10.50

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (ohne Fraktionszugehörigkeit, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Herr Minister! Als ganz frisch gebackener Bundesrat freue ich mich zunächst einmal, hier zu sein. Ich war vorher Klubobmann der Grünen im Vorarlberger Landtag und dort gemeinsam mit einem Kollegen auch Verkehrs­sprecher, insofern ist das eine gute Gelegenheit, gleich ins Thema einzutauchen.

Ich kenne die Situation in Vorarlberg sehr gut. Zum einen wohne ich in dieser betrof­fenen Gegend im Unteren Rheintal , zum anderen habe ich mich als Verkehrssprecher natürlich intensivst mit Verkehrsfragen in unserem Bundesland auseinandergesetzt. Die Situation ist dort schon so, dass ein großer Teil von sehr dicht besiedelten Ge­meinden massiv vom Ausweichverkehr betroffen ist. Das ist, was den von Deutschland kommenden Verkehr betrifft, Lochau, das sind vor allem die Landeshauptstadt Bregenz und die Gemeinde Hard, wo sehr viele Richtung Schweiz durchfahren, die Gemeinde Lauterach, aus der ich komme, sowie Schwarzach und Dornbirn. Wenn man das dort kennt, vor allem natürlich auch zu Stoßzeiten und an Wochenenden, kann man sehr gut verstehen, dass dieser Antrag gestellt wurde, denn die Belastung der Anraine­rin­nen und Anrainer ist dort wirklich oft unerträglich hoch.

Der Antrag verfolgt auch eine richtige Stoßrichtung, nämlich den Verkehr – vor allem wenn es auch noch Durchzugsverkehr ist – möglichst lange auf hochrangige Straßen zu verlagern. Das ist verkehrsplanerisch völlig logisch und richtig, und genau das beabsichtigt natürlich dieser Antrag, in dem es darum geht, eben ein Teilstück der A 14 – das ist bei uns – von der Maut zu befreien und die Autos dort möglichst lange auf der Autobahn zu halten, nicht auf den Landesstraßen oder gar auf den Ge­meindestraßen. Jetzt ist klar, dass niemand ausschließen kann, dass es zu absolut keinen Verlagerungseffekten kommt. Das ist schon so, nur bin ich mir ganz sicher: Der Effekt im Rheintal ist, gar keine Frage, sicher ein positiver.

Da eingewendet wurde, dass Gäste irgendwie profitieren würden: Abgesehen davon, dass wir die Gäste ja auch wollen – das alles sind auch noch dazu Tourismus­bundes­länder –, profitieren aber vor allem die Anwohnerinnen und Anwohner. Das muss man schon einmal dazusagen, das ist der entscheidende Punkt.

Zu den Befürchtungen, die da jetzt vorgebracht wurden – es gibt ja eine Petition, Sie wissen das –: Offenbar hat sich die Vorarlberger FPÖ jetzt auch bei der Bundes-FPÖ oder bei der FPÖ im Bundesrat durchgesetzt; diese hat einen Entschließungsantrag eingebracht. Die Befürchtung, die vor allem von der FPÖ bei uns im Bundesland, vom Bürgermeister von Hohenems, und vor allem auch vom Lustenauer Bürgermeister kommt, teile ich überhaupt nicht. Hohenems ist davon praktisch gar nicht betroffen, mit Ausnahme der Autobahnabfahrt – das weiß man, dort gibt es einen Engpass; da gibt es bereits einen Baubeschluss, da wird der Kreisverkehr ausgebaut. Bei Lustenau verstehe ich es noch weniger, weil diese Mautbefreiung dazu führen wird, dass eine andere, höherrangige Route gewählt wird und die Route, die jetzt sehr stark belastet ist, über eine viel längere Strecke durch das Gemeindegebiet führt, als es bei der in Zukunft benutzten Route der Fall sein wird. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Eine Spitze muss ich jetzt schon loswerden – gerade in Richtung FPÖ und Bürger­meister Egger dort –, ich finde es erstaunlich: Er ist zum einen die Straßenbaupartei schlechthin und versteht zum anderen irgendwie nicht, dass dann plötzlich Verkehr entsteht, wenn man permanent Straßen baut; gleichzeitig ist genau er derjenige, der auf der Bremse steht, wenn es um eine sinnvolle Autobahnverbindung zwischen der Vorarlberger und der Schweizer Autobahn geht. Wo ist die Distanz zwischen den beiden am kürzesten? – Zufällig in seiner Gemeinde, und genau dort will er das natür­lich nicht haben. Ich halte diesen Zugang, der da jetzt verfolgt und von der FPÖ unter­stützt wird, schlichtweg für unsolidarisch.

Klar ist, dass das, was jetzt beschlossen wird, eine Notmaßnahme ist. Dafür haben wir Verständnis. Es ist nachvollziehbar, es ist selektiv, deswegen stimmen wir dem auch zu. Mit Klimaschutz hat das nichts zu tun, in keine Richtung, weder in die eine noch in die andere. Das spielt letztlich einfach keine Rolle. Wir werden deswegen nicht mehr Verkehr haben.

Jetzt gibt es Befürchtungen, die auch im Ausschuss vorgebracht wurden, dass damit eine Gefahr bestünde, dass das Vignettensystem ausgehöhlt werden würde. – Man muss ja nicht gleich Aushöhlung befürchten, wenn ein paar Ausnahmen gemacht werden; das kann man auch in Grenzen halten. Auch was den Ausfall der Einnahmen betrifft: Natürlich ist das viel Geld, keine Frage, auf der anderen Seite sind es 1,3 Prozent der Gesamteinnahmen der Asfinag.

Ich befürchte weniger eine Systemaushöhlung, sondern unser Zugang ist, dass das System selbst falsch ist. Es ist nämlich viel gescheiter, statt einen Fixbetrag für Straßenbenützung einzuheben, wie das mit der Vignette gemacht wird, endlich eine fahrleistungsabhängige Bepreisung einzuführen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das hat viel mehr mit den tatsächlich verursachten Kosten und natürlich auch mit der indivi­duellen Inanspruchnahme des Straßennetzes zu tun, wäre also eine viel sinnvollere Kostenorientierung.

Was heißt das? – Die Vignette gehört abgeschafft. (Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie gehört generell abgeschafft und durch ein anderes, fahrleistungsabhängiges System ersetzt. Es gibt dazu übrigens einen Beschluss in unserem Landtag. Eine Variante dazu ist, es auf die MÖSt umzulegen. Da ist es klar: Die verbrauchte Benzin­menge entspricht mehr oder weniger unmittelbar der zurückgelegten Strecke. Das wären übrigens 5 Cent pro Kilometer. (Bundesrat Spanring: Es gibt eh eine kilometer­abhängige ...!) Wenn man das machen würde, hätte das also eine Preisauswirkung von 5 Cent.

Ich verstehe den Entschließungsantrag der SPÖ, der auf eine fahrleistungsabhängige Bepreisung abzielt. Das sehe ich auch so und unterstütze es auch in der Zielsetzung. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Trotzdem: Wenn man das jetzt macht, haben wir dann natürlich einen völlig unüberschaubaren Fleckerlteppich in den Bun­desländern und in ganz Österreich. Ich komme noch einmal darauf zurück: Wir müssen wirklich Anstrengungen setzen, das ganze System über diese kleine Notmaß­nahme hinaus grundlegend zu reformieren.

Wir sprechen also hier nicht von einem verkehrspolitischen Wurf, das ist keine Frage. Das kann jetzt natürlich auch nicht das Ende der Verkehrspolitik und der Verkehrs­lenkung, der verkehrssteuernden Maßnahmen sein. Natürlich brauchen wir ganz grundlegend eine Verschiebung des Modal Splits – ich denke, da sind wir uns auch alle einig –, und dazu braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel.

Das machen übrigens auch die Klimaziele notwendig. Im derzeit noch im Entwurf befindlichen Nationalen Energie- und Klimaplan ist die Zielsetzung verankert, die Emis­sionen aus dem Verkehr bis 2030 um 7 Millionen Tonnen zu reduzieren. Das ist immerhin eine Reduktion von einem Drittel der Emissionen in zehn Jahren, und das braucht natürlich schon eine grundlegende Neuorientierung der Verkehrspolitik, für die wir uns selbstverständlich auch jetzt in den Verhandlungen einsetzen.

Dazu gehören Maßnahmen im Straßenbereich, wie Temporeduktionen auf Autobahnen und innerorts, ein konsequenter Ausbau von Busspuren – es ist wichtig, dass der Bus nicht im Stau steht, dass er am Stau vorbeifahren kann, wenn es einen gibt –, ein kon­sequenter Ausbau von Radrouten und mehr Platz für Menschen in Ortskernen und Städten. Es braucht generell eine Neuaufteilung des Raums zugunsten der Menschen, des sanften und des öffentlichen Verkehrs. Es braucht ein gescheites Parkraum­mana­gement und – no na! – gleichzeitig einen sehr intensiven Ausbau von Alternativen – sprich: des öffentlichen Verkehrs –, denn es geht ja darum, Mobilität zu sichern – man will Mobilität ja nicht behindern – und sie dann auch sicher zu gestalten. 50 000 Ver­letzte und 400 Tote im Jahr, das ist eigentlich eine unfassbare Bilanz! Es geht darum, den Verkehr sicherer, kostengünstiger – vor allem auch für alle leistbar, und zwar auch jenseits des Autos – und selbstverständlich ökologischer zu machen.

Da haben wir in den nächsten Jahren noch viel zu tun! – Danke. (Beifall bei Bun­des­rä­tIn­nen der ÖVP sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.)

10.59

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minister Mag. Andreas Reichhardt. Ich erteile ihm dieses.