9.58

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Zu Beginn darf ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen, sehr geehrter Landeshauptmann, zum Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz zu gratulieren und für diese Aufgabe alles Gute und Erfolg wünschen – Erfolg im Sinne des Titels Ihrer heutigen Erklärung hier im Bundesrat: „Miteinander Zukunft gestalten“.

Diese drei aneinandergereihten Wörter lassen je nach Interessenlage eine Unmenge an Interpretationsspielräumen hinsichtlich Themen und Arbeitsfeldern sowie vor uns liegenden Herausforderungen zu. Zerlegt man den Slogan aber in seine Einzelteile, wird der Spielraum schon etwas enger.

Das Wort miteinander zum Beispiel gibt klar vor, dass es keine Einbahnstraße sein kann: Miteinander heißt gemeinsam, heißt Bündelung aller Kräfte. Nicht der Bund, nicht die Länder, nicht die Städte und Gemeinden können in Alleinunterhaltermanier die so vielschichtigen Lebensbereiche der Menschen in unserem Land bedienen. Viele der Herausforderungen, die uns in der Lebensrealität der Menschen begegnen, sind eben nur gemeinsam und miteinander zu bewältigen. Da fällt mir als Beispiel gleich der große Themenkomplex Pflege ein; dazu aber später noch mehr.

Dann haben wir noch das Wort Zukunft: Der Fokus ist da ganz klar auf das vor uns Liegende gerichtet; da braucht es den Mut, auf Basis der Erfahrungen Bewährtes beizubehalten und allenfalls weiterzuentwickeln, oder wenn es notwendig ist, völlig neue Wege zu gehen. Dabei wird es auf die richtige Mischung ankommen: Gutes bewahren, wo es funktioniert, und Neues vorantreiben, wo es notwendig ist.

Um das Wortspiel zu beenden, komme ich nun zum Gestalten. – Nur wer das Gefühl hat, sich aktiv einbringen zu können, wird und will ein wichtiger Teil des Ganzen sein. Freiräume, Selbst- und Mitbestimmung, ernst genommen werden, das sind die Zauber­wörter einer funktionierenden Gesellschaft, und nur so wird es auch möglich sein, aus dem unendlich großen Potenzial der besten Ideen zu schöpfen.

Beim Thema Gestalten denke ich als Bürgermeister in erster Linie an die Gemeinden und folglich an unsere ländlichen Regionen, das ist nämlich der unmittelbare Lebens­raum, den die Menschen als ihre Heimat empfinden. Auch wenn es dort den eigenen Wirkungskreis, die sogenannte Gemeindeautonomie gibt, hat man gar nicht so selten den Eindruck, dass diese niedergeschriebene Selbstbestimmung in der Praxis noch ausbaufähig ist. Regelwerke und Vorgaben der Länder sind das eine, die meist engen finanziellen Gürtel sind das andere.

Das soll jetzt aber bitte nicht heißen, dass jeder tun und lassen kann, was er will, ganz im Gegenteil! Es braucht Aufsicht, es braucht Kontrolle, aber im richtigen Ausmaß. Manchmal scheitert es an der möglichen Nutzung der Spielräume und an deren Aus­legung – und dann ist da noch die Sache mit dem Geld: Alle wollen und brauchen es, keiner hat es, könnte man hier ironisch bemerken. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz so ist es Gott sei Dank nicht, aber ganz klar ist, dass sich die Gemeinden nach einer finanziellen Stärkung sehnen, um ihren Aufgaben, die nämlich ständig mehr werden, gerecht zu werden und ihre Selbstbestimmung auch in materieller Hinsicht leben zu können.

In Oberösterreich hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren einiges getan. Mit der Gemeindefinanzierung Neu wurde Transparenz in das System gebracht, und das ist auch gut so, es gibt aber dort und da noch Verbesserungspotenzial. Meines Wissens wird da an einer Evaluierung gearbeitet. Als Gemeindevertreter hoffen wir auf schnelle und gute Ergebnisse, die die Gemeinden auch wirklich spürbar stärken.

Jetzt möchte ich noch drei Themenbereiche ansprechen, die zweifellos zu den großen Herausforderungen der Zukunft gehören.

Erstens – es wurde schon erwähnt – die Pflege: Wir alle kennen die Probleme in der Pflege, die sich exemplarisch auch in meinem Heimatbezirk Rohrbach sehr deutlich zeigen: lange Wartelisten für einen Altenheimplatz bei gleichzeitig leer stehenden Betten, weil das dafür notwendige Personal fehlt und zunehmend auch die Finanzie­rung schwieriger wird.

Was muss geschehen? – Einerseits muss der Pflegeberuf aufgewertet und der Pflege­schlüssel verbessert werden, andererseits müssen bürokratische Hürden durch den Gesetzgeber abgebaut werden. Der Pflegejob bringt eine hohe psychische und körper­liche Belastung mit sich; das Personal braucht Anerkennung und Entlastung. Es ist doch bezeichnend und traurig, wenn in diesen Tagen die Beschäftigten im Pflege­bereich, von denen wir viel zu wenige haben und die wir so dringend brauchen, Kampf­maßnahmen ergreifen müssen, um gehört zu werden.

Ein weiteres finanzielles Problem ist durch den verminderten Mittelfluss als Ersatz für den Pflegeregressentfall entstanden. Da braucht es dringend Nachbesserungen, sonst verursacht das einen Abgang in den Budgets der Gemeinden. Ich weiß, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, wir sind naturgemäß nicht immer einer Meinung, aber in diesem Fall sind wir geeint. Sie sind im Kampf ums Geld sehr aktiv; ich kann Ihnen nur wünschen, dass Sie sich nicht abschütteln lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Bereich betrifft die hausärztliche Versorgung. – Obwohl wir in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern eine sehr hohe Ärztedichte haben, wird es in der Stadt und am Land immer schwieriger, Nachfolger für die Hausarztpraxen zu finden. Ein zukunftsreicher Ansatz sind da Primärversorgungszentren. Auch in diesem Zusam­menhang ist Oberösterreich Vorbild, nichtsdestotrotz ist es unabdingbar, den Ausbau solcher Zentren flächendeckend voranzutreiben.

Die schwarz-grüne Regierung hat sich meiner Meinung nach wenig ambitioniert 75 solcher Zentren zum Ziel gesetzt – eine Zahl, die schon vor Jahren von der dama­ligen und leider viel zu früh verstorbenen Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser gefordert wurde. In meiner Gemeinde gibt es seit zwei Jahren eine Primärversorgung. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass diese moderne Form der Gesundheitsversorgung höchst erfolgreich ist und von den Patientinnen und Patienten sowie von den dort praktizierenden Ärzten und Therapeuten sehr geschätzt wird – umso wichtiger werden der schnelle Ausbau und die finanzielle Unterstützung dieser Initiativen sein.

Als Verkehrssprecher möchte ich als dritten Punkt noch den Ausbau der Infrastruktur ansprechen. Dieser ist nicht nur eine wichtige Maßnahme für den Klimaschutz, er ist auch den Menschen, die leider mehr und mehr Zeit auf der Straße und im Stau ver­bringen müssen, geschuldet. Herr Landeshauptmann, Sie kennen die Situation des öffentlichen Verkehrs in Oberösterreich bestens. Gerade das Mühlviertel ist da, das ist auch belegbar, erheblich benachteiligt. Seit Jahrzehnte warten wir auf die Donau­brücke, seit Jahrzehnte werden Schienenprojekte diskutiert und zig Studien gemacht – die später im Sand verlaufen. Die Situation ist vielerorts unerträglich, das Ende des jahrelangen Stillstands dringend notwendig.

Projekte wie die Modernisierung der Mühlkreisbahn – bitte mit Durchbindung an den Linzer Hauptbahnhof –, die Regiotram nach Gallneukirchen und Pregarten, die Sanie­rung der Summerauerbahn und vieles mehr, liegen auf dem Tisch. Es ist Zeit, sie auch umzusetzen. Die Regierung hat eine Nahverkehrsmilliarde versprochen, ein Teil dieses Geldes muss auch in Oberösterreich ankommen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ich ersuche Sie, sich für diese Zukunftsthemen starkzumachen. Es braucht keine Schuldenbremse, es braucht kluge Investitionen in die Zukunft, denn nur das eröffnet Chancen. Wenn Sie mit Ihrem Motto Miteinander Zukunft gestalten die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verstehen, können Sie sich der Unterstützung vieler Partner sicher sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.07

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Thomas Dim. Ich erteile dieses.