15.06

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte verbliebene Mitglieder der Bundesregierung! Schön, dass Sie hier im Saal geblieben sind und damit auch dem Bundesrat Ihre Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Es ist erfreulich (in Richtung des den Saal betretenden Vizekanzlers Kogler), dass der Herr Vizekanzler wieder den Raum betritt – er sei auch herzlichst begrüßt!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Bundesministeriengesetz-Novelle wird die Koalitionsvereinbarung gewissermaßen in konkrete Formen gegossen. Man sieht auf den ersten Blick, dass diese Formen unterschiedlich groß sind. Die ganz großen Formen sind türkis/schwarz, die kleineren Formen sind grün. Die Größe dieser Formen definiert sich in erster Linie aus den Gestaltungsmöglichkeiten im Ressort. Diese Gestaltungsmöglichkeiten – um bei der Metapher der Formen zu bleiben – wer­den von den Kompetenzbestimmungen in der Bundesverfassung und den dahin­terlie­genden Ressourcen bestimmt, und so ist eben diese Kompetenzverteilung zu lesen und zu bewerten.

Da ist ganz klar ersichtlich, wo der Schwerpunkt der Macht liegt, nämlich eindeutig bei der ÖVP. Die Hebel der Macht sind in Händen einer Partei, gerade wenn man sich ansieht, dass die Sicherheitsressorts Inneres und Verteidigung mit den riesigen Appa­raten Polizei und Bundesheer – den bewaffneten Körpern sozusagen – in Händen einer Partei sind. Das Finanzressort ist bei der ÖVP. Das könnte die Auswirkung haben, dass die Ressortministerinnen und -minister sagen, was geschehen soll, aber der Finanzminister entscheidet, ob es geschieht. Das ist mitunter gelebte Praxis; wir werden sehen, wie sich das in der Praxis gestaltet. Ich hoffe, dass die grünen Regie­rungsmitglieder entsprechend standhaft und auch wehrhaft sind, um die Begehr­lichkeiten der ÖVP – die sich schon abzeichnen –, die Macht weiter auszu­dehnen, im Zaum zu halten.

Der Herr Vizekanzler – geschätzter Werner Kogler! – hat in seiner Rede heute den Föderalismus sehr hervorgehoben, nicht nur aus Höflichkeit gegenüber dem Bun­desrat, denke ich – weil wir natürlich die Verteidiger und Verteidigerinnen des Födera­lismus sind –, sondern auch aus gutem Grund, aus pragmatischem Grund, weil gerade die Ressortverantwortlichen im Sozialbereich, aber auch im Umweltbereich ganz be­sonders auch mit den Herausforderungen des Föderalismus beschäftigt sein werden. Es sind gerade diese Ressorts, die zwar große Überschriften haben – das klingt alles sehr eindrucksvoll; es ist heute auch schon zelebriert worden, wie groß die Ressorts denn sind –, in denen aber sehr viele Verantwortungsbereiche eben geteilte Kompe­tenzen haben beziehungsweise sind die Kompetenzschwerpunkte bei den Ländern angesiedelt. Das macht es natürlich sehr, sehr schwierig, die angestrebten Ziele, gerade im Bereich Klimaschutz, aber auch im Bereich Soziales, tatsächlich zu er­reichen.

Ich möchte da gerade auf das Sozialressort Bezug nehmen: Da ist das bundes­politische Herzstück Arbeit – die gesamte Arbeitsmarktpolitik, das Arbeitsrecht und alles, was dazugehört, das rein in der Bundespolitik verankert ist – herausgelöst und in die Hände der ÖVP gegeben worden. Das, was unter anderem im Sozialressort ver­bleibt, ist der zweifellos wichtige Themenbereich Pflege. Dabei ist es lobend zu erwäh­nen und anzuerkennen, dass die Pflege erstmals in einem Bundesressort namentlich genannt wird. Ich stehe nicht an, das auch wirklich anzuerkennen; das ist ganz, ganz wichtig, denn wir wissen, dass die Pflege eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist. Ich hoffe, dass da tatsächlich Bundesverantwortung übernommen wird, näm­lich auch Verantwortung finanzieller Natur.

Was weiters im Sozialressort verblieben ist, ist das klassische Sozialwesen, Gesund­heitswesen, Konsumenten-, Konsumentinnenschutz. Bis auf den Konsumenten-, Kon­su­mentinnenschutz sind die anderen verbliebenen Themenbereiche aber wie gesagt in der primären Zuständigkeit der Länder und auch die Ressourcen sind dort angesiedelt. Da denke ich mir manchmal: Fast hätte der sehr geschätzte Rudi Anschober ja gleich Landesrat bleiben können, denn jetzt kann er teilweise den Kopf für etwas hinhalten, was er nicht wirklich unmittelbar gestalten kann. Er kann zwar bei den Landesreferen­tenkonferenzen, zu denen er sicherlich höflich eingeladen werden wird, versuchen, zu koordinieren, aber gestalten kann er nur, wenn es bundesseitig auch Ressourcen gibt, wenn es entsprechend Budget für die angestrebten Maßnahmen gibt. Das liegt wie­derum am ÖVP-Finanzminister.

Da ist also in sehr vielen Bereichen die Gefahr offenkundig, dass unter Umständen die Rechnung ohne die Wirte gemacht wird – das geht de facto auch gar nicht – und dass man sich da dann sehr oft, gerade in den Ressortbereichen der Grünen, im Kreis be­wegt und vielleicht weniger weiterbringt, als man es ursprünglich vorhatte, als man es jetzt auch sehr ambitioniert verkündet hat.

Dass die gesamte Arbeitsmarktpolitik da herausgenommen wurde, ist erschütternd, weil tatsächlich schon auch die Gefahr besteht, dass die arbeitnehmer-, arbeitneh­merinnenfeindliche Politik von Schwarz-Blau ungebremst fortgesetzt werden könnte. Diese Gefahr ist evident, denn alle bundesgesetzlich zu regelnden großen Bereiche – Arbeitszeitgesetz, Arbeitnehmer-, Arbeitnehmerinnenschutzbestimmungen, Arbeits­recht, natürlich auch das AMS mit den dahinterstehenden Ressourcen – sind jetzt in die Hände der ÖVP gegeben worden. Gerade da gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, die sehr, sehr groß sind.

Gerade im Bereich der Arbeitsmarktförderung stellt sich natürlich die Frage: Wie schaut das dann aus? Gibt es da eher betriebsnahe Unterstützung oder gibt es weiterhin die bewährte überbetriebliche Qualifizierung? Wie schaut es mit der Frauen­förderung aus? Es gab bis vor Kurzem 50 Prozent Zweckbindung der AMS-Mittel für Frauenförderung. Wird es das weiter geben? Wird es das wieder – muss man eigent­lich korrekterweise sagen – geben? Aus dem Regierungsprogramm ist das nicht herauszulesen. Gibt es Schwerpunkte für ältere Arbeitslose? Wie sieht das aus?

Da möchte ich wirklich an die neue Arbeitsministerin appellieren, den Begehrlichkeiten der Konzerne zu trotzen und auf der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch auf der Seite der Familien zu stehen. (Bundesministerin Aschbacher nickt.) Wir kennen uns ja schon aus der Steiermark. Also ich hoffe, dass Sie Ihren Ressort­verantwortungen und dem Titel Ihrer Ressorts wirklich gerecht werden. Ich wünsche Ihnen dafür viel, viel Kraft und auch die entsprechende Unterstützung – wenn auch das Regierungsprogramm diesbezüglich schon Sorgen aufkommen lässt, etwa wenn das Zeitwertkonto propagiert wird, wo zu befürchten ist, dass Überstunden unter Um­ständen künftig kaum mehr abgerechnet werden können, was Realeinkommens­ver­luste für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeuten könnte.

Die Frauen wurden mit der Ressortaufteilung – das wurde schon angesprochen – quasi als Anhängsel fast abgewertet und zum Integrationsressort dazugeschoben. Das entspricht nicht gerade einer großen Wertschätzung für Frauen, dass 51 Prozent der Bevölkerung fast als eine zu integrierende Minderheit wahrgenommen werden. Da sage ich schon: Frauen haben ein Recht darauf, dass im Sinne der Chancen­gerech­tigkeit die Strukturen so geschaffen werden, dass ein gleichberechtigter Zugang zu Einkommen, zu Vermögen, zur Macht und zur Verantwortung gewährleistet ist. Das ist aktive Frauenpolitik. Ich hoffe schon, dass sich die Grünen in der Regierung auch dafür einsetzen werden, denn im Regierungsprogramm ist eine frauenpolitische Handschrift nicht wirklich erkennbar. (Rufe bei der ÖVP: Geh!)

Ich möchte, trotz aller Kritik und Konstruktionsfehler, den Regierungsmitgliedern den­noch alles Gute im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher wünschen. Viel Kraft! Sie haben einen Vertrauensvorschuss verdient, diesen möchte ich Ihnen auch mitge­ben. Bei diesem Bundesministeriengesetz haben Sie es zwar sehr schwer, deshalb stehen wir dem auch sehr kritisch gegenüber, aber ich wünsche Ihnen viel, viel Kraft im Sinne Österreichs. (Beifall bei der SPÖ.)

15.16

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr dieses.