13.44

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Herr Vizepräsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen hier im Plenum! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und hier im Saal! Wir haben hier schon einiges vom Bundeskanzler und vom Vizekanzler über das Regie­rungsprogramm gehört. Vieles ist noch ein wenig vage, vieles noch in Form bloßer Überschriften. Ich bin da eher pragmatisch eingestellt: Wir werden diese Regierung an ihrem Handeln und an ihren Taten messen. Wir werden sie daran messen, was wirklich vorgelegt wird und was wirklich umgesetzt wird.

Nach der ersten Durchsicht der 326 Seiten des Programms hat sich aber bei mir ein gewisser Eindruck verfestigt: Die ÖVP konnte offensichtlich ihre Forderungen konkret und detailliert verankern. Grüne Punkte finden sich vor allem in Überschriften und in Absichtserklärungen, ohne Zeitplan und ohne Finanzierung.

Ich habe dafür auch ein paar Beispiele. Schauen wir in den Steuerbereich! Für Kon­zerne und Großverdiener sind 2 Milliarden Euro an Steuergeschenken drinnen: KÖSt-Senkung, Senkung des Spitzensteuersatzes, Erhöhung des Familienbonus, aber wie­derum nur für Gutverdiener oder jene, die am meisten davon profitieren. Die Pläne für eine ökosoziale oder ökologische Steuerreform sind hingegen ohne konkrete Maßnah­men und ohne einen konkreten Zeitplan geblieben.

Viele – ich sage es einmal so – Verschlechterungen, die durch die letzte Bundes­regie­rung vorgenommen wurden, bleiben den Menschen. Das sind der 12-Stunden-Arbeits­tag (Ruf bei der FPÖ: Gibt es nicht!), die Zerschlagung der Sozialversicherung und mehr Macht für die Wirtschaft (Ruf bei der ÖVP: ... eine Verbesserung!), die Retro­bildungspolitik sowie Studiengebühren für Berufstätige und, nicht zu vergessen, ein Vorhaben, das ganz oben auf der Agenda dieser Bundesregierung zu stehen scheint: Dem Vernehmen nach wollen Sie Menschen, die mindestens 62 Jahre alt sind und mindestens 45 Jahre gearbeitet haben, in Zukunft nicht abschlagsfrei in Pension gehen lassen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Unglaublich! – Beifall der BundesrätInnen Pisec und Steiner-Wieser.) Das finde ich weder fair, noch haben sich das die Menschen verdient. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Was geht mir in diesem Regierungsprogramm ab? – Es gibt keinerlei für mich ersicht­liche Vorhaben, wie Sie die derzeit 400 000 Arbeitslosen in Beschäftigung bringen wollen. Es gibt keine Ideen für eine moderne Arbeitszeit, Stichwort Viertagewoche. (Rufe bei der ÖVP: Die haben wir schon! Arbeitszeitflexibilisierung!) Es gibt keine Konzepte für eine Unterhaltsgarantie oder eine Kindergrundsicherung. (Ruf bei der ÖVP: Familienbonus!) Es gibt keine Ideen dafür, wie Einzelne mit wachsenden Ver­mögen einen gerechten Beitrag leisten. Auch im Bildungsbereich bleibt alles beim Alten.

In vielen Bereichen ist ein kurzer Blick ins Burgenland für diese Bundesregierung, glaube ich, nicht schlecht. Dort wurden unter Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und seiner Landesregierung die Aufgaben der Zukunft schon in Angriff genommen beziehungsweise sogar schon entsprechende Maßnahmen umgesetzt. (Bundesrat Spanring: Unter blauer Beteiligung! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Mit Blau!)

Der Herr Bundeskanzler hat vorhin das Thema Pflege als eines der wichtigsten The­men der Zukunft angesprochen. Im Burgenland wurde bereits 2019 ein umfangreiches Pflegekonzept umgesetzt. Seine Säulen sind der Ausbau der Pflegeheimplätze, die Gemeinnützigkeit der Pflege – mit dem Leid der Menschen darf kein Profit mehr gemacht werden –, die Unterstützung der 24-Stunden-Pflege sowie der Hauskran­ken­pflege durch das Land sowie der flächendeckende Einsatz von Pflegeberatern zur Unter­stützung der Pflegedürftigen und ihrer Angehörigen.

Jetzt kommen wir zum Highlight des burgenländischen Pflegeplans, das sind die pflegenden Angehörigen, die beim Land angestellt werden. Sie erhalten Entgelt für ihre Leistungen, soziale Absicherung, Pensionszeiten sowie auch Urlaub und Vertretung im Krankenstandsfall. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Novak: Bravo!)

Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung, schauen Sie sich dieses Pflegemodell an und lassen Sie vielleicht einiges der Expertise in Ihr Konzept einfließen!

Ich habe noch eine Anmerkung zum Bereich Bildung: Im letzten Jahr wurden der Gratiskindergarten und auch die Gratiskinderkrippe eingeführt. Das ist nicht nur eine bildungspolitische, sondern auch eine familienpolitische Maßnahme. Zusätzlich gibt es für Freiwillige kostenlosen Englischunterricht und natürlich auch die tägliche Bewe­gungsstunde.

Auch im Bereich des Klimaschutzes, der Energie, des Umweltschutzes sowie im Be­reich der gesunden Lebensmittel und der Landwirtschaft wurden neue Maßstäbe gesetzt. Damit auch die nächsten Generationen in einer intakten Umwelt und mit ge­sunden Lebensmitteln aufwachsen können, wollen wir das Land Burgenland als Bio­vorzeigeland etablieren und Schritt für Schritt auf Bio umstellen – auf dem Acker und auf dem Teller. Bis 2021 soll der Bioanteil bei den in Spitälern, Kindergärten und Schulen verwendeten Lebensmitteln auf 50 Prozent ausgebaut werden, und drei Jahre später soll es in diesen Einrichtungen nur mehr Bioessen geben.

Von der Biowende profitiert auch die Natur. Das Pestizid Glyphosat wurde in landes­nahen Betrieben und auch in sehr vielen Gemeinden verboten und wird nicht mehr verwendet. Der Düngemitteleinsatz wurde reduziert. Für viele Landwirte wurde ein Anreiz für die Umstellung auf Bio geschaffen, die Bäuerinnen und Bauern werden durch einen eigenen Bioschwerpunkt auch für diesen Umstieg ausgebildet.

Mehr als 150 Prozent des Stroms im Burgenland kommen aus Wind-, Sonnen- und Wasserkraft. Wir sind mit unserer Region Spitzenreiter in Europa, aber noch lange nicht am Ziel. Wir wollen speziell in den Bereichen Fotovoltaik und Elektromobilität noch weiter ausbauen (Beifall bei der SPÖ), aber die Maßnahmen für den Klimaschutz immer auch mit einem gewissen Hausverstand und mit Blick auf soziale Gerechtigkeit beziehungsweise soziale Absicherung umsetzen.

Ein letzter Punkt, den ich Ihnen aus dem Burgenland noch berichten möchte, ist, dass wir mit 1. Jänner einen Mindestlohn eingeführt haben, und zwar dort, wo es möglich war, nämlich im Landesbereich und im landesnahen Bereich. Das sind 1 700 Euro netto für jeden Bediensteten. Ein Jahr später, also mit 2021, werden auch alle Ge­meindebediensteten folgen. Wir haben für uns definiert, was Arbeit mindestens wert sein soll, und das sind mindestens 10 Euro netto pro Stunde. Man soll von der Arbeit auch leben können.

Es wäre mir ein ganz persönliches Anliegen, dass diese Bundesregierung auch Maß­nahmen in Richtung Privatwirtschaft setzt, damit wir das auch dort umsetzen können. Meines Erachtens wäre das eine Win-win-Situation. Die Menschen hätten mehr Geld in der Tasche, und das Geld würde aufgrund der steigenden Kaufkraft natürlich wieder in die Wirtschaft investiert werden. Zusätzlich würde der Staat erhöhte Mehreinnahmen lukrieren. Diese Mehreinnahmen könnten wir wiederum für eine Lohnnebenkosten­sen­kung auch für die Gewerbetreibenden verwenden.

Ich habe hier einige Vorschläge aus der erfolgreichen Arbeit im Burgenland einge­bracht. Schauen Sie sich diese Arbeit im Sinne der Menschen in dieser Republik noch einmal genau an! Diese Menschen haben sich eine gute Zukunft verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53

Vizepräsident Michael Wanner: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Ingo Appé zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Berichtigung nicht länger als 5 Minuten dauern darf und sich diese überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Be­hauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken hat.

Ich erteile Herrn Bundesrat Ingo Appé das Wort.