14.13

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Bericht des Verfassungsgerichtshofes 2018 nehmen wir gerne zur Kenntnis. Be­merkenswert ist, dass aktuell nur die Hälfte der Verfahren vor dem Verfas­sungsge­richtshof mit all seinen Ressourcen, allen rechtswissenschaftlichen Mitarbeitern und Assistenzkräften Entscheidungen in gewöhnlichen Rechtsmaterien betreffen, von A wie Abfallwirtschaftsrecht bis Z wie Zahlungsdienstegesetz. Die andere Hälfte aller Entscheidungen betrifft allein Fremden- und Asylrechtsfälle, die von Fremden, vor allem natürlich von abgelehnten Asylwerbern, nach Abschluss eines rechtskräftigen Verfahrens an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden.

Wir reden hier also von Fällen, die die zuständige Asyl- und Fremdenrechtsbehörde bescheidförmig ablehnend entschieden hat und die bereits von unabhängigen Richtern des Bundesverwaltungsgerichtes noch einmal überprüft und – natürlich unter Berücksichtigung des verfassungs- und unionsrechtlichen Rahmens – mit Erkenntnis als rechtskonform bestätigt wurden. Zwei Instanzen haben also zu diesem Zeitpunkt schon entschieden, eine davon ein unabhängiges Gericht. Dennoch, meine Damen und Herren, werden diese rechtskräftig entschiedenen Asylfälle von freundlichen Helfern an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, die 50 Prozent seiner Res­sourcen blockieren, natürlich auch deshalb, um Abschiebungen zu verzögern und zu verhindern, um illegalen Einwanderern doch noch ein Bleiberecht zu ermöglichen – und das alles auf Kosten der österreichischen Steuerzahler, die sich ihre Gerichts­verfahren meistens selbst bezahlen müssen. Das ist Ausdruck dieser NGO-Zuwan­derungsmaschinerie, die von uns Freiheitlichen schon seit Jahren und Jahrzehnten kritisiert und von allen anderen Fraktionen in diesem Haus unterstützt oder still­schweigend protegiert wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Lassen Sie mich noch ganz kurz auf das aktuelle Erkenntnis des Verfassungs­gerichts­hofes zur Sozialhilfe Neu eingehen, das auch meine Vorrednerin angesprochen hat! Erstens ist es allgemeiner Konsens – ich hoffe, auch in diesem Haus –, dass Erkennt­nisse des Verfassungsgerichtshofes akzeptiert, umgesetzt und in der künftigen Gesetz­gebung berücksichtigt werden. Zweitens ist es meine persönliche Auffassung – ich hoffe, hier besteht auch darüber Konsens –, dass es zulässig ist, Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes auf fachlicher Ebene zu kritisieren, ohne dadurch die Legiti­mation des Verfassungsgerichtshofes infrage zu stellen und ohne deshalb die gebo­tene Umsetzung der Entscheidung infrage zu stellen.

Ich möchte nun aus den Entscheidungsgründen des Verfassungsgerichtshofes zitieren, und zwar nicht zum aktuellen Erkenntnis, sondern zum Erkenntnis betreffend Min­dest­sicherung, die oberösterreichische Variante der Mindestsicherung, aus dem Jahr 2018. Da führt der VfGH wörtlich aus – ich zitiere –: „Gerade bei Haushalts­gemeinschaften von Familien mit (vielen) Kindern ist auf die teils großen Synergieeffekte hinzuweisen, die sich etwa dadurch ergeben, dass die Besorgungen und Verrichtungen des Alltags typischerweise für die Familie insgesamt erfolgen und die Kinder in Familien, vor allem in großen bzw. sehr großen Familien, typischerweise altersmäßig gestaffelt sind, wes­halb das notwendige ‚Mehr‘, das für jedes weitere Kind zu beschaffen ist, mit der Zahl der Kinder abnimmt und den Aufwand pro Kind deutlich reduziert. [...] In diesem Zusammenhang darf auch auf die Erhöhung der Familienbeihilfe für jedes weitere Kind auf Grund der Geschwisterstaffelung hingewiesen werden.“

Eine „Regelung, die je Haushaltsgemeinschaft einen Pauschalbetrag und ab einer gewissen Haushaltsgröße einen bestimmten, nicht unterschreitbaren Betrag je weiterer minderjähriger Person vorsieht“, gewährleistet, dass „unter Einbeziehung der hinzu­tre­tenden Familienleistungen für die jeweilige Haushaltsgemeinschaft insgesamt ein zur Vermeidung sozialer Notlagen ausreichender Betrag zur Verfügung steht“ und „nicht der – vom Verfassungsgerichtshof als unsachlich qualifizierte – Fall eintreten kann, dass der Lebensunterhalt für eine minderjährige Person im Rahmen eines Mindest­sicherungssystems ausschließlich mit der Familienbeihilfe bestritten wird.“

Zur degressiven Staffelung: Staffelungen zur Abgeltung des Mehraufwandes bei Min­derjährigen können zulässigerweise vom Gesetzgeber geregelt werden, erforderlich ist jedoch, dass die Familienbeihilfe zuzüglich eines gewissen Mindestbetrages pro Per­son gewährt wird. Daher hat der Verfassungsgerichtshof vor einem Jahr auch die Re­gelung der schwarz-blauen oberösterreichischen Landesregierung als verfassungs­konform bestätigt. Mit seiner nunmehrigen Entscheidung hat der Verfassungs­gerichts­hof eine rechnerisch völlig funktionsgleiche Regelung im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz aufgehoben. Kritik ist daher schon deshalb gerechtfertigt, weil sich der VfGH in einen auffallenden Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung gesetzt hat.

Die Rechtsfolge aus dem Erkenntnis ist klar: Die Länder sind nun frei, insoweit selbst Regelungen zu schaffen. Soll eine möglichst funktionsgleiche Ersatzlösung getroffen werden, die dem Grundgedanken des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes entspricht, bietet es sich natürlich an, genau jene Deckelregelung zu übernehmen, die der Verfas­sungs­gerichtshof betreffend das oberösterreichische Mindestsicherungsgesetz bereits be­stätigt hat. – So viel zu meinen fachlichen Anmerkungen.

Ich gratuliere natürlich der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion zu ihrem Anfech­tungserfolg vor dem Verfassungsgerichtshof. Sie haben zunächst sehr viele Punkte in diesem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz politisch kritisiert, juristisch aber nicht angefoch­ten – wahrscheinlich deshalb, weil Sie keine Erfolgsaussichten dafür gesehen haben. Von allen Regelungen, die Sie politisch kritisiert haben, haben Sie nun 13 Regelungen als verfassungswidrig angefochten. Der Verfassungsgerichtshof ist Ihrer Rechts­mei­nung in drei Punkten gefolgt. Alle anderen Regelungen – alle anderen zehn Regelun­gen – wurden bestätigt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann den naheliegenden Einwand schon hören: Alle anderen zehn Anfechtungs­punkte waren nebensächlich, waren relativ unwichtig. – Ich überlasse Ihnen jetzt selbst die Beurteilung, ob Sie die folgenden Regelungsaspekte des Sozialhilfe-Grund­satz­gesetzes als wichtig oder unwichtig bewerten wollen: der Ausschluss von Fremden mit Ausnahme von erwerbsaktiven Unionsbürgern und Asylberechtigten; die degressive Staffelung der Leistungen für Erwachsene samt Haushaltsdeckelungen für Wohnge­meinschaften; der Vorrang von Sachleistungen; die zwölfmonatige Befristung von Bescheiden; die verpflichtende Miteinbeziehung von Altfällen bis Mitte 2021 und die effektive Sanktionierung der Deutschlernpflicht für Zuwanderer, soweit sie Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen, bis auf das Niveau B1.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, all das wurde von Ihnen mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit angefochten. (Bundesrätin Schumann: Teile! So einfach ist das nicht!) Der VfGH hat die Verfassungskonformität aber bestätigt.

Was schreiben nun die Medien? – „Verfassungsgericht kippt türkis-blaue Sozial­hilfe­reform“; ein weiteres Zitat: „Nackenschlag für Türkis-Blau“. Das sind die Überschriften, meine Damen und Herren. Ich empfehle Ihnen einen Blick in die Historie der Min­destsicherung, die ja bisher in der alleinigen Verantwortung der Landesgesetzgebung war. Mindestsicherungsgesetze der Länder wurden bisher elfmal angefochten. In acht Fällen hob der Verfassungsgerichtshof angefochtene Regelungen auf – in acht von elf Fällen! Also in Vorarlberg, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich und – man höre und staune! – auch im Burgenland und auch in Wien wurden Regelungen zur Mindestsicherung als verfassungswidrig aufgehoben.

Ja, waren denn nun in Gesetzgebungsorganen in ganz Österreich nur Dilettanten am Werk oder haben sich, Frau Kollegin Grossmann, die Landesregierungen im Burgen­land und in Wien nicht um die Verfassungskonformität des Gesetzes, wie Sie es ausdrücken, „geschert“? (Bundesrätin Schumann: Das hilft alles nichts!) – Die Antwort kennen Sie bei nüchterner Betrachtung natürlich, meine Damen und Herren: natürlich nicht. Überall dort, wo die Gesetzgebung neue Wege beschreitet, und überall dort, wo schon aufgrund der Abstraktionshöhe der Materie ein verfassungsrechtlicher Grau­bereich zur Begründung der Sachlichkeit einer Regelung entsteht, ist es unmöglich, mit Sicherheit zu prognostizieren, ob eine neue Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof standhält oder nicht.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, in Bezug auf die Verfassungskonformität der Sozialhilfe Neu haben Sie sich insgesamt zehnmal geirrt (Bundesrätin Schumann: Geh!), die türkis-blaue Regierung hat sich dreimal geirrt. (Beifall bei der FPÖ. – Heiter­keit bei der SPÖ. – Die BundesrätInnen Schennach und Schumann: Das tut weh!)

Für diese drei punktuellen Regelungen, die nun aufgehoben wurden, können sehr leicht und werden auch sehr leicht Ersatzregelungen gefunden werden. Im Übrigen wurde das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wie gesagt bestätigt und ist nun auch natürlich im roten Bundesland Wien umzusetzen. Sie werden daher beispielsweise fremde Sozial­touristen, auch aus der EU, subsidiär Schutzberechtigte und ausreisepflichtige Perso­nen von der Mindestsicherung auszuschließen haben. Andernfalls wird das Min­dest­sicherungsgesetz in Wien insoweit mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit versehen und über kurz oder lang auch durch den Verfassungsgerichtshof aufzuheben sein. (An­haltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Novak: Das ist leider in die Hosen ge­gangen, Herr Mag. Dr.!)

14.22

Präsident Karl Bader: Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ist als Nächster zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.