10.05

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Kurz zu den Aus­führungen meiner Vorrednerin: Also Frontalunterricht gibt es schon lange nicht mehr, und eine große Prüfung im Jahr gibt es auch nicht mehr. Es ist auch auf den Uni­versitäten ein Sammelsurium von Prüfungen, das ist Gott sei Dank schon vor Jahren mit dem Bolognasystem umgestellt worden.

Was ich aber sagen möchte: Es funktioniert trotzdem nicht. Das führt mich zum heu­tigen Thema, denn wichtig ist der Istzustand, die Praxeologie. Bildung hat nämlich eine extrem lange Vorlaufzeit, das heißt, wenn sich da etwas ändert, braucht das einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, bis wir das in der Realität merken.

Ihr sehr gut gewähltes heutiges Thema steht mit den Mint-Fächern sicherlich im Zu­sammenhang mit den fehlenden Fachkräften für die Wirtschaft. Das ist eins zu eins übertragbar. Meine Zahlen sind etwas umfassender. Sie haben 10 000 genannt, laut empirischen Forschungen können in Österreich 120 000 Positionen in der Wirtschaft nicht besetzt werden. Die Vakanzzeit, die Leerzeit, bis eine qualifizierte Fachkraft gefunden wird und eingeschult werden kann, beträgt 100 Tage. Das ist also der der­zeitige Istzustand.

Der Hauptmangel betrifft natürlich – das ist ja die Pointe bei der ganzen Sache – die technischen Berufe. Es gibt Mangelberufe in der Maschinentechnik, in der Software­entwicklung, in der Programmierung, in der Sanitär-, Lüftungs- und Heizungstechnik, also in all den Installationsbetrieben, eigentlich dem Handwerk. Ein guter Handwerker verdient heute mehr – zu Recht mehr! – als Arbeitnehmer in höheren Positionen, weil das eben ein Mangelberuf ist und gebraucht wird.

Bildung ist aber eine elementare Aufgabe des Staates und man sollte da den Staat nicht aus der Verantwortung entlassen, und wenn die Bildung nicht funktioniert – ent­schuldigen Sie, Frau Minister, Sie können natürlich nichts dafür, dafür sind Sie zu kurz im Amt –, ist das ein Versagen des Staates. Es bedarf Anreizen, dass junge Bürge­rinnen und Bürger vermehrt in die Mint-Fächer strömen und das Interesse, die Attraktivität für diese Mint-Fächer gesteigert wird. Das Geschlechterverhältnis ist heute 1 : 10 – also eigentlich fatal.

Es dient sicherlich der Gesellschaft und auch der Wirtschaft selber, wenn mehr Frauen für die Mint-Fächer gewonnen werden können. Warum solche Fachkräfte in dieser Größenordnung fehlen, ist sicherlich auch ein Produkt der viel zu hohen Lohn­neben­kosten. Der EU-Binnenmarkt umfasst 500 Millionen Europäer, die aufgrund der Frei­zügigkeit von Arbeitnehmern überall frei fluktuieren können, wenn sie wollen – von Helsinki nach Lissabon, von Lissabon nach Tallinn –, und trotzdem funktioniert es nicht. Also da muss man sich etwas überlegen, denn warum wandern keine Nobel­preisträger ein, sehr wohl aber Nobelpreisträger aus – also da stimmt einiges nicht.

Wenn die Industrie – Teile der Industrie! – eine qualifizierte Zuwanderung fordert, dann ist das der falsche Ansatz. Das ist ein unnötiger Kniefall vor einer herannahenden wirtschaftsfeindlichen Regierung. Das wollen wir sicherlich nicht! Ein Unternehmen muss in der Lage sein – das muss man schon sagen, diesen Anspruch muss ein Unternehmer für sich selber haben –, in einem Pool von 500 Millionen Menschen Fachkräfte für sich zu finden. Offensichtlich geht es nicht, es funktioniert nicht ganz, das stimmt schon. Es liegt aber nicht daran, dass wir zu wenige Einwanderer haben, sondern daran, dass die Lohnnebenkosten viel zu hoch sind und wir den Mitarbeitern nicht mehr netto für brutto auszahlen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Digitalisierung: Das Internet, das ist das geniale Medium schlechthin und wird nicht umsonst als die Medienrevolution nach Gutenberg vor 500 Jahren genannt. Dieses Medium ist wichtig, denn Digitalisierung ist ja noch keine Erfindung. Die Digitalisierung selbst ist noch keine disruptive Technologie, wie es so schön heißt, also keine bahn­brechende Technologie, sondern erst die Ableitung daraus macht diese Technologie zur bahnbrechenden, zur disruptiven Technologie.

Sinnvoll nützen und nicht nutzlos verwenden heißt es.

Der Forschergeist zum Beispiel sei noch kurz erwähnt. Der Forschergeist muss und sollte auch gefördert werden. Wenn die Industrie einen Experimentierkoffer im Wert von 600 Euro pro Elementarschule in Wien zur Verfügung stellt und dann in der Ele­mentarpädagogik in Wien der Experimentierkoffer mit dem Werkzeugkoffer verwech­selt beziehungsweise überhaupt nicht verwendet wird und im Keller verstaubt, ist das sicher nur ärgerlich.

Digitalisierung ist auch keine Zettelwirtschaft. Wenn das ausgedruckte Papier, ein Schwarzweißpapier, das oft in den Schulen verteilt wird, weil es vom Internet down­geloadet wird, das Buch ersetzt, dann ist das auch der falsche Weg.

Für die Wissenschaft ist Digitalisierung sicherlich ein großer Beschleunigungsfaktor, der Beschleunigungsfaktor schlechthin, der die Forschung vereinfacht. Tolle Recherche­methoden sind die Onlinebibliothek, die digitale Bibliothek und ganz besonders die Suchfunktion im Text.

Fazit: Digitalisierung ist wichtig, aber es gilt, den richtigen Nutzen daraus zu ziehen. Ich muss manchmal auch wegen meines Berufs in Hotelzimmern verweilen, wo ich viele Fernbedienungen von Fernsehern sehe. Ich brauche drei Funktionen: Ein/Aus, den Kanal und die Lautstärke. Es gibt aber 100 Features – das braucht eigentlich niemand. Das ist aber interessanterweise in der Indexberechnung des Inflationsindex enthalten und mit ein Grund dafür, warum die Armut in Österreich immer mehr steigt, weil auf Basis technischer Features, die wir aber eigentlich nicht brauchen, die Teuerung wesentlich höher ist als die ausgewiesene.

Zusammenfassend und zum Ende kommend: sinnvolle Digitalisierung auf jeden Fall, nutzlose nicht; und die Mint-Fächer sind auf jeden Fall in ihrer Attraktivität zu stärken. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.11

Präsident Karl Bader: Als Nächster ist Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.