14.23

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich habe noch immer ein bisschen den Steiner im Kopf, deshalb - - (Bundesrat Steiner: Siehst ... ich bin nachhaltig! Nachhaltig! Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.) – Nein, als Pädagoge glaube ich, dass dich in jungen Jahren irgendein Kasperltheater (Bun­desrätin Mühlwerth: ... Tiroler ... sind alle da!), in dem alle geschrien haben: Kinder, links ist der Drache, links ist der Drache!, schwer geprägt hat – und das hat sich irgendwie durchs ganze Leben gezogen.

Kommen wir aber zum Parlamentarismus: Österreich hat eine gute und funktionierende Demokratie, das haben wir in den letzten Monaten gesehen, und deshalb gibt es auch unterschiedliche Rollen, die zu besetzen sind. Die einen regieren, und die anderen haben die harte Arbeit der Opposition. Der liebe Kollege Bader hat von der „Angst vor der Zukunft“ gesprochen. – Also als Vorsitzender des Zukunftsausschusses dieses Bundesrates kann ich nur sagen: Für Zukunftsfragen bin ich zuständig, und wir haben keine Angst! In diesem Sinne arbeiten wir auch mit Ihnen, Frau Ministerin Gewessler, sehr gerne zusammen, denn zum Beispiel wurde im Europarat anlässlich des Jubi­läums der Kinderrechtskonvention im November klar gesagt, dass ein Nichthandeln betreffend Klimaschutz eine aktive Kinderrechtsverletzung ist. In diesem Sinne sind wir hier auch zu allen Kooperationen bereit.

Ich muss aber auf der anderen Seite zugeben – da schon ein bisschen klar war, dass die Medien diese Koalition eintrompeten und zusammenführen –, dass das Aufwachen dann schon etwas überraschend war, nämlich wie es Bundeskanzler Kurz gelungen ist, das alte Programm von Türkis-Blau einfach auf den Verhandlungstisch zu legen und zu sagen: Vier Blätter sind frei!, und: Da, macht es! (Bundesrat Saurer: Er hat es geschafft!) Und dann kommt noch diese Zweiweltenthese: In der einen Welt leben die, die alles entscheiden und bestimmen, und dann gibt es noch den Vorgarten der sogenannten zweiten Welt. Ich glaube nicht, dass das sehr sinnvoll ist.

Als ich gehört habe, Türkis und Grün gehen zusammen, habe ich so darauf gehofft, dass mit den Dingen, die wir in den eineinhalb Jahren der türkis-blauen Regierung bekämpft haben, Schluss ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Na geh! Wieso ... das?!) Ich habe mich getäuscht! Man merkt ja auch, das alles wirkt weiter: Die Willkürhaft wird kommen; das Migrationspaket wird vorderhand mit Sicherheit nicht unterzeichnet werden; die Deutschklassen gehen weiter (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, Gott sei Dank! Es ist ja was Gutes!); die Kopftuchdebatte; die halbherzige Haltung gegenüber Eu­ropa – ja keine Budgeterhöhung, damit Europa entsprechend handeln kann – besteht weiter; und die ganze Migrationspolitikthematik geht ungebremst weiter.

Die Bildungsreform ist leider – ich habe bemerkt, dass Vizekanzler Kogler plötzlich einen kleinen Hänger hatte, als er die Bildungsreform bewerten sollte – die alte, die nach hinten gewandte. Wir hatten kurzzeitig eine Interimsbildungsministerin, und da kann ich nur sagen: Alle Achtung, sie hat tolle Arbeit geleistet! Beim Familienbonus gibt es weiterhin einen Konstruktionsfehler. All das bleibt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Unsere Fraktionsvorsitzende hat aber gesagt – und das, glaube ich, haben wir immer bewiesen –, dass wir eine faire und konstruktive Opposition sein werden, deshalb will ich ein paar Dinge besonders hervorheben, die meiner Meinung nach gelungen sind.

Ich bin froh, dass der Pflege – das wird eine der gigantischsten Herausforderungen – so breiter Raum eingeräumt wird und sogar ein Ministerium dies im Titel führt. Ich bin froh – schon von meiner Geschichte her, von meiner Biografie –, dass die Entwick­lungszusammenarbeit zum ersten Mal in einem Regierungsprogramm Hand und Fuß hat, auch wenn wir sie erst noch beziffern müssen. Open Data – da haben wir viel diskutiert, viel gekämpft –, Frauenhäuser – das ist alles sehr positiv.

Beim Klimaschutz werden wir warten müssen, was wirklich und konkret kommt. Dass das eine prioritäre Sache ist, dass das wichtig ist, denkt – bis auf die FPÖ –, glaube ich, jeder.

Auf der anderen Seite gibt es ein paar Dinge, von denen man sich fragen muss, wie denn das passieren kann. Türkis-Blau hat die Regierungstätigkeit mit der Abschaffung der 20 000 Stellen für ältere Beschäftigungslose begonnen. (Zwischenruf der Bundes­rätin Steiner-Wieser.) Türkis-Grün beginnt mit dem Versuch, die Hacklerregelung ab­zu­schaffen. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Eder-Gitschthaler und Schulz.) Jedes Mal steht eine antisoziale Maßnahme am Start einer Regierungsbildung. Das Soziale in diesem  Regierungsprogramm muss man sowieso mit der Lupe suchen. (Bundesrat Köck: ... Hundstorfer ...!)

Dann kommt noch die etwas sehr seltsame Einteilung und seltsame Aufgabenver­tei­lung: Dass dem Sozialministerium die Kernkompetenz verloren gegangen ist – Arbeit, Arbeitsinspektorat, Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenschutz –, ist eine Katastrophe. Dass zum Beispiel das Landwirtschaftsministerium nun zum Gemischtwarenladen mit Zivildienst, Landwirtschaft, Tourismus, Post und Telekom wird – vielleicht fallen uns noch ein paar Dinge ein; ich habe gehört, dass einige Zeit versucht wurde, auch noch den Bergbau in die Landwirtschaft zu ziehen –, macht irgendwie keinen Sinn. (Zwi­schenrufe der BundesrätInnen Eder-Gitschthaler, Köck und Preineder.)

Ich will aber dann doch noch zu ein, zwei Leuten einige Sachen sagen: Lieber Magnus, ich freue mich auf spannende Debatten – wie wir sie schon hatten – über erneuerbare Energie. Das war immer sehr fruchtbar, und ich glaube auch, dass wir da immer einen sehr, sehr guten, immer die gleiche Linie verfolgenden Zugang hatten.

Liebe Alma Zadić, wir kennen uns: nicht nur, weil eine Hälfte meines Herzens für Bosnien schlägt – auch als Biograf von Ivica Osim –, sondern weil wir auch in der entsprechenden parlamentarischen Freundschaftsgruppe waren. Uns beide hat immer wieder – wie soll ich sagen – die Traurigkeit angesichts dessen, was mit diesem Land in der Mitte des Balkans los ist und die Überzeugung, dass wir da Perspektiven finden müssen, begleitet.

Korinna Schumann hat eines gesagt: Wir werden, was diesen Shitstorm in den Social Media betrifft, wie deine eigene Fraktion hinter dir stehen, denn das ist widerlich, und das gehört auch ganz klar und deutlich ausgedrückt. (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrätin Mühlwerth: In alle Richtungen!) – Shitstorm ist Shitstorm, liebe Frau Mühlwerth (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, eben! Genau!), das andere kannst du, wenn dir das so ein großes Bedürfnis ist, mit deinem Sitznachbarn besprechen.

Ich möchte aber auch noch zu Rudi Anschober sagen - - (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Rösch: Das war aber jetzt schon - -! – Bundesrat Spanring: Man merkt die Ernsthaftigkeit! – Bundesrat Rösch: Das ist jetzt schon unter deiner Würde gewesen!) – Nein, sie will etwas Bestimmtes, und ich habe - - (Bundesrat Rösch: Dann beleidige sie nicht! Ich halt’ das aus, aber Respektlosigkeit ist einfach keine Tugend! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Na komm! Es ist okay, es ist okay! Ich höre normalerweise Arbeiterkämmerern mehr zu als dir jetzt.

Trotzdem, lieber Rudi Anschober, möchte ich auch dir für deine Initiative – keine Ab­schie­bung von Lehrlingen –, die ich mir erlaubt habe, von Anfang an zu unterstützen, ein Kompliment machen. Ich hoffe, dass das, auch wenn das nicht in deine Zustän­digkeit fällt, trotz dieses Migrationsspeech, der da wieder aufkommt – der freiheitlich geprägte Migrationsspeech im türkisen Lager –, so bleibt und dass wir das wirklich durchsetzen können.

Nicht zuletzt möchte ich der Regierung Bierlein und ihrem Team herzlich danken. Da waren einige ganz außergewöhnliche Dinge dabei. (Bundesrat Saurer: Salzburger Fest­spiele!) Ich erinnere mich an Frauenministerin Ines Stilling, ich erinnere mich an die Bildungsministerin, ich erinnere mich aber auch an Verteidigungsminister Starlinger, der in einer bemerkenswerten Weise für sein Aufgabengebiet und für das Bundesheer gekämpft hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Das war, glaube ich, auch ein ganz wichtiges Signal dafür, wie unsere Verfassung und wie unsere Demo­kratie funktioniert.

In diesem Sinne gibt es zwischen uns eine Aufgabenteilung: Wir sind die Opposition, ihr seid die Regierung, aber wir werden uns eure Taten anschauen. Wir werden Taten einfordern und wir werden auch Taten, die Hand und Fuß haben, im Bereich des Klimaschutzes einfordern, und nicht nur die KÖSt-Senkung zu Recht kritisieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.34

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte.