt die von Ihnen aufgezählten Maßnahmen hernehme, hätte wohl keine Einzige genau das abgewendet, und der Täter hätte sich schon gar nicht von einem höheren Strafrahmen beeindrucken lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber von dem, was ihr machts, auch nicht!) Da bin ich bei der ersten Expertise, die hierbei vollkommen ignoriert worden ist.

Die Politik hat natürlich nicht nur die Verantwortung, Rahmenbedingungen zu setzen, sondern solche Vorfälle auch zu verhindern. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber das, was die SPÖ die ganze Zeit gemacht hat, hat hier auch nichts verändert!) Die Frage ist, wie macht sie das? – Eine Taskforce einzurichten ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes. Was aber schon bedenklich ist, ist, dass man am Ende eines längeren Prozesses die Experten, Expertinnen vollkommen ignoriert und in einer Law-and-Order-Logik genau das durchsetzt, was man sich vorher überlegt hat. Genau diesen Fehler haben Sie gemacht, und ich denke, dieser Fehler wird sich rächen.

60 fundierte Stellungnahmen haben Sie ignoriert, alle Einschätzungen der ExpertIn­nen – wie erwähnt – torpediert. Ja, ich halte dieses Gewaltschutzpaket für eine gefähr­liche Drohung. Ich denke, es wird sich zeigen, dass es nicht wirksam ist, sondern womöglich auch noch zu Verschlechterungen führt, zumindest sagen das jene, die tagtäglich mit Betroffenen arbeiten, die Opferschutzeinrichtungen, die Interventions­stellen und alle Einrichtungen in den Ländern, denen Sie unter Türkis-Blau Gelder in Höhe von 1 Million Euro für diese wichtige Präventionsarbeit – gerade im Gewalt­schutzbereich – gekürzt haben. Jetzt von Sicherstellung zu sprechen, das ist ein wenig zynisch, Frau Kollegin. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wir wissen, was es bräuchte, und wir können nur erahnen, wozu diese Änderungen, diese Verschlechterungen führen werden. Wir wissen, dass die Verdoppelung der Mindeststrafen dazu führen wird, dass sich die Frauen eher zurückziehen und keine Anzeige erstatten werden. Die sogenannte Anzeigepflicht, auch wenn sie ein bisschen relativiert worden ist, wird dazu führen, dass sich die Frauen überhaupt nicht an Institutionen, an Stellen, an medizinisches Personal wenden, weil sie dann nicht selber entscheiden können, wann der richtige Augenblick für sie ist, das tatsächlich zur An­zeige zu bringen. Wir wissen auch, dass der Strafrahmen aktuell bei Weitem – wirklich bei Weitem! – nicht ausgeschöpft wird und Strafrahmenerhöhungen als mögliche Abschreckung erfahrungsgemäß – und das bestätigen alle Studien zu dem Thema – nicht wirksam sind.

Ich bedanke mich an dieser Stelle auch bei Ihnen (in Richtung Vizekanzler Jabloner), Sie waren hier sehr klar. Genauso wie sich sehr viele Experten und Expertinnen, die in der Taskforce gesessen sind, von diesen Änderungen letztendlich auch distanziert haben, so haben Sie vor allem darauf verwiesen, dass junge Erwachsene im Alter von


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18 bis 21 Jahren bei mehreren Delikten jetzt mit Erwachsenen gleichzustellen eigent­lich einem zivilisatorischen Rückschritt gleicht. (Bundesrat Steiner: ... aber 16 ..., super!) Ja, dem kann ich mich nur anschließen und ergänzen – was Sie gesagt haben –, dass es zum Glück für diese nicht „lebenslänglich“ gibt, denn sonst wäre man in das Jahr 1851 zurückgefallen.

Statt der Änderung der Anzeigepflicht bräuchte es eine deutliche Aufstockung der erwähnten Budgetmittel, statt Kürzungen beim Gewaltschutz mehr Strukturen zur Vernetzung der Opfereinrichtungen und eine bessere Finanzierung von Fachberatung, statt auch da die Ressourcen bei Frauen- und Familieneinrichtungen zu kürzen. Es braucht tatsächlich mehr Druck der Politik. Es reicht nicht, sich zu empören wie am Jahresanfang, als diese Debatte rund um die Frauenmorde vor allem von der FPÖ instrumentalisiert worden ist, wo man reduziert, wo man versucht, die Verantwortung abzuschieben und dann am Ende eines so langen Prozesses lediglich eine Anzeige­pflicht einführt, die Jugendliche, statt sie präventiv abzufangen, zu Strafen verdonnert. (Bundesrat Spanring: ... wir hätten sie gar nicht reingelassen!) Zudem war man auch nicht weitblickend genug, zu sehen, dass diese wichtige Verschwiegenheitspflicht einfach wegfällt und es vielen Frauen in Zukunft nicht möglich sein wird, selber ihre Stimme zu erheben, wenn sie von Gewalt betroffen sind.

Sie kennen auch – zumindest hoffe ich das, denn ich habe sie in meinen Reden zu dem Thema immer wieder erwähnt – die Istanbulkonvention. Österreich hat diese ratifi­ziert, aber da gibt es großen Nachholbedarf. Darin ist eigentlich jede einzelne Maßnah­me, die Österreich jetzt umsetzen könnte, recht gut festgelegt – weil Sie sagten: Man muss ja etwas tun, die Bevölkerung erwartet das! Ich frage mich nur, wieso Sie diese Maßnahmen nicht umgesetzt haben, wieso Österreich die Istanbulkonvention nicht endlich umsetzt, wieso wir Strafverschärfungen, Abschreckungsszenarien, eine Law-and-Order-Politik brauchen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), von der alle sagen, dass diese genau das Gegenteil bewirken wird. Ich werde es nicht verstehen (Bundesrat Steiner: Das wissen wir eh!), und leider werden wir wahrscheinlich sehr schnell mit den Auswirkungen dieser Änderungen konfrontiert werden.

Fakt ist auch, dass wir uns weiterhin und zum Glück demnächst auch im Nationalrat mit der Zivilgesellschaft und mit den Opferschutzeinrichtungen dafür stark machen und einsetzen werden, dass es zumindest zu einer Rücknahme in einigen Bereichen bei diesem Gewaltschutzpaket kommt. (Bundesrat Steiner: ... in der Regierung!) Ich hoffe, dass keine weiteren Vorfälle notwendig sein werden, dass Sie zur Vernunft kommen. (Bundesrat Steiner: In der Regierung wünsche ich euch viel Spaß! Viel Spaß wünsche ich!)

Ich selber werde mich zumindest hier im Bundesrat – nicht mehr zu dem Thema äußern. Sie werden wissen, dass das heute meine letzte Sitzung und somit auch meine letzte Rede ist. (Die BundesrätInnen Mühlwerth und Steiner: Gott sei Dank!) Sie können sich vorstellen, dass es für David und mich die letzten zwei Jahre alles andere als einfach war (Bundesrat Steiner: Für uns auch nicht!), nicht nur außerhalb des Bundesrates, sondern auch hier. Ich kann mich gut an das Hohngelächter und die Ignoranz vor allem von Ihnen (in Richtung FPÖ) erinnern. Ich möchte Sie heute daran erinnern, dass wir 10 Prozent gewonnen und Sie 10 Prozent verloren haben. (Bun­desrat Steiner: Gratuliere! – Bundesrätin Mühlwerth: Dahin müsst ihr einmal kom­men! – Bundesrat Steiner: Wenn ihr so viel verliert, seid ihr aus dem Parlament draußen!) Das sollte Ihnen zu denken geben, auch wenn es keine direkte Korrelation in der Wählerstromanalyse gibt.

Zum Abschluss: Die Demokratie braucht uns alle, vor allem jene, die sich den demo­kratischen Prinzipien verpflichtet fühlen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das tun wir alle!) In diesem Sinne wünsche ich dem Bundesrat, euch allen dieser Länderkontrollkammer,


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weiterhin sehr lebhafte Debatten, einen kollegialen, womöglich wirklich mehr kolle­gialen Umgang miteinander, als das im Nationalrat der Fall ist, aber auch viel Reflexion und vielleicht auch die eine oder andere neue oder andere Perspektive, als sie der Nationalrat hat.

Was uns betrifft: Lauten Einsatz für Umwelt, Frieden, Menschenrechte und Rechts­staatlichkeit braucht es in beiden Kammern, und wir werden das in Zukunft nicht nur hier tun, sondern eben auch im Nationalrat. (Bundesrat Steiner: Aber bitte ohne Pflastersteine!) Ich danke fürs Streiten, fürs Schlichten, fürs Debattieren und dass ich hier mit Ihnen allen, wenn auch mit unterschiedlichen Perspektiven, die Länderinter­essen die letzten knapp vier Jahre vertreten durfte. Ich hoffe, wenn ich einmal auf Besuch bin, dass mich der Präsident dann auf der Galerie begrüßt. In diesem Sinne, vielen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

15.49


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Vielen Dank, Frau Bundesrätin. Persönlich muss ich dazusagen: Danke für die vielen interessanten und wichtigen Beiträge! Wir alle hier im Bundesrat wünschen Ihnen natürlich auch im Nationalrat einen guten Erfolg. Alles Gute für die Zukunft!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. – Bitte.


15.50.17

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Gegen das vorliegende Gewaltschutzpaket wurde vonseiten der SPÖ und vonseiten der Grünen sinngemäß vorgebracht, die Abgeordneten der Freiheitlichen und der Volkspartei hätten sich nicht mit den zahlreichen kritischen Einwänden von Experten aus dem Begutachtungsverfahren auseinandergesetzt, das Paket werde nun einfach durchgepeitscht.

Das ist Ihr Narrativ: hier die Experten aus der Fachwelt, die sich gegen den Entwurf aussprechen, dort die populistischen Politiker von ÖVP und FPÖ, die nichts von der Materie verstehen und nur im Wirtshaus punkten wollen. – Das ist nicht richtig. Die Einwände im Begutachtungsverfahren wurden von uns gewissenhaft bewertet und zur Kenntnis genommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Prischl.) Nehmen wir doch einmal beispielhaft den neuen § 39 Abs. 1a Strafgesetzbuch! Hierzu schreibt eine Ihrer ExpertInnen der Universität Wien in ihrer Stellungnahme – ich zitiere nun wörtlich –:

„Aus kriminologischer Sicht müsste man § 39 StGB – genauso wie den Erschwe­rungsgrund (einschlägiger) Vorstrafen – eigentlich abschaffen! Schließlich ist es allge­mein gesichertes Wissen, dass Vorstrafen das persönliche Fortkommen der Betrof­fenen in mehrerlei Hinsicht erschweren, ein Rückfall also sogar eher ‚verständlich‘ ist als eine entsprechende Straftat einer bis dahin unbescholtenen Person. [...] Wieso nach dem vorgeschlagenen § 39 Abs. 2 StGB künftig nach schwereren Straftaten eine längere Bewährungszeit vorausgesetzt werden soll, ist sachlich nicht nachvollziehbar, zumal es gängige Einschätzung ist, dass es schon als Resozialisierungserfolg gewertet werden kann, wenn ein schwerer Gewalttäter im anschließenden Beobachtungs­zeit­raum nur noch mit einer vergleichsweise harmlosen Tat rückfällig wird.“

Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen, Ihre Experten meinen also (Bundesrätin Ernst-Dziedzic: Was heißt „Ihre Experten“? Das sind nicht unsere Experten!), es ist ein Resozialisierungserfolg, wenn ein Einbrecher, der einen schwe­ren Raub mit Todesfolge zu verantworten hat, bei seinen künftigen Einbrüchen nur


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noch vergleichsweise harmlos seine Opfer knebelt. Ihre Experten meinen also, es ist ein Resozialisierungserfolg, wenn sich ein Messerstecher, der seinem Opfer eine schwere Körperverletzung mit lebenslangen Dauerfolgen zugefügt hat, künftig damit begnügt, seine Opfer mit vergleichsweise harmlosen Faustschlägen zu traktieren. Ihre Experten (Bundesrätin Ernst-Dziedzic: Wie zynisch ist das, bitte?! Das sind nicht unsere Experten!) bewerten einen solchen Rückfall als – Zitat – „eher verständlich“, sodass aus Sicht dieser Experten, aus Sicht der Kriminologie kein sachlicher Grund bestehen würde, diesen Täter als Rückfalltäter zu behandeln und strenger zu be­strafen.

Meine Damen und Herren Kollegen, die Strafrechtsordnung wird nicht für Experten und Kriminologen im Elfenbeinturm erlassen, sondern sie dient dem Schutz aller Menschen in Österreich, insbesondere, meine Damen und Herren, dem wirksamen Schutz vor gefährlichen Gewalt- und Rückfalltätern. (Beifall bei der FPÖ.) Die wirklich maßge­benden Experten sind Sie, meine Damen und Herren Kollegen hier im österreichischen Parlament, hier im Bundesrat. Sie stehen auch in Ihrem Wahlkreis in laufendem Kontakt mit den Bürgern und Bürgerinnen und können als gewählte Volksvertreter nach eigenem Wissen und Gewissen selbst prüfen und mit Ihrem Stimmverhalten hier nun entscheiden, ob für schwere Gewalttäter und Rückfalltäter künftig ein höherer Straf­rahmen auch tatsächlich wirksam werden soll.

Herr Kollege Weber von der SPÖ, Frau Kollegin Dziedzic von den Grünen, Sie haben mit Verweis auf die Experten auch wieder das altbekannte Argument vorgetragen, höhere Freiheitsstrafen bringen nichts, sie seien nicht zielführend, da sie den Täter ja nicht von der Tatbegehung abhalten würden und auch nach der Verbüßung seiner Haft nicht davon abhalten, neuerlich eine Straftat zu begehen. – Ja, das mag schon sein, und es mag schon sein, dass diese These auch evidenzbasiert durch Statistiken gestützt werden kann, der Täter ist aber während der Verbüßung seiner Haft aus dem Verkehr gezogen, und zumindest während dieser Zeit ist die Bevölkerung vor weiteren Taten geschützt. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Herr Justizminister Dr. Jabloner, Sie haben schon anläss­lich der Plenardebatte über das Gewaltschutzpaket im Nationalrat einen besonderen Kritikpunkt in Bezug auf eine Änderung des Jugendstrafrechts genannt. Nach dem geltenden Jugendstrafrecht werden ja bekanntlich junge Erwachsene im Alter von 18 bis 21 Jahren insofern privilegiert, als für sie grundsätzlich die Mindeststrafdrohungen gelten, wie sie auch für Jugendliche vorgesehen sind.

Der vorliegende Gesetzesbeschluss sieht nun unter anderem vor, dass dieses Privileg der 18- bis 21-jährigen erwachsenen Täter für bestimmte schwere Delikte nicht gelten soll und auch diese jungen Erwachsenen, wenn sie ein solches schweres Delikt begehen, künftig nach dem ganz gewöhnlichen Erwachsenenstrafrecht abzuurteilen sind. Dazu haben Sie, Herr Justizminister, nun kritisiert, und ich darf Sie wörtlich aus der Plenardebatte im Nationalrat zitieren:

„Die Auswirkungen dieser geplanten Regelung zeigen sich nicht nur bei den schwers­ten Delikten, bei denen die Änderung vielleicht noch nachvollziehbar wäre, sondern auch schon bei der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB. Versetzt zum Beispiel ein 19-Jähriger in einem Lokal einem anderen in einem Streit einen Faust­schlag – was in diesem Alter leider passiert –, und das Opfer stürzt und erleidet einen Bruch eines Fingers, so würde in Zukunft die Mindeststrafe sechs Monate betragen. Bedenken Sie, dass Sie mit einer solchen weitgehenden Änderung vielleicht nicht nur die offensichtlich beabsichtigen Zielgruppen, sondern auch den 19-Jährigen von neben­an erwischen.“


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Herr Justizminister, wo ist das Problem? Der 19-Jährige von nebenan hat diese schwere Körperverletzung zu verantworten. Ja, die Mindeststrafe wird künftig, wie bei allen Erwachsenen, sechs Monate betragen, aber diese sechs Monate müssen keineswegs in Haft zugebracht werden. Anstelle der Freiheitsstrafe kann das Gericht gemäß § 37 StGB auch eine Geldstrafe verhängen. Und ebenso hat das Gericht auch weiterhin die Möglichkeit, nach § 43 StGB vorzugehen und diesem 19-jährigen Erst­täter die Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen. Der 19-jährige Wirtshausschläger, für dessen Schutz Sie plädiert haben, wird also aufgrund der bedingten Strafnachsicht auch weiterhin keinen einzigen Tag im Gefängnis verbringen müssen.

Bleiben wir gleich bei diesem Thema der bedingten Nachsicht! Aufgrund der über­schießenden Anwendung dieser Bestimmung in der Rechtspraxis bleibt ein mittelloser Straftäter oftmals ohne irgendeine wirklich spürbare Sanktion. In vielen Fällen wird auch nicht einmal Bewährungshilfe angeordnet, so wie es vom Gesetz eigentlich vor­gesehen wäre. Für den mittellosen Täter wirkt das wie ein Freispruch. Ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht wird auch bei Rückfalltätern nur in den seltensten Fällen tatsächlich angeordnet. Kurzum: ein an sich gut gemeintes Instrument im Sinne des täterfreundlichen Resozialisierungsgedankens, das betroffene Opfer von schweren Gewalttaten, die auch selbst keine Möglichkeit haben, von einem mittellosen Täter auch nur einen einzigen Cent an Schadenersatz zu erhalten, meist fassungslos zurück­lässt.

Nun soll durch das Gewaltschutzpaket bei der Verurteilung wegen einer Verge­walti­gung, also einer besonders schweren und verwerflichen Straftat, erstmals die Mög­lichkeit einer bedingten Strafnachsicht ausgeschlossen sein. Diese Regelung ver­dient auch aus meiner Sicht Kritik, aber aus einem anderen Grund, als die linke Hälfte dieses Saals diese Regelung kritisiert, nämlich weil sich der Ausschluss der bedingten Strafnachsicht nicht auf alle Gewalttaten bezieht, sondern allein auf das Verbrechen der Vergewaltigung beschränkt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein objektiver Kritikpunkt am Gewaltschutzpaket, den auch ich nachvollziehen kann, betrifft die Komplexität der Strafrahmen und Strafzumessungsgründe. Da muss man aber auch festhalten, dass sich dem Grunde nach nichts an dem ohnehin schon komp­lizierten Regelungswerk ändert. Die Regelungen waren schon bisher für den Rechts­anwender schwierig handzuhaben und sie werden es auch weiterhin sein. Die allge­meinen Regeln über Strafrahmen, Strafnachsichten, Erschwerungs- und Milderungs­gründe bedürfen aus meiner Sicht ganz zweifellos einer umfassenden, grundlegenden Reform.

Das ist aber heute nicht das Thema und das ist auch kein Grund, gegen das vorlie­gende Gewaltschutzpaket zu stimmen. Über Jahre und Jahrzehnte wurde das Straf­recht Stück für Stück in Richtung Täterfreundlichkeit verschoben, die heutige Reform ist ohnehin nur ein ganz kleiner Trippelschritt zurück, hin zu einer nachvollziehbaren ausgewogenen und gerechten Sanktionierung schwerer Gewalttäter. Wir Freiheitlichen werden daher diesem Gewaltschutzpaket unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Jetzt seid’s einmal ordentlich aufgeklärt worden, fachlich!)

15.58


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Ines Stilling. Ich erteile es ihr.


15.58.45

Bundesministerin im Bundeskanzleramt Mag. Ines Stilling, betraut mit der Leitung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden Angele­genheiten für Frauen, Familien und Jugend: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr


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geehrter Herr Kollege! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bun­desräte! Ich möchte zu den Zahlen und den dramatischen Auswirkungen, die Gewalt gegen Frauen in Österreich hat, noch eine hinzufügen, auch wenn die Frau Bun­desrätin schon einige genannt hat. Die europäische Prävalenzstudie aus 2014 hat für Österreich als ein Ergebnis gebracht, dass 5 Prozent aller befragten Frauen in den vorangegangenen zwölf Monaten von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen waren. Das heißt nichts anderes, als dass in Österreich alle 3 Minuten eine Frau oder ein Mädchen Opfer von Gewalt wird.

Wenn wir die schockierenden Ereignisse nicht nur in Kitzbühel – ich erinnere auch an jene vor einigen Wochen in Kärnten, und nahezu täglich lesen wir von Gewalt gegen Frauen und Kinder – vor unseren Augen haben und sie in unseren Erinnerungen nachhallen, können und dürfen wir nicht vergessen, dass diese Frauen und ihre Kinder Unterstützung durch Anlaufstellen, Beratung und Begleitung brauchen, bis hin natürlich auch zur Prozessbegleitung in den entsprechenden Gerichtsverfahren, sofern welche zustande kommen.

Ich habe in den paar Monaten, seit ich der Bundesregierung angehören darf, zahllose Gespräche mit den Interventionsstellen, den Gewaltschutzzentren, mit Frauen- und Mädchenberatungsstellen und mit Betroffenen geführt. Ich kann Ihnen nur sagen, wenn jemand in diesem Land darüber Bescheid weiß, was Frauen und Opfer wirklich brauchen, um nachhaltig vor Gewalt geschützt zu werden, dann sind es diese Einrichtungen und die Betroffenen selbst. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass unabhängig von einer Taskforce, die zur Erarbeitung von Maßnahmen aus meiner Sicht immer zu begrüßen ist, auch bei der Umsetzung und Implementierung von Maßnahmen die Stimmen dieser Einrichtungen immer zu hören sind.

Zum Gewaltschutzpaket, das Ende September im Nationalrat diskutiert und be­schlossen wurde und nun auch zur Diskussion vor Ihnen liegt, möchte ich einige Dinge ergänzen, die noch nicht so ausgeführt worden sind. Positiv aus meiner Sicht ist, dass zum Beispiel die explizite Nennung von weiblicher Genitalverstümmelung als schwere Körperverletzung nun in diesem Gewaltschutzpaket vorliegt. Diese Maßnahme begrüße ich ausdrücklich.

Auch der bereits erwähnte grundsätzlich stärkere Fokus auf die Beratung von Gefähr­dern ist ein erster wichtiger Schritt. Nichtsdestotrotz gab es, wie schon erwähnt, viele kritische Stellungnahmen von den Expertinnen und Experten aus den Bereichen Opferschutz und Gewaltprävention, und einige dieser Anregungen möchte ich auch Ihnen in dieser Debatte näherbringen, wie ich sie auch schon vor den Damen und Herren Abgeordneten des Nationalrates und in der Besprechung, die wir dankenswerterweise im Justizministerium mit den Justizsprecherinnen und -sprechern haben durften, ausgeführt habe.

Die Beratung von Gefährdern ist aus meiner Sicht ein erster wichtiger Schritt für eine Veränderung, aber die nun im Gesetz vorgesehene Gefährderberatung ist eine punk­tuelle kurze Intervention. Eine opferschutzorientierte Täterarbeit ist etwas ganz ande­res. Es ist eine längerfristige Beratung und Begleitung des Täters, eines verurteilten Täters, nicht bloß eines Gefährders, die zu einer nachhaltigen Veränderung seines Verhaltens beitragen soll.

Die Gefährderberatung ist aus meiner Sicht ein erster positiver Schritt, für eine um­fassende Täterarbeit braucht es aber einen viel größeren, gesamtheitlichen Ansatz und deutlich mehr Mittel sowohl in der Täterarbeit als auch im Opferschutz, da diese Dinge Hand in Hand gehen müssen.


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Auch betreffend die Bannmeile, die mit dem nun vorliegenden Paket eingeführt werden soll und einen gewissen Bereich der Betretungsverbote ersetzen soll, habe ich – wie bereits im Nationalrat ausgeführt – gewisse kritische Bedenken.

Ich möchte Ihnen diese anhand eines Beispiels erklären. Die bisherige Regelung sieht vor, wenn ein Gewalttäter in einer Familie Gewalt ausgeübt hat – wir sprechen also von familiärer Gewalt – und auch Kinder betroffen waren, dann konnten diese Kinder in den Schulen und Kindergärten durch ein Betretungsverbot geschützt werden.

Was hat das bedeutet? Das ist ein bisschen ein technischer Begriff. Es bedeutet nichts anderes, als dass der Schulwart, die Schuldirektorin, die Kindergartenleiterin die Poli­zei informieren konnte, sobald der Gefährder, der Täter vor dieser Einrichtung sichtbar war. Die Polizei konnte einschreiten, bevor sich das Kind mit seiner Mutter dieser Einrichtung überhaupt genähert hat. Die Polizei konnte einschreiten und den Täter von diesem aus unserer Sicht und, ich glaube, auch aus ihrer Sicht durchaus schutz­würdigen Ort entfernen und so dem Kind einen sicheren Schul- oder Kindergarten­besuch ermöglichen.

Die Bannmeile, die nun eingeführt wird, ist an sich eine sehr sinnvolle und gute Idee. Die Vorstellung, dass ein Opfer den Schutz immer mit sich tragen kann, ist eine schöne, die ich durchaus mit Ihnen teilen kann. Wenn diese aber die Betretungs­verbote ersetzt, so wie es derzeit vorgesehen ist, führt das dazu, dass der Schulwart, die Direktorin, die Kindergartenleiterin nicht mehr die Polizei verständigen kann, wenn der Täter einfach in der Früh zum Beispiel vor dem Kindergarten steht. Vielmehr muss die Kindergartenleiterin warten, bis sich die Mutter und das Kind dem Kindergarten auf 100 Meter annähern. Erst dann kann sie die Polizei verständigen, erst dann kann die Polizei anrücken und einschreiten. Zu dieser Zeit besteht aber bereits eine akute Gefährdung für die Frau und dieses Kind oder sie kann entstehen. Daher wäre aus meiner Sicht nicht ein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch sinnvoll gewesen.

Ein aus meiner Sicht weiterer ganz zentraler Punkt, um nachhaltigen Opferschutz ge­währleisten zu können, ist die Datenübermittlung, welche die essenzielle und bisher hervorragend funktionierende Zusammenarbeit zwischen Exekutive, den Einrichtungen des Opferschutzes und den Einrichtungen der Täterarbeit ausgemacht hat. In diesem Bereich braucht es eine entsprechende Datenübermittlung, damit alle dieselben Infor­mationen haben und auch das Risiko einschätzen können. Mit dem nun vorliegenden Beschluss, der hier heute diskutiert wird, ist nicht gerade ein Beitrag zur Klarheit der Datenübermittlung, was wem übermittelt werden darf, geleistet worden. Dazu hätte ich mir noch die eine oder andere Verbesserung gewünscht.

Nun: Ich gehe davon aus, dass dieser Beschluss heute hier die Mehrheit finden wird (Bundesrat Stögmüller: Leider! Leider!) – dazu habe ich keinen Beitrag zu leisten, ich bin hier nicht stimmberechtigt –, allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass wir alle gemeinsam, Sie als Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer, wir auf Regie­rungsseite, einen Blick darauf haben sollten, wie diese neuen Regelungen umgesetzt werden, wie sie sich in der Praxis auswirken. Ich kann hier nur appellieren, dass wir, auch wenn es um die Umsetzung dieser Regelungen ab Jänner geht, die Opferschutz­ein­rich­tungen, die Täterberatungseinrichtungen, die Männerberatungseinrichtungen nicht ungehört lassen.

Sobald es zu Verschlechterungen für Opfer kommt, denke ich, sind wir alle auf­gefordert, die entsprechenden Adaptierungen vorzunehmen. Da appelliere ich auch an Sie als Bundesrätinnen und Bundesräte.

Darüber hinaus – auch weil Sie, Frau Bundesrätin, es schon angesprochen haben – kann ich das Thema der Übergangswohnungen erwähnen. Sie sind eine ganz wesent­liche ergänzende und flankierende Maßnahme, ebenso wie zum Beispiel Plätze in den


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Frauenhäusern, die es leider nicht in allen Bundesländern in ausreichendem Ausmaß gibt. Das alles sind Zuständigkeiten und Kompetenzen der Bundesländer, und ich kann nur hoffen, dass ich gemeinsam mit Ihnen weitere Stärkungen und Verbesserungen – gemeinsam Bund, Länder und Gemeinden – für alle Opfer in diesem Land erreichen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

16.05


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Vize­kanzler Bundesminister DDr. Clemens Jabloner. Ich erteile ihm dieses.


16.06.00

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesrätin­nen und Bundesräte! Ich möchte nur kurz zwei Sätze zur Steuer der Wahrheit sagen.

Es wurde der Eindruck erweckt, als ob Jugendliche überhaupt keine Strafhaft verbüßen müssten. Ich habe mir jetzt die Zahlen besorgt. Derzeit sind 107 Jugendliche und 420 junge Erwachsene in Haft. Es kann also keine Rede davon sein, dass Jugend­lichen die Haft erspart bleibt. (Bundesrat Spanring: Der muss schon das zehnte Mal verurteilt worden sein!) – Das ist der eine Punkt, den ich sagen wollte.

Der zweite: Das Argument, dass längere Haftstrafen dazu führen, dass die Öffent­lich­keit gewissermaßen von diesen Übeltätern verschont wird, ist kein valides strafrecht­liches Argument, denn es führt zum Gedanken einer Sicherungshaft. (Bundesrat Steiner: Auf was ist denn so was begründet?) Letzten Endes würde das bedeuten, die Menschen unbegrenzt in Haft zu halten, weil sie ein gewisses Gefährdungspotenzial haben. Ich möchte also diesen strafrechtspolitischen Gedanken zurückweisen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

16.07


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke, Herr Vizekanzler.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.


16.07.23

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Vizepräsident! Werte Ministerinnen! Werter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, werte Ministerin, sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für Ihre inhaltlichen Bei­träge, die einmal mehr auch unter Beweis gestellt haben, wie sehr Sie mit den Themen Ihrer Ressorts vertraut sind, in welch guten Händen Ihre Ressorts sind und wie gut Sie Ihre Arbeit machen. Vielen herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Hinsichtlich des Gewaltschutzgesetzes 2019 bringe ich einen Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates ein, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung von mir in seinen Kernpunkten wie folgt erläutert wird:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit erschreckender Regelmäßigkeit erschüt­tern uns Morde und Gewalthandlungen gegen Frauen und Kinder. Die Frau Ministerin hat es gesagt, fast täglich ereignen sich in Österreich Schreckenstaten, und die aller­meisten ereignen sich im engsten Familienkreis, oft in einem hochemotionalen Umfeld, und sehr oft sind es Affekthandlungen.


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Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, und da spreche ich alle hier im Saal an: Ich gehe davon aus, dass wir alle alles unternehmen wollen, um solche Gewalthand­lungen zu verhindern, hintanzuhalten, aber angesichts der fragwürdigen Vorgangs­weise von ÖVP und FPÖ bei diesem hochsensiblen Thema befürchte ich, dass die Ver­suchung, mit diesem wichtigen Thema politisches Kleingeld herauszuschlagen, stärker ist als der Wunsch nach einem wirklich effizienten, zielgerichteten Opferschutz.

Die Genese dieses Gesetzentwurfes wurde von Kollegin Eder-Gitschthaler schon ge­schildert. Es wurde im Innenministerium 2018 eine Taskforce – der neudeutsche Aus­druck für einen Arbeitskreis – eingerichtet, deren Ergebnisse dem vorliegenden Entwurf, eigentlich fast unverändert, zugrunde liegen.

Ja, es hat eine Begutachtung dieser Ergebnisse gegeben, aber was haben Sie mit den Stellungnahmen gemacht? Diese Stellungnahmen kommen von Praktikerinnen und Praktikern, von Institutionen, von Persönlichkeiten, die tagtäglich mit solchen Fällen – und dahinter stehen menschliche Schicksale –, mit Betroffenen konfrontiert sind, die eine hohe Sachkompetenz, Fachkompetenz und vor allem soziale  Kompetenz mit­bringen. Die Stellungnahmen kommen von Richterinnen und Richtern – die Richter­ver­einigung hat eine Stellungnahme abgegeben –, Opferschutzeinrichtungen wie etwa dem Weissen Ring, Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern, auch Männerbe­ra­tungsstellen. Es hat unglaublich viele hochqualifizierte Stellungnahmen gegeben, die einfach vom Tisch gewischt werden, die einfach ignoriert werden.

Heute wurde von einem Kollegen gesagt: Das sind ja irgendwelche Experten, die da im Elfenbeinturm hausen! – Meinen Sie damit die Richterinnen und Richter, die tagtäglich mit solchen Fällen konfrontiert sind? Meinen Sie damit den Weissen Ring, Präsident Jesionek, quasi irgendein Experte, der da im Elfenbeinturm haust und nicht weiß, wovon er eigentlich spricht? – Nein, das alles sind Menschen, die eine hohe Kompe­tenz mitbringen, die tagtäglich mit betroffenen Menschen zu tun haben; und alle diese Menschen haben einhellig davor gewarnt, dieses Gesetz zu beschließen. Macht das nicht!, ist der einhellige Tenor fast aller Stellungnahmen.

ÖVP und FPÖ haben in fast gewohnter Manier alle diese Mahnungen vom Tisch ge­wischt und allen diesen Mahnungen zum Trotz diese höchst sensible Materie dem Nationalrat in Form eines Initiativantrages zur Beschlussfassung vorgelegt; und um sich nur ja nicht mit der massiven Kritik und den Warnungen auseinandersetzen zu müssen, wurde auch der zuständige Ausschuss umgangen und der Antrag mittels Fristsetzung direkt ins Plenum gehievt. Damit sollen Maßnahmen beschlossen werden, die von all diesen fachkundigen Stellen und auch vom Herrn Justizminister als kontraproduktiv bezeichnet wurden und wahrscheinlich – das geht auch aus den Stellungnahmen hervor – den potenziellen Opfern eher schaden als nutzen dürften.

Ich selbst bin ja berufsbedingt auch mit dieser Materie vertraut, ich war jahrelang in Frauen- und Familienberatungsstellen und auch bei Gericht tätig, und deshalb kann ich die Stellungnahmen auch aus eigener beruflicher Erfahrung sehr gut nachvollziehen. Gerade bei Affekthandlungen – man hat das bei vielen Fällen gesehen – wirken stren­gere Strafen nämlich nicht abschreckend, weil der Täter im Moment der Tathandlung einfach nicht daran denkt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ihm ist alles wurscht, er denkt nicht an eine Strafdrohung. Die Einschränkung des richterlichen Ermessensspielraums, wenn – es ist schon genannt worden – die Mindeststrafen angehoben werden, quasi eine gänzlich bedingte Strafe ausgeschlossen und das Jugendgerichtsgesetz geändert wird  – der Justizminister ist darauf eingegangen –, könnte den Effekt haben, dass Täter überhaupt eher straffrei aussteigen, wenn eben ein Richter, eine Richterin sich nicht ermächtigt oder befähigt sieht, eine Verhältnismäßigkeit in der Strafbemessung herzustellen.


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Die Situation ist schon jetzt so, dass nur ein Bruchteil der Anzeigen in eine Anklage und in weiterer Folge in eine Verurteilung mündet. Wenn nun die Verurteilungsquote in Zukunft weiter zurückgehen sollte, dann könnte das auch den Effekt haben, dass sich noch weniger Opfer trauen, Anzeige zu erstatten, denn es gehört auch Mut dazu, Anzeige zu erstatten, wenn man befürchten muss, dass nach einem kräfteraubenden Prozess, nach einem vor allem für das Opfer belastenden Prozess der Täter – der mutmaßliche Täter, muss man dazusagen – unter Umständen straffrei ausgeht. Das ist für das Opfer eine schwer belastende Situation. Ich habe das selbst bei Klientinnen miterlebt; viele von ihnen waren in weiterer Folge akut suizidgefährdet. Das ist eine extreme Belastung.

Wenn es nun auch eine Anzeigepflicht für bestimmte Berufsgruppen gibt – es ist zum Teil wieder zurückgenommen worden, aber es gibt doch eine gewisse Anzeigepflicht –, dann besteht die Gefahr, dass sich Opfer gar nicht an ärztliches Personal oder an berufsmäßig damit befasste Personen wenden, weil sie sehr oft in einem Abhängig­keitsverhältnis zum Täter stehen oder eben selbst noch nicht für eine Anzeige bereit sind und sich vielleicht auch in einem psychischen Ausnahmezustand befinden. Das hätte also wirklich massive Folgen für Betroffene, für potenzielle Opfer.

Zielgerichtete Maßnahmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen anders aus. Es wurde im Nationalrat ein entsprechender Entschließungsantrag unserer Frak­tion eingebracht. Man muss viel stärker bei der Prävention ansetzen; da bräuchte es mehr Ressourcen für Frauen- und Mädchenberatungsstellen, um eben Frauen und Mädchen in ihrer Persönlichkeit zu stärken, selbstbewusster zu machen und sie vor allem auch in familiären Krisen zu begleiten.

Die Männerberatung und auch die Burschenarbeit gehören besser unterstützt. Es geht auch darum, friedliche Konfliktbewältigungsstrategien möglichst frühzeitig zu erlernen, zu lernen, mit Aggressionen besser umzugehen, überhaupt ein positives Männerbild vermittelt zu bekommen. Da müssen Ressourcen hineingesteckt werden, vor allem in die Prävention. Bitte arbeiten wir also gemeinsam an einem wirklich wirksamen Gewaltschutz! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic. – Bundesrätin Grossmann begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesminister Jabloner sowie Bundesministerin Patek die Hand.)

16.17


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von Bundesrätin Elisabeth Grossmann, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 be­treffend ein Gewaltschutzgesetz 2019 mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben – wobei dieser im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung in seinen Kernpunkten von der Antragstellerin mündlich erläutert wurde –, ist genügend unter­stützt und steht demnach in Verhandlung.

Ich darf auch die Frau Bundesminister für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing. Maria Patek begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile ihm dieses.


16.18.41

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Es wurde ange­sprochen: In ganz Tirol und wahrscheinlich weit darüber hinaus steht man immer noch unter Schock aufgrund der verheerenden, ja unfassbaren Tat, die am letzten Sonntag in Kitzbühel passiert ist. Fünf Menschen mussten ihr Leben lassen.


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Immer nach solchen Taten stellt man sich die Frage: Wie hätte man das verhindern können? Ich gebe Kollegin Dziedzic recht, dass man diese Tat wahrscheinlich über­haupt nicht hätte verhindern können, mit welchen strengen Gesetzen auch immer. Und trotzdem: Wenn man sich – wie hier von Frau Bundesminister Stilling so umfangreich ausgeführt – die Kriminalstatistiken ansieht, dann muss man leider feststellen, dass die Gewaltbereitschaft insbesondere gegenüber Frauen besonders stark gestiegen ist (Ruf bei der FPÖ: Warum eigentlich?) und dass gleichzeitig die Hemmschwelle, die persön­liche Integrität bestimmter Personen, auch von Kindern, einzuschränken, in den letzten Jahren gesunken ist. Da muss man sich auch die Frage stellen, wie man dem entge­genwirken kann.

Auch wenn es in diesem Fall wohl kaum ein Rezept gibt, so wurde in Bezug auf das Gewaltschutzgesetz, das wir heute hier diskutieren, die Frage gestellt: Wie können wir diesen negativen Entwicklungen entgegentreten? Da muss man eindeutig gegen­steu­ern.

Ich glaube nicht, dass bei der Taskforce Strafrecht, an der mehr als hundert Personen beteiligt waren, die Lösungsansätze vorgeschlagen haben, nicht die entsprechende Kompetenz vorhanden war. (Bundesrat Weber: Gehört ist nicht worden!) Ich glaube auch nicht, dass das das Ende der Fahnenstange ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.) Es ist wie in vielen gesetzlichen Bereichen: Jedes Gesetz hat eine Dynamik und – weil es schon angesprochen worden ist – wir brauchen wahrscheinlich auch Nachjustierungen und Verbesserungen, weil sich die Straftaten leider immer auch ändern. Wer hätte vor 20 Jahren an die Möglichkeiten von Cybermobbing oder an Ähnliches gedacht? Da braucht es einfach Nachjustierungen, und ich glaube, dass der Ansatz des heute zu beschließenden Gewaltschutzgesetzes mit den Schwerpunkten verbesserter Opferschutz, möglichst professionelle Täterarbeit und Rückfallprävention genau richtig ansetzt.

Mir ist es auch besonders wichtig, hervorzuheben – es wurde ja angesprochen –, dass es mich ein bisschen wundert, warum das Betretungsverbot, die Bannmeile ein Entweder-oder sein soll. Ich hätte mir schon vorgestellt, dass das auch ein Und mitumfasst, dass dieses Betretungsverbot sehr viel zusätzlichen Schutz für mögliche Opfer bringen und die Annäherung des Gefährders an die gefährdete Person unterbinden soll.

Elementar erscheint mir auch, dass nach Anordnung eines Betretungs- und Annähe­rungsverbotes eine rasche Beratung des Gefährders zur Deeskalation und Vorbeu­gung von Gewalttaten verpflichtend vorgesehen ist. Da kann ich mir betreffend den Sachverhalt Kitzbühel auch vorstellen: Wenn es da schon Gefährdungshandlungen gegeben hätte – wir reden hier sehr viel im Konjunktiv –, dann wäre es vielleicht mit entsprechender Präventionsarbeit möglich gewesen, dermaßen gravierende Straftaten zu verhindern.

Zusammenfassend, glaube ich, haben wir als Gesetzgeber hier die große Aufgabe, alles zu versuchen, um so viele kriminelle Handlungen wie möglich zu verhindern und gleichzeitig den potenziellen Opfern größtmöglichen Schutz zu geben.

Ich glaube, das vorliegende Gewaltschutzgesetz ist ein wichtiger Schritt in diese Rich­tung, und wie ich schon angesprochen habe: Wir leben in einer Dynamik, und sollten Anpassungen notwendig sein, werden wir in diesem Haus wieder darüber disku­tieren. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Machen wir es gleich!)

16.23


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.



BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 160

16.23.13

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Frau Bundesministerin! Vielen Dank dafür, dass Sie uns auch noch einmal die zwar wenigen, aber doch posi­tiven Punkte, die im Gesetzentwurf vorhanden sind, vor Augen geführt haben, aber vor allen Dingen auch danke dafür, dass Sie noch einmal ganz genau darauf hingewiesen haben, wo Nachbesserungen wirklich noch ganz, ganz dringend angesagt sind. Vielen Dank dafür, das war, glaube ich, auch für diesen Teil der Mitglieder (in Richtung ÖVP) hier im Bundesrat sehr, sehr wichtig.

Ich darf Sie, bevor ich näher auf das Thema eingehe, zu einem kleinen Gedanken­experiment einladen, und bitte Sie, das auch wirklich einmal auszuprobieren: Ver­setzen Sie sich einmal in die Lage solcher unterschiedlichen, von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen! Stellen wir uns eine Frau Mitte 30 vor, sie ist verheiratet oder hat zumindest einen Partner. Sie hat vielleicht zwei Kinder, eines im Kindergarten-, eines im Volksschulalter. Sie hat einen Job im Einzelhandel, der sie wegen der teils sehr langen Arbeitstage sehr fordert. Es ist für sie unter Umständen sehr schwierig, ihre Arbeitszeiten so anzupassen, dass sie ihre Kinder jeden Tag vom Kindergarten oder von der Schule abholen kann. Ihr Mann oder ihr Partner hat erst vor Kurzem seinen Job verloren. Er ist extrem frustriert und lässt seinen Frust häufig an seiner Frau aus, wie man so schön sagt. Es rutscht ihm immer wieder die Hand aus, wenn ihm das Essen nicht schmeckt, wenn es zu Hause nicht sauber genug ist oder wenn die Frau ihren ehelichen Pflichten einmal nicht nachkommen will.

Oder eine Frau Anfang 20: Sie hat sich gerade erst von einem Mann getrennt, weil sie erkannt hat, dass er phasenweise doch recht aggressive Züge hat, aber er lässt sie – ganz im Gegenteil zu einer Trennung – nicht in Ruhe. Er stellt ihr nach, verfolgt sie auf vielen ihrer Wege, droht, ihr etwas anzutun, wenn sie nicht wieder zu ihm zurückkehrt.

Diese und ähnliche Fallbeispiele sind leider auch in Österreich, wie wir gehört haben, gegenwärtig. Die Frau Ministerin hat es angeführt: Alle 3 Minuten ist eine Frau eines dieser beiden Fallbeispiele, wie ich sie jetzt genannt habe. Man kann sich vermutlich nur ganz, ganz schwer vorstellen, was diese Frauen in Wahrheit durchmachen müs­sen, in welcher Angst sie leben müssen, bedroht zu werden, womöglich auch mit dem Tod bedroht zu werden, welche körperliche und auch seelische Gewalt sie aushalten müssen. Was das mit einem Selbstwertgefühl macht, ist, glaube ich, nicht zu disku­tieren, das ist gar keine Frage. Wir haben es heute auch schon von Kollegin Grossmann gehört: Nicht selten führt das summa summarum irgendwann sogar zum Suizid, und ich glaube, da gehört ganz, ganz dringend etwas getan. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das sehen wir eh so!)

Fakt ist: Mehr als die Hälfte aller Gewalttaten gegen Frauen passiert im häuslichen, im familiären Umfeld. Nicht jede Frau aber – und das haben wir heute auch schon ge­hört – wagt eben diesen Schritt zu einer Anzeige. Wenn, dann kann die Polizei schließ­lich und endlich auch Wegweisungen oder Betretungsverbote verhängen, aber dazu kommt es vielfach gar nicht.

Im Jahr 2017 waren es noch 8 400 Wegweisungen der Polizei, im vergangenen Jahr waren es nur mehr 7 400, die Zahl ist also rückläufig. Aus meiner Sicht ist das aber alles andere als ein Grund zur Freude, weil diese Zahl nicht automatisch auch auf einen Rückgang der Gewalttaten rückschließen lässt, sondern nur die Fälle aufzeigt, bei denen die betroffenen Frauen diesen Schritt der Anzeige auch wirklich gewagt haben. Dazu kommt, dass das Opfer eben auch nicht automatisch einen Anspruch auf Wegweisung hat. Das heißt, wenn die Exekutive nur eine bloße Drohung vermutet,


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dann wird eben nicht weggewiesen. Insofern ist diese Zahl daher sehr wohl zu hinter­fragen.

Meine Kollegen Weber und Grossmann haben es bereits ausgeführt, ich muss es nicht noch einmal in aller Ausführlichkeit erwähnen, nichtsdestotrotz möchte ich aber schon sagen: Kollegin Eder-Gitschthaler hat die Experten ja so gelobt, daher verstehe ich es eigentlich noch viel weniger, dass die ÖVP da ihre Zustimmung gibt. Ich habe hier nur eine ganz, ganz kleine Auswahl an negativen und kritischen Stellungnahmen mitge­nommen, und alleine daraus schließend ist eigentlich eine Zustimmung nicht möglich.

Wenn wir uns anschauen, wer hier denn aller eine Stellungnahme abgegeben hat, dann sehen wir, dass das eben Expertinnen und Experten sind, die tagtäglich mit dieser Thematik befasst sind, die sich um die betroffenen Frauen kümmern und so weiter. Es sind Rechtsexperten, Kriminologen, es sind Vertreter der Frauenhäuser und -beratungsstellen, aber auch der Männerberatungsstellen, die sich dazu geäußert haben, PsychologInnen und viele, viele mehr. (Zwischenruf der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

Ich darf hier beispielsweise aus der Stellungnahme des Instituts für Strafrecht und Kriminologie zitieren, wo es heißt: „Man hat das Gefühl, dass hier unter Zeitdruck die Vorschläge der Expert*innen nach politischen, teilweise sachlich nicht gerechtfertigten, sondern rein populistischen Vorgaben gestaltet wurden, ohne das Ergebnis noch einmal ausführlich mit den Expert*innen beider ,Task Forces’ zu diskutieren.“

Also zwischen diesen beiden, von der damaligen Staatssekretärin im Innenministerium eingesetzten Taskforces Strafrecht und Opferschutz hat es kaum bis gar keinen Austausch gegeben, und dieser wäre ganz besonders wichtig gewesen, denn es gibt bis dato keinen empirisch belegbaren Hinweis darauf, dass höhere Straffandrohungen auch wirklich die gewünschte Wirkung zeigen, nämlich überhaupt eine Abschreckung für derartige Taten sind.

Auch dazu habe ich einige Zitate vorbereitet. Hier heißt es beispielsweise von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: „Eine Erhöhung der Strafen halten wir im Sinne der Gewaltprävention jedoch nicht für zielführend. Es geht vorran­gig darum, auf Basis der vorhandenen Regelungen angemessene Strafen zu setzen, die Strafrahmen auszuschöpfen, die Opfer effektiv zu schützen und die hohe Zahl der Einstellungen zu verringern.“

Der Frauenring sagt: „[...] eine Erhöhung des Strafmaßes kann ein zusätzliches Hin­dernis für Betroffene darstellen, sich den Behörden anzuvertrauen [...].“

Beim Berufsverband Österreichischer PsychologInnen heißt es: „Die Verurteilungs­quoten lassen darauf schließen, dass eine Erhöhung der Strafdrohung oftmals wir­kungslos bleiben wird, da es in vielen Fällen gar nicht zu einer Verurteilung kommt. Ein wesentliches Problem, gerade bei Sexualdelikten, ist, dass der Großteil der strafbaren Handlungen gar nicht erst angezeigt wird“.

Höhere Strafen haben also nicht den gewünschten Effekt, wie die Experten uns zahl­reich bestätigen.

Ich glaube, wir können uns auch gar nicht vorstellen, unter welchem Druck die betrof­fenen Frauen stehen, weil es auch ein Abhängigkeitsverhältnis gibt, emotional ebenso wie möglicherweise finanziell, aus dem es nur schwer möglich ist, auszubrechen.

Weiter geht es dann beispielsweise auch im Bereich der Jugendgerichtsbarkeit. Da heißt es bei der Vereinigung der RichterInnen: „Eine Rückkehr in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts kann sowohl aus kriminologischer als aus gesellschaftspolitischer Sicht von niemandem gewünscht sein.“


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Die Bannmeile war heute auch schon Thema. Darauf muss ich nicht mehr näher eingehen.

Zu kritisieren ist aus meiner Sicht außerdem, dass die unterschiedlichsten Materien, die in diesem Gesetzeskonvolut von immerhin 25 Gesetzen zusammengefasst sind, teilweise nichts miteinander zu tun haben. Wir haben den Gewaltschutz auf der einen Seite, wir haben auf der anderen Seite die Betriebskassen. Das ist alles ganz unterschiedlich zu bewerten und daher in einer gemeinsamen Gesetzesmaterie nur schwer abzustimmen. (Präsident Bader übernimmt den Vorsitz.)

Zusammengefasst: Im Gewaltschutzgesetz geht es um eine Materie, die äußerst sensibel zu behandeln ist. Es gibt durchaus einzelne Punkte, die positiv sind und die in die richtige Richtung gehen, vieles aber ist unausgegoren und wird ganz zu Recht stark kritisiert. Ich denke, es sollte unser gemeinsames Ziel sein, einen gesetzlichen Rah­men für Maßnahmen zu schaffen, die den Opferschutz wirklich stärken, die die betrof­fenen Frauen stärken und auch die Kinder, die unter Umständen mitbetroffen sind.

Ich darf noch die Männerberatung Wien zitieren, die uns auch recht gibt: „Opferrechte bleiben weiterhin Antragsrechte, und ihre Nichteinhaltung bleibt weitgehend sanktions­los.“ – Bis dato.

Das Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen hält fest: „Zu dem Modell der opferschutzorientierten Täterarbeit gehören neben der Beratung auch weiterführende, verhaltensändernde Maßnahmen, wie beispielsweise Anti-Gewalttrai­nings. Diese Maßnahmen fehlen im vorliegenden Gesetzesentwurf.“

Ich glaube, das alles zeigt uns, an welchen Stellen es noch ganz, ganz arg mangelt, und ich glaube, es muss in unser aller Interesse sein, dass die Frauen und die Kinder, die betroffen sind, an oberster Stelle stehen. Um sie gilt es sich zu kümmern.

Prävention ist das Schlagwort. Da muss man schon in der Schule ansetzen, im Unter­richt und im Training, dahin gehend, wie man aus aggressivem Verhalten etwas ande­res machen kann. Da braucht es auf alle Fälle viel, viel mehr Mittel für die Beratungs­stellen, für entsprechende Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Psycho­logInnen und Ärzte und vieles mehr. All das ist in diesem Gesetzentwurf nicht enthalten. Daher wird es auch von unserer Seite keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

16.33


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile ihm dieses.


16.33.17

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich muss leider noch einmal auf den Erstredner dieser Debatte zurückkommen, die jetzt schon über eine Stunde andauert. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ein wichtiges Thema!) Die meisten werden es schon vergessen haben: Es ist der Entschließungsantrag betreffend Betriebskrankenkassen, der von dir, Kollege Weber, eingebracht worden ist. Ich weiß schon, der hat mit Gewaltschutz wenig bis gar nichts zu tun, aber das gehört halt zu den Mysterien des Parlamentarismus, dass wir das unter diesem Punkt behandeln.

Die SPÖ versucht jetzt mit diesem Entschließungsantrag, den Spieß umzudrehen (Bundesrätin Schumann: Aber wirklich nicht!) und will sich hier irgendwie als Retter der Betriebskrankenkassen positionieren. (Bundesrat Weber: Ihr seid die Toten­grä­ber!) In Wirklichkeit ist es aber umgekehrt, denn es war der Abänderungsantrag der Nationalratskollegen Amesbauer und Zanger sowie des Kollegen Kühberger von der


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ÖVP, der sichergestellt hat, dass die 75 Millionen Euro Vermögen dieser Betriebs­kran­ken­kassen nicht in die Österreichische Gesundheitskasse fließen (Bundesrätin Schumann: Warum auch? Warum hätten sie fließen sollen? – Bundesrat Weber: Warum? Das brauchen wir nicht!), sondern im Rahmen einer Stiftung den Mitarbeitern im vollen Umfang erhalten bleiben, dass alle Leistungen für Aktive, für Pensionisten und für künftige Beschäftigte unverändert bleiben und dass alle Zusatzleistungen weiterhin gesichert sind. (Bundesrätin Schumann: Erfolgreiche Kassenzerstörung!) Ja sogar die einzelnen Funktionärsposten sind in diesem Abänderungsantrag, der beschlossen wurde, abgesichert worden.

Wahr ist, dass es der Betriebsrat in doch immerhin etwas über einem Dreivierteljahr nicht geschafft hat, eine sozialpartnerschaftliche Einigung mit dem Arbeitgeber, mit der Voestalpine, zu finden (Bundesrätin Grimling: Was hast du denn geglaubt?), um eben genau diese betriebliche Wohlfahrtseinrichtung, die ihr jetzt mit diesem Entschließungs­antrag fordert, einzurichten. (Bundesrätin Grimling: Da gehören schon zwei dazu! – Bundesrätin Schumann: Bei der Stimmung für die Sozialpartnerschaft?!) Das wäre locker möglich gewesen, aber es ist leider nichts geschehen.

Auch die versprochene Fusionierung der drei Kassen im Mürztal und im Murtal, näm­lich jener der Voestalpine Bahnsysteme in Donawitz, der Zeltweger und der Kapfen­ber­ger, hat nicht stattgefunden. Es hat in diese Richtung auch keine spürbaren Bemühun­gen gegeben.

Jetzt versucht ihr, Panikmache in der Region zu betreiben und hier einen Alibiantrag zu präsentieren (Bundesrätin Grimling: Das ist kein Alibiantrag!) und politisches Klein­geld – ich verstehe das schon, vor den Wahlen – daraus zu schlagen. Die Argumen­tation, die ihr bringt, ist teilweise wirklich abenteuerlich. Es freut mich schon, wenn sich ausgerechnet die Sozialdemokratie auf die Tradition beruft und von der 150-jährigen Tradition spricht. (Bundesrätin Schumann: Ja, die Tradition der Selbstver­waltung und der Sozialversicherung!) Ihr seid, was Traditionspflege betrifft, genauso glaubhaft, wie wir es wären, würden wir uns zum Sprecher und Vorreiter des Genderns machen! (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Weber: Was hat denn das damit zu tun? – Ruf bei der SPÖ: Was redest du da für einen Blödsinn?)

Eigentlich habe ich mir gedacht, dass ihr jetzt, in dieser Sitzung, das Thema als abge­schlossen betrachtet (Bundesrätin Schumann: Ja, das tut euch weh!) und dass ihr gemerkt haben müsstet, dass eure Panikmache nichts gebracht hat. (Bundesrätin Schumann: Ja, der Antrag tut euch weh, das glaub ich!) Das hat man schon bei den Nationalratswahlen gesehen. Es ist genau dasselbe mit dem 12-Stunden-Tag: Da habt ihr auch versucht, Panik zu machen (Bundesrätin Schumann: Ja, natürlich, genau!), aber der Erfolg dieser Panikmache war relativ überschaubar. (Bundesrätin Grimling: Ja, so wie eurer!) Dass das Thema offensichtlich in Wirklichkeit die Betriebskran­ken­kassen selber gar nicht so berührt, sieht man schon allein an der Tatsache, dass auf der Homepage der Betriebskrankenkassen das Thema aktuell überhaupt nicht erwähnt wird. (Ruf bei der SPÖ: Weil sie was anderes zu tun haben!)

Deshalb werden wir diesem Alibientschließungsantrag nicht zustimmen. (Ruf bei der SPÖ: Wir haben nichts anderes erwartet! – Bundesrätin Schumann: Schade! Sehr schade!) Wir haben bereits in der letzten Nationalratssitzung die notwendigen Schritte für die Sicherstellung der Leistungen für die Versicherten in der Obersteiermark unternommen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

16.38

16.38.16


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt lie­gen nicht mehr vor.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 164

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Grossmann, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Be­gründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt zu diesem Tagesordnungspunkt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „faire Rege­lungen für Betriebskrankenkassen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

16.40.0115. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (966/A sowie 10243/BR d.B. und 10262/BR d.B.)

Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. – Ich bitte dich um den Bericht.


16.40.25

Berichterstatterin Marianne Hackl: Hohes Präsidium! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsident Karl Bader: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Magnus Brunner. Ich erteile dieses.



BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 165

16.41.30

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute ein wirklich unglaublich guter Tag für den Ausbau der Erneuerbaren, ein fantas­tischer Tag für den Klimaschutz. Wir beschließen heute ein Paket an Ökostromför­de­rungen, das eigentlich sensationell ist. Man darf das nicht als zu gering erachten. (Heiterkeit und Zwischenrufe der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

Lieber Kollege (in Richtung Bundesrat Stögmüller), es ist wirklich sensationell, wenn man sich die letzten Pakete anschaut. Das heutige übertrifft noch einmal die soge­nannte kleine Novelle vom letzten Mal. Vor allem in Anbetracht dessen, dass wir eine Übergangsregierung haben – Sie verzeihen mir, sehr geehrte Frau Minister –, dass sich die Abgeordneten eigentlich in einem Kraftakt zusammengetan haben und sich im Sinne des Ausbaus der Erneuerbaren, im Sinne des Klimaschutzes zu diesem fantas­tischen Schub im Ökostrombereich entschlossen haben, ist das wirklich bemerkens­wert.

Die Menschen haben es auch satt, dass nur geredet wird. Die Menschen wollen Taten sehen – wir haben das bei Fridays for Future und anderen Aktionen gesehen –, und genau solche Taten beschließen wir heute. Es ist der Thursday for Future im Klima­bereich, könnte man sagen. Das ist ganz konkrete Klimapolitik, das ist Politik der erneuerbaren Energie, die wir heute machen.

Mit diesem Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt es wie gesagt zu einem massiven Schub im Erneuerbarenbereich, vor allem im Wind-, Photovoltaik- und Klein­wasserkraftbereich. Erlauben Sie mir kurz, auf ein paar der wichtigsten Punkte einzugehen: Wir stellen beispielsweise im Photovoltaikbereich für Investitionsförderung und Speicherförderung in den nächsten drei Jahren jedes Jahr 36 Millionen Euro zur Verfügung. Das waren bisher zwei Jahre lang 15 Millionen Euro, man sieht da also diese unglaubliche Steigerung. Das kommt zu den normalen Töpfen, zum PV-Topf, den es im Bereich der Tarifförderung sowieso weiter geben wird, noch dazu.

Man muss sich das vorstellen: Mit den neuen Fördergrenzen, die eingezogen werden, und mit den zusätzlichen Mitteln hätten alle Anlagen, die 2018 im Speicherbereich beantragt worden sind, bedient werden können; 5 000 Anlagen, die da in den nächsten drei Jahren jedes Jahr dazukommen, das ist schon gewaltig! (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

In diesem Zusammenhang gibt es auch einige administrative Erleichterungen. Es muss nicht mehr jede kleinste Kleinanlage durch den Energiebeirat gehen, das heißt, es kommt auch rundherum zu einigen Verbesserungen.

Auch im Bereich Wind ist es ein unglaublicher Schub, der dadurch passieren wird. Im Windbereich wird die gesamte bestehende Warteliste abgebaut, für 650 Megawatt kann man mit einem Schlag einen Vertrag bekommen. Konkrete Zahlen, damit man sich das auch vorstellen kann: Wir haben derzeit eine installierte Leistung von circa 2 300 Megawatt bei Windanlagen, die in die Ökobilanzgruppe einspeisen, jetzt kom­men 650 Megawatt dazu, also mehr als ein Viertel der derzeit installierten Leistung kommt mit diesem Gesetz noch dazu.

Auch bei der Kleinwasserkraft wird die komplette Warteliste abgebaut, über hundert Kleinwasserkraftanlagen haben die Chance, sofort einen Fördervertrag zu bekommen.

Auch beim Biogas gibt es die Möglichkeit einer Verlängerung des Nachfolgetarifs bis in das Jahr 2022. Das soll eine Art Übergangslösung bis zum Inkrafttreten des EAG sein, mit dem dann hoffentlich auch dem Thema Greening the Gas eine große Rolle zukom­men wird und auch die Einspeisung von Biogas in das Gasnetz gefördert werden soll.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 166

(Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Leider hat Ibiza dieses EAG und die begleitenden Maßnahmen etwas verzögert, aber wir werden das auch noch hinbringen. Da haben sowohl der Fachverband als auch andere Experten schon sehr, sehr gute Konzepte vorgelegt. Leider werden wir das wie gesagt dann halt etwas verzögert beschließen können.

Nun komme ich noch zum Lieblingsthema der Sozialdemokratie, der Biomasse. Wir schaffen mit diesem Gesetz ein Sonderkontingent für bestehende Anlagen, die einen Nachfolgetarif erhalten. Ja, wir hätten das natürlich schon früher haben können. (Bun­desrätin Schumann: Ja, hätten wir es verhandelt!) Viele bestehende Anlagen müssen jetzt über ein Grundsatzgesetz und neun Landesgesetze gerettet werden, weil keine Verfassungsmehrheit gegeben war, und jetzt retten wir halt noch den Rest, aber gut: Alle Wege führen nach Rom, der der Sozialdemokratie vielleicht etwas verwirrter (Bundesrat Weber: Habt ihr mit uns geredet?) und etwas komplizierter (Bundesrat Weber: Habt ihr mit uns gesprochen? – Bundesrätin Grimling: Drüberfahren geht nicht!), aber ich bin froh, dass ihr heute beim Beschluss für diese Anlagen anscheinend auch mitmacht. Wie gesagt, wir hätten das etwas leichter und einfacher haben können.

Dieser Allparteienantrag zeigt, dass mittlerweile allen Parteien bewusst ist, dass drin­gender Handlungsbedarf besteht, aber man muss auch sehen, was für positive Auswir­kungen all die Gesetzesnovellen, die im Nationalrat und hier im Bundesrat eigentlich alle einstimmig beschlossen worden sind, in den letzten Jahren hatten. Man führe sich vor Augen, dass es vor zehn Jahren 5 000 Anlagen mit 1 500 Megawatt Leistung gege­ben hat. Derzeit sind wir bei 30 000 Anlagen mit fast 4 000 Megawatt, und heute kom­men weitere 1 000 Megawatt dazu. Da hat sich also in den letzten zehn Jahren aufgrund der Gesetze, die hier im Bundesrat und im Nationalrat beschlossen worden sind, einiges getan, und das zeigt auch, was mit einer vernünftigen Energiepolitik erreicht werden kann. Man kann eigentlich den Energieministern der vergangenen Jahre nur gratulieren, mit welcher Weitsicht sie gearbeitet haben und was da alles zustande gekommen ist. (Bundesrätin Schumann: Na ja, bei diesen Strafzahlun­gen?!) Das könnte ja vielleicht auch die Sozialdemokratie anerkennen. (Bundesrätin Schumann: Nicht bei der CO2-Zahlung!)

So, aber jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss es heißen: Weitermachen, nicht die Hände in den Schoß legen! Es gibt viel zu tun, wenn wir an der Zukunft der Erneu­erbaren weiterarbeiten möchten. Wie gesagt, die vorige Regierung war schon relativ weit, was das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, also die Bemühungen, das System auf neue, effizientere Beine zu stellen, betrifft. Es war kurz davor, in Begutachtung ge­schickt zu werden. Dann kam Ibiza. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring. – Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es wird jedoch kommen, und ich bin froh, dass die Beamtenschaft – Ihre Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter, sehr geehrte Frau Ministerin – wirklich mit großem Einsatz weiter daran arbeitet, sodass wir dann hoffentlich relativ rasch zu einem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz kommen werden, denn die Energiewende kommt, das ist keine Frage mehr, das ist, glaube ich, auch in diesem Haus breiter Konsens, ebenso wie es Konsens darüber gibt, woher diese Energie kommen soll, nämlich aus erneuerbaren Quellen. – Ich nehme an, dass wir da einer Meinung sind. Fraglich ist nur, wie die Energiewende dann konkret aussehen wird, denn für diese Energiezukunft ist sicher viel Arbeit notwendig, auch viel Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung und viel Infor­mation über Realitäten, die es gibt.

Es wird uns beispielsweise der Gasbereich in den nächsten Jahren sicher noch ein Stück auf unserem Weg begleiten, und der massive Ausbau von erneuerbaren Ener­gien muss auch eine gewisse soziale Akzeptanz haben. Die Kostenfrage beispiels­weise gehört sicher auch immer wieder diskutiert, aber diese Kostenfrage verdrängt


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aus meiner Sicht ein bisschen den Zukunftsaspekt, weil natürlich erneuerbare Energien in Richtung Marktreife geführt werden müssen.

Eine mindestens gleich wichtige Frage aber lautet: Was passiert, wenn wir diesen Umstieg nicht schaffen? Was bedeutet das für die Gesellschaft? Was bedeutet das für die Volkswirtschaft, wenn wir den Umstieg auf die grüne Energie nicht schaffen? – Wir brauchen jede Alternative, wir brauchen jede Erzeugungsalternative, um aus dem Atomstrom, aus den fossilen Energieträgern in Europa herauszukommen.

Ich habe gerade heute eine Studie der chemischen Industrie in Deutschland gelesen: Die hätten die Möglichkeit, bis ins Jahr 2050 komplett CO2-neutral, also ohne Treibhausgase, zu produzieren, aber natürlich immer nur unter der Voraussetzung, dass wir günstigen Ökostrom haben, die Produktionsprozesse elektrifiziert werden können. Was es da in den nächsten Jahren für Möglichkeiten gibt, das ist gewaltig.

Zusammengefasst: Heute ist ein wirklich guter Tag für den Ausbau der erneuerbaren Energien, ein guter Tag für den Klimaschutz. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

16.51


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günther Novak. Ich erteile dieses.


16.51.10

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wenn der Oemag-Vorstand hier im Bundesrat an diesem Pult über das Biomassegesetz spricht: Er ist ein Profi, das muss man ganz deutlich sagen, und er wird wahrscheinlich all das, was er uns vorhin gesagt hat, auch im kleinen Finger haben.

Bezüglich dieser kleinen Hackler, was uns anbelangt – wir haben ja auch schon darüber gesprochen –: Ich glaube, dass wir gemeinsam doch eine Möglichkeit gehabt hätten, dieses Gesetz in der Vergangenheit über die Bühne zu bringen, wenn es halt nicht gewisse Dinge gegeben hätte, die ich jetzt gar nicht ausbreiten will – außer es fordert mich jemand, der nach mir auf der Rednerliste steht, noch dazu heraus, denn dann habe ich noch ein paar Unterlagen mit, um das Ganze noch einmal auszubreiten. Ich glaube aber, das ist nicht notwendig, es ist ja durch alle Zeitungen gegangen, und wir sind ja in weiterer Folge dann wahrscheinlich bei der Bevölkerung beziehungsweise bei den Betreibern, die dann schlussendlich diejenigen waren, die ein Problem damit gehabt haben, auch nicht so gut weggekommen.

Wie gesagt: Es ist immer eine Sache der Betrachtung, eine Frage, von welcher Seite wir das betrachten. Wir haben es halt von jener Seite betrachtet, dass es noch ein bisschen länger zu verhandeln gewesen wäre. Die andere Seite, das ist auch bekannt, weil es ja dann - - (Bundesrätin Mühlwerth: Reiner Populismus! Das ist reiner Popu­lismus! Ihr habt einfach nicht widerstehen können! – Bundesrätin Schumann: Geh! Das ist ja bei euch ganz was Neues! Ja, Monika!) – Wenn beim Biomasseförderung-Grundsatzgesetz – das muss ich schon dazusagen, liebe Kollegin – alles das, was wir im Vorfeld gesagt haben, möglich war, dann frage ich mich wirklich, wer dann schluss­endlich recht hat.

Ich sage aber auch Folgendes – ich habe die Protokolle durchgelesen, ich habe mir das im Fernsehen angeschaut, und Muna Duzdar hat ja auch in ihrer Rede darauf Bezug genommen und sich bei Herrn Lettenbichler und auch bei Herrn Rossmann und Herrn Schellhorn für dieses großartige Gesetz bedankt, das schlussendlich über die Bühne gegangen ist –: Ich glaube, das ist auch der richtige Weg und der notwendige


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Weg, wie du (in Richtung Bundesrat Brunner) es selbst auch gesagt hast, dass es notwendig ist, dass wir es gemeinsam versuchen, nachdem sich ja bei dem statt­gefundenen UNO-Klimagipfel in New York gezeigt hat, dass in dieser Richtung die Notwendigkeit und der Bedarf nach konsequentem Handeln besteht und die Ziele des Weltklimaabkommens sowie die europäischen und nationalen Klima- und Energieziele erreicht werden müssen. Sie müssen erreicht werden, und die Jungen haben uns, glaube ich, getrieben und werden uns weiter treiben, damit diese Versäumnisse in Zukunft nicht vorkommen, damit auch die Jugend in der Zukunft noch ein lebenswertes Leben haben wird.

Wir hätten ja heute bei dieser Gelegenheit auch dieses Ölkesseleinbauverbotsgesetz – ein schwieriges Wort –, das bei der EU zur Notifikation liegt, noch diskutieren sollen. Auch dort wird es einige Dinge geben, die Einsparungen ermöglichen.

Ich denke also schon, dass wir für die Zukunft die Möglichkeit schaffen, in diese Richtung weiterzugehen, und dass dieses Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das auch du angesprochen und sehr klar umschrieben hast, die Zukunft ist und den Weg vorgibt, wie wir bis 2030 schlussendlich alles das erreichen, was wir erreichen wollen.

Es hat ja zu diesem ÖVP-Antrag, glaube ich, auch Verhandlungen mit der SPÖ in diesem Bereich gegeben, wobei wir halt nicht gar so froh darüber waren, dass diese 30 Millionen Euro für Biogas und für Ökostrom noch zusätzlich dazugekommen sind, weil es ja ohnedies schon 150 Millionen Euro für diesen Bereich gegeben hat; aber okay, das ist so, der gesamte Gesetzentwurf wird beschlossen.

Ich denke, es braucht, wie schon gesagt wurde, eine langfristige Planungssicherheit für die bevorstehenden Ausbauinitiativen durch gesicherte Förderungsbestimmungen. Das, glaube ich, ist das Wesentliche; dann werden wir uns nicht mehr in die Haare kriegen, wie es in der Vergangenheit war, und anders wird diese ambitionierte Energie­umstellung nicht zu schaffen sein. Ich denke, wir alle sind vernünftige Menschen, wir werden das schaffen. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

16.56


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile dieses.


16.56.21

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Als freiheitlicher Bundesrat begrüße ich den Beschluss des Nationalrates vom 25. Septem­ber 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 geändert wird.

Schon in der Vorbereitung für die Ausschusssitzung und im Zuge der Vorbereitung meiner heutigen Rede dachte ich an die vielen Bundesratssitzungen zurück, in denen es immer wieder um systematische Entscheidungen, Schritt für Schritt, ging, mit dem Ziel, im Jahr 2030 bilanziell 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen.

Erfreulich ist, dass wir uns auf unserem Weg – und ich bin mir sicher, dass dieser der richtige ist – nicht von Kräften der SPÖ, die am 14.2.2019 aus parteitaktischen Erwä­gungen einen Gesetzentwurf zu Fall brachten und damit dem Ziel massiv entgegen­wirkten, beirren lassen.


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Zum Schluss meiner damaligen Rede sagte ich wortwörtlich: Ich hoffe „zum Wohle unserer Kinder und Enkelkinder, doch noch den einen oder anderen Bundesrat der SPÖ davon überzeugt zu haben, dass es sehr wichtig wäre, über Parteigrenzen hin­weg keinen Einspruch gegen die Beschlüsse des Nationalrates zu erheben.“ – Wie man sieht: Gut Ding braucht Weile. Das ist ein altes Sprichwort, aber es zeigt sich, dass es immer noch gilt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Nun, bevor ich zum Inhalt der für mich als Energiesprecher erfreulichen und notwen­digen Änderung des Ökostromgesetzes 2012 komme, welche die Bemühungen in Richtung raus aus den fossilen und rein in die erneuerbaren Energien maßgeblich unterstützen wird und dafür sorgen wird, dass  wichtige Maßnahmen umgesetzt wer­den, möchte ich kurz erklären, was diese bedeuten.

Diese bedeuten gleichzeitig, ohne damit wie andere eine sogenannte Klimahysterie, einen Klimapopulismus zu betreiben (Bundesrätin Ernst-Dziedzic: „Klimahysterie“?!), etwas, das ich an einem Beispiel kurz erklären will: Am Mittwoch wurde nun nach 33 Monaten Bauzeit das Mur-Wasserkraftwerk in Graz-Puntigam eröffnet. Bei der Eröffnung erinnerte man sich an die zahlreichen Proteste und Demos, an viele un­schöne Szenen, an Morddrohungen und brennende Bagger, die den Bau begleitet haben. Alle Parteien, die gegen das Kraftwerk vorneweg marschierten, die Grünen und die KPÖ, gehen jetzt bei den Klimademos vorne mit. Das ist für mich grotesk. 20 000 Haushalte können nun mit sauberem Strom versorgt werden, 60 000 Tonnen CO2 werden eingespart. – So viel zum ernst gemeinten Klimaschutz der Grünen. (Zwischenruf der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

Mit den im Zusammenhang mit der Änderung des Ökostromgesetzes gesetzten Maß­nahmen können wir den Klimaschutz konsequent vorantreiben und damit einen verant­wortungsvollen Umgang mit unserer Umwelt und deren Ressourcen gewährleisten. Wir setzen dadurch Maßnahmen zur Schaffung einer Kreislaufwirtschaft und für den Ausbau der Energieeffizienz. Wir leiten damit den vollständigen Verzicht auf Kohle­kraftwerke ein und bestätigen den richtigen Weg des Verzichts auf Atomkraft. Wir setzen dadurch Maßnahmen zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit, für eine innovative Energiezukunft und saubere Mobilität und wir stärken dadurch den ländlichen Raum.

Das Ziel, die Energieversorgung unseres Landes kontinuierlich durch erneuerbare Energieträger aus eigener Produktion zu decken, macht uns nicht nur unabhängiger von Energieimporten, sondern gibt gleichzeitig einen großen Impuls für neue Investitionen und damit für die nationale Wertschöpfung. Schaffung von Arbeitsplätzen und zusätzliches Wirtschaftswachstum sind weitere positive Folgen.

Wie bereits im Zuge meiner letzten Rede zu diesem Thema ausgeführt, war das Ziel im Regierungsabkommen bereits vereinbart, nämlich im Jahr 2030, so wie vorher schon besprochen, bilanziell 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu gewin­nen. Damit meinte es die Bundesregierung ernst mit der Klimapolitik und der Energie­wende. Das sogenannte Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und die Rahmenbedingungen für den deutlich beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung waren bereits in Verhandlung.

Die jetzige Änderung dient als Übergangsbrücke zu dem in der nächsten Legis­latur­periode des Nationalrates zu beschließenden Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, nämlich mit dem Hintergrund, dass es zu keinem Ausbaustopp der Ökostromerzeu­gungs­anla­gen in Österreich kommt. In der nächsten Legislaturperiode des Nationalrates sollte unsere freiheitliche Forderung, die Mehrwertsteuer auf Strom aus erneuerbaren Ener­gien zu reduzieren, zusätzlich umgesetzt werden.


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Da wir von der Bevölkerung gewählt wurden, um für die Bevölkerung da zu sein und unser wunderschönes Heimatland zu erhalten und zu schützen, haben wir bereits bei den letzten Beschlüssen für das genannte Ziel gestimmt, haben in der damaligen Situation kühlen Kopf bewahrt und werden auch heute den zur Abstimmung stehenden Beschluss des Nationalrates unterstützen und keinen Einspruch aus Überzeugung erheben.

Nun zum Inhalt, von dem heute schon viele Details genannt wurden, in Kurzform: Durch eine Änderung der Kontingentberechnungsmethode sowie ein Vorziehen von Mitteln wird bei Wind- und Kleinwasserkraft nach aktuellem Berechnungsstand der Oemag ein vollständiger Wartelistenabbau ermöglicht. Für Biomasseanlagen werden zusätzliche Mittel für Nachfolgetarife zur Verfügung gestellt, für Biogasanlagen wird eine Verlängerungsmöglichkeit für bestehende Nachfolgetarife geschaffen. Zusätzlich soll der Fördertopf für Kraftwerksprojekte der mittleren Wasserkraft, die aufgrund ihres Erzeugungsvolumens und ihrer systemdienlichen Erzeugungscharakteristika für das österreichische Energiesystem von besonderer Bedeutung sind, einmalig aufgestockt werden. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Des Weiteren wird die im Zuge der kleinen Ökostromnovelle eingeführte Investitions­förderung für Photovoltaikanlagen und Stromspeicher für drei weitere Jahre verlängert und deutlich angehoben. Zusätzlich werden administrative Verbesserungen vorgenom­men, um einen reibungslosen Ablauf der Förderabwicklung zu gewährleisten.

Noch einige Details: Für die Verlängerung der Nachfolgetarife von Biogasanlagen sollen bis zum Jahr 2022 die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Es gelten die Kriterien für Neuanlagen, ausgenommen die Schwelle von 150 kW.

Die Mittel für mittlere Wasserkraftanlagen werden um 30 Millionen Euro erhöht und zugleich die Fördersätze angepasst. Für Photovoltaikanlagen und Stromspeicher wer­den zusätzliche Mittel, 36 Millionen Euro jährlich, das ist eine Verdoppelung, für Inves­titionszuschüsse für die Jahre 2020 bis 2022 bereitgestellt. Das komplette Volumen der heute zu beschließenden Gesetzesänderung beträgt rund 540 Millionen Euro, die unserer Meinung nach damit gut investiert sind.

Wie bereits vorhin erwähnt, werden wir Freiheitliche aus Überzeugung, dass wir hiermit einen weiteren richtigen Schritt für die Zukunft unseres schönen Heimatlandes setzen, keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrats erheben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

17.03


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat David Stögmüller zu Wort. Ich erteile es ihm.


17.03.54

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Ihnen ein Schild mitgenommen, das ist nämlich über den Wahlkampf mit mir mitgewandert: Energiewende jetzt! (Der Redner hält eine Tafel mit der Aufschrift „Energiewende jetzt! Grünalternative Jugend“ in die Höhe und stellt sie dann auf das Rednerpult. – Bundesrat Pisec: Das Fernsehen ist schon weg!) – Wurscht, ob das Fernsehen da ist oder nicht (Bundesrat Krusche: Deswegen protestiert ihr gegen ...! – Bundesrat Steiner: Jetzt ist der Peter Pilz ...! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), reden wir über die Energiewende! Die Energiewende ist etwas, das wir voranbringen müssen.

Wir brauchen die Energiewende, wir brauchen sie. Wir müssen raus aus der fossilen Energie, raus aus Öl und Kohle und Atomstrom, den wir importieren. Wir müssen reinkommen in die grüne Energie, in die Energiewende, und das dringend. Das muss


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umfassend sein. Es muss effizient werden, es muss naturverträglich sein, wobei auch die sozialen Aspekte, und das ist mir auch ein großes Anliegen, nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

Erneuerbare Energie ist auch wirtschaftspolitisch die vernünftigste Lösung. Es entsteht ein boomender Wachstumsmarkt, der Arbeitsplätze schafft und auch sichert. Wir Grüne wollen, dass Österreich da nicht irgendwo ganz hinten herumlungert und auf Klimakonferenzen gar nicht reden darf, weil es die Standards überhaupt nicht erfüllt, sondern wir wollen, dass wir wieder vorn dabei sind, dass wir Spitzenreiter sind. Das ist die große Aufgabe, die wir haben.

Was beschließen wir heute? – Wir beschließen heute – Magnus Brunner hat es ja schon ausgeführt – ein Gesetz, das sehr umfassend ist, aber in Wirklichkeit eigentlich eine Notfalllösung darstellt, denn die letzten Regierungen, und ich nehme ganz be­wusst den Plural, haben es nicht geschafft, ein ordentliches Gesetz zu schaffen, das ein solides Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz schafft. Daran ist nicht nur Ibiza schuld, sondern das ist ein Versagen der Vorvorgängerregierung oder sogar noch der Vorvor­vorgängerregierung unter Schwarz-Rot beziehungsweise Schwarz-Blau, nämlich dass wir nichts auf die Reihe gebracht haben, um die Energiewende endlich voranzutreiben. (Bundesrat Spanring – erheitert –: Schwarz-Grün! – Bundesrat Steiner – erheitert –: Ich freue mich schon drauf!)

Das ist ein riesengroßes Problem, und daran ist nicht nur Ibiza schuld. Daran ist auch die Ökostromnovelle, also das Ganze, was wir im Bundesrat gehabt haben, schuld, dass nichts auf die Reihe gebracht worden ist und wertvolle Zeit verloren ging, dass das nach hinten verschoben werden musste. Es ist mir wichtig, denn es ist fatal für die Planungssicherheit der Betriebe da draußen, der Menschen da draußen, die ein Teil der Energiewende werden möchten. Es fehlt am nötigen Impuls für die Energiewende. Ich hoffe, das kommt.

Jetzt kommt dieser Antrag und der ist gut so. Ich habe ja gar nicht gedacht, dass er überhaupt zustande kommt. Wenn man sich nämlich die Debatten im Nationalrat, die bilateralen Gespräche angeschaut hat, zeigte sich, dass es immer wieder Punkte gab, an denen man gefeilt hat, über die man sich nicht einig war, sodass es wieder nicht zum Übereinkommen kam – der eine will das, der andere will das, der beharrt darauf und so weiter.

Zum Glück ist es gekommen, auch aufgrund des Drucks vonseiten Fridays for Future, aufgrund der Tausenden jungen Menschen, die draußen stehen und sagen: Hey, liebe alte Politik! Macht was, tut was! – Die haben den nötigen Arschtritt dafür gegeben, dass wir als Politiker jetzt heute hier sind und endlich dieses Gesetz umsetzen. Das ist es nämlich, was die Jungen da draußen machen, sie halten uns den Spiegel vor und sagen: Hey, tut was! Macht aber nicht auf Kosten unserer Zukunft etwas nicht!

Daher bin ich sehr froh – und darauf können wir stolz sein –, dass diese jungen Men­schen da draußen auf die Straße gehen und sagen: Leute! Tut was da drinnen im Par­la­ment, denn dafür wir wählen euch! – Das ist wichtig. (Bundesrat Steiner: ... ins­tru­mentalisiert die Volksschulkinder! – Bundesrätin Zeidler-Beck: ... Schuldenbremse!)

Es ist also eine Überbrückung. Es braucht klare Regelungen mit klaren Effizienz­kri­terien, die den ökologischen Aspekt nicht außer Sicht lassen – das kann ich nicht oft ge­nug beteuern und unterstreichen. Wir müssen aber auch über eine deutliche Re­duktion des Energieverbrauches reden. Wir müssen darüber reden, wie wir in Zukunft das Energieeffizienzgesetz ausgestalten und novellieren wollen. Wir brauchen Modelle, die es ermöglichen, dass sich BürgerInnen an der Energiewende beteiligen, dass sie Teil dieser Energiewende werden. Es ist ganz wichtig, die Akzeptanz da draußen zu steigern. Das müssen wir schaffen. Wir müssen die Menschen mitnehmen.


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Es braucht konkrete Zielerreichungspfade. Das fehlt mir. All das hat in den Vorlagen und Punktationen des EAG, die noch unter Ihrer Vorgängerin Elli Köstinger aus dem Umweltministerium gekommen sind, noch massiv gefehlt. Es gab keine klaren Men­genziele für die einzelnen Technologien. Es gab riesengroße Punkte, bei denen wirk­lich noch sehr viel gefehlt hat. Es gab auch bei den Ausschreibungen und Förder­kriterien meiner Meinung nach massive Fehlrichtungen, die wir hoffentlich in Zukunft korrigieren können, damit die Energiewende in Österreich auch gelingen kann.

Es braucht Transparenz, klar definierte Ziele. Wir müssen aber auch sehr bald über die Zukunft unseres Stromnetzes reden, eigentlich wahrscheinlich schon bevor überhaupt die nächste Regierung im Amt sein wird, weil die EU es so vorschreiben wird. Das werden Punkte sein, die wir schnell voranbringen müssen und die noch auf Sie zukom­men werden. Wir haben einiges zu tun.

Das Gesetz heute ist zumindest der erste Schritt, weil Projekte, die schon lange in der Pipeline sind, endlich auf die Reihe gebracht und umgesetzt werden, und das ist gut. Next step aber, und das muss uns allen wirklich klar sein, ist ein ordentliches Erneu­erbaren-Ausbau-Gesetz, das – ob jetzt 2020 oder 2021; 2020 wird sich nicht mehr ausgehen, aber ich hoffe 2021 – schnellstmöglich umgesetzt wird, und zwar egal davon, wie die nächste Regierung ausschauen wird und wer Teil dieser Regierung sein wird. Wir müssen das gemeinsam, und das ist der wichtigste Punkt, umsetzen. Es wird nicht helfen, wenn nur zwei Regierungsparteien daran arbeiten. Dieses Gesetz ist ein gutes Beispiel dafür. Wir müssen uns gemeinsam an einen Tisch setzen und ge­meinsam dieses Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz bearbeiten und erarbeiten. Das ist not­wendig.

Ich möchte mich auch noch einmal bei allen Parlamentsparteien bedanken, die dieses Gesetz auf den Weg gebracht haben. Das ist sehr erfreulich.

Ich möchte noch etwas für mich persönlich sehr Erfreuliches sagen, nämlich dass ich mich vom Bundesrat in den Nationalrat verabschiede. Ich bin sehr froh darüber, dass ich vor vier Jahren, als ich in einem Sozialberuf beim Roten Kreuz gearbeitet habe, diesen Schritt ins Parlament, in den Bundesrat gemacht habe, dass ich diesen Weg gegangen bin, mir damals gesagt habe: Ich möchte Politik machen!, und das auch gewagt habe.

Ich habe es nicht bereut. Mir hat es hier im Bundesrat Spaß gemacht. Ich habe viel gelernt. Ich habe viel einbringen können. Ich habe viele nette Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, ich habe viele Netzwerke in die Zivilgesellschaft mitbekommen, ich habe sehr viel Handwerkliches beigebracht bekommen und finde das großartig.

Es war für mich eine großartige Erfahrung, und wenn ich jetzt so ins Plenum schaue, muss ich feststellen, dass ich hier ja schon zu einem der älteren Hasen gehöre. (Ruf: Na ja!) Ich meine, ich gehöre zu den älteren Hasen im Sinne des Bundesrates und der Bundesratserfahrung. (Bundesrat Spanring: Und Häsinnen!) Es ist eine überschau­bare Zahl. Viele haben mit mir angefangen, ein paar OberösterreicherInnen noch, einige sind schon länger da – das sind einige, ich will sie jetzt gar nicht auf­zählen –, die Monika sowieso. Jedenfalls sieht man diesen Wechsel auch innerhalb der Parteien, und das ist auch gut so, weil da immer wieder frischer Wind hereinkommt.

Ich kann mich noch erinnern, wie vor zwei Jahren so manche gemeint haben: Ihr seid eh eine aussterbende Fraktion, ihr Grünen da hinten! (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ich weiß noch, das war damals die Wortwahl: aussterben. (Bundesrat Pisec: Totgesagte leben länger!) Ich will es nicht so schlimm sagen, ich sage nur: Wer zuletzt lacht, lacht am besten! Dabei geht es mir gar nicht darum, sondern darum, dass man nie zu früh sagen soll, irgendetwas stirbt aus. Wir kommen wieder, keine Angst, so schnell kriegt ihr uns nicht weg! (Allgemeine Heiterkeit.)


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Ich will gar nicht so viel politisches Hickhack machen, aber erlauben Sie mir wirklich, noch einmal Danke zu sagen, nämlich euch allen hier Danke zu sagen für die trotz aller ideologischen Gegensätze über die Fraktionsgrenzen hinweg kollegiale Zusammen­arbeit. Ich glaube, das hat funktioniert.

Danke zuerst einmal an die Parlamentsdirektion, danke an dich, Susanne Bachmann, an dein Team, an alle, die mit dir gearbeitet haben. Entschuldigung, dass Thomas ab und zu länger auf die RednerInnenliste warten musste! Das ist leider den Mitar­beite­rInnen geschuldet, die wir ja nicht haben.

Vielen Dank auch an alle Kolleginnen und Kollegen, manche sehen wir ja dann wieder, und ein Danke auch an die Fraktionsobleute! Ich möchte ganz besonders – und ich muss jetzt bei euch anfangen – den SozialdemokratInnen Danke sagen. Ich möchte das schon ganz eindringlich sagen, denn es war nicht immer leicht mit uns Grünen. Das verstehen wir. Ab und zu haben wir Differenzen gehabt, aber ich möchte schon sagen: In den letzten zwei Jahren habt ihr uns unterstützt, und das sind Sachen, die wir nicht so schnell vergessen. Dafür sage ich: vielen Dank!

Ihr habt viel mitgetragen, ihr habt unsere Anfragen mitunterschrieben. Dafür möchte ich mich wirklich aufrichtig und herzlich bedanken. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr könnt euch eh bedanken für die Stimmen von der SPÖ!) Ihr habt uns nicht nur formell unterstützt, sondern auch mit persönlichen Ratschlägen. Wenn wir Fragen gehabt haben, habt ihr uns wirklich unter die Arme gegriffen. Dafür möchte ich euch wirklich Danke sagen – oder wie man so, glaube ich, sagt: Freundschaft! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Nichtsdestotrotz auch Danke an die ÖVP für die kollegiale Zusammenarbeit! Ich möchte auch Karl Bader – er ist gerade nicht da – als Präsident Danke sagen. Ganz besonders auch dir, Andrea, danke ich für die Zusammenarbeit, auch in den letzten Monaten. Du bist immer top informiert. Du hast, wenn es Absprachen gegeben hat, immer Handschlagqualität bewiesen, und das ist ein Punkt, der mir persönlich sehr wichtig ist. Das hat funktioniert, auch über die Grenzen hinweg. Sonja war sowieso von Anfang an dabei und war immer die Souffleuse von vorne. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.) Danke auch euch von der ÖVP für die Zusammenarbeit!

Auch dir, Monika, möchte ich Danke sagen, nämlich dafür, dass wir trotz der ideo­logischen Unterschiede, die wir haben, ganz klar, auch lustige Stunden miteinander hatten. Ich erinnere mich noch – heute war er da, Edgar Mayer – an unsere erste Weih­nachtsfeier, die mir nie aus dem Kopf gehen wird. Das waren noch Zeiten. (Ruf: Was habt ihr da gemacht?) – Das wollen wir nie wieder erzählen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das würdest du gerne wissen! – Allgemeine Heiterkeit.) Es bleibt im alten Parlament; aber du weißt, wovon ich rede.

Ich möchte noch daran zurückerinnern, wie wir gemeinsam in Opposition waren und hier Anträge, auch Dringliche Anfragen gemeinsam eingebracht haben, trotz der ideo­lo­gischen Unterschiede, und da muss man eben sagen: Vielen Dank von unserer Seite für die Zusammenarbeit!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte den Bundesrat positiv in Erinnerung halten. Er wird auch immer Teil meines politischen Lebenslaufs sein. Ich bin froh darüber, weil ja, wie Kollegin Ecker vorhin gesagt hat, hier eine andere Kultur herrscht. Ich werde diese Erfahrung mitnehmen und freue mich natürlich schon auf meine zukünftige Aufgabe im Nationalrat. Es wird wesentlich anders werden. Es wird wohl nicht mehr so familiär abgehen, wie es heute schon geheißen hat.

Ich glaube, das habe ich mitgenommen: Der Bundesrat ist ein gleichwertiger Teil die­ses Parlaments. Das ist wichtig. Ich möchte auch weiterhin ein Botschafter des Bun-


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desrates bleiben, wie es ihr alle auch seid. Das möchte ich auch weiter vorantreiben und einbringen.

Ich möchte mit einer Bitte schließen, die mir persönlich ein großes Anliegen ist, nämlich: Bitte passt mir auf den Kinderrechteausschuss auf! Den habe ich einst persönlich mit KollegInnen aus allen Fraktionen gegründet. Er ist mir persönlich ein Anliegen, weil er eine Repräsentation des Bundesrates nach außen ist. Er ist mittlerweile eine Visitenkarte des Bundesrates. Wir gehen nach außen, nehmen Input mit und machen die Arbeit des Bundesrates transparent, und das finde ich gut. Also bitte passt auf den auf! Macht da weiter und bringt Initiativen ein! Ich glaube, das ist einer der aktivsten Ausschüsse, in denen der Bundesrat selber aktiv ist. Bitte macht da weiter und zeigt, dass der Bundesrat nicht nur Sachen vom Nationalrat bearbeiten kann, sondern auch selber Initiativen starten kann!

Damit möchte ich euch Danke sagen und noch einen schönen Abend wünschen. (All­gemeiner Beifall. – Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung des das Rednerpult ­verlas­senden Bundesrates Stögmüller –: Vergiss dein Taferl nicht! – Bundesrat Stögmüller kehrt ans Rednerpult zurück und holt seine Tafel ab.)

17.16


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke schön, lieber David! Wir wün­schen dir beziehungsweise euch beiden alles Gute im Nationalrat! Behaltet uns in guter Erinnerung! Ihr seid natürlich jederzeit herzlich willkommen. Wir werden euch auch begrüßen, wenn ihr auf der Galerie oben seid, wozu uns Ewa vorhin aufgefordert hat.

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck zu Wort. Ich erteile es ihm.


17.17.22

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Das Gesetz wurde von meinem Kollegen Magnus Brunner sehr gut erklärt. Das kann ich sicher nicht besser, deswegen lasse ich es. Da Kollege Novak seit unserer letzten Diskussion darüber offensichtlich sehr viel Kreide gegessen hat, kann ich mich sehr kurz halten, möchte aber doch ein paar Eindrücke aus den letzten Monaten bringen.

David, du hast sehr viel Euphorie reingelegt. Du hättest das Taferl ruhig für mich stehen lassen können, denn die Forderung nach der Energiewende hätte auch für mich sehr gut gepasst. (Bundesrat Stögmüller – seine Tafel in die Höhe haltend –: Soll ich’s noch bringen?) Ich muss dich aber erinnern: Am 9. Mai hast du gegen das Öko­stromgesetz - - (Bundesrat Stögmüller: Nein, haben wir nicht!) – Doch, ich habe gerade im Protokoll nachgeschaut, das steht so drinnen. (Rufe bei der SPÖ: Die Grünen waren dafür!) – Aber es steht im Protokoll anders. (Bundesrat Stögmüller: Wir haben da gemeinsam einen Entschließungsantrag eingebracht!) – Dann muss man es im Protokoll ändern. Ich habe wirklich gerade geschaut. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – So etwas in der Art, ja. (Allgemeine Heiterkeit.)

In den letzten Monaten ist ja offensichtlich ein sehr großer Stimmungswechsel vollzo­gen worden. Ich glaube, durch das Auftreten von Greta Thunberg hat es doch einen gewissen Mainstream gegeben, und die bevorstehenden Nationalratswahlen haben dann doch bewirkt, dass die einen oder anderen ein bisschen Angst gehabt haben, dass ihnen das alles dann um den Kopf fliegt.

Ich möchte exemplarisch aufzeigen, wie davor in ein paar Bundesländern gehandelt worden ist. Zum Beispiel verbrauchen unsere Bürger und Bürgerinnen in Niederöster­reich bereits jetzt zu 100 Prozent Ökostrom. Wir haben bereits im vorigen Jahr das Ölheizungseinbauverbot eingeführt und wir haben natürlich sofort im Juni  das Aus-


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führungsgesetz betreffend Biomasseförderung beschlossen, damit keine Anlage still­stehen muss.

Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, war im Mai bei uns zu Besuch. Er hat sich viele Dinge bei uns angeschaut und hat dann gesagt: „Wir schauen neidisch auf Niederösterreich, wie weit man hier schon ist. Wir forcieren auch den Ausstieg aus der Kohle [...]. Der letzte Reaktor wird 2022 bei uns abge­schaltet“ – erst 2022. Er sagte weiter, dass auch der Ausbau der Windkraft stagniert. Das ist einmal ein grüner Realpolitiker, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht und der uns auch motiviert hat, in der EU gemeinsam anzutreten, um eine Klimawende zu schaffen.

In der Steiermark – das hat der Kollege schon angesprochen – ist ein großes Was­serkraftwerk eingeschaltet worden. Da wart ihr aber dann nicht so dabei, David. Da muss ich dann schon die Frage stellen: Wie soll diese Energiewende laut grünen Politikern denn stattfinden? Sollen wir weniger oder keine Energie mehr verbrauchen und zurück in die Höhlen wandern oder sollen wir nicht den Lebensstandard erhalten und nachhaltig und intelligent Energie produzieren, wie es die in Graz vorzeigen? Das muss doch die Zukunft einer Energiewende sein. Ich verstehe euer Verhalten da wirklich nicht.

Blicken wir nach Kärnten und Wien: Dort sind die Ausführungsgesetze nicht beschlos­sen worden, und große Biomassekraftwerke haben den Betrieb einstellen müssen. Gerade in Wien hat ein riesiges Kraftwerk für 48 000 Haushalte Strom erzeugt; es hat im Sommer den Betrieb einstellen müssen. Genauso hat auch das Kraftwerk in St. Andrä in Kärnten den Betrieb einstellen müssen. (Bundesrat Novak: Da müsst ihr aber mit der Bundesministerin reden!) – Da muss man schon sagen, dass das volkswirtschaftlich und energiepolitisch ein Wahnsinn ist, wenn Werke, die voll funktionsfähig sind und Ökostrom produzieren könnten, den Betrieb einstellen müssen.

Da muss ich sagen, man sieht schon, dass wir von der ÖVP keine Greta Thunberg und auch keine bevorstehende Nationalratswahl brauchen, um verantwortliche Klimapolitik zu machen. Wir sind die Einzigen, die seit Jahrzehnten für nachhaltige Ökoenergie stehen und stimmen, und deshalb stimmen wir auch heute zu. Ich hoffe, dass jetzt bei allen Parteien ein stabiles, positives Stimmverhalten für die Sache der Energiewende einkehrt, damit das Klima nicht von den Befindlichkeiten einer Partei abhängig ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.22


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bun­desrat Martin Preineder. Ich erteile es ihm.


17.22.40

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt, ein paar Gedanken zum Abschluss. Es ist ein guter Tag, hat Magnus Brunner gemeint, ein guter Tag für Österreich, ein guter Tag für das Klima, und es ist ein Tag der Vernunft und ein Sieg der Vernunft. Dazu darf ich uns allen gratulieren, weil es, glaube ich, sehr wichtig ist und sehr wichtig war, dass das nach vielen unvernünftigen Entscheidungen – vom Misstrauensantrag bis zum Hinausschieben eines Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes – mit der heutigen Vorlage entsprechend wieder ins richtige Licht gerückt und ins richtige Lot gekommen ist.

In der Zeit des Nationalratswahlkampfs hat der Klimaschutz einen besonderen Stel­lenwert erlangt, und das wird vielleicht auch heute hier mit dieser einstimmigen Ent­scheidung sichtbar. In diesem Gesetz ist vorgesehen, dass alle Warteschlangen, die


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es bei der Photovoltaik, der Windkraft und der Kleinwasserkraft gibt, abgebaut werden. Der Wunsch ist vorhanden, da etwas zu tun, und wir ermöglichen mit diesem Gesetz im Bereich Biogas einen Fortschritt und auch bei der festen Biomasse. Das war ein Streitthema, das wir lange diskutiert haben. Die Lösung, die jetzt auf dem Tisch liegt, ist zwar eine, die einen erhöhten Verwaltungsaufwand produziert, aber letztlich kann durch diese Vorlage doch ein gemeinsamer Beschluss gefasst werden.

Es ist all jenen Dank zu sagen, die diese Vernunftlösung mittragen. Vielleicht kann man die Bitte anschließen, dass man, wenn das beim Strom möglich ist, auch im Bereich Verkehr – der beschäftigt uns zurzeit im Zusammenhang mit dem Klimaschutz am meisten – eine ähnliche Lösung herbeiführen könnte. Es ist ein guter Tag für den Ökostrom, es ist ein guter Tag für das Klima. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

17.24


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desministerin Dipl.-Ing. Maria Patek. – Bitte, Frau Bundesministerin.


17.25.02

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich für die sehr freundliche Be­grüßung hier im Bundesrat herzlich bedanken.

Ein wichtiges Thema steht zur Debatte. Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Ich war beim UN-Klimagipfel in New York. Dort war immer die Rede davon, dass nicht Worte, sondern Taten zählen. Mit diesem Ökostromgesetz wurden parteiübergreifend Taten gesetzt, und das freut mich sehr.

Eine der wichtigsten Maßnahmen für mehr Klimaschutz ist der Ausbau erneuerbarer Energieträger. Nur wenn wir verstärkt auf erneuerbare Energieträger setzen und fossile zurückdrängen, wird uns die Energiewende gelingen. Dazu braucht es Investitionen in nachhaltige Energieerzeugungstechnologien wie Windkraft, Photovoltaik, Wasserkraft, Biomasse und Biogas. Der Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung im Inland macht uns auch weniger abhängig von Importen aus den Nachbarstaaten, die im Gegensatz zu Österreich sehr oft auf Kohlestrom und Kernkraft setzen. Zudem schaffen diese Investitionen Wertschöpfung und sichern Arbeitsplätze bei uns in Österreich.

Es freut mich daher besonders, dass dieser Antrag im Nationalrat einstimmig be­schlossen wurde, und ich hoffe, dass das auch heute im Bundesrat der Fall sein wird. Damit wird der Wille unterstrichen, das Ökostromgesetz anzupassen, um weitere Investitionen in erneuerbare Energie rasch zu ermöglichen. Diese Novelle ist somit ein wesentlicher Schritt für das Vorantreiben des Ausbaus der erneuerbaren Energie in Österreich.

Diese Maßnahmen stellen aber auch eine sehr wichtige Überbrückung für die Zeit bis zum Inkrafttreten des neuen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes dar. Investitionen in be­reits bestehende Anlagen sind in diesem Sinne besonders wichtig. Wir wollen diese Anlagen mittelfristig erfolgreich in neue Anwendungen oder neue Märkte integrieren. Das trifft natürlich auch auf Bioenergie zu, die einen wesentlichen Beitrag zur Trans­formation der Energiesysteme leistet.

Es bedarf nun einer ausgewogenen und breiten Debatte zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Nur so erreichen wir unser gemeinsames Ziel, bis 2030 den nationalen Ge­samtstromverbrauch bilanzmäßig zu 100 Prozent aus inländischen erneuerbaren Ener­giequellen zu decken.


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Ich bedanke mich herzlichst, und setzen wir bitte diese konstruktive Zusammenarbeit auch in Zukunft fort! (Allgemeiner Beifall.)

17.28


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke schön.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm.


17.28.32

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Kollege Köck! Das kann ich nicht auf uns sitzen lassen, dass die SPÖ schuld sein soll, dass dieses Biomasse­förderungs­gesetz und diese Förderungen von 150 Millionen Euro zwischen 2017 und 2019 nicht umgesetzt werden konnten, dass wir schuld sein sollen, dass dadurch zwei Anlagen zugesperrt beziehungsweise die eine mit Öl beheizt und Mitarbeiter entlassen werden mussten.

Das ist nämlich darauf zurückzuführen, dass die Bundesministerin – da schaue ich in Richtung ÖVP – leider Gottes so stur war und mit uns nicht gesprochen hat. (Bun­des­rätin Mühlwerth: Das hast du eh schon gesagt!) – Ja, das muss man aber leider - - (Bundesrat Krusche: Seid ihr da immer noch beleidigt?) Das muss man sagen, aber das wollt ihr nicht hören. Ihr wollt es einfach nicht hören! (Bundesrat Samt: Ja, das ist so, wie die SPÖ-Minister mit der FPÖ umgegangen sind!)

Die Frau Bundesministerin hätte nur ein bisschen mehr Entgegenkommen zeigen und nicht erst am letzten Tag vor der Bundesratssitzung mit uns sprechen sollen. Die fünf Gründe, die wir angeführt haben, sind dann im Jahr danach beim Biomasseförderung-Grundsatzgesetz mit eingebaut worden. Wir haben vorgeschlagen, dass wir uns das ganze Gesetz noch einmal anschauen. Hätten wir das getan, dann würden wir hier heute und bei dieser Gelegenheit wahrscheinlich nicht über dieses Problem reden.

Ich lasse es nicht zu, dass der SPÖ in diesem Fall die Schuld zugeschoben wird. Wir haben gesagt, und das möchte ich bei dieser Gelegenheit noch einmal hundertpro­zen­tig so festhalten, dass die Tarife im Gesetz festgeschrieben und nicht von der Frau Bundesministerin per Verordnung – womit sie dann das Geld selbst weitergeben kann – beschlossen werden sollen. Das war eine der Aufforderungen.

Das Zweite: Ich bin da heraußen gestanden und habe für die SPÖ den Antrag gestellt, dass jene Leute mit kleinem Einkommen, die von der GIS befreit sind, auch von der Ökostromabgabe befreit werden sollen. Da sind wir von euch niedergestimmt worden! Was ist dann zwei Monate später geschehen? – In dem Antrag, den ich da eingebracht habe, habt ihr zwei Zeilen geändert und habt ihn dann im Ausschuss wieder eingebracht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat die SPÖ noch nie gemacht!)

Man muss also schon feststellen, dass das Ganze leider Gottes schiefgelaufen ist und dass die Frau Bundesministerin sich da schon selbst bei der Nase zu nehmen hat. Wir lassen uns das einfach nicht umhängen. (Bundesrätin Mühlwerth: Brauchst du ein Taschentuch?) Das muss man wirklich sagen.

Das lassen wir uns auch nicht umhängen, denn wir werden ja auch im Landtag noch über das Ökostromförderungsgesetz reden. Ein solches ist mittlerweile, glaube ich, nur in Niederösterreich beschlossen worden. Das von Wien liegt bei der EU, um das Verfahren abzuwarten, ob das überhaupt gültig ist, so wie das dargestellt worden ist.

Das Beste war dann ja überhaupt, dass uns Herr Lettenbichler nicht nur beschimpft, sondern auch damit gedroht hat, dass sie bei uns einen rausschießen würden, was dann ja Gott sei Dank nicht passiert ist. Nachdem die Beleidigten nach Hause gezogen sind, ist dann in der Presse und auf großen Plakaten festgestellt worden, dass Österreich gegen Atomstrom ist, nur die SPÖ nicht.


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Was ist dann geschehen? – Das muss man irgendwann einmal auch in die Auslage stellen, dass es in Niederösterreich eine einstweilige Verfügung gegeben hat, diese Plakate und Inserate zu entfernen. Dem seid ihr dann wohl nachgekommen.

Ich habe hier heraußen einen Ordnungsruf bekommen, weil ich gesagt habe, dass das nicht der Wahrheit entspricht – ich habe ein anderes Wort verwendet. Das ist aber wirklich so. Ihr habt etwas gesagt, was nicht stimmt. Ihr habt es plakatiert und ihr habt es mit Inseraten verbreitet.

So viel dazu, wer da als Beleidigter gehandelt hat. Dabei hätten wir beide gemeinsam, alle Fraktionen das ganze Problem viel leichter lösen können. Das könnt ihr euch selbst umhängen und nicht der SPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

17.32


17.32.49Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Dieser Beschluss des Nationalrates ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundes­rates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Einstimmigkeit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

17.34.0816. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militärbefug­nisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002, das Verwundetenmedaillengesetz und das Truppenaufenthaltsgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 – WRÄG 2019) (509 d.B. sowie 10244/BR d.B. und 10254/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung, zu dem ich Herrn Bundesminister für Landesverteidigung Thomas


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Starlinger ganz herzlich bei uns begrüße. – Willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf mich von Frau Bundesministerin Patek verabschieden. – Herzlichen Dank für Ihren Besuch! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Ich bitte um den Be­richt.


17.34.42

Berichterstatterin Marlies Steiner-Wieser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Landesverteidigung über den Be­schluss des Nationalrates vom 25. September 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2014, das Heeres­gebühren­gesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militärbefugnisgesetz, das Sperr­gebiets­gesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsge­setz 2002, das Verwundetenmedaillengesetz und das Truppenaufenthaltsgesetz geän­dert werden, kurz Wehrrechtsänderungsgesetz 2019.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Landesverteidigung stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Oktober 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. Ich erteile es ihm.


17.35.50

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Das Wehrrechtsänderungsgesetz – was mache ich jetzt mit diesem Gesetz? (Bundesrätin Mühlwerth: Zustimmen!) Es ist gar nicht so schlecht, was ihr euch da ausgedacht habt, aber auf den letzten paar Metern versemmelt ihr es wieder. Das ist kaum zu glauben!

Wir haben mit dieser Vorlage den Entwurf für ein Gesetz vorliegen, das moderner ist, sich an die Gegebenheiten anpasst, wie wir es brauchen. Es gibt natürlich einige Punkte, denen wir nicht zu 100 Prozent zustimmen können, unter anderem der Verlängerung des Wehrdienstes. Das ist nicht wirklich so unser Ding, darüber hätte man sich unterhalten müssen.

Das Problem liegt ja nicht so sehr im Bundesrat, das Problem liegt im Nationalrat, und das, muss ich sagen, verstehe ich eigentlich nicht. Es hat für dieses Gesetz keinen Ausschuss gegeben. Die Abgeordneten haben ganz einfach die Zusammenkunft eines Ausschusses verweigert. Ich meine, das geht doch nicht. Wir sitzen da, um für Österreich zu arbeiten, wir sitzen da, um für die Bevölkerung etwas zu tun, und dann haben wir da ein paar Abgeordnete, die sagen: Na ja, es freut mich nicht, ich habe keine Zeit. Nein, da komme ich lieber nicht, denn da gibt es einen Grießschmarrn daheim, oder ich weiß ja nicht, was da die Überlegungen sind. (Allgemeine Heiterkeit.)

Jedenfalls ist es unsere Pflicht, Ausschüsse abzuhalten, darin zu diskutieren, die Meinungen der anderen zu hören und dann ganz einfach das Beste für Österreich zu tun. Na, was passiert? – Wir reden nicht darüber! (Bundesrätin Mühlwerth: Na hoffent­lich denkt ihr das nächste Mal dran, wenn ihr die Ausschüsse verhindert!) Monika, immer nur im Nationalrat! Bei uns hat noch nie irgendwer einen Ausschuss verhindert. Es ist also wirklich so, dass wir bei diesem Wehrrechtsänderungsgesetz eigentlich


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einen Konsens finden hätten können, und dann hätten wir da einen einstimmigen Be­schluss fassen können. Was haben wir jetzt? – Jetzt haben wir wieder nichts. Es wird wahrscheinlich mit Mehrheit abgestimmt und beschlossen werden. Ist das aber wirklich so gescheit in einer Situation, in der die Türkei beginnt, irgendwo anzugreifen, in der die USA ein Embargo nach dem anderen verhängen? Wir haben unser Bundesheer. Wir haben in diesem Gesetz zum Beispiel überhaupt nichts drinnen zu den Mitteln für das Bundesheer, die dringendst erhöht werden müssten. Nein, das haben wir nicht drinnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir so weitermachen und ganz einfach - - (Bundesrätin Mühlwerth: Habt ihr nicht die Verteidigungsminister gestellt?) Nicht wir, Monika! Haben wir zwei noch nie miteinander geredet? (Bundesrätin Mühlwerth: Der letzte war Doskozil! – Bundesrat Weber: Da ist es auch bergauf gegangen! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von FPÖ und SPÖ.) – Es freut mich sehr, dass ihr untereinander diskutiert! Ich sehe, es ist ein emotionales Thema, also sind wir ohnedies auf dem richtigen Weg, nur sollten wir das eben in den Ausschüssen diskutieren und nicht hier, wenn wir uns treffen, um Gesetze zu beschließen.

Das Gesetz hätte jedenfalls auch für uns etwas sein können, aber ihr redet nicht mit uns. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

17.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile es ihm.


17.40.17

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Ver­teidi­gungs­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Ja, ich möchte natürlich das Ganze schon wieder in eine positive Richtung bringen, denn es ist ein ganz wesentlicher Punkt, und es freut mich auch, dass die Aufmerksamkeit auch bei Tagesordnungspunkt 16 noch so hoch ist.

Ich merke auch, wie sehr Sie an den Inhalten interessiert sind. Anscheinend sind die wesentlichen Inhalte dieses neuen Gesetzes doch nicht alle so sehr bekannt.

„Mach er mir tüchtige Officirs und rechtschaffene Männer darauß!“  Mit diesem beim österreichischen Bundesheer legendär gewordenen Satz beauftragte Kaiserin Maria Theresia 1751 (Beifall bei der ÖVP – Oh-Rufe bei der SPÖ) Generalfeldzeugmeister Graf Daun mit der Gründung der Theresianischen Militärakademie – das war ein wesentliches Fundament für die weitere Ausbildung aller Führungskräfte (Bundesrätin Schumann: Tu felix Austria nube!), das wäre in vielen anderen Bereichen auch sehr wertvoll gewesen –, die bis heute einen hervorragenden Ruf betreffend Ausbildung für militärische Führungskräfte genießt.

Diesen guten Ruf der Milak – Abkürzung für Militärakademie, für all jene, die es nicht wissen – und des gesamten Bundesheers, welchem ja die militärische Landesver­tei­digung verfassungsmäßig obliegt, hätten die sozialdemokratischen Verteidigungs­minis­ter Darabos und Klug in ihrer kurzen, aber für das österreichische Bundesheer viel zu langen Amtszeit beinahe in Misskredit gebracht. (Bundesrat Pisec: Der Platter hat begonnen, das gehört dem Platter! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Nachf­olger haben sich zumindest in der Öffentlichkeit bemüht, Kompetenz und Erneuerungs­willen zu zeigen. Die klaren und offenen Worte des amtierenden Verteidigungs­minis­ters zum derzeitigen ausgehungerten Zustand des österreichischen Bundesheers sind ja hinlänglich bekannt. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 181

Das Wehrrechtsänderungsgesetz ist ein Konglomerat aus Regelungen zu ganz vielen wichtigen Themen. Ich glaube, all jene, die sich mit dem Thema nicht so beschäftigen, hätten die Chance, ein bisschen zuzuhören. Eine Anpassung und Verbesserung des Wehrrechts betreffend aktuelle Einsatzgebiete, aber auch um Bedrohungslagen ent­sprechend entgegenzuwirken, ist eben dringend notwendig.

Nun, was sind die konkreten Inhalte dieses neuen Gesetzes? – Es sind einige ganz wesentliche Rechtsgrundlagen, um die Tätigkeit militärischer Organe vor allem auch mit Auslandsbezug besserzustellen, die Erweiterung bei den Möglichkeiten der Aus­übung unmittelbarer Zwangsgewalt und vor allem – das wurde auch schon ange­sprochen – der Einsatz von zusätzlichen Mitteln bei Cyberbedrohungen, also die Erweiterung der Befugnisse, wenn es darum geht, Internetverbindungsdaten ent­sprechend nutzen zu können.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist, die Miliz entsprechend zu stärken. Im Wehrrechts­änderungsgesetz sind nämlich zwei Punkte angeführt, die die Miliz begünstigen und unterstützen: die Verlängerung der Möglichkeit, am Ende der Wehrpflicht zu verlän­gern, und die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis auch weitere Milizübungen bis zum dreifachen Ausmaß zu machen. Bisher war nur das Doppelte möglich.

Derzeit gibt es bei den Angehörigen des Milizstands keine klare Regelung hinsichtlich des Endes der Wehrpflicht über das 50. beziehungsweise 65. Lebensjahr hinaus, womit auch in jenen Fällen, in denen die grundsätzliche Bereitschaft der Betroffenen gegeben wäre, auf deren entsprechende Expertisen im Rahmen einer Wehrdienst­leistung nicht mehr zurückgegriffen werden kann.

Daher soll mit dem neuen Gesetz eine Möglichkeit geschaffen werden, in spezifischen Einzelfällen, und ausschließlich mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen, das Ende der jeweils bestehenden Wehrpflicht bescheidmäßig aufzuschieben, womit in diesen speziellen Fällen oder Einzelfällen die Möglichkeit der Leistung eines Wehrdienstes über die oben angeführte Altersgrenze hinaus möglich ist.

Mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 wurde eine unabhängige Bundesdis­ziplinar­be­hörde geschaffen. Von dieser Bundesdisziplinarbehörde sollen auch die Aufgaben der Disziplinarkommission nach dem Heeresdisziplinargesetz 2014 wahrgenommen wer­den.

Weiters bezieht sich die Verweisungsnorm in § 7 ausschließlich auf Auslandsein­satz­präsenzdienst leistende Personen und ist daher insbesondere aufgrund der Möglich­keit, auch im Rahmen eines befristeten Dienstverhältnisses zum Bund in einen Aus­landseinsatz entsandt zu werden, derzeit zu eng gewesen. Mit der vorgesehenen Adaptierung sollen die in Rede stehenden Bestimmungen auf alle Soldaten und Soldatinnen im Auslandseinsatz anwendbar werden. Aus Gründen der Datensicherheit soll im Militärbefugnisgesetz eine Bestimmung aufgenommen werden, der zufolge die Übermittlung der Daten von den Betreibern öffentlicher Kommunikationsdienste und sonstigen Dienstanbietern zwingend über die zentrale Durchlaufstelle nach dem Tele­kommunikationsgesetz zu erfolgen hat.

Weiters wurde im Wehrgesetz die Möglichkeit geschaffen, juristischen Personen – zum Beispiel auch Unternehmungen, Unternehmern –, die sich durch außergewöhnliche Leistungen Verdienste um die militärische Landesverteidigung erworben haben, beson­ders in Bezug auf die wehrpolitische Öffentlichkeitsarbeit, die Auszeichnung „Partner des Bundesheeres“ zu verleihen.

Meine Fraktion wird dieser notwendigen Gesetzesänderung zustimmen.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 182

Das österreichische Bundesheer braucht nicht nur dieses modifizierte Wehrdienst­gesetz, sondern um die Sicherheit aller Österreicherinnen und Österreicher zu gewähr­leisten – es wurde schon einmal angesprochen, es ist ein wesentlicher und wichtiger Punkt , benötigen wir eine Budgeterhöhung. Es darf in keinem Fall weiter passieren, dass motivierte Berufssoldaten und -soldatinnen die auszubildenden Rekruten mit zum Teil nostalgischen Ausrüstungen und Materialien auf ihre staatsbürgerliche militärische Pflicht vorbereiten müssen.

Danke für die Aufmerksamkeit bei diesem letzten Tagesordnungspunkt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

17.47


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Herr Bundesrat Michael Wanner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


17.47.33

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Besucher auf der Galerie und zu Hause! Ich muss zuerst schon auf Kollegen Schwindsackl replizieren.

Wenn etwas totgespart und tot ist, dann kann man es nicht noch toter machen – und zuvor waren es Minister der ÖVP und der FPÖ, keine sozialdemokratischen. Der letzte, der investiert hat, war Minister Rösch. Ich weiß, wovon ich spreche – ich habe 1986 die von Ihnen genannte Militärakademie (Bundesrätin Mühlwerth: Die ganzen SPÖ-Ver­teidigungsminister haben das Heer ...! ... Kindesweglegung!) absolviert und bin als Berufsoffizier ausgebildet –, und meine Kameraden beim Bundesheer wissen, wovon sie sprechen. Das, was ich sage, ist nicht unwahr. (Bundesrätin Mühlwerth: ... nicht, aber ein Blödsinn!)

So, aber jetzt zu den Bereichen, die geändert wurden. Vieles ist schon gesagt worden: Das Militärbefugnisgesetz hat es mit den Befugnissen, die darin geregelt werden, wie zum Beispiel der Internetverbindungsdatenzugriff, allerdings doch in sich. Ich weiß schon, es geht um den Einsatz, aber auch im Einsatz dürfen wir von Grundrechten und Datenschutz ausgehen.

Das Zweite sind die Auskunft über Telekommunikationsverbindungsdaten, auf die zugegriffen werden kann, und die Möglichkeit, mit technischen Mitteln Observationen durchzuführen. Da sind wir schon ganz knapp am Datenschutz und an den Grund­rechtsbestimmungen, und die hätten wir halt doch gerne diskutiert.

Im Jahr 2016 wurde damit begonnen, dieses Gesetzeskonglomerat zu bearbeiten, im Februar 2019 war es dann fertig, circa drei Jahre hat es gedauert, das ist ja doch eine gewisse Zeit, es sind ja auch viele Gesetze. Es wurde einer Begutachtung unter­zogen – Marlies Steiner-Wieser hat im Ausschuss gesagt, dass es einer Begutachtung unterzogen wurde, dass man das dann doch noch macht, ist schon fantastisch. Trotz Absprache zwischen den Wehrsprechern ist es aber nicht zu einer Ausschussberatung gekommen.

Ich denke mir, dass genau solche sensiblen Dinge wie Datenschutzgrundrechte doch politisch diskutiert und hinterfragt gehören, und wenn es zu Ausweitungen nachrichten­dienstlicher Kompetenzen kommt, dann darf man sich da wohl etwas Zeit nehmen und hinterfragen, erörtern und auch Erklärungen einfordern und sollte nicht so durch­preschen.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 183

Der Experte im Ausschuss hat uns gesagt, man wollte es zum Abschluss bringen, das hätte aber überhaupt nichts mit Eile zu tun. Deswegen fragt man sich einfach: Warum ist man da so – zack, zack, zack! – durchprescht? (Heiterkeit bei der SPÖ.) Eine Begutachtung, wie wir gehört haben, ist normal. (Bundesrätin Mühlwerth: ... müsst noch ein bissel üben, das geht schneller!) – Ja, ich bin ja nicht in der Freiheitlichen Partei (Bundesrat Spanring: Gott sei Dank!), dass ich das zack, zack, zack so gut mache. Wir machen das ein bisschen langsamer und reden darüber.

Eine Begutachtung ist normal. Sie sollte normal sein! Dass das aber nicht einmal in einer Diskussion im Ausschuss erörtert wird und im Plenum die Abänderungsanträge und der Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuss abgelehnt werden, das hat schon eine ganz neue Qualität in der politischen Diskussion und Auseinandersetzung. Ich würde fast sagen, es ist eine gewisse Missachtung der Demokratie und eine Missachtung der parlamentarischen Einrichtungen.

Es stellt sich also die Frage: Was steckt dahinter? Warum so eine Eile, die nicht notwendig ist? Ist das politische Bösartigkeit? – Nein, das seid ihr aber nicht, das behauptet ihr ja immer, dass ihr das nicht seid, also kann man da wahrscheinlich nur irgendetwas verbergen wollen. (Bundesrätin Mühlwerth: Verschwörungstheorie! Uh-Rufe bei der FPÖ.) Ich weiß es ja nicht, man redet ja nicht darüber.

Sensible Materien gehören ordentlich transportiert, offen besprochen, erläutert und diskutiert. Das Vertrauen in das Bundesheer und in die Politik ist angesichts solcher Vorgehensweisen auf keinen Fall gegeben. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr wolltet es immer abschaffen!)

Auch wenn der Großteil dieser notwendigen Gesetzesänderungen durchaus okay ist, die Vorgehensweise ist eine Missachtung des Parlaments, das ist eine neue Qualität, und genau deswegen stimmen wir dem nicht zu. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Rösch: Da habt ihr mit dem Darabos alles ..., und dann wollt ihr es nicht mehr!)

17.52


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile es ihm.


17.52.43

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer und Zuhörerinnen, die noch hier sind! Das Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 wurde vorhin von meinem Kollegen Schwindsackl eigentlich im Detail sehr gut erläutert.

Es ist im Wesentlichen oder in vielen Bereichen einfach eine Anpassung der ge­setzlichen Grundlage, das sind keine Änderungen, die Details wurden vorgetragen. Es beinhaltet nicht, wie Kollege Beer gesagt hat – aber ich nehme an, du hast dich nur versprochen –, eine Wehrdienstverlängerung. Um eine solche handelt es sich nicht. (Bundesrat Beer: Im Milizbereich!) Im Milizbereich, ja; aber um eine Wehrdienst­ver­längerung geht es bei diesem Gesetz nicht. (Bundesrat Beer: Ich hab auch nicht Grundwehrdienst gesagt!) – Es gäbe aber viele andere Bereiche, wo man willens ist. Wir haben heute davon gesprochen, dass man Übungen länger machen kann. Wir haben natürlich eine Miliz, eine sehr aktive Miliz, aber: Wie sagen wir? – Die Häupt­linge haben wir, uns fehlen die Indianer.

Mit wem sollen wir üben? – Die Soldaten, die normalen Grundwehrdiener, mit denen jetzt noch geübt wird, werden immer weniger, und Milizübungen gibt es keine mehr.


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 184

Wer hat die abgeschafft? – Minister Platter. Das wurde heute schon einmal ange­sprochen.

Das heißt, es wäre in vielen Bereichen etwas zu tun, natürlich auch im Bereich Num­mer eins, dem der finanziellen Ausstattung. Sie (in Richtung Bundesminister Starlinger) haben ein drastisches Bild des österreichischen Bundesheers gezeichnet, von Herrn Sebastian Kurz hat man im „Sommergespräch“ etwas ganz anderes gehört, nämlich dass das Bundesheer ausreichend finanzielle Mittel habe. – Mhm, da schaue ich aber, ja. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Da schaue ich aber! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie hat schon Graf Montecuccoli, Generalleutnant, der am 1. August 1664 sehr erfolgreich die Schlacht bei Mogersdorf gegen die Türken, eine Mehrheit, geschlagen hat, gesagt? – Was brauchen wir, um einen Krieg vorzubereiten oder durchzuführen? Erstens Geld, zweitens Geld und drittens Geld. – In unserem Bereich könnte man das in Bezug auf die Vorbereitung unseres Militärs auf die zukünftigen Bedrohungen auch sagen: Was braucht das Militär? – Erstens Geld, zweitens Geld, drittens Geld.

Ich würde aber sagen, es braucht noch etwas Viertes: Es braucht auch Komman­dan­ten und Vorgesetzte, die hinter einem stehen, die für das Militär eintreten. Das haben wir bei uns derzeit nicht, das ist nicht der Fall, das ist ganz klar. Ein Minister hat drei hohe Offiziere abberufen, die ordnungsgemäß in diesem Bereich eingesetzt worden sind – die Arbeitsplätze sind ausgeschrieben, beurteilt und bewertet worden und die Offiziere sind im Februar vom Minister mit ihren Aufgaben betraut worden. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, genau!) Sie haben dem Herrn Bundes­präsidenten, wahrscheinlich damals noch in Ihrer Funktion als sein Adjutant, davon abgeraten, das zu unterfertigen. Ich nehme einmal an, dass das so war, denn ich nehme nicht an, dass der Herr Bundespräsident die fachliche Expertise hat, dass er das beurteilen kann, und sagt: Das will ich nicht unterschreiben!

Nach dem Regierungsende, als Sie dann als Minister eingesetzt worden sind, hat man das Ansuchen zurückgezogen, und jetzt sagt man, man braucht die. Das sind nicht Maßnahmen, die man setzt, weil man sagt, die haben sich etwas zuschulden kommen lassen. Ja was haben sie sich zuschulden kommen lassen? – Angeblich war es eine falsche Beurteilung. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein, Willkür nennt man das!) Schaut man in den Unterlagen, die ja frei zugänglich sind, nach, dann liest man: im höchsten Maße geeignet – alle, die da waren; keiner war besser. In einer anderen Berichterstattung, in jener der „Tiroler Tageszeitung“, steht, alle waren gleich.

Das wird dann gegen den ehemaligen Minister Mario Kunasek ausgespielt, indem man sagt, der hat das veranlasst, der hat das gemacht. Ach ja, wir wissen ja, in der Steier­mark sind Landtagswahlen, da ist Mario Kunasek Spitzenkandidat, da hackt man hin. Das sind Dinge, die sich nicht gehören. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Amtsmissbrauch ist das!)

Ich rechne stark damit, dass die betroffenen Offiziere selbstverständlich alle dienst­rechtlichen Maßnahmen ergreifen werden (Bundesrat Novak: 4 Minuten hast noch Zeit!), um ihre Absetzung zu bekämpfen. Ich bin überzeugt davon, dass sie wieder ein­gesetzt werden, das ist ja im Verteidigungsministerium in diesen Bereichen – Entacher, Apfalter – mehrmals passiert. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nicht unter Kunasek!)

Ich bin aber auch überzeugt, dass Sie das nicht berührt. Sie werden auch nicht mehr Minister sein, und ich hoffe auch, dass wir sehr bald eine neue Regierung und einen neuen Verteidigungsminister haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.58



BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 185

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Mag. Thomas Starlinger. – Bitte, Herr Bundesminister.


17.58.53

Bundesminister für Landesverteidigung Mag. Thomas Starlinger: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte heute eigentlich nichts mehr sagen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ist oft einmal gescheiter!), vor allem in Anbetracht der Tageszeit, aber Sie kennen mich ja in der Zwischenzeit: Ich bin ein offener, ehrlicher Mensch, der die Karten ganz einfach auf den Tisch legt.

Die Wiederherstellung eines rechtskonformen Zustandes möchte ich ganz kurz beschreiben, weil da Dinge im Raum stehen, und Sie sollten ganz einfach alle wissen, was wirklich dahintersteht.

Die ganze Thematik dieser Ernennung muss man in zwei Teile teilen. Der eine Punkt ist: Sind diese Ernennungsbescheide rechtskonform zustande gekommen?, und die andere Geschichte, auf die gehe ich auch noch gerne ein, ist die Frage: Wie schaut es mit der Qualifikation der Kandidaten aus? Sehr einfach dargestellt: Um einen rechtskonformen Bescheid erstellen zu können, ist einfach, und so sieht es auch die Verfassung vor, die Ernennung durch den Bundespräsidenten notwendig.

Der Bundespräsident ist ja kein Unterschriftenonkel, dem man etwas vorlegt, und er unterschreibt dann ganz einfach. Was macht der Bundespräsident? – Ich zitiere: Der Bundespräsident hat die ihm „vorgelegten Besetzungsvorschläge [...] auf ihre Gesetz­mäßigkeit hin zu überprüfen, d.h. daraufhin zu überprüfen, ob die zur Erstattung dieser Besetzungsvorschläge berufenen Stellen bei der Auswahl und Reihung der Bewerber bzw. Bewerberinnen den aus dem Gesetz ableitbaren Gesichtspunkten ausreichend Rechnung getragen haben.“ – Es gibt da auch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts.

Schauen wir uns nun die Zeitlinie an, also was da passiert ist: Der ehemalige Vertei­digungsminister hat ganz einfach festgelegt, an einem Freitagnachmittag findet die große Kommandoübergabe statt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wann, glauben Sie, hat der Bundespräsident die Akte vorgelegt bekommen? – Es war am Donnerstag der gleichen Woche um 21 Uhr, als der Kraftfahrer ein verschlossenes Kuvert beim Portier abgegeben hat. (Bundesrat Wanner: Zack, zack, zack! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich habe dann am nächsten Tag, als ich in der Früh hineinkam, nachgefragt: Wo, bitte, sind die Akte? – Die waren natürlich nirgends. Dann kam um 9.30 Uhr an diesem Tag der Anruf des damaligen Generalsekretärs – er hat beim Kabinettsvizedirektor ange­rufen, dem zweithöchsten Beamten der Republik –, der das Gespräch mit diesen Worten begonnen hat: Ich habe gehört, der Bundespräsident hat noch nicht unter­schrieben. – Daraufhin hat ihn der Kabinettsvizedirektor darauf aufmerksam gemacht, dass vor der Unterschrift eine Prüfung, wie zuerst zitiert, notwendig ist.

Trotz dieses Wissens, dass diese Prüfung nicht möglich ist und eine Einteilung dieser Herren am Montag, dem 1. – das war nämlich der Montag darauf –, nicht möglich ist, hat man – da beginnt es nämlich, darum liegt diese Sache nun bei mir bei der Dis­ziplinarbehörde – dennoch die Bescheide inklusive Beförderung erstellt und ist ganz einfach in die Kommandoübergabe gegangen, nach dem Motto: Wir machen, was wir wollen, der Bundespräsident wird schon unterschreiben. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Weber: Ja warum wohl?!)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 186

Wie gesagt liegt die Sache nun bei der Disziplinarbehörde (Zwischenruf des Bun­desrates Stögmüller), nämlich was die Erstellung dieser Bescheide betrifft. Es steht auch der Verdacht des Amtsmissbrauchs im Raum. Wir werden sehen, was da heraus­kommt. – Das zu dieser Sache. (Rufe bei SPÖ und FPÖ – aufgrund des hohen Ge­räuschpegels in deren Reihen –: Pscht!)

Zur anderen Sache, jener der Prüfung: Es hat sich dann einer der betroffenen Herren – ich vermeide die Nennung der Namen, weil es doch einen gewissen Datenschutz gibt – bei der Volksanwaltschaft beklagt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es gab einen ausführ­lichen Schriftverkehr zwischen der Volksanwaltschaft und der Präsidentschaftskanzlei. Die Volksanwaltschaft hat einmal Folgendes festgestellt – ich zitiere nur wenige Sätze, dann höre ich schon auf –:

Angesichts Ihrer – mit Ihre ist die Präsidentschaftskanzlei gemeint – ausführlichen und schlüssigen Begründung konnte ein Missstand in der Verwaltung in Form einer über­langen Verfahrensdauer beziehungsweise einer Verzögerung des Ernennungs­verfah­rens, welche Ihrer Sphäre zuzurechnen wäre, nicht festgestellt werden. Die aufge­tre­tenen Verzögerungen im Verfahren seien daher keinesfalls der Sphäre der Präsident­schaftskanzlei zuzurechnen. Auch könne in der genauen inhaltlichen Überprüfung der Ernennungsvorschläge selbst kein gesetzwidriges Verhalten gesehen werden, zumal aus den vorgelegten Unterlagen hervorgeht, dass sich vier weitere, von der Begut­achtungskommission als im höchsten Ausmaß als geeignet befundene Bewerber für einen Posten als Kommandant der Streitkräfte beworben hätten. Wie Sie richtig aus­führen, muss die Ernennung – jetzt kommt es – für sämtliche – unterstrichen – betrof­fene Bewerber nachvollziehbar und objektiv begründbar sein. Abschließend darf ich betonen, dass ich die in Ihrem Schreiben vertretenen Rechtsansichten teile und Ihre genaue, korrekte Vorgangsweise bei der Überprüfung der beantragten Ernennung be­grüße. – Zitatende. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Ruf bei der SPÖ: Super!)

Ich nenne Ihnen drei Beispiele daraus, weil im Raum steht, dass die nachvollziehbar Besten vom ehemaligen Verteidigungsminister genommen wurden. Zu einem Posten hieß es: umfassende Kenntnisse und Erfahrungen auf den mit der ausgeschriebenen Funktion verbundenen Aufgabengebieten einschließlich der Rechtsvorschriften.

Ich nenne nicht die Namen der Kandidaten. Bei einem ist zu lesen: hierzu äußerst plausibel und nachvollziehbar. – Bei einem anderen: Kriterium wird vollumfänglich erfüllt. – Beim dritten: Dieses Kriterium wird zur Gänze erfüllt. – Beim ausgewählten Kandidaten: Auf Grundlage der bisherigen Verwendungen ist die gänzliche Erfüllung dieses Kriteriums noch als ausbaufähig zu betrachten. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Samt.)

Die Damen und Herren, die in der Begutachtungskommission sitzen, sind vom da­maligen Verteidigungsminister Kunasek bestimmt worden.

Ich gebe Ihnen nun ein zweites Beispiel, betreffend umfassende Kenntnisse über den Einsatz von logistischen Kräften und Truppen sowie logistischer Abläufe. Bei einem Kandidaten: wird vollumfänglich erfüllt; beim nächsten: wird vollumfänglich erfüllt; beim nächsten: Aufgrund seiner vorangegangenen Verwendung ist dieser Punkt als voll­umfänglich anzusehen. – Bei dem Kandidaten, der ausgewählt wurde: aufgrund des Fehlens von facheinschlägigen Verwendungen nicht vollumfänglich gegeben. (Ruf bei der SPÖ: Ja warum wohl?!)


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 187

Das sind die ersten zwei Charakteristika gewesen, die ausschlaggebend für die Wahr­nehmung einer speziellen Funktion sind. Ich überlasse es Ihrer Beurteilung, ob da der Kandidat im höchsten Ausmaß geeignet war – nämlich im Vergleich zu den anderen, die alle im höchsten Ausmaß geeignet waren –, denn schließlich geht es um Folgen­des – ich zitiere zum Schluss noch einmal das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts –: Wie Sie richtig ausführen, muss die Ernennung für sämtliche betroffene Bewerber nachvollziehbar und objektiv begründbar sein. – Zitatende.

Das war der Grund, warum der Bundespräsident damals diese Ernennungen nicht unterschrieben hat. Es gab dann noch ein abschließendes Gespräch zwischen Ver­teidigungsminister Kunasek und dem Bundespräsidenten. In der Stellungnahme der Präsidentschaftskanzlei zu diesem Gespräch ist nachzulesen – ich war dort selbst anwesend, das stimmt –: Der ehemalige Verteidigungsminister war in diesem Ge­spräch nicht in der Lage, dem Bundespräsidenten zu erklären, warum er diese Kandidaten ausgewählt hat. – Zitatende. (Bundesrat Stögmüller: Beschämend!)

Dieses Erkenntnis oder dieses Schreiben der Volksanwaltschaft kam Ende August zu mir. (Bundesrat Stögmüller: Beschämend!) Wie das natürlich ist, wenn man solche Maßnahmen setzt, macht man keinen Hüftschuss – um in der militärischen Sprache zu verbleiben. Ich habe das in meiner Sektion I – Präsidiale, Personal, Recht – überprüfen lassen, und es kam heraus: Der rechtskonforme Zustand ist wiederherzustellen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Kahofer.) – Das heißt, die Herren sind zurück auf ihre Ar­beitsplätze versetzt worden.

Das war mein Beweggrund. Diese Darstellung können Sie ja in den Unterlagen der Volksanwaltschaft nachlesen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

18.07

18.07.25


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.07.54Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun noch zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung, dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungs­antrag 237/A(E)-BR/2017 betreffend „Hilfen für junge Erwachsene“ eine Frist bis 18. Dezember 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Verkehr zur


BundesratStenographisches Protokoll897. Sitzung, 897. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2019 / Seite 188

Berichterstattung über den Entschließungsantrag 262/A(E)-BR/2019 betreffend „zwei­glei­sigen Ausbau der Nordwestbahnstrecke zwischen Stockerau und Hollabrunn“ eine Frist bis 18. Dezember 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

18.08.59Einlauf


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung noch schriftliche Anfragen eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Ich wünsche allen einen schönen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

18.09.19Schluss der Sitzung: 18.09 Uhr

 

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