14.22

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (ohne Fraktionszugehörigkeit, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Der Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes dokumentiert unseres Erachtens ein beeindruckendes Leis­tungspensum, vor dem man jedenfalls sehr großen Respekt haben darf und muss, wobei es ja nicht – unter Anführungszeichen – „nur“ um eine quantitative Leistungs­bilanz geht, sondern eigentlich geht es ja um viel mehr.

Der Verfassungsgerichtshof ist der Hüter der Einhaltung der Bundesverfassung, die Bundesverfassung ist ja immerhin das Fundament unserer Republik. Damit ist der Verfassungsgerichtshof eine der wichtigsten Einrichtungen überhaupt in unserem Land. Deswegen sind auch seine Arbeitsfähigkeit und Unabhängigkeit absolut unab­dingbar, weil ja kaum etwas so wichtig für ein funktionierendes Staatswesen in einem liberalen Staat ist. Das sehen wir so im Unterschied zur FPÖ, von der ich heute gehört habe, ein liberaler Staat sei kein Wert. Das sehen wir grundlegend anders. Und für einen liberalen freien Staat ist die Einhaltung der Grundrechte essenziell.

Ich lese Artikel 7 der Bundesverfassung vor, denn einige haben es ja notwendig, dass man das tut: „Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausge­schlos­sen.“ – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, wie die Erfahrung eben zeigt, ist es immer wieder ein Vorteil, dass der Verfassungsgerichtshof beispielsweise an diesen Artikel 7 erinnert – nicht nur daran erinnert, sondern aktiv nachhilft und korrigieren muss, sodass auch Grundrechte in diesem Land eingehalten werden.

Da hat es leider gerade die vorige Regierung oftmals nicht so genau mit der Verfas­sungskonformität genommen. Immer wieder wurden höchstgerichtliche Regelungen beanstandet und aufgehoben. Das allein zeigt eigentlich schon einen durchaus be­denklichen Umgang mit der Verfassung.

Immer wieder wurden vom Verfassungsgerichtshof – einige Beispiele sind erwähnt worden – diskriminierende und gleichheitswidrige Bestimmungen, gerade im Sozialbe­reich, aufgehoben, Beispiel Mindestsicherung, in mehreren Bundesländern. Vorgestern erfolgte das Erkenntnis zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Das war eine höchst erfreu­liche Entscheidung, die richtigerweise eine Ungleichbehandlung von Kindern und eine Reduktion von Sozialleistungen abhängig von Sprachkenntnissen untersagt.

Man ist es ja gewohnt, aber trotzdem, es geht mir immer noch so, es ist irgendwie unfassbar und entlarvend, was dann für Reaktionen kommen, vor allem seitens der FPÖ. Da gibt es offenbar die Haltung: Wenn einem etwas nicht passt, eine politische Haltung, dann wird gegen den Rechtsstaat ausgeholt, dann wird gegen den Verfas­sungs­gerichtshof ausgeholt, indem ihm Parteilichkeit unterstellt wird. So hat Kickl gesagt – den kennen Sie, glaube ich –, die „Verfassungsrichter hätten die Segel für eine sich abzeichnende schwarz-grüne Regierung gesetzt“. – Ich meine, das sind Aus­sagen, die einfach mit einer demokratischen, rechtsstaatlichen Haltung wirklich nicht mehr viel zu tun haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Wieso nicht?)

Herr Schilchegger, Sie versuchen, das jetzt eben schönzureden. Tatsache ist aber, dass ganz wesentliche Elemente des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, für die sich die FPÖ starkgemacht hat, einfach gekippt worden sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das nehmen wir eh zur Kenntnis! Man darf wohl darüber reden!) Ich gebe Ihnen einen guten Tipp, auch nach Oberösterreich: Schreiben Sie Mindestsicherungsregelungen aus anderen Bundesländern ab, aus Vorarlberg zum Beispiel! Diese Regelung ist verfassungskonform und sehr in Ordnung, auch jene aus Wien. Beide gehören sicher mit Abstand zu den besten Mindestsicherungslösungen, die wir haben und die wir auch gesetzeskonform hingebracht haben.

Einen weiteren Beweis dafür, wie Sie es mit dem Rechtsstaat halten, haben Sie vorhin angetreten, indem Sie sich darüber beschwerten, dass Menschen, die zu uns geflohen sind, den Instanzenzug in Anspruch nehmen, und sagen, es würde damit irgendwie der Verfassungsgerichtshof blockiert. Das finde ich einfach ein starkes Stück. Selbst­verständlich steht das jedem Menschen zu, die haben genauso das Recht, den Instan­zenzug auszuschöpfen. Ich danke den NGOs ausdrücklich dafür, dass sie den Men­schen, die sonst keine Hilfe bekommen, dabei helfen, sich für ihre Rechte einzusetzen. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger, Lackner und Schreuder.)

Vor rund einer Woche ist noch etwas Wichtiges gekippt worden, Teile des türkis-blauen Bürgerüberwachungspakets – auch das war ganz, ganz wichtig –, mit dem Bundes­tro­janer voran. Auch das war eine wichtige Entscheidung zum Schutz der BürgerInnen, zur Sicherstellung auch in der Verfassung verbriefter Rechte.

Das ganze Thema Gleichstellung in Österreich ist überhaupt dem Verfassungs­ge­richts­hof zu verdanken, der da quasi die Arbeit der Regierung gemacht hat und ganz, ganz wichtige Entscheidungen getroffen hat. Die wichtigsten Entscheidungen sind bereits zitiert worden, das wiederhole ich jetzt nicht.

Das zeigt auf, dass der Verfassungsgerichtshof ein wichtiger Anwalt der BürgerInnen und vor allem jener ist, die sich selbst nicht so gut wehren können, die nicht so eine starke Lobby haben. Nicht zuletzt deswegen gebührt dem Verfassungsgerichtshof ein sehr großer Dank für diese gute und absolut unverzichtbare Arbeit in diesem Staat. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger, Lackner und Schreuder.)

14.28